)linillSNI_NVIN0SHlllAls'^S3l H V H 3 H^L I B R AR I Es'^SMlTHSONIAN^INSTlTUl O Xi^osnlx Z " _i 2 ^ ^ 3 RAR I ES SMITHSONIAN INSTITUTION NOIinillSNI NVINOSHimS S^IHV« z r- ^ z r- 2 DiiniiiSNi NViNOSHiiiMS S3iavyan librar ies'^smithsonian institu _ > CO Z 3 RAR I ES SMITHSONIAN INSTITUTION NOIiniliSNI NVINOSHIIWS S3ldVyj ^ ^ CO — ^,_^ ^ ^ ^ :z ., CO 2% S3idvyai z iniüSNi'^NViNOSHiitNS S3idvyan libraries^smithsonian''instituti r— -:t _— -— r— w — CO _ CO JRARIES SMITHSONIAN INSTITUTION NOUniliSNI NVINOSHIINS S31HVHE ^ Z » CO Z CO ■^W inillSNI^NVINOSHilWs'^SS I d Vb 9 n\| B RAR I Es'^SMlTHSONIAN JNSTITUTI -^ -• 2 _J Z IRARIES SMITHSONIAN INSTITUTION NOIinillSNI NVINOSHimS S3IHVH5 — CO ± CO \ ^ linillSNI NIVINOSHill/MS S3IHVdan LIBRARIES SMITHSONIAN INSTITUT Z CO Z ,,.- . CO z ■ ■ L X ^ 1- 1^^ - mm Wamrf\ Wisseiisc'Iianiich-populäi'e Natiirgescliiclite der Saiigetliiere in ihren sämmtlichen Hauptformen. ' Nebst einer Einleitung in die Naturg^eschichLe überhaupt und in die lehre von den Thieren insbesondere. Von Leop. Jos. Fitzinger, Dr. der Pliilüs. iiiul Med., Cuslos- Ailjuiut am k. k. zoologischen Hof- Cabincto , Mifglieile der kais. Akademie der Wisseuschaftoii -zu Wien, ik-r kaig. LeopoIdiiüst-h-CaroIlnischen Akademie der Naturforsclier, der Akademien zu Pliiladelpliia und Ncaiicl, der natiirforscliendnn Gesellschaften zu Berlin, Halle, Leipzig, Frankfurt a. M. Freiburg, Nürnberg, Breslau u. s. w. I. Band. Wien, 1861. Aus der kaiserlich-köniirlichen Hof- und Staatsdruckerei. '3 V- ^i V r w r t. JJa es ungeachtet der grossen Menge der bereits veröfFent- lichten, mit Illustrationen versehenen Schriften, welche die Naturgeschichte zum Gegenstande haben, mit Ausnahme höchst kostspieliger Werke des Auslandes, noch immer an einem auch dem grösseren Publicum iwjgänglichen Werke gebricht, in welchem alle wichtigeren Formen sämmtlicher Familien der höheren Thierclassen in naturgetreuen Abbil- dungen enthalten wären, so hat die Direction der k. k. Hof- und Staatsdruckerei sich veranlasst gefunden, eine voll- ständige Reihe dieser Formen von einem sehr befähigten Künstler ausführen zu lassen und im lithographischen Far- bendrucke zu veröffentlichen, zugleich aber auch einen Text beizufügen, welcher dem neuesten Stande der Wissenschaft entsprechen, leicht fasslich und möglichst populär gehalten w^erden sollte, damit er für alle Classen des Fublicums an- wendbar wäre und zugleich als Hilfsbuch oder Leitfaden für Lehrer beim Unterrichte benützt werden kömie. Dieses Unternehmen erhielt auch in Anbetracht seiner Nützlichkeit die Genehmigung des hohen Ministeriums der Finanzen und wurde von demselben auf die örossmüthiöste o o Weise unterstützt. Mit Vergniioen habe ich, der an mich ergangenen AufForderung zu Folge, die Bearbeitung dieses Textes über- nommen, von welchem der erste Band, welcher eine Ein- leitung in die Naturgeschichte überhaupt und in die Lehre von den Thieren insbesondere, so wie die erste Abtheilung der Naturgeschichte der Säugethiere enthält, nunmehr der Öft'enthchkeit übergeben wird. Ich habe mir hierbei die Autgabe gestellt, vorzüglich die Lebensweise und den ganzen Haushalt, mithin die eigent- liche Naturgeschichte derselben in grösserer Vollständig- keit zugeben und auch dem wissenschaftlichen Theile, durch Aufstellung möglichst scharfer Lnterscheidungskeimzeichen der einzelnen (jruppen einigen Werth zu verleihen. Ob und in wie ferne es mir gelungen diese Aufgabe zu lösen und den Anforderungen, welche man an mich zu stellen berechtigt ist, zu entsprechen, wird die Aufnahme zeigen, welche meiner Arbeit beim grösseren Publicum zu Theil werden wird. Wien, 1800. Der Verfasser. Einleitung. Unter dem Worte Natur versteht man das gesammte Weltall; das ist, alle Welten oder Weltkörper zusammengenommen, zu welchen auch die Welt gehört, die wir bewohnen. Sie hat den allmächtigen Gott zu ihrem Urheber, der sie ge- schaft'en hat, erhält und nach ewigen, unveränderlichen Gesetzen regieret. Alle diese Welten, Avelche das gesammte Weltall ausmachen, bestehen aus festen, flüssigen und luftförmigen Stoffen, die durch unsere Sinne wahrgenommen werden können und die wir mit dem Namen Materie bezeichnen. Diese Stofte verbinden sich untereinander nach den ewigen Gesetzen Gottes auf die mannichfaltigste Weise und erscheinen in ihren einzelneu Verbindungen als eigenthümliche, selbstständige, höchst verschiedenartig gebildete Wesen, die theils die Welten selbst zusammensetzen, theils auf der Oberfläche derselben hervor- gebracht werden. Man nennt diese Wesen daher, weil sie nach göttlichen Ge- setzen hervorgebracht wurden und zusammengenommen die Natur ausmachen, natürliche oder materielle Wesen, oder mit einem anderen Worte Naturproducte. Jedes dieser Wesen hat seine besonderen eigenthümlichen Eigen- schaften und Merkmale, und diese Eigenschaften und Merkmale kennen zu lernen, die einzelnen Naturproducte von einander zu unterscheiden, nach ihren grössten Ähnlichkeiten an einander zu reihen, sie zu benennen und zu beschreiben , damit sie von Anderen wieder erkannt werden können, ist die Aufgabe einer besonderen Wissenschaft, welche man mit dem Namen Naturgeschichte bezeichnet. Die Naturgeschichte kann sich aber keineswegs mit allen natürlichen Wesen beschäftigen, sondern nur mit jenen, welche der (Naturgeschichte.) 1 \\\'\t ;iiiu't'liörcn , ;uif dor wir loltoii; denn von den Natiirprodiicten anderer Welten wissen wir nichts und können auch nie etwas erfahren. Die Natnrt»esclii('hte ist eine der schönsten und zut;leich auch nützlichsten ^^'issenschaften. Sie lehrt uns niclit nur allein die Natur- |u'odncte genau kennen und durch ihre unendliche Mannichfaltigkeit die Allmacht Gottes hewundern, welche jedes Wesen zu einem be- stinnnten Zwecke orschafTen und mit den nöthigen Eigenschaften ausge- rüstethat, um diesen hestimmten Zw eck zu erreichen, sondern sie macht uns auch mit jenen Eigenscliaften der Naturproducte bekannt, welche entweder zu unserem Nutzen oder zu unserem Schaden gereichen können. Der Mensch geliört ebenfalls in die Reihe der natürlichen Wesen und ist in Bezug auf seine körperliche Bildung und die hieran ge- knüpften Eigenschaften einem grossen Theile dieser natürlichen Wesen ähnlich. Gott hat ihn aber von allen übrigen, selbst ihm körperlich ähnlichen Wesen dadurch ausgezeiclmet, dass er ihm eine vernünftige, unsterbliche Seele gegeben Irat, durch welche er im Stande ist sich selbst und alle Naturproducte unseres Weltkörpers nach ihren ver- schiedenen Eigenschaften zu erkennen und durch diese Kenntniss die Allmacht Gottes einzusehen und zu bewundern. Durch diese vernünftige Seele, oder mit einem Worte ausge- drückt durch die Vernunft, ist der Mensch auf die höchste Stufe aller natürlichen Wesen gestellt und dazu bestimmt, über die ewigen Ge- setze, nach welchen die Natur regiert wird, zu denken, die Eigen- schaften und Verhältnisse aller Naturproducte seines Weltkörpers zu erforschen, dieselben zur Befriedigung seiner Bedürlfnisse zu ver- wenden und über sie nach den ihm gegebenen Kräften zu herrschen. Alle durch die Hand des Menschen aus den Naturproducten hervorgebrachten Dinge nennt man im Gegensatze zu den Naturpro- ducten, Kun s tp rod ucte, weil sie nicht durch den unmittelbaren Willen Gottes selbst hervorgebracht wurden, sondern aus einer in der Vernunft und Einbildungskraft des Menschen begründeten Vor- stellung liervorgegangen sind. Jedem Nalui'körper kommen gewisse Eigenschaften zu, welche ihm entweder ausschliesslich eigenthümlidi sind , oder welche er mit anderen Natnrkörpern gemein liat. Diese Eigenschaften, welche ein Naturkör[ier mit anderen gemein hat, sind bisM eilen solche , welche allen Naturkörpern ohne Ausnahme zukommen, wie z. B. Wärme, Schwere, Elektricität u. s. w. Solche Eigenschaften nennt man a 1 1 g- e m e i n e E i g e n s c h a f t e n und ihre Betrachtung gehört nicht in das Gebiet der Naturgeschichte, sondern in das einer anderen Wissenschaft, welche die Naturlehre oder Physik heisst. Die übrigen Eigenschaften hingegen nennt man besondere Eigenschaften und diese sind es, welche in das Gebiet der Naturgeschichte gehören , die auch Natu r- beschreibung genannt wird, weil sie sich vorzugsweise mit der Beschreibung dieser besonderen Eigenschaften der Naturkörper oder Naturproducte beschäftiget. Auf die Kenntniss der besonderen Eigenschaften der Naturpro- ducte ist auch die Eintheilung derselben gegründet, welche noth- wendig ist, um die ungeheuere Masse vonNaturproducten von einander unterscheiden zu können. Um eine solche Eintheilung zu bewerkstelligen, ist vor Allem nöthig, die Eigenschaften der einzelnen Naturproducte mit einander zu vergleichen. Aus dieser Yergleichung ergeben sich sodann die Unterschiede , welche wir an gewissen Merkmalen erkennen , daher auch diese Merkmale Unterscheidungs-Merkmale oder Un- ter s c h e i d u n g s - K e n n z e i c h e n genannt werden. Um eine Eintheilung der Naturproducte zu Stande zu bringen, ist es nöthig sie in ihren ursprünglichen, unveränderten Zuständen zu betrachten. Bei dieser Betrachtung stellen sich zunächst zwei Hauptverschiedenheiten unter denselben dar. Entweder sind sie aus ungleichartigen Theilen gebildet, das heisst aus Theilen zusammen- gesetzt, welche ein sehr verschiedenes Ansehen von einander haben, oder sie sind aus gleichartigen Theilen gebildet, das heisst aus Theilen zusammengesetzt, welche in ihrem Ansehen einander vollkommen gleich sind. Die ersteren, aus ungleichartigen Tlieilen zusammengesetzten Naturkörper nennt man organische Körper; und zwar aus dem Grunde, weil diese ungleichartigen Theile, aus denen sie bestehen, Organe darstellen; das heisst ein sehr verschiedenartig gebildetes Ge- webe von Zellen oder Röhren, innerhalb welcher sich eine Flüssigkeit bewegt, die zur Erhaltung dieser Naturkörper unumgänglich nöthig ist. Solche organische Körper sind daher fähig sich zu ernähren, durch Aufnahme einer Nahrung von Innen nach Aussen zu wachsen oder sich zu entwickeln und sieh weiter fortzupflanzen; das heisst, es sind Körper, welche leben. 1* 4 Die letzteren, aus gleichartigen Tlieilen zusammengesetzten Naturkörper hingegen nennt man unorganische Körper, weil die Theile, aus denen sie bestehen, keine Organe darstellen, sondern einander vollkommen gleich sind. Diese unorganischen Körper sind daher nicht fähig sich zu ernähren , von Innen nach Aussen zu wachsen oder sich zu entwickeln und sich fortzupflanzen; dass heisst, es sind Körper, welche leblos sind. Bei näherer Betrachtung der organischen Körper bieten sich wieder zwei Hauptverschiedenheiten unter denselben dar, nach welchen sie sich in zwei grosse Haufen sondern. Ein Theil derselben besitzt Empfindung und das Vermögen sich willkührlich zu bewegen. Beides beruht auf einer verschiedenartigen Ausbildung der Organe, aus denen diese Körper zusammengesetzt sind und diese auf eine solche Weise organisirten Körper nennt man Thiere. Ein anderer Theil der organischen Körper besitzt aber keine Empfindung und ist auch keiner willkührlichen Bewegung fähig. Man nennt diese organischen Körper Pflanzen. Die unorganischen Körper, welche in ihrer wesentUchen Bildung keine so grosse Verschiedenheit untereinander darbieten, wie die organischen, lässt man in einem einzigen grossen Haufen vereiniget und nennt sie Mineralien. Jene drei grossen Haufen oder Abtheilungen, in welche hiernach sämmtliche Naturkörper zerfallen, werden mit dem Namen Natur- reich e belegt ; und so neimt man alle Thiere zusammen genommen das Thi erreich, alle Pflanzen zusammen das Pflanzenreich und alle Mineralien das Mineralreich. Nach dieser Eintheilung der Naturkörper in drei Reiche zerfällt auch die Naturgeschichte in drei Abtheilungen; in die Naturgeschichte des Thierreiches oder die Lehre von den Thieren, welche man mit dem Worte Zoologie bezeichnet , in die Naturgeschichte des Pflan- zenreiches oder die Lehre von den Pflanzen, welche man mit dem Worte Botanik bezeichnet, und in die Naturgeschichte des Mineral- reiches oder die Lehre von den Mineralien, welche man mit dem Worte M i n e r a 1 o g i e bezeichnet. Naturgeschichte des Thierreiches oder Zoologie. Thiere sind jene organischen oder lebenden Wesen, welche em- pfinden und sich wilikührlich bewegen können. Diess sind die wesent- lichsten Unterschiede, wodurch sie sich von den Pflanzen unterscheiden. Es gibt zwar Thiere die so klein sind, dass sie dem freien Auge gar nicht sichtbar sind und nur mit Hülfe starker Vergrösserungsgläser oder Mikroskope wahrgenommen werden können ; andere Avelche auf Steinen , Pflanzen , ja selbst auf anderen Thieren so fest gewachsen sind, dass sie den Ort ihres Aufenthaltes ebensowenig zu verändern im Stande sind, als diess die Pflanzen zu thun vermögen. Aber sowohl diese kleinen, dem freien Auge unsichtbaren Thiere, als auch die festgewachsenen besitzen das Vermögen , sich oder einzelne Theile ihres Körpers nach freier Willkühr zu bewegen, was keine Pflanze zu thun im Stande ist. Es gibt zwar allerdings Pflanzen, Melche eine solche Bewegung zu haben scheinen; denn einige schliessen ihre Blätter oft schon bei der leisesten Berührung , andere ihre Blüthen beim Eintritte des Abends , wieder andere wenden ihre Blüthen oder Blätter stets der Sonne zu und folgen ihrem Laufe, indem sie sich immer gegen sie neigen. Aber alle diese Bewegungen sind keine willkührlichen, welche nur das Thier aus freiem Antriebe und zwar eben weil es das Vermögen zu empfinden besitzt , vorzunehmen im Stande ist, sondern es sind Bewegungen, die unwillkührlich , also nicht aus freiem Antriebe geschehen und blos durch den Reiz, welchen die Berührung oder das Licht auf gewisse Organe der Pflanzen ausübt, indem sie dadurch entweder zusammengezogen oder ausgedehnt werden , hervorgebracht werden. Als ein fernerer Unterschied, wodurch sich wenigstens die bei Weitem grössere Mehrzahl der Thiere von den Pflanzen auszeichnet, 6 kann hervorgehoben werden , dass fast alle Thiere ihre Nahrung nur durch eine einzige Öffnung, welche man den Mund nennt, in das Innere ihres Körpers aufnehmen, während sämnitliche Pflanzen ihre Nahrung durch eine grosse Anzahl solcher ÖfTiiungen in sich saugen. Der Körper der Thiere ist bei der unendlich grossen Menge dieser Geschöpfe aucli sehr verschieden gestaltet, doch ist er bei einer sehr grossen Anzahl derselben deutlich in drei Theile gesondert, nämlich in den Kopf, den Uunipf und die Gliedmassen. Da alle Thiere das Vermögen besitzen zu empfinden , sidi will- külirlich zu bewegen, sich zu ernähren und fortzuidlanzen, so müssen sie auch mit Organen versehen sein, welche geeignet sind, diese verschiedenen Lebenserscheinungen hervorzubringen. Aus diesem Grunde werden auch die thierischen Organe in r g a n e d e r E m p f i n düng, r g a n e d e r B e w e g u n g , r g a n e der Ernährung und Organe der Fortpflanzung eingetheilt. Die Bildung dieser verschiedenen Organe und die Art ihrer Ver- richtungen ist aber so ausserordentlich mannichfaltig, dass sie ein besonderes Studium erfordern, daher sie auch nicht in der Zoologie, sondern in zwei ganz anderen Wissenschaften abgehandelt werden, welche man unter den Namen Anatomie und Physiologie J)e- greift. In der Zoologie wird sich nur in so weit über dieselben ver- breitet, als zur wichtigsten Verständigung unumgänglich nöthig ist. Die Organe der Empfindung sind die Nerven oder die- jenigen Organe, durch welche ein Thier von den Dingen ausserhalb seines eigenen Wesens, oder mit einem Worte gesagt von der Aussenwelt, einen mehr oder minder lebhaften oder deutlichen Ein- druck erhält; das heisst, wodurch es diese Dinge wahrzunehmen im Stande ist. Dieses Wahrn ehmu ngs vermögen ist bei denjenigen Thieren, welche auf einer niederen Stufe ihrer körperlichen Aus- bildung stehen, das heisst, deren Organe sehr einfach gebildet sind, ein sehr geringes. Bei höheren Thieren liingegen , deren Organe eine zusammengesetztere Bildung zeigen, ist es aber fähig, in dem Thiere selbst eine Vorstellung zu erregen. Noch liöher organisirte Thiere vermögen sich sogar dieser Vorstellungen zu erinnern, ohne sich je- doch hieraus einen Begriff bilden zu können, und diese Thiere, welche ein solches Erinnerungsvermögen besitzen, nennt man Thiere mit Verstand oder verständige Thiere. Nur der Mensch allein ist im Stande aus den mittelsl (\n- Empfindungsorgane erhaltenen Eindrücken und Vorstellungen sich Begrifie zu bilden und dieses Ver- mögen ist es, welches ni;in mit der Benennung Vernunft hezeichnet. Eindrücke und Vorstellungen seines eigenen Wesens ist kein Thier zu erhalten fähig. Diese Erkenntniss seiner selbst, die man das Be- wusstsein nennt, besitzt lun- allein der Mensch und stellt ihn hoch über alle thierischen Wesen. Die Organe der Empfindung werden auch Si nnes werk zeuge genannt , weil sie das W a h r n e h m u n g s v e r m ö g e n oder die S i n n e zu erregen im Stande sind. Diese Erregung oder die Wahrnehmung der Dinge der Aussenwelt erfolgt in fünferlei Weise, wesshalb man auch fünf Sinne unterscheidet. Diese sind das Gefühl, der Ge- schmack, der Geruch, das Gehör, und das Gesicht, oder das Vermögen zu fühlen , zu schmecken , zu riechen . zu hören , und zu sehen. Bei keinem Thiere sind diese fünf Sinne in einer so gleich- massigen Vollkommenheit ausgebildet wie beim Menschen. Bei vielen Thieren ist ein einzelner dieser Sinne bisweilen höher entwickelt als die übrigen, ja manchmal sogar höher als selbst beim Menschen, während die übrigen Sinne weit in ihrer Ausbildung gegen diesen vollkommener hervortretenden zurückstehen. So gibt es Thiere, welche ein feineres Gefühl, einen feineren Geschmack oder Geruch, ein feineres Gehör, oder ein schärferes Gesicht haben als der Mensch; ihre übrigen Sinne sind aber dann sicher auch immer weit hinter der Ausbildung der- selben Sinne bei dem Menschen zurück. So wie die Thiere eine grosse Verschiedenheit in der Vollkom- menheit der Ausbildung ihrer Sinne zeigen, ebenso verschieden ist auch die Vollständigkeit derselben; denn es gibt sehr viele Thiere, welchen einer oder auch mehrere dieser Sinne gänzlich mangeln. Diejenigen Thiere, welche eine vollkommene Ausbildung der Siimeswerkzeuge und immer daher auch alle fünf Sinne besitzen, neimt man höhere oder höher stehende Thiere; jene, welche eine minder vollkommene Ausbildung der Sinneswerkzeuge haben und denen häufig auch ein oder mehrere Sinne mangeln, heisst man niederere oder tiefer stehende Thiere. Bei den ganz niederen , nur sehr einfach organisirten und daher am tiefsten stehenden Thieren, ist nur der Gefühlssinn allein voriianden, während alle übrigen fehlen. Dieser einzige Sinn reicht aber für das beschränkte Leben so einfach organisirter Wesen vollkommen hin, so 8 dass es nicht möglich ist, sie für die Zwecke ihres Lebens als man- gelhaft geschaffen zu betrachten. Bei genauer Untersuchung der ein- zelnen Organe hei den verschiedenen Tliieren, stellt sich unverkenn- bar ein gesetzmässiges Fortschreiten der gesammten Organisation von den niedersten bis zu den höchsten Thieren, in allmähligen Übergän- gen und in ununterbrochener Ausbildung heraus. Der Gefühls sinn ist allen Tliieren ohne Ausnahme eigen, aber auf die marniichfaltigste Weise bei denselben ausgebildet. Er beruht auf einer feinen Vertheiluiig der Nerven oder Nervenmasse. Bei sehr vielen und namentlich bei den niedersten Thieren, ist er über den ganzen thierischen Leib verbreitet; bei vielen andern hingegen, ist er aber vorzugsweise auf gewisse Theile des Körpers beschränkt, mittelst welcher jene Thiere durch Berühren oder Betasten der Gegenstände, sich von der Beschaffenheit und den Eigenschaften der- selben eine Wahrnehmung verschallen können. Solche Theile des thierischen Körpers, in welchen der Ihiuptsitz des Gefühlssinnes liegt, nennt man Tastorgane. Beim Menschen sind die Finger, insbe- sondere die Fingerspitzen , so wie die Innenfläche der Hände die Tastorgane; und es gibt kein Thier, welches an Vollkommenheit dieser Organe dem Menschen gleichkommt. Durch diese hohe Ausbil- dung der Hand , ist der Mensch allein im Stande , die Naturproducte zu Kunstproducten zu verwenden. Nur wenige Thiere haben Hände, welche zugleich Tastorgane sind. Häufig vertreten die Lippen, ins- besondere die Oberlippe, welche mit der Nase zu einer Schnauze verwächst, oder bisweilen gar in einen Rüssel verlängert ist, das Tastgeschäft der Hände. Oft sind es aber auch Bartfäden oder sonstige Anhängsel in der Mundgegend, die man bei den niedereren Thieren bald Fidilhörner, bald Fühlfäden nennt, welche denselben als Tast- organe dienen. Bei jenen Thieren , welchen besondere Tastorgane fehlen, ist die Haut allein das Organ des Gefühlssinnes, Der Geschmackssinn hat bei den höheren Thieren seinen Sitz in der Zunge, welche mit zahlreichen Wärzchen bedeckt ist, in denen sich besondere Nerven, die man Geschmacksnerven nennt, verzweigen. Bei niedereren Thieren, welche keine Zunge besitzen, sind es die inneren Theile der Mundhöhle, welche den Geschmack wahrnehmen. Es dürfte nur wenige Thiere geben, welche dieses Sinnes entbehren. Der Geruchssinn liegt bei den höheren Thieren in den inneren Wänden der Nase, in welchen sich gewisse Nerven, die man 9 mit der Benennung Geruchsnerven belegt, vertheilen. Die niedereren Thiere haben aber andere Organe , welche die Stelle der Nase bei ihnen vertreten, obgleich wir sie bis jetzt ihres ausserordentlich feinen Baues wegen noch nicht näher kennen. Wahrscheinlich sind es sehr zarte Nerven, welche sich bei denselben in ihren Mundtheilen verzweigen. Bei manchen Thieren ist der Geruchssinn weit höher ausgebildet, als selbst beim Menschen. Solche Thiere riechen nicht nur schon in weiten Entfernungen, in denen der Mensch auch noch nicht den geringsten Geruch wahrzunehmen im Stande ist, sondern können auch die Spur des Geruches genau verfolgen. Einen so hoch entwickelten Geruchssinn nennt man die Witterung oder das Wittern. So wittert der Jagdhund das Wild schon von Weitem und ist im Stande den Ort, wo sich dasselbe aufhält, mit Sicherheit aufzufinden, indem er dem Gerüche folgt, der an den Fusstapfen klebt, die das Wild auf seinem Wege zurückgelassen hat. Verliert er diese Spur, so ist oft der feinste Luftzug hinreichend, ihm den Auf- enthalt des Wildes anzuzeigen. Auch selbst bei manchen niederen Thieren ist der Geruchssinn bis- weilen höher noch entwickelt, als beim Menschen. So riechen die Aas- käfer das Aas, die Mistkäfer und manche Fliegen den Mist der Thiere, die Schmetterlinge und Bienen den Honig in den ßlüthen der Pflanzen, schon in sehr weiter, oft unglaublicher Entfernung. Eine grosse Anzahl von niederen Thieren entbehrt aber den Geruchssinn gänzlich. Der Gehörs sinn hat seinen Sitz in den Ohren, in welchen sich gleichfalls besondere Nerven, die wir Gehörsnerven nennen, verzweigen. Bei den höheren Thieren besteht das Gehörorgan aus mannichfaltig gewundenen Höhlungen, bei einigen niedereren hin- gegen, wie bei manchen Krustenthieren und Kopffüssern, welche die einzigen sind, die dieses Organ besitzen, ist es sehr einfach gebil- det. Einige Insecten, welche zu hören scheinen, haben wahrschein- lich sehr feine, uns bisher noch unbekannt gebliebene Organe, welche das Ohr bei ihnen ersetzen und das Gehör vermitteln. Es können nur höchst zarte Nerven sein, welche sich in irgend einem Theile des Kopfes verästeln. Einer sehr grossen Menge niederer Thiere fehlt der Gehörssinn aber ganz. Am ausgebildetsten ist er beim Menschen, dann zunächst bei den Säugethieren und Vögeln. Das Ohr empfängt den Schall oder Ton durch Vermittlung der Luft, welche durch einen Schlag oder Stoss, der auf schallende oder 10 tönondo Körpei" erfolgt, in eine scliwintjeiHlo oder zitternde Bewegunsf versetzt wird, und den Laut von dem Orte wo er entsteht, bis in das Ohr der Thiere trägt. Der Gesichtssinn liegt in den Augen, durch welche die Lichtstrahlen zu hesondern Nerven gelangen, die sich auf der Innen- seite der Augen befinden und mit der Beneniumg Sehnerven bezeichnet werden. Alle höheren Thiere besitzen nui" zwei Augen, welche fast immer aus mehreren Häuten zusammengesetzt sind, die den Augenapfel bilden und nur bisweilen verki'nnmert sind oder wohl gar blos als liudinuMite erscheinen. Solche Augen nennt man einfache Augen imd sie sirul auch fast bei allen höheren Thieren von ziemlich gleicher Bildung. Nur wenige Kopffüsser liaben unter den niedereren Thieren ähnlich gebildete Augen, Dagegen zeigt eine sehr grosse Menge von niedereren Thieren Augen, die aus Hunderten, ja selbst aus Tausenden von einfachen Augen zusammengesetzt sind und durch ihre regel- mässige Anhänfung gleichsam zusannuengesetzte Kugeln darstellen. Man nennt solche Augen z u s a m m e n g e s e t z t e Augen, und es sind deren nicht immer blos zwei, sondern häulig auch drei und noeh mehrere solcher Augen vorliauden. Am vollkomnuMisten ist das Auge beim Alenschen ausgebildet; dagegen ist bei manchen niederen Thie- ren durchaus kein Auge zu erkennen, obgleich sie die Eindrücke des Lichtes deutlich wahrnehmen. Auch hier müssen es wohl besondere, feine Nerven sein, welche das Auge bei ihnen ersetzen. Sehr vielen niederen Thieren fehlt der Gesichtssinn aber gänzlich. Die Sinnesorgane sind entweder alle thätig und empfangen die Eindrücke der Aussenwelt, oder sie sind unthätig und nehmen die Eindrücke der Aussenwelt nicht deuHi(;h wahr. Diesen thätigen Zu- stand aller Sinnesorgane nennt num das Wachsein, den unthätigen den Schlaf. Es gibt viele Thiere, welche, insbesondere in kälteren Gegenden, zur Zeit des Wintei's einen ofl nu'hrere Monate hindurch anhallenden Schlaf haben, in welchem die Tliätigkeit der sänuutlichen Simiesorgane gänzlich unterdrückt zu sein scheint, und diesen Sehhif bezeichnet man mit der Benennung Winterschlaf. Die Organe der Bewegung sind die Muskeln, welche zusammen das Fleisch des thierischen Körpers ausmachen. Bei den hidu'rcn Thieren bestehen die iMuskeln aus lleischigen Fasern, welche zu verschieden gestalteten Bündeln vereinigt sind uiul an ihren Enden 11 in Sehnen oder Flechsen auslaufen, mit denen sie an verschiedene Theile des inneren Knochengerüstes befestiget sind. Bei den niederen Thieren, welche kein inneres Knochengerüste haben, sind die Mus- keln an die innere Seite der allgemeinen Körperbedeckung fest- gewachsen, welche bald fest und hörn- oder krustenartig, bald weich und leder- oder hautartig ist. Viele von den niederen Thieren, welche nur von einer sehr zarten Haut umkleidet sind, haben sehr einfache Muskeln, die nicht aus tleischigen Fasern gebildet sind, sondern aus einer schleim- oder gallertartigen Masse bestehen. Alle willkührlichen Bewegungen des tbierischen Körpers können nur durch die Muskeln hervorgebracht werden, indem sie sich ent- weder zusammenziehen oder ausdehnen. Diese willkührlichen Bewe- gungen bestehen hauptsächlich theils in der Veränderung des Ortes, theils im Aufsuchen, Ergreifen und Verschlingen der Nahrung. Jene Thiere, welche fest gewachsen sind und daher ihren Standpunct nicht zu verändern vermögen , können desshalb ihre Bewegungsorgane auch nur zur Aufsuchung und Zusichnahme der Nahrung benützen. Ausser den willkührlichen Bewegungen, welche die Thiere aus eigenem Willen vorzunehmen im Stande sind , gibt es aber auch noch Bewegungen, welche unwillkübrlicb geschehen, das heisst, welche nicht aus freiem Antriebe der Tbierc vorgenonnuen werden. Solche Bewegungen werden auch nicht durch die Muskeln herbeigefübrt, sondern durch jene Organe, welche man Ernährungs- organe nennt und blos durch ]»esondere Muskeln vermittelt. Die Bewegungswerkzeuge, welche die Ortsveränderung möglich machen, sind entweder die Gliedmassen, oder der Bumpf, zu welchem auch der Schwanz gehört. Zu den Gliedmassen rechnet man die A r m e , Beine, Flügel und Flossen. Bei den meisten Thie- ren sind mehrere Arten von Bewegungswerkzeugen zugleich vorhan- den, bei vielen anderen aber nur eines oder das andere derselben. Manchen, welchen die Gliedmassen gänzlich mangeln, können nur durch eigenthümliche Bewegungen des Rumpfes den Ort ihres Auf- enthaltes verändern. Die Bewegungswerkzeuge, womit die Thiere die Nahrung auf- suchen oder zu sich nehmen, sind bei den höheren Thieren die Kinn- laden oder Kiefer, welche sehr oft mit Zähnen versehen sind, und die Sehn ä 1) e I. Bei den niederen Thieren sind die Mundtlieile, welche die Stelle der Kinuladen vertreten, auf eine aiulerc Weise eingerichtet. 12 und bestehen häufig aus mehreren einzelnen Theilen, die man zusam- mengenommen F r e s s w e r k z e u g e nennt. Von der grösseren oder geringeren Ausbildung der Muskeln und ihrer inneren oder äusseren Stützen, nämlich der Knochen oder der äusseren Bedeckung, hängt die Mannichfaltigkeit der Bewegungen, die Kraft und Schnelligkeit derselben ab. Die vorzüglichsten Bewegungen bestehen im Gehen, Hüpfen, Springen, Fliegen, Schwimmen, Kriechen, Klettern, Graben, Scharren u. s. w. Vielen Thieren dienen die Bewegungswerkzeuge zugleich als Waffen und zwar sowohl zum Angriffe, als zu ihrer Vertheidigung; doch gibt es ausser den Bewegungswerkzeugen noch manche andere Theile am thierischen Körper, welche von den Thieren als Waffe gebraucht werden, wie Zähne, Krallen, Hörner, Stacheln, Gift und elektrische Organe. Die Organe der Er nährung sind jene Organe, welche die Erhaltung des Lebens der organischen Körper zum Zwecke haben. Ihre Verrichtung besteht darin , die durch die Lebensthätigkeit ver- brauchten oder verloren gegangenen StolTe im Leibe der Thiere und Pflanzen durch neue zu ersetzen. Der Hauptsitz der Ernährungsorgane ist bei den Thieren der Rumpf, in welchem sie entweder zellige oder mit verschiedenen Höhlungen versehene Säcke und Schläuche darstellen, oder mannich- faltig gewundene und verschlungene Röhren und Kanäle bilden , die sich, immer feiner werdend, in alle Theile des Körpers verzweigen, und welche man Ge fasse nennt. Da die Ernährung im thierischen Körper auf dreierlei Weise vor sich geht, nämlich durch Aufsaugung und Verdauung der zu sich genommenen Nahrung, durch die Bewegung der Säfte oder des Blutes in den Gefässen und durch die Einathmung der Luft oder des Wassers, so theilt man auch die Ernährungsorgane in drei verschiedene Abtheilungen; in die Organe der Verdauung oder die Ver- dauungsorgane, in die Organe der Säftebewegung oder die Kreislaufsorgane und in die Organe der Athmung oder die Athmungsorgane. Alle diese drei Arten von Organen sind sämmtlichen Thieren ohne Ausnahme eigen und keines könnte bei dem Abgange irgend eines dieser drei verschiedenen Organe bestehen. Sie sind aber bei den verschiedenen Thieren in sehr verschiedener Weise gebildet und entwickelt. 13 Die V e r d a u u n gs r g a n e sind hauptsächlich der Magen mit dem Darmkanale. Die Zusichnahme der Nahrung erfolgt durch einen eigenen Naturtrieb, den man mit den Benennungen Hunger und Durst bezeichnet, je nachdem die Nahrung in festen oder flüssigen Stoffen besteht. Sie geschieht mit dem Munde, welcher entweder die Nahrung blos einsaugt, oder dieselbe ganz oder stückweise auf- nimmt und bald ganz verschlingt, bald aber vorher zermalmet und zerkauet. Das Zerstücken, Zermalmen oder Zerkauen der Nahrung wird bei vielen, besonders bei den höheren Thieren durch die Zähne verrichtet, welche sich in den Kinnladen, im Gaumen, oder in dem Schlünde, ja selbst bisweilen sogar auf der Zunge befinden, und welche nach der Beschaffenheit der Nahrung sehr verschieden bei den Thieren gebildet sind. Da die Zähne das erste Geschäft bei der Ernährung zu verricliten haben, so werden sie auch zu den Ernäh- rungsorganen und ZM^ar zu den Organen der Verdauung gerechnet. Aus dem Munde gelangt die Nahrung durch den Schlund oder die Speiseröhre in den Magen, in welchem sie in Brei verwan- delt oder verdaut wird. Dieser Speisebrei bewegt sich allmählig durch den mit dem Magen zusammenhängenden, oft mannichfaltig gewunde- nen Darmkanal oder die Gedärme und geht dann, nachdem alle zur Ernährung des thierischen Körpers erforderlichen Stolle von den im Darmkanale fein verzweigten Gefassen aufgesogen worden sind, als Mist oder Koth vom Thiere wieder ab. Viele Thiere haben ausser dem Magen und dem Darmkanale aber auch noch andere Organe, welche zu den Verdauungsorganen gerech- net werden müssen, w^eil sie zum Verdauungsgeschäfte beitragen, oder dasselbe vermitteln. Diese Organe sind die Leber, welche die Galle absondert, die sich mit dem Speisebrei vermischt und die Verdauung befördert, dann die Nieren, welche den Harn oder die zur Ernäh- rung unbrauchbaren, oft salzigen oder saueren, und meistens auch flüssigen Stoffe absondern, und endlich die Milz, welche den Über- gang des Nahrungsstoffes in das Blut vermittelt. Ganz niedere Thiere haben entweder nur einen Magen, oder einen Darmkanal allein, während alle übrigen Verdauungsorgane man- geln. Übrigens sind sowohl der Magen und der Darmkanal, als auch die übrigen Organe der Verdauung, bei den verschiedenen Thieren auf die mannichfaltigste Weise gestaltet. 14 Die Kreisl aufsoi'ganc sind die Blutgefässe oder die Blut- und Schlagadern und die Lymphgefässe oder die Saug- adorn, wozu insbesondere bei den höheren Thieren auch noch das Herz kommt, oder dasjenige Organ, aus welchem alle Blutgefässe entspringen. Die Blutgefässe, nämlich die B 1 u t- und Schlag a d e r n , in welclien sicli die Säfte oder das Blut durch den ganzen thierischen Körper bewegen, stehen durch die Lymphgefässe oder die Saugadern mit dem Darmkanale in Verbindung. Diese Bewegung der Säfte oder des Blutes nennt man den Kreislauf. Er ist nur bei den höheren Thieren v o 1 1 k o m m e n , welche mit einem vollkomme- nen oder wahren Herzen versehen sind. Bei vielen niederen Thieren hingegen, welche entweder nur ein unvollkommenes Herz besitzen, oder bei Melchen in Ermanglung eines eigentlichen Herzens, ein grösseres Gefäss, welches man mit der Benennung Bü ckengefäss belegt, die Stelle des Herzens vertritt, ist der Kreislauf aber un- vollkommen und bei ganz niederen Thieren in noch weit grösserer Weise beschränkt. Das Herz oder das Bücken gefäss sind diejenigen Organe, von welchen der Kreislauf ausgeht, indem sie sich durch eigene Muskeln zusammenziehen und wieder ausdehnen. Durch die Zusam- menziehung und Ausdehnung des Herzens wird der Herzschlag her- vorgebracht, indem bei seiner jedesmaligen Zusammenziehung das in demselben befindliche Blut in die grossen Aderstämme getrieben wird und die aus dem Grunde, w<.'il sich die klopfende Bewegung des Herzschlages in dieselben fortpflanzt und an ihnen ebenso wie am Herzen selbst gefühlt werden kann, mit den Namen Schlag- oder Pulsadern belegt werden. Durch diese Schlag- oder Pulsadern gelangt das Blut bis in die entferntesten Theile des thierischen Kör- pers und zwar in die feinsten und zartesten Blutgefässe, welche man eben wegen ihrer Zartlieit und Feinheit Ha arge fasse nennt. In diesen Haargi^fässen endet die Ausströnumg des Blutes aus dem Her- zen und beginnt die Bückströmung desselben in das Herz; denn aus den ihiargefässen tritt das Blut w ieder in grössere Adern, die man desshalb Blutadern nennt, weil sich das Blut in ihnen wieder zusammensammelt, und geht durch dieselben, nachdem es seinen Weg durch die Alhmungsorgane genonnnen hat, wieder zum Herzen zurück. 15 Der Zweck des Kreislaufes ist, die durch die Lympligefiisse aus dem Darmkauale aufgeuommeneu NahrungsstolTe, welche man Lymphe ueuut, in alle Tlieile des thierischen Körpers zu führen, und üherall in einem veränderten Zustande abzusetzen. In diesem veränderten Zustande Avird der NahrungsstolV in den Stoff des thieri- schen Leibes selbst verwandelt und diese Verwandlung nennt man Assimilation. Die Athmungsorgane sind höchst verschiedenartig gebildete Organe, welche man nach der Art und Weise ihrer Bildung, bald mit den Namen Lungen, Lungenhöhlen oder Lungenzellen, bald mit den Benennungen Luftröhren oder Kiemen bezeichnet. Lungen sind zellige oder blasenartige Säcke, die mittelst einer besonderen Röhre, welche Luftröhre heisst, mit dem Munde in Verbindung stehen. L u n g e n h ö h I e n oder L u n g e n z e 1 1 e n sind ein- zelne Höhlen, welche sich an verschiedenen Stellen des Leibes öffnen und mit einem Gefässnetze ausgekleidet sind. Luftröhren sind verschiedenartig gewundene Kanäle, welche sich durch den gan- zen Leib des Thieres verzweigen, und ebenfalls an verschiedenen Stellen des Körpers in mehreren Mündungen nach Aussen öffnen. Kiemen endlich sind häutige, aneinamler gereihte Blättchen, welche oft an einem gemeinschaftlichen Stiele festsitzen und welche sich an den verschiedensten Theilen des thierischen Leibes vorfinden. Die Athmung besteht darin, dass die Luft, welche unsern Erd- ball umgibt und welche auch dem Wasser beigemischt ist, das ist jene Luft, welche man unter der Benennung Atmosphäre begreift, mit dem Blute in Berührung gebracht wird, wobei das Blut eine Ver- änderung erleidet, welche zur ErhaUung des thierischen Lebens unumgänglich nöthig ist. Diese Veränderung besteht darin, dass das Blut beim Einathmen einen der Bestandtheile der Luft in sich auf- nimmt, und beim Ausathmen einen seiner eigenen, während des Kreis- laufes überflüssig gewordenen Bestandtheile an die Luft abgibt. Jener Bestandtheil der Luft, welchen das Blut beim Einathmen in sich auf- ninmit, heisst Sauerstoff oder L{'])ensluft, jener Bestandtheil, welchen es aus sich selbst beim Ausathmen an die Luft abgi])t, wird Kohlen- stoff genannt. Die Veränderung, welche das Blut durch die Athmung erhtten, erkennt man bei denjenigen Thieren, welche roth gefärbtes Blut haben, schon an seiner Farbe; indem alle Schlag- oder Puls- adern, welche nur das aus dem Herzen ausströmende, so eben durch 16 die Athinuiigsorgane gegangene Blut enthalten, hoehrothes Blut haben, während die Blutadern, welche das zu den Athmungsorganen und dem Herzen zurückströmende Blut enthalten , schwarzrothes Blut führen. Die Veränderung, welche die Luft beim Einathmen erleidet, ist dem Verbrennen einer Kohle zu vergleichen. So wie sich beim Ver- brennen der Kohle Wärme entbindet, eben so erzeugt sie sich auch beim Einathmen der Luft in der ganzen Masse des Blutes und im ganzen thierischen Körper. Je mehr Luft mit dem Blute in Berührung kommt und je rascher die Athmung vor sich geht, desto mehr Wärme wird im thierischen Körper entbunden ; daher haben auch jene Thiere, welche mehr und schneller athmen, wärmeres, jene, welche weniger und langsamer athmen, kälteres Blut. Bei allen höheren Thieren und selbst bei einer geringen Anzahl niederer Thiere, ist das Blut von ruther Farbe, dagegen ist es bei der grössten Zahl der niederen Thiere weiss. Lungen , Lungenhöhlen und Luftröhren athmen nur die freie Luft der Atmosphäre, Kiemen aber meistens nur die Luft des Wassers, und blos in wenigen Fällen die sehr feuchte , freie Luft der Atmosphäre. Manche niedere Thiere endlich, welchen alle diese vier verschiedenen Organe der Athmung fehlen, athmen die Luft des Wassers entweder durch den Darmkanal oder durch die Haut. Fasst man die Functionen der drei verschiedenen Abtheilungen der Ernährungsorgane, nämlich der Verdauungs-, Kreislaufs- und Athnumgsorgane zusammen, so ergibt sich, dass die Ernährung des thierischen Körpers darin besteht, dass der eigentliche Nahrungs- stoff oder die Lymphe aus dem Darmkanale durch die Saugadern oder Lymphgefässe aufgesogen und von diesen den Blutgefässen zugeführt wird, in denen er sich mit dem Blute mischt, das durch die Athmung aus der freien Luft oder dem Wasser gleichfalls einen zur Ernährung nöthigen Stoff aufnimmt, und dass dieser in das Blut übergegangene Nahrungsstoff mit dem Blute in alle Theile des thierischen Körpers gelangt, und überall in einem veränderten Zustande abgesetzt wird. Die Organe der Fortpflanzung sind diejenigen Organe, welche zur Vermehrung und dadurch auch zur Erhaltung aller organi- schen Körper unumgänglicli nolhwcndig sind. Ohne diese Organe würden alle Pllanzen und Thiere schon sogleich nach ihrer ersten Schöpfung ausgestorben sein. Bei den Pflanzen sind die Fortpflan- zungsorgane die Samen, bei den Thieren die Eier. 17 Eier sind häutige Zellen oder Blasen, welclie meist in grosser Anzalil aneinander gehäuft sind und von denen sieli 7ai hestimmten Zeiten eines oder mehrere aihnähh'cli entwickeln, das heisst, zu einen» Thiere gestalten können, das genau dieselhe Form und dieselbe innere Einrichtung hat wie jenes, aus dessen Ei es sich entwickelte. Aber nicht bei allen Thieren gelangen die Eier zu einer Entwickelung. Es gibt nändich bei allen höheren und auch hei sehr vielen niederen Thieren, einzelne Individuen einer und derselben Ai-t, bei welclien niemals eine Entwickelung der Eier Statt findet und auch nicht Statt finden kann, weil die Eier schon im Keime des noch ungeborenen Thieres verkümmern und dadurch zu einer selbstständigen Entwickelung unfähig werden. Solche hidividuen, bei denen eine Entwickelung der Eier niemals Statt finden kann, heissen Männchen, und sie sind in der Regel immer stärker und kräftiger gebaut. Jene Individuen hin- gegen, deren Eier einer Entwickelung fähig sind, werden Weibchen genannt, mul sind auch gewöhnlich durch einen zarteren und schwä- cheren Bau ausgezeichnet. Individuen , w eiche beide Geschlechter in sich vereinigen, heissen H e r m a p h r o d i t e n oder Z w i 1 1 e r. Die Ent- wickelung der Eier geht entweder noch im Leibe des Thieres selbst vor sich, und solche Thiere bringen daher lebendige Junge zur Welt, wesshalh man sie auch lebendig gebärende Thiere nennt, oder die Entwickelung der Eier findet ausserhalb des thierischen Leibes Statt, und solche Thiere legen Eier, daher sie auch eierlegend e Thiere genannt werden. Ein M'ichtiges Erforderniss zur Entwickelung der Eier ist die Wärme, und bald ist es die thierische Wärme, bald die Ein- wirkung der Sonnenstrahlen, welche ihre Entwickelung vermittelt. Instin et nennt man denjenigen Natur- oder angeborenen Trieb, welclier die Thiere zu ihren Handlungen bestimmt. Durch ihn unternehmen sie alle jene Bewegungen und Verrichtungen, welche vorzugsweise ihre Selbsterhaltung und die Erhaltung ihrer Art und Nachkommen zum Zwecke haben. Durch denselben angeborenen Trieb machen sie auch oft weite Wanderungen, bauen sich Wohnun- gen und verfertigen nicht selten selbst höchst wunderbare Producte, was bei allen Thieren einer und derselben Art auch innuer genau auf dieselhe Weise geschieht. Es gibt Thiere, besonders unter den höheren, welche sich abrichten lassen und in Folge eines erhaltenen Unterrichtes von Seite des Menschen, die verschiedenartigsten Dinge oft auszuführen im (Naturgeschichte.) 2 18 Staude sind. Solche Tliiere nennt man a brich tu ngs fähige Thiere, und es sind vorzugsweise jene, welche der Mensch seit undenklichen Zeiten gezähmt und zu seinen Hausthieren gemacht hat. Aber auch selbst viele wilde Thiere lassen sich abrichten und manche sogar von den niedereren Thieren. Ebenso ist auch eine sehr grosse Menge von höheren Thieren und darunter bisweilen selbst die wildesten zähmbar, doch sind es nur wenige, die so gezähmt werden können, dass sie sich frei unter den Menschen bewegen und regelmässig in der Gefangenschaft fortpflanzen. Diese einer vollkommenen Zähmung fähigen Thiere, welche frei unter uns leben und sich unter unserem Dache regelmässig fortpflanzen, nennen wir daher Haus thiere. Einige von den höheren Thieren sind aber auch fähig, die Handlungen anderer Thiere und selbst des Menschen nachzuahmen, und der Trieb, in Folge dessen diess geschieht, wird mit der Benen- nung N a c h a h m u n g s t r i e b bezeichnet. Die Wechselwirkung sämmtlicher Organe ist das Leben, der Stillstand derselben ist der Tod. Er tritt bei allen organischen Ge- schöpfen nach längerer oder kürzerer Dauer dieser Wechselwirkung ein, und Fäulniss und Verwesung ist das Ende aller organischen Körper, deren organische Abstammung jedoch selbst noch in so lange erkannt werden kann, bis sie nicht gänzlich durch Fäulniss zerstört worden sind. Viele Thiere sind im Stande Laute von sich zu geben, doch ist es eine verhältnissmässig nur geringe Zahl, welche sich im Be- sitze einer wahren oder eigentlichen Stimme beiludet. Eine wahre Stimme ist nur den mit Lungen athmenden, höheren Thieren eigen. Sie entsteht dadurch, dass die aus den Lungen willkührlich ausge- stossene Luft in der Luftröhre Schwingimgen erleidet und bei ihrem Austritte durch die am Kehlkopfe belindliche Stimmritze, die Hautfalte, welche die Ränder derselben bildet, gleichfalls in Schwin- gungen versetzt. Von der Weite und fjänge der Luftröhre, welche V, illkühi'lich verändert werden kann, von dem Hinauf- und Herab- ziehen des Kehlkopfes und der Erweiterung oder Verengerung der Stimmritze, hängt die Verschiedenheit des Tones ab, welcher bei manchen Thieren je nach den verschiedenen Gemülliseindriicken oft sehr verschieden lautet, und bald durch Freude und Schmerz, bald durch Zorn und Furcht, oder durch Liebe und Begierde, stets in eigener Weise hervurgerufea w ird. Einige von dvn Thieren, welchen 19 eine ^vn\u•e Stimme eigen ist, besitzen aber auch noch besondere Organe, weiche zur Verstärlamg derselben beitragen. Es sind diess entweder Kehl sacke, welche mittelst besonderer Öfthungen mit dem Kehlkopfe in Verbindung stehen, oder Schallblasen, welche durch eigene Öfthungen in die Racheidiöhle münden, die durch die eingepresste Luft aufgetrieben und in Schwingungen versetzt werden. Der Gesang, welcher vielen unter den höheren Thieren eigen ist, und welcher in einer oft höchst mannichfaltigen Modulation der Töne besteht , wird durch besondere Muskeln bewirkt , die sich am unteren Kehlkopfe befinden , und zur Spaimung der Stimmbänder und Veränderung der Stimmritze dienen. Einen solchen den Gesang vermittelnd en Muskelapparat , nennt man S i n g m u s k e I a p p a r a t. Nur sehr wenige von den höheren Thieren besitzen auch das Ver- mögen, die verschiedenen Töne ihrer Stimme zu articuiiren oder zu einzelnen wortähnlichen Lauten zusanmienzufiigen; keines aber ist im Staude zu sprechen. Nur der Mensch allein ist im Besitze einer Sprache oder des Vermögens, mit den Wörtern die er ausspricht und der Reihenfolge die er ihnen gibt , einen Begriff zu verbinden. Die Laute, welche jene Thiere die keine Lungen haben, bisweilen hervorbringen, entstehen auf ganz verschiedene, jedoch mehrfache Weise. So wird das Summen der fliegen- und bienenartigen Thiere, durch das wechselweise Aus- und Einströmen der Luft während des Fluges aus den Athmungslöchern oder den Mündungen der Luftröhren bewirkt, welche sich am Brustkasten befinden; das Zirpen der Zikaden, Heuschrecken und Grillen, durch Schwingungen gespannter Häute, die an gewissen Theilen ihres Körpers vorhanden sind, und das Knarren mancher Käfer, durch Reibung harter Theile ihres Leibes , welche an den Flächen , die sich gegeneinander reiben , mit feinen Furchen versehen sind. Die Bedeckung der Thiere ist bei den verschiedenen grösseren Gruppen oder Abtheilungen derselben höchst mannichfaltig. Bei allen Thieren ist aber der Körper von einer Haut umgeben, welche die allgemeine Bedeckung bildet und meistens aus drei übereinander liegenden Schichten besteht, von denen die unterste die Lederhaut, die darüber Hegende die Schleimhaut und die oberste Schichte die Oberhaut genannt wird. Die Oberhaut, welche fast immer dünn und zart ist, kann jedoch an manchen Stellen des Körpers erhärten oder sich verdicken, was insbesondere durch häufig sich wieder- 2' 20 lioleiuleu Di'uc'k geschieht, wodurch sie an den gedrückten Stellen fast hornartig wird und sich zu Schwielen gestaltet. Die Haut ist hald nackt, und dann ist sie entweder fast seh leim artig, wie diess hei sehr vielen, insbesondere bei einer grossen Anzahl der niederen Thiere der Fall ist, oder sie ist le derartig oder hornartig; bald ist sie aber auch mit Haaren, Wolle, Borsten, Stacheln, Warzen, Schuppen, Schildern oder Federn besetzt, von denen insbesondere die Stacheln, Schuppen und Schilder von sehr verschiedener Festigkeit und oft von bedeutender Dicke sind. Nägel, Krallen, Hufe, wahre Hörner und Ho ms c beiden sind nur ver- wachsene Haare. Sehr viele niederere Thiere sondern aus ihrer schleimigen Haut erdige, kalkartige Stoffe ab, welche zu festen, sehr mannichfaltig gestalteten Geh ä u s e n erhärten , die entweder äusserlich sind und in Avelche sich die Thiere ganz oder zum Theilc zurückziehen können, oder die unterhalb der Haut verborgen liegen und von ihr gedeckt werden. Sowohl die Haut selbst, als ihre verschiedenen Bedeckungen , wie Haare, Federn, Schuppen u. s. w. , sind mit den mannichfaltigsten und häufig selbst mit den schönsten und lebhaftesten Farben geziert. Fast bei allen Thieren sind diese Farben sowohl , als die Vertheilung derselben, welche man Zeichnung nennt, bei einer und derselben Art beständig, daher sie auch meist ein sehr gutes Merkmal zur Unterscheidung der einzelnen Arten abgeben. Ausnahmen hiervon bewirken nur krankhafte Zustände, das Klima oder die Temperaturs- und Feuehtigkeltsverhältnisse des Aufenthaltsortes, die Jahreszeiten und in manchen Fällen auch das Geschlecht und Alter. So ist die so häufig vorkommende weisse Farbe bei den höheren Thieren, in den meisten Fällen nur die Folge eines angeborenen krankhaften Zustandes, und solche Thiere nennt man Albino's oder Kakerlaken. Thier- arteu, welche sowohl in nördlicheren als südlicheren Gegenden wohnen, sind in den nördlicheren Ländern meist lichter gefärbt als in den südlicheren und nicht selten sogar weiss. Viele höhere Thiere wechseln auch die Farbe nach den Jahreszeiten, indem sie die Ilaare oder Federn verlieren und neue bekommen , daher sie zur Sommerszeit anders gefärbt erscheinen , als zur Zeit des Winters. Diesen Wechsel nennt man bei behaarten Thieren das Hären, bei befiederten das Mausern. Nur bei den Hausthieren allein sind Farbe und Zeichnung nicht beständig; jede einzelne Art erscheint oft in den mannichfaltigsten 21 Farben und Zeichnungen , und gerade in dieser Unbeständigkeit liegt ein wichtiges Erkennungsmerkmal für dieselben. Sehr viele niedere Thiere , besonders jene , welche das Meer zu ihrem Aufenthalte haben, besitzen die Eigenthümlichkeit zu leuchten oder einen Lichtschein von sich ausstrahlen zu lassen, welcher bald von bläulicher, bald von röthlicher Färbung ist. Die Ursache dieser Erscheinung liegt in einer phosphorhaltigen Materie, von welcher der Körper jener Thiere theils überall, theils nur an gewissen Stellen durchdrungen ist. Unter den höheren Thieren gibt es nur eine äusserst geringe Zahl von nackthäutigen, welche einen ähnlichen Lichtschein von sich strahlen. Das Leuchten der Augen im Dunklen , welches bei manchen höheren Thieren ziemlich häufig getroffen wird , beruht Avohl allgemein nur auf einem Zurückstrahlen des von der Netzhaut nicht aufgesogenen Lichtes. Manche unter den behaarten höheren Thieren sprühen zu gewissen Zeiten und unter gewissen Umständen, wenn ihr Fell gerieben wird, elektrische Funken. Doch besitzt nur eine sehr geringe Zahl von höheren Thieren besondere elektrische Organe, in denen durch blosse Berührung der Theile, aus denen diese Organe bestehen, fort- während Elektricität erregt wird, die sich bei gewissen Veranlassungen in grösserer oder geringerer Menge aus ihnen entladet. Diese elektrischen Organe bestehen aus dünnen, in verschiedenartige Zellen getheilten Hautschichten , die mit Lagen einer gallertartigen Flüssigkeit abwechseln, zwischen welchen zahlreiche Nervenfäden verbreitet sind. Je öfter eine solche elektrische Entladung erfolgt, desto schwächer wird sie, ersetzt sich aber bei ungestörter Ruhe des Thieres und erreicht dann wieder ihre frühere Stärke, die sich bisweilen sogar bis zur Funkenausströmung steigert. Das zuckende Licht, welches manche niedere Thiere, namentlich einige Rothwürmer aus ihren fadenförmigen Gliedern in Funken unaufhörlich ausströmen lassen, scheint gleichfalls in elektrischen Entladungen zu bestehen, indem die Fäden, aus welchen diese Funken sprühen, einen ähnlichen zelligen Bau haben, wie die elektrischen Organe der höheren Thiere. Manche unter den höheren Thieren und sehr viele unter den niederen, erscheinen bei ihrem ersten Auftreten als selbstständige Wesen nicht sogleich vollkommen ausgebildet und haben in ihren früheren Lebenszuständen oder in ihrer Jugend eine andere Gestalt, als bei weiter fortschreitendem Alter, welche sich bei sehr vielen 22 bis zur Erreicliiiiic^ iliror vollkommenen Ausltildunj:^ so umgeben und diese Hautfalten nennt man Aftei'ta sehen. Bei manchen SiUigetliieren endlieh befindet sich unter dem inneren Augen- winkel eine sackförmige Höhlung in der Wange, welche mit dem Auge durch eine Rinne in Verbindung steht, zur Absonderung eines eigen- thümlichen Saftes dient, und Thrä neu grübe genannt wird. Die Haut der allermeisten Säugethiere ist mit Haaren bedeckt und nur bei einer verhältnissmässig geringen Zahl ist sie nackt. Meistens sind die Haare dicht gestellt und nur bisweilen spärlich auf der Haut vertlieilt. Je nach der grösseren oder geringeren Steif- heit, Biegsamkeit und Härte, unterscheidet man unter den Haaren, eigentliche Haare, Wolle und Borsten. Sind die Haare fein, weich und gekräuselt, so werden sie Wolle genannt; sind sie steif, aus mehreren Haaren zusammengeAvachsen und an der Sjiitze daher gewöhnlich zerschlissen, so heissen sie Borsten. Manche Säuge- thiere haben nur einerlei Haare, viele andere aber zweierlei Haar- arten; nämlich ein kürzeres, feineres und dichter gestelltes, welches Wo ilhaar genannt wird und ein längeres, steiferes und minder dicht gestelltes, welches das Wollhaar überdeckt und Grannenhaar heist. Eine sehr grosse Zahl von Säugethieren hart, oder wechselt das Haar des Jahres zweimal , nändich im Frühjahre und in\ Herbste, wobei diejenigen, welche in gemässigten oder kälteren Ländern wohnen, für den Winter einen beträchtlich stärkeren Haarpelz be- kommen, als für den Sommer. Manche Säugethiere sind aber auch mit Stacheln, andere mit hornartigen Schildern bedeckt. Beide entstehen, ebenso wie die Nägel, wahren Hörner und die Hornscheiden gewisser Säugethiere, blos durch Verwachsung der einzelnen Haare. Endlich gibt es noch Säugethiere, bei denen die nackte Haut an gewissen Theilen des Körpers dick und hornartig wird; und solche verdickte Hautstellen nennt man Schwielen. Das Geschlecht bietet oft mannichfaltige , bisweilen sehr erheb- liche Verschiedenheiten dar. So zeichnen sich die Männchen bei vielen Säugethieren durch Grösse und Stärke, bei vielen anderen durch einen besonderen Haarschmuck, durch die Anwesenheit von Hörnern, stärkere Eckzähne und noch mancherlei andere besondere Kennzeichen aus. Die Vermehrung ist nach den verschiedenen Familien, Gattungen und Arten auch sehr verschieden. Im Allgemeinen ist sie durch 46 die Grösse des Thieres bedingt, daher auch grössere Thiere in der Regel des Jahres nur einmal und zwar nur ein einziges Junges zur Welt bringen, während die kleineren sich meistens öfters im Jahre fortpflanzen und oft eine ansehnliche Zahl von Jungen liaben. Die grösste Zahl der Jungen von einem Wurfe übersteigt indess bei keinem Säugethiere die Zahl von 24. Bei den allermeisten Säuge- thieren kommen die Jungen schon vollkommen ausgebildet zur Welt, obgleich sie bei vielen oft ganz nackt sind oder mit verschlossenen Augen geboren werden, die sich erst nach mehreren, meist 9 — 14 Tagen ölVnen. Bei manchen hingegen sind die Jungen bei der Geburt noch sehr unvollständig ausgebildet und erlangen ihre vollständige Ausbildung erst nach längerer Zeit, während welcher sie an den Zitzen der Mutter festgesogen sind. Bei solchen Säugethieren, wo dies der Fall ist, haben die Weibchen entweder einen besonderen Beutel in der Weichengegend, welcher die Zitzen umschliesst, und in welchem die Jungen getragen werden, oder statt dessen zwei Hautfalten am Bauche. Selten fehlen diese gänzlich, doch sind immer zwei besondere Knochen da, welche mit dem Becken in Verbindung stehen und den Bauchmuskeln zur Stütze dienen. Diese Knochen M'erden B e u t e 1 k n o c h e n genannt. Die Lebensdauer ist bei den Säugethieren gleichfalls sehr ver- schieden ; doch richtet sie sich im Allgemeinen, ebenso wie ihre Ver- mehrung, nach der Grösse. Mit der Lebensdauer steht auch die Dauer der Jugendzeit in Verbindung. Am längsten leben die grossen Pflanzenfresser und die mit flossenartigen Gliedmassen versehenen See-Säugethiere. Der Aufenthalt der Säugethiere ist ebenso mannichfaltig, als ihre Verbreitung und Vertheilung auf dem Erdballe. Die Mehrzahl lebt auf der Erde; manche graben sich Höhlen in dieselbe, in denen sie zeitweise verweilen und sich zu schützen suchen, oder bringen die längste Zeit ihres Lebens in selbstgegrabenen Gängen unter der Erde zu. Wieder andere, vorzüglich die kletternden, leben auf Bäumen; die mit Flugbeinen versehenen durchschwirren die Luft; manche gehen zuweilen ins W^asser, und wieder andere leben ent- weder beständig oder fast beständig im Wasser und zwar sowohl in süssen Gewässern, als im Meere. Viele wohnen in trockenen, viele in sumpfigen Gegenden, manche auf Bergen und im Hochlande, andere in niederen Ebenen. Bald sind es Wälder, bald das freie 47 Feld, das ihnen zum Aufenthalte dient, bald bebaute, bald wüste Gegenden und viele suchen auch Schutz in Felsenhöhlen, Schluchten, unter Gebalge, in den Spalten alter Mauern und selbst in mensch- lichen Gebäuden. Es gibt sehr viele Säugethiere, welche gesellschaft- lich und oft in ganzen Heerden oder Rudeln mit einander leben, viele andere, welche familien- oder paarweise zusammen wohnen, und wieder andere, welche ein einsames Leben führen. Im Allge- meinen sind die pflanzenfressenden Säugethiere weit geselliger als die fleischfressenden. Die Säugethiere sind zwar mit Ausnahme der allerkältesten Gegenden der Polarregion, wo jedes thierische Leben erstarrt, über den ganzen Erdball verbreitet, doch ist ihre Vertheilung in den einzelnen Zonen sehr verschieden. Am reichsten an Arten sind die heissen, am ärmsten die kalten Länder, und jedem Welttheile, jedem Klima sind gewisse Arten eigenthümlich. Alle Arten haben aber ein bestimmtes Vaterland, aus dem sie sich nur nothgedrungen entfernen. Selten nur, und blos der Nahrung wegen, unternehmen manche bisweilen Streifzüge in andere Gegenden; doch gibt es nur eine äusserst geringe Zahl und zwar nur unter den Meeres- bewohnern, welche periodische Wanderungen zu unternehmen scheint. Manche, insbesondere jene, welche in der gemässigten und kalten Zone leben, halten beim Eintritte der Kälte einen Winterschlaf, welcher in einem starken Zurücksinken der gesammteuLebensthätigkeit besteht, wobei die Wärme des Blutes auf die Hälfte sinkt, und die Schnellig- keit des Pulsschlages bedeutend abnimmt. Es ist nicht möglich, die Thiere aus dieser Erstarrung, wie aus dem Schlafe herauszurütteln und nur durch allmählige Erwärmung ist man im Stande, sie zur Erwachung zu bringen. Plötzliche Erwärmung hat den Tod zur Folge. Kein Säugethier hält in unmittelbarer Berührung mit der freien Luft den Winterschlaf; jedes sucht sich zu verstecken oder in Höhlen zu verbergen, die sie gewöhnlich auch verstopfen, um den Zutritt der äusseren Luft abzuhalten und sich gegen den Wechsel der Temperatur zu schützen. Alle treten ihren Winter- schlaf wohlgemästet an und zehren durch diese Zeit, wo sie weder Nahrung zu sich nehmen, noch Mist entleeren, von ihrem Fette. Manche haben nur einen unvollständigen Winterschlaf, der in keiner eigentlichen Erstarrung, sondern wirklich nur in einem dauernden Schlafe besteht, aus dem sie ermuntert werden können; obgleich auch diese, während jener Zeit fast gar keine Nahrung zu sich 48 nehmen. Viele haben die Eigenthüniliehkeit, vor dem Eintritte des Winters Nahrungsvorräthe in ihre Baue und Verstecke ein- zutragen oder vor denselben anzuhäufen, um zur Zeit des Winters keinen Mangel leiden zu dürfen. iJie Nahrung der Säugetliiere um- fasst das ganze Gebiet des Thier- und Pflanzenreiches. Viele leben blos von Pflanzen, viele blos von Thieren und viele auch von beiden zugleich. Der Nutzen, welchen die Säugethiere dem Menschen gewähren, ist grösser, als der irgend einer anderen Thierclasse. Die meisten Thiere, welche der Mensch zu seinen Hausthieren gemacht hat, sind Säugethiere, welche ihn mit den nötiiigsten Bedürfnissen für seine Nahrung und Bekleidung versehen, welche ihm als Last- und Zugthiere dienen, sein Haus bewachen und sein Eigenthum schützen, oder bei der Jagd behülflich sind. Die für den Menschen unentbehrlichsten Haus- thiere unter denselben sind, das Schaf, die Ziege, das Rind, das Reim- thier, das Pferd, der Esel, der Elephant, das Kameel und das Lama; sein treuester Gefährte aber ist der Mund. Sehr viele Säugethiere bilden einen Gegenstand der Jagd und von ihnen erhält der Mensch Fleisch, Fett und Fell. Manche liefern auch höchst wichtige Stoffe für die Arzenei; so das Moschusthier den Bisam oder Moschus, der Biber das Bibergeil, der Pottwall oder sogenannte Pottfisch den Wallrath. Sehr viele sind aber auch bestimmt, andere Thiere, welche durch zu grosse Vermehrung dem Menschen schädlich werden können, zu vertilgen; wie die Katze, der Igel, die Spitzmäuse, Maulwürfe und Fledermäuse. Es gibt zwar unter den Säugethieren viele Raubthiere, welche dem Menschen gefährlich sind, aber kein einziges Säugethier ist im gesunden Zustande giftig. Die Eintheilung der Classe der Säugethiere ist vorzugsweise auf die verschiedenartige Bildung der Gliednuissen, Zähne und Kiefer, so wie auf die vollkommenere und unvollkommenere Ausbildung ihrer Jungen, bei ihrer Geburt, gegründet. Zunächst zerfällt die ganze Classe in fünf parallele Reihen, und zwar: 1. Höhere Säugethiere (Primates), 2. Krallen thiere (U/igiiicnlafa)' 3. Zahnarme Thiere (EdcntdlaJ, 4. II II f t b i e r e (Ungulata) und 5. See-Säugethiere (PimiataJ. 49 I. Reihe. Höhere Säugethiere (Primates), Die Gliedmassen ragen vollständig aus dem Körper hervor. Es sind deren vier, die entweder Gang-, Platter- oder Flugbeine sind, mit vollkommen beweglichen Zehen versehen und Nägeln, welche das Ende der Zehen entweder nicht oder nur unvollständig umfassen. Die Ruthe liegt frei. Die Zitzen sind frei und liegen auf der Brust. Beutelknochen fehlen. Harn- und Geschlechtsorgane münden nach Aussen. Diese Reihe theilt sich in folgende drei Ordnungen: 1. Affen (Simiae), 2. H a 1 b a f f e n oder Ä f f e r (Hemipitheci) und 3. Flattert hiere (Chiroptera). 1. Ordnung. Affen (">S^/miaeJ. Die Gliedmassen sind Gangbeine. Das Gesicht ist nackt. Vorder-, Eck- und Backenzähne sind vorhanden. Die Zähne bilden eine geschlossene Reihe. Die Backenzähne sind einfach. Diese Ordnung umfasst drei natürliche Familien: 1. die altwe Uli eben Affen (Catarrhinae), 2. die neu weltlichen Affen (Platyrrhinae) und 3. die Krallen- Affen oder Sahui's (^Arctopitheci). 1. Familie. Altweltliche Affen (Catarrhinae). Die Hinterfüsse sind immer mit einem den übrigen Zehen ent- gegensetzbaren Daumen versehen und meistens auch die Vorderfüsse ; denn nur selten fehlt diesen der Daumen ganz. Alle Nägel sind platt. Die Nasenscheidewand ist schmal. Der Aufenthalt der altweltlichen Affen ist blos auf Afrika und die wärmeren Länder von Asien beschränkt. Nur eine einzige Art findet sich auch auf der Südspitze von Europa, nämlich den Felsen von Gibraltar; doch ist es ungewiss, ob sie ursprünglich daselbst heimisch ist, oder ob sie von entlaufenen Individuen stamme , die ihre Art daselbst erhalten haben, oder wohl gar dahin verpflanzt wurde. Der Wohnort fast aller Arten sind die Urwälder theils ebener, theils gebirgiger Gegenden, wo sie bis an die Küsten des Meeres und (Naturg'eschichte.) + 50 auch in der Nähe von Flüssen getroffen werden. Sehr wenige haben ihren Aufenthalt in felsigen Gegenden. Die Bewohner der ^Välder bringen den grössten Theil ihres Lebens auf Bäumen zu , welche sie nur selten verlassen. Eine geringe Zahl nur hält sich häufiger am Boden im Dickicht der Gesträuche auf. Viele wandern beim Wechsel der Jahreszeit in entferntere Gegenden. Manche hauen sich aus durchfloch- tenen Ästen und Zweigen ein Nest auf den Gipfeln der höchsten Bäume und einige der grösseren Arten sollen sich selbst ein hüttenähnliches Obdach aus Laub auf dem Boden errichten , in welchem sie schlafen. Sämmtliche Arten sind Tagthiere, welche die Nacht schlafend zubrin- gen. Sie leben meist in grossen Gesellschaften beisammen, welche gewöhnlich aus mehreren Familien bestehen. Seltener finden sie sieh paarweise oder einzeln. Ihre Nahrung besteht in Früchten, Zwiebeln, Knollenwurzeln, Knospen und Baumblättern, seltener auch in Samen, Eiern und Insecten. Manche dringen in Pflanzungen und Gärten, selbst bewohnter Orte ein , und richten bisweilen daselbst grosse Verwüstun- gen an. Die allermeisten sind in ihren Bewegungen ausserordentlich leb- haft, rasch und behende, nur wenige der grösseren Arten sind minder schnell und beweglich. Ihr gewöhnlicher Gang ist auf vier Beinen und blos auf kurze Zeit sind sie im Stande aufrecht zu gehen, was im freien Zustande überhaupt nur selten geschieht. Ihr aufrechter Gang ist langsam, wankend und unsicher, wobei sie mit den Armen das Gleichgewicht zu erhalten suchen. Die meisten treten beim Gehen mit der ganzen Sohle auf. Wonige haben die Eigenthümlichkeit, auf die Knöchel der eingeschlagenen Finger der Vorderfüsse aufzutreten, wobei manche auch nur mit dem Aussenrande der Hinterfüsse den Boden berühren und gleichsam mit geballter Faust einherschreiten. Mit grosser Leichtigkeit und ohne Ermüdung springen sie von einem Baume zum anderen, oft in weiten Abständen, wobei den geschwänzten Arten der Schwanz zur Erhaltung des Gleichgewichtes dient. Manche Arten vermögen sich in schneller Aufeinanderfolge über Zwischen- räume zu schleudern, deren Entfernung über 40 Fuss beträgt. Auch sind sie ausserordentlich geschickt im Klettern, und schwingen sich mit grösster Sicherheit und Schnelligkeit von Ast zu Ast. Die meisten sind überaus stark und kräftig, und die grösseren sind im Stande, mit unglaublicher Leichtigkeit selbst dicke Äste abzubrechen. Die Mehrzahl derselben ist munter, klug, scharfsinnig, listig, muthwillig und übermüthig, aber auch boshaft, tückisch und rachsüchtig. Manche öl hingegen sind ernst, sanft, gutmüthig nnd furchtsam, insbesondere die Weihchen. Zu ihren besonderen Eigentluimlichkeiten gehört ihre Hef- tigkeit, Leidenschaftlichkeit und Sinnlichkeit, wobei sie sich durch jeden Eindruck auf ilire Sinne beherrschen lassen. Nicht selten gerathen sie plötzlich aus der vollkommensten Ruhe in den heftigsten Zorn, wobei die meisten die Zähne zu fletschen pflegen, und die Sinnliclikeit mancher grossen Arten geht so weit, dass sie bisweilen selbst Weiber und Mädchen rauben. Übrigens stehen sie auf einer ziemlich hohen Stufe geistiger Entwickelung, vorzüglich manche Arten, die sich ins- besondere durch die ihnen eigenthiimliche Neugierde und List bewährt, welche sie stets anzuwenden wissen, wenn es die Befriedigung ihres Verlangens gilt. Manche haben auch einen besonderen Hang zum Stehlen. In der Jugend sind sie alle sanft, freundlich und zutraulich, lassen sich sehr leicht zähmen, und gewöhnen sich bald an den Men- schen. Ihre Pfleger lernen sie genau kennen. Viele sind auch sehr gelehrig und können selbst zur Nachahmung unserer Bewegungen und Handlungen abgerichtet werden. Bei zugenommenem Alter sind sie aber grämlich, tückisch, rachsüchtig, meist weniger und oft gar nicht melir zur Zähmung und Abrichtung geeignet, so wie ganz Alte in der Regel vollkommen unbändig sind. Sie sind sehr wachsam, und viele sind auch scheu. Bei Gefahr ergreifen die meisten die Flucht, steigen mit grosser Schnelligkeit auf die höchsten Wipfel der Bäume und schleudern sich oft über weite Zwischenräume von einem Wipfel zum anderen, wobei die Mutter ihre Jungen in dem Arme hält. Die Bewohner felsiger Gegenden entfliehen durch schnelles Empor- klettern an den Felswänden und die Mütter tragen hierbei ihre Jungen auf dem Rücken. Nur wenige fliehen nicht, sondern suchen sich hinter dichten Baumästen zu verstecken, wo sie so lange regungslos verweilen, bis die Gefahr vorüber ist. Die grösseren Arten hingegen stellen sich ihrem Feinde muthig gegenüber, und vertheidigen sich, mit dicken Stöcken bewaflliet, sowohl durch die Kraft ihrer Arme als auch durch ihr fürchterliches Gebiss. Die Weibchen bringen 1 — 2 Junge zur Welt, die von den Müttern mit der grössten Zärtlichkeit in so lange gepflegt werden, bis sie selbst ihre Nahrung zu suchen im Stande sind. Überall trägt die Mutter ihre Jungen in den Armen, und lehret sie zu springen. In einigen Gegenden wird das Fleisch gewisser Arten von den Eingeborenen gegessen und das Fell benützt. 82 1 . Gattung. Waklinensch (Troglodytes). Die vorderen Glietlmassen sind viel länger als die hinteren und reichen etwas unter das Knie. Die Schnauze ist lang, der Scheitel ahgetlacht. Schwanz, Backentaschen und Gesässschwielen fehlen. Der Daumen der Hinterhände ist lang. Vorder- und Hinterhände sind fünfzehig. Der Schimpanse oder afrikanische Waldmensch (Troglodytes niger). (Fig. 1-) Der Schimpanse ist unter allen Affen derjenige, welcher in seiner Gestalt dem Menschen am nächsten steht. Sein Leib ist kurz und dick, der Bauch vorhängend. Die Arme sind dünn und kräftig, der Hals kurz. Die Nase ist platt, die Lippen sind mit Querrunzeln versehen und sehr beweglich. Die Ohren sind ziemlich gross, die Augen tief- liegend, von mittlerer Grösse und lebhaft brauner Farbe. Das Haar ist lang, ziemlich grob und straff. Der Obertheil des Körpers ist dicht, der Untertheil dünn behaart. Hand- und Fuss-Sohlen sind nackt und meist auch die äussere Fläche der Finger und Zehen. Das Gesicht ist kahl und mit einem Backenbarte versehen, der unter dem Kinne hinwegzieht. Auf dem Hinterhaupte sind die Haare länger, auf dem Scheitel kürzer und durchgehends nach rückwärts laufend; der Haar- wirbel liegt am Grunde des Nackens. Am Vorderarme sind die Haare nach oben, am Oberarme nach unten gerichtet. An den Lippen befinden sich nur wenige Borstenhaare. Die Färbung des Felles ist schwarz, nur in der Gegend des Afters sind bisweilen graue oder selbst gelblich- Aveisse Haare eingemengt oder auch schärfer abgegrenzt. Die Gesichts- haut ist schwärzlich, die Ohren und die Innenfläche der Hände sind röthlichbrauii. Der Aufenthalt des Schimpanse ist blos auf Ober- und Nieder-Guinea beschränkt, dessen grosse Wälder ilm beherbergen. In manchen Gegenden soll er ziemlich häufig getroffen werden. In der Regel hält er sich auf dem Boden auf, und besteigt die Bäume nur um seiner Nahrung nachzugehen, oder umherzuspähen, ob er vor Gefahren gesichert sei. Die Schimpanse''s können sehr gut klettern, springen mit überraschender Geschicklichkeit, und schleudern sich oft auf weite Strecken von einem Aste zum anderen. Ihr gewöhnlicher Gang auf allen Vieren ist ziemlich schnell, doch unsicher, und sie berühren hierbei mit den Knöcheln der eingeschlagenen Finger der Vorderhände den 53 Boden. Insbesondere Ist diess bei alten Thieren der Fall, wo durch den langen Gebrauch der Hände als Greiforgan, ein Ausstrecken der Finger nicht mehr möglich ist. Man trifft sie zuweilen aber auch auf den Hin- terbeinen aufrecht stehend oder gehend an. Werden sie hierbei aber entdeckt, so werfen sie sich schnell auf alle Vier und ergreifen die Flucht. Beim aufrechten Gange sind sie stets nach vorwärts geneigt, und tragen die Hände auf dem Hinterkopfe oder über die Lenden geschlagen, um das Gleichgewicht zu erhalten. Sie sind nicht im Stande, wie der Mensch, hierbei die Ferse von dem Boden zu entfer- nen, sondern treten, gleichsam stampfend, mit der ganzen Sohlenfläche auf. Die Sohlen sind beim aufrechten Gange auch schief nach Innen gewendet und die Kniee nach auswärts gebogen. Durch die Eigen- thümlichkeit auf den Knöcheln der Vorderfinger einherzuschreiten, wird die Haut an diesen Stellen auch sehr verdickt. Im Stande der Ruhe nehmen sie eine sitzende Stellung ein. Den Berichten der Neger zu Folge, soll ihre Höhe im vollkommen erwachsenen Zustande 5 Fuss und etwas darüber betragen. Ihr Wachsthum soll im neunten oder zehnten Jahre beendiget sein. Das Gewicht eines völlig erwachsenen Schim- panse ist beträchtlich und bietet eine hinreichende Last für zwei starke Männer. Die Schimpanse's sind an keinen bleibenden Aufenthalt gebun- den, sondern wechseln denselben je nach ihren Nahrungsbedürfnissen oder der Gefahr der Verfolgung. Ihre Hauptnahrung besteht in Früchten, Nüssen und Wurzeln. Nicht selten besuchen sie die Pflan- zungen von Bananen und anderen Fruchtbäumen, welche die Neger zwischen ihren Reisfeldern anlegen, und plündern ihre Früchte. Sie wohnen auch meistens in der Nähe verlassener Dörfer, wo die Papaya in grosser Menge wächst, deren Früchte sie besonders lieben. Im Allgemeinen werden sie mehr paarweise, als in Horden angetroffen, doch versammeln sie sich auch zuweilen in grösserer Zahl, insbeson- dere um zu spielen. Glaubwürdige Reisende haben behauptet, dass sich der Schimpanse für seine Weibchen und Jungen Laubhütten baue, in welchen dieselben schlafen, während die Männchen stets ausserhalb derselben verweilen. Diese Hütten sollen nach dem Vorbilde der Negerhütten angefertiget und mit Blättern überdeckt sein. Gewiss ist dagegen, dass sie sich eine Art Nest auf den Bäumen errichten, das theils aus niedergebogenen, theils abgebrochenen Ästen und Zweigen besteht. Gewöhnlich befinden sich diese Nester nicht hoch über dem Boden, doch zuweilen sind sie auch 20 — 30 Fuss und selbst noch 54 höher auf deu IJiiiimcii angelegt. Selten findet man mehr als zwei Nester auf einem Baume oder überhaupt in der Nähe beisammen. Die grösste Zahl solcher Nester, welche man bisher l)cisamnien gefunden, war fünf. Der Schimpanse besitzt eine fast unglaubliche Stärke, indem er mit grösster Leichtigkeit im Stande ist Aste abzubrechen, die zwei Männer kaum zu beugen vermögen würden. Es wird behauptet, dass ein einziger Schimpanse im Stande sei, zehn Männern Widerstand zu leisten. Sein Muth soll nicht geringer sein , als seine Stärke. Grössere Schaaren sollen sich gemeinschaftlich vertheidigen und sogar Elephantcn zu verjagen vermögen. Sie sind überaus wachsam, und derjenige, welcher zuerst die Gefahr wahrnimmt, benachrichtiget die ganze Sehaar durch einen lauten Schrei, ähnlich dem Angstrufe eines in Todesgefalir schwebenden Menschen. Die übrigen erklettern schnell die Wipfel der Bäume und stossen hierbei dem Hundegebelle ähnliche Laute aus. Wenn ein Schimpanse durch eine Kugel fällt, so säumen die übrigen nicht, den Jäger zu verfolgen. Dieser soll sich nur dadurch zu retten im Stande sein, dass er sich seines Gewehres entlediget, welches von den ihn verfolgenden Affen mitW^uth erfasst und in Stücke gebrochen wird, wodurch ihre Wuth gedämpft sein soll. Es wird hehauptet, dass die Schimpanse's in grossen Schaaren mit Stöcken bewaffnet, in ihren Wäldern umherziehen und die Zugänge zu ihrem Aufenthaltsorte vertheidigen, indem sie Äste und Steine gegen heran- nahende Menschen, und selbst gegen Elephanten schleudern. Doch scheint gewiss zu sein, dass sie nicht selbst angreifen, und sich haupt- sächlich ihres Gebisses als Vertheidigungsmittel bedienen. Dass sie die Leichen der Gestorbenen ihres Geschlechtes mit Zweigen und Laub überdecken, bedarf noch einer Bestätigung; doch unterliegt es keinem Zweifel, dass sie bisweilen Negerinnen rauben und in ihre Wälder schleppen, wo sie sie oft durch mehrere Jahre bei sich behalten sollen. In der Gefangenschaft gehaltene junge Thiere, die einzigen, welche bisher nach Europa gebracht wurden, und nie lange ausgehalten haben, waren traurig, sanft, folgsam und gelehrig. Sie Hessen sich leicht zähmen, und selbst zur Nachahmung menschlicher Handlungen abrich- ten. Überhaupt zeigten sie einen ziemlich hohen Grad von Geistes- fähigkcit. Sie gewohnten sich bald an Fleisch, waren aber unreinlich und verzehrten sogar ihre eigenen Excremente. Wie bei allen Allen, so ist auch bei den Schimpanse's die Anhänglichkeit der Mütter an ihre Jungen sehr gross. Die Neger leben in dem Aberglauben, dass SS die Schimpanse's den Menschen behexen und dass dieselben einst GHeder ihres eigenen Stammes waren, ihrer schlechten AulTührung wegen aber aus der menschlichen Gesellschaft ausgeschlossen wurden, und bei dem Verharren in ihren schlimmen Gewohnheiten, zu ihrem jetzigen Zustande herabgesunken seien. Ungeachtet dieses Wahnes stehen sie aber nicht an , das Fleisch der Schimpanse's zu essen. ■ 2. Gattung. Orang (SimiaJ. Die vorderen Gliedmassen sind viel länger als die hinteren und reichen bis zu den Knöcheln. Die Schnauze ist lang, der Scheitel hochgestreckt. Schwanz, Backentaschen und Gesässschwielen fehlen. Der Daumen der Hinterhände ist kurz. Vorder- und Hinterhände sind fünfzehig. Der borneo'sche Orang-Utan (Slmia Satyrus). (Fig. 2.) Der borneo'sche Orang-Utan hatte, so lange man ihn nur in seinem jugendlichen Zustande kannte, und auch der Schimpanse noch nicht näher bekannt geworden war, seither mit Recht für den menschen- älmUchsten AlTen gegolten. In der That gleicht auch der Schädel eines jugendlichen Thieres in seiner Form so sehr dem eines menschlichen Kindes, dass er leicht mit einem solchen verwechselt werden könnte. Erst mitzunehmendem Alter treten allmähl ig Veränderungen in der Form desselben ein, die eine so gewaltige Umstaltung bewirken, dass, wenn man hierüber nicht aus Erfahrung schon Gewissheit hätte , man an der völligen Übereinstimmung der Art zweier solcher Schädel aus verschiedenen Altern zweifeln müsste. Während in der Jugend der Obertheil des Kopfes schön gerundet erscheint, stellt er sich im Alter als eine spitze Pyramide dar, und an die Stelle einer nur wenig vor- springenden Schnauze tritt dann eine weit vorgestreckte, fast pavian- ähnliche Schnauze, die dem alten Thiere jede, auch selbst die entfernteste Menschenälmlichkeit benimmt. Der Kopf des alten Thieres ist gross und oben zugespitzt, das Gesichtsprofil nur wenig ausgeschweift, die Nase flach gedrückt, und nur an ihrem Ende etwas über die Backen vorstehend. Die Nasenscheidewand reicht über die Nasenöffnungen hinaus. Die Lippen sind gerunzelt, stark aufgeschwollen und aufge- trieben, wodurch das Gesicht zum hässlichsten wird, welches die Thierwelt aufzuweisen hat. Die Ohren sind klein, aber menschen- ähnlich gebildet, die Ohrläppchen angeheftet. Der Unterkiefer ist am Kinne sehr breit und abgestutzt, und ragt stark vor dem Ober- kiefer hervor. Die Augen sind klein, um ein Drittel kleiner als beim Menschen, und das furchtbare Gebiss ist besonders durch die grossen Eckzähne ausgezeichnet. Die Hüften sind l)reit und der Umfang des Bauches ist bedeutend, wodurch der ganze Rumpf sehr schwerfällig erscheint. Der Hals ist kurz und an der Kehle von einer faltigen Haut umgeben, die einen grossen Kehlsack umschliesst und aufgeblasen werden kann. Die Gliedmassen, von denen die vorderen bis zu den Knöcheln reichen, zeichnen sich durch ungemein lange Vorder- und Hinterhände aus, und insbesondere sind auch die Finger der Hinter- hände lang, mit Ausnahme der sehr kurzen Daumen, welchen sowohl der Nagel als auch das Nagelglied fehlen. Die Behaarung ist nicht reich- lich, aber an den meisten Theilen des Körpers von ansehnlicher Länge. Der Hinterkopf ist stark behaart und die Haare laufen strahlenförmig von einem Mittelpunkte aus. Die Brust ist nur sehr spärlich mit Haaren besetzt und bisweilen sogar ganz nackt. Am Unterleibe stehen die Haare gedrängter, obgleich auch hier die Haut durchscheint. Auch der Rücken ist nur dünn behaart; desto reichlicher und länger ist aber die Behaarung an den Seiten des Leibes, wo sie bis auf die Schenkel herabreicht. Sehr dicht und lang ist sie auf den Gliedmassen, wobei die Haare am Oberarme nach abwärts, am Vorderarme nach aufwärts gerichtet sind. Die Finger sind auf ihrer Oberseite nur dünn mit kurzen Haaren bedeckt. Stirne, Gesicht und Ohren sind beinahe ganz nackt und nur mit einzelnen kurzen Härchen besetzt. Die Augenlieder tragen steife Haare, Augenbrauen fehlen gänzlich. An der Oberlippe befindet sich jederseits, von den Nasenflügeln an, ein Schnurrbart, welcher sich mit einem ansehnlichen Kinnbarte vereiniget, der wie ein Knebelbart zugespitzt ist und weit herabhängt. Nur die Mitte der Oberlippe ist bartlos. Die Färbung besteht in einem dunklen Rostroth, welches auf der Mitte des Rückens und der Brust bisweilen in*s Schwarzbraune übergeht und am Barte etwas heller ist. Die nackten Theile sind blaulich schiefergrau. Die alten Männchen unterscheiden sich von den Weibchen ausser der ansehnlicheren Grösse , der län- geren Behaarung und dem stärkeren Kinnbarte, insbesondere durch einen halbmondförmigen, schwieligen Auswuchs oder Hautlappen an den Wangen, der hinter dem oberen Augenhöhlenrande beginnt, sich 57 vor den Ohren senkrecht herabzieht, und am hinteren und oberen Theile des Unterkiefers endiget. Diese Wangenwülste, welche ])ei ganz alten Thieren bei 5 Zoll lang und 1 — 1 % Zoll hoch sind, erscheinen an ihrem Grunde breit und verschmälern sich gegen den Rand zu, während sie in gleicher Richtung mit der Gesichts- fläche verlaufen und die Seiten derselben flügelartig umsäumen. Durch dieselben gewinnt der ohnehin grosse Kopf noch bedeutend an Umfang und gibt dem alten Männchen ein überaus hässliches und abschreckendes Aussehen. Den Weibchen fehlen diese Wangenwülste gänzlich und ebenso den jungen Thieren bei beiden Geschlechtern, indem sie bei den Männchen erst vom achten bis zum zehnten Jahre zum Vorscheine kommen. Ausserdem unterscheiden sich die jungen Thiere aber auch noch durch eine reichlichere Behaarung und den Mangel des Bartes, der sich gleichfalls erst bei zunehmendem Alter entwickelt, so wie durch eine minder dunkle Färbung. Die Höhe eines erwachsenen Männchens beträgt 4 Fuss, eines alten Weib- chens 3 Fuss 7 Zoll. Der ausschliessliche Aufenthalt dieser Art ist Borneo, wo sie an der südlichen Seite längs der Ufer der Flüsse Kahayan, Sampit, Mandawej, Kotaringin u. s. w. und an der West- seite im Inneren von Pontianak, zwar nicht selten, aber nirgends zahl- reich getrolfen wird. In den bevölkerteren Gegenden, wo sie in früherer Zeit gleichfalls zu finden war, ist sie seither gänzlich verschwunden. Der borneo'sche Orang-Utan bewohnt nur die grossen, sumpfigen Wälder der Niederungen und geht niemals in's Gebirge. Er liebt die Einsamkeit und man trifft ihn fast immer nur einzeln. Kleinere Gesellschaften, die nur äusserst selten gefunden werden, bestehen gewöhnlich nur aus jüngeren Thieren oder Weibchen. Alte Männchen leben immer einzeln und nur zur Brunstzeit finden sich Männchen und Weibchen in demselben Bezirke, wo sie sich durch einen starken Schrei zurufen, welcher dem Brüllen des Rindes gleicht, und weit gehört wird. Er lebt fast nur auf Bäumen, gewöhnlich auf den hohen Riesenbäumen, von denen er nur äusserst selten herabsteigt. Bios ganz alte Thiere besteigen selten mehr die Bäume und halten sich am Boden auf. Es sind diess die in's hohe Greisenalter übergegangenen Thiere, welche die letzten Jahre ihres Lebens sich müheselig auf der Erde fortschleppen, indem sie sich mit den langen Armen auf den Boden stützen. Der borneo'sche Orang-Utan ist schon in seiner Jugend nicht besonders lebhaft und zeigt sich sehr bald träge und nur wenig behende ; 58 denn alle seine Be-wegimgen sind langsam und bedächtig und niemals versucht er es zu springen. Dagegen kann er sehr gut klettern, wobei er sich mit den Vorderhänden bedächtig von einem Aste zum anderen zieht. Auf der Erde bewegt er sich langsam und unbeholfen auf allen Vieren, wobei die Finger der Hinterhände nicht ausgestreckt, sondern nach einwärts gebogen und gegen den Daumen gerichtet sind, so dass er nur mit dem Aussenrande der Hinterhände den Boden berührt und gleichsam mit geballter Faust auftritt, während die Finger der Vor- derhände eingeschlagen sind, und nur mit den Knöcheln den Boden berühren. Nur äusserst selten und blos auf kurze Zeit ist er im Stande, sich aufrecht zu bewegen. Dass er gewöhnlich aufrecht gehe, oder sich wohl gar hierbei eines Stockes als Stütze bediene, ist eine Fabel. Während des Tages klettert er bedächtig in den Baumkronen umher, um seine Nahrung aufzusuchen, die in allerlei wilden Früchten, Fruchtknospen, Blüthen und jungen Blättern besteht. Insbesondere liebt er die Feigen. Alte Thiere fressen aber auch bisweilen gewisse Samen, und selbst Baumrinde. Die Nacht bringt er am liebsten in den dem Winde und Regen minder ausgesetzten Niederungen des Urwal- des, in einer Höhe von 12 — 20, ja selbst bis 30 Fuss über dem Boden zu. Gewöhnlich wählt er sich einen grossen Farrenstamm oder einen Orchideen-Busch, der als Sclnnarotzerpflanze auf einem dicken Stamme wuchert, zur Buhestätte aus, oder sucht sich den Gipfel eines einzeln stehenden kleinen Baumes auf, um auf demselben sein Nachtlager aufzuschlagen. Zu diesem Zwecke baut er sich eine Art von Nest, das an Grösse und Bauart dem Neste des europäischen Storches gleicht, und gewöhnlich nur auf jungen Bäumen und nie über 30 Fuss über der Erdoberfläche angelegt wird. Die Unterlagen bilden entweder starke, abgebrochene Äste, oder es sind dünnere Zweige, die kreuzweise über einander gebogen, und mit losen Blättern, Orchideen, Farren, Pandanen, Nipa und dergleichen Pflanzen überlegt werden, um das Lager weicher zu machen. Er schläft niemals in sitzender Stellung ; sondern liegt meist entweder auf dem Rücken , oder auf den Seiten , mit angezogenen Beinen und auf der Brust verschränkten Armen. Bei kühler Witterung bedeckt er seinen Körper gewöhnlich auch des Nachts mit Blättern und besonders gerne bedeckt er mit denselben auch den Kopf. Beim Sitzen schlägt er die Beine über einander. Er ist überaus friedlich und keineswegs furcht- sam, denn er flieht nicht scheu vor dem Menschen, sondern betrachtet. 59 Aveiin man sich ihm uälierl, den Entgegenkommenden, nm sich dann erst endh'ch langsam zn entfernen. Gewahrt er Gefahr, oder sieht er sieh gar dnrcli Verfolgung bedroht, so sucht er in den höchsten Wipfehi der Bäume Schutz, wo er sich entweder hinter einem dicken Aste, oder zwischen dem Dickicht des Laubes versteckt, und erst dann, wenn er sich auch hier nicht sicher fühlt, fbichtet er in den Höhen von Baum zu Baum. Aber auch selbst bei der Flucht sind seine Bewegungen weder ungestüm rasch, noch eilig, sondern werden mit Umsicht, überlegend und zögernd ausgeführt. Wird er durch einen Kugelschuss oder einen vergifteten Pfeil verwundet, so bricht er sogleich alle Äste und Zweige , welche sich in seiner Nähe l)efinden, ab, und schleudert sie von der Höhe auf seinen Gegner herab , um ihn dadurch einzuschüchtern und von weiterer Verfolgung abzuhalten. Hierbei stösst er von Zeit zu Zeit ein tief tönendes, brummendes Gebrüll aus, das dem des Panthers ähnlich ist und seinen Zorn und seine Wuth verräth. Seine Bewegungen werden jetzt zwar schneller, bleiben aJier doch immer noch so langsam, dass es nicht schwer fällt, ihn zu verfolgen. Auch angeschossen macht er keine Sprünge. Ist er gefallen und noch nicht todt , so ist es höchst gefährlich , sich ihm zu nähern, denn er vertheidiget sich aufs Muthigste mit seinen Armen und dem wahrhaft furchtbaren Gebisse und besitzt eine unglaubliche Stärke. Mit Leichtigkeit bricht er den Arm eines Menschen in einem Augen])licke morsch entzwei und zerbeisst grässlich seine Hände, dass alle Finger gleich zermalmet werden. Es ist unmöglich, sich eines alten Thieres lebend zu bemächtigen. Im jugendlichen Alter fällt es dagegen nicht schwer, ihn lebend einzufangen, da er sich leicht ergreifen lässt. In diesem Alter ist es auch leicht, ihn zu zähmen, und selbst auch abzurichten. Er beweiset Zuneigung gegen die Per- sonen, die ihn pflegen, folgt dem Befehle seines Herrn, und lernt den Namen kennen, den man ihm gibt. Er besitzt in hohem Grade Nach- ahmungstrieb , gewöhnt sich bald an den Gebrauch von Löffeln, Gabeln, Messern, Gläsern, Tassen u. s. w., auf die er sorgsam achtet, bereitet sich selbst sein Bett, und deckt sich ohne fremde Hülfe zu. Gegen Kälte ist er höchst empfindlich und hüllt sich mit grosser Ge- schicklichkeit in die ihm dargebotenen Decken ein. Im Allgemeinen ist er stumpf und theilnahmslos ; doch hebt er es doch zuweilen, mit Personen, denen er zugethan ist, zu scherzen, indem er ihre Auf- merksamkeit zu erregen und sie zu Neckereien zu verleiten sucht. Die 60 Gefangenschaft ist ihm im höchsten Grade lästig, und jede Täuschung erwecket seinen Zorn. Er wii'ft sich dabei zu Boden und gibt seinen Unmuth durch ein winselndes Geschrei zu erkennen. Seine Neugierde ist sehr geringe und wird nicht leicht durch irgend Etwas erregt. Mit jungen Katzen verträgt er sich sehr gut, und spielt mit ihnen gerne, wobei er weder ihre Bisse, noch ihr Kratzen fürchtet. Gegen Amphi- bien hingegen scheint er eine angeborene Abneigung zu fühlen. Beim Anblicke derselben zieht er sich mit unverkennbarer Furcht in einen Winkel zurück, wo er mit vorgestreckten Lippen ein halb grunzendes, halb quackendes Geschrei ertönen lässt. Obwohl seine Intelligenz gross ist, so erreicht sie doch nicht die des Elephanten; denn alle Sagen, dass er einen gewissen Grad selbst von Cultur annehmen könne und dem Menschen auch in geistiger Beziehung sehr nahe stehe, sind übertrieben. Unter seinen Sinnen scheint der Gehörssinn am Meisten ausgebildet zu sein, wie denn auch der Nutzen, den ihm dieser Sinn für seine Sicherheit gewährt, sehr gross ist. Gesichts- und Geruchs- sinn sind minder bei ihm entwickelt. Der Tastsinn scheint seine höchste Ausbildung in den Lippen zu erreichen, die stets in Bewegung sind, bald trichterförmig vorgestreckt, bald ringförmig zusammen oder nach Innen gezogen werden, und insbesondere scheint die grosse fleischige Unterlippe der Hauptsitz dieses Sinnes zu sein. Die Gefangenschaft hält der borneo'sche Orang-Utan in seinem Vaterlande eben so wenig für die Dauer aus als in Europa, und die Hauptursache scheint in der Nahrung zu liegen. In der Gefangenschaft geniesst er fast Alles: Brod, gekochtes und gebratenes Fleisch, Gemüse, Reis, Wurzeln, insbeson- dere Av ürzige, wie Petersilie und Möhren, Erdäpfel, Nüsse, Obst, beson- ders Erdbeeren, Eier, Zucker u. s.w. und trinkt nebst Wasser auch Milch, Thee, Kaffee, Chocolade und selbst Wein. In der Regel stirbt er an einem Darmleiden. Man kann annehmen, dass jährlich 100 — 130 junge Thiere von den malay'schen Kaufleuten aus dem Inneren von Borneo an die verschiedenen Küstenplätze gebracht werden, wovon die Hälfte daselbst schon stirbt. Die übrigen werden meist nach Singapura auf der Halbinsel Malacca und ein kleiner Theil auch nach Java gebracht. Schon auf dieser Reise sterben unter Vieren drei, so dass von 120 nur 25 Singapura oder Java erreichen, und von diesen 2o kaum 5 Europa. Die grosse Sterblichkeit während der Gefangenschaft und nicht die Seltenheit des Thieres ist also die Ursache, dass es in Europa so selten und so theuer ist. Es wird behauptet, dass er bisweilen 61 Frauen und Kinder raube, was eine Fabel ist; so wie die vielen über- triebenen Erzäblungen von den besonderen Eigenscbaften, womit man die Naturgescbichtc dieses Tbieres auszuschmücken versuchte. Alle diese Fabeln stammen von Java oder von Malacca her, wo die Händler darin ihren Vortheil suchten, diesem Thiere menschliche Eigenschaften in so hohem Grade zuzuschreiben. Manche Stämme der halbwilden Einwohner von Borneo, insbesondere die Bajadu's, welche in dem weit ausgedehnten Stromgebiete des grossen Dajak-FIusses und an seinen Nebenflüssen wohnen, stellen diesem Thiere häufig nach, da sie das Fleisch desselben sehr gerne essen. Der borneo'sche Orang- Utan ist meist sehr fett, besonders wenn er alt ist, und alte Männchen sollen bisweilen so schwer sein, dass drei bis vier Menschen ein solches kaum zu tragen vermögen. Die Liebe zu seinen Jungen ist eben so gross, als bei anderen Affenarten. Der Name, welchen er bei den Eingebo- renen führt, ist Majas Bannir. Nur bei den Malayen heisst er Orang- Utan, was so viel als Waldmensch bedeutet. Diese Benennung stammt von Malacca oder Java her, wohin dieses Thier seit alten Zeiten her auf Handelswegen gebracht und zum Kaufe ausgeboten wird. 3. Gattung. Gibbon (Hylohates). Die vorderen GHedmassen sind viel länger als die hinteren und reichen bis auf den Boden. Die Schnauze ist kurz. Schwanz und Backentaschen fehlen, Gesässschwielen sind vorhanden. Der Daumen der Hinterhände ist lang. Vorder- und Hinterhände sind fünfzehig. Der graue Oibbon (Hylohates leuciscus). (Fig. 3.) Der Kopf ist klein und rundlich , der Leib gestreckt und ziemlich schlank, besonders in der Lendengegend. Das Fell ist überaus dicht und reichlich behaart. Die Haare sind lang, fein, fast wollartig und gewellt. Gesicht, Ohren und die Innenfläche der Hände sind kahl, die Oberseite der Finger bis gegen die Nägel behaart. Die Ohren sind klein und werden ganz vom Pelze überdeckt. Bei alten Thieren sind der Bücken und die Gliedmassen entweder hellgrau, bisweilen in's Gelblichgraue übergehend, oder dunkler bräunlichgrau, Brust und Vorderkopf hingegen braunschwarz. Junge Thiere sind fast ein- farbig hellgrau. Das Gesicht ist von einem helleren weisslichen Haarkranze umgeben und eben so wie die Innenseite der Hände von 62 schwarzer Farl»o. Im orwneliseiieii Ziistando beträgt die Grösse des Thieres etwas ül)er 1^/^ Fuss. Der Aufenthalt des grauen Gibbon ist auf Java bcselu'änkt, wo er im Dickichte der baumartigen Gräser, besonders unter Bambusrohr und Schilf, ziemlich häufig getroffen wird. Er lebt familienweise zusammen, ist sehr stark, gewandt und ausserordentlich beweglich. Mit grösster Leichtigkeit erklettert er die Stengel des Bambusrohres um sich auf denselben zu schaukeln und im aufgeregten Zustande scheint er fast mit tlugähnlicher Sclniel- ligkeit von einem Orte zum anderen zu gelangen. Bei vollkommener Buhe und Sicherheit hingegen sind seine Bewegungen ziemlich lang- sam. Es ist nicht leicht ihm beizukommen, denn er ist sehr scheu und flüchtig. Nur wenn er sein eigenthümliches Geschrei ertönen lässt, welches wie eine Wiederholung der Sylben Uah-Uah klingt, ist es möglich sich ihm zu nähern. Es ereignet sich diess vorzugs- weisse zur Zeit des Sonnenaufganges, wo gewöhnlich eine ganze Familie auf einem Baume l)eisammen sitzt. In der Gefangenschaft ist er sanft, lebhaft und munter, ohne jedoch dabei übermüthig zu sein wie andere AlTen. Sein Blick ist verständig, aber scheu und tief- sinnig, was dem Thiere, insbesondere wenn es seine langen Vorder- arme ausstreckt, ein unheimliches Aussehen gibt. 4. Gattung. Nasenaffe (Nasalis). Die Gliedmassen sind fast von gleicher Länge und ziemlich stark. Backentaschen fehlen, GesässschAvielen sind vorhanden. Der Leib ist untersetzt. Die Schnauze ist durch eine weit über die Ober- lippe hervorspringende Nase verlängert und die Nasenlöcher stehen auf der Unterseite derselben. Der Schwanz ist sehr lang. Die Yor- derhände haben einen langen Dauuien. Vorder- und Hinterhände sind fünfzehig. Der bornco'sche Nasenaffe oder Rahau (Nasalis larvatus). (Fig. 4.) Der Kopf ist ziemlich klein. Bei alten Thieren ist er oben abge- plattet und die Nase ist hakenförmig über die Oberlippe herabge- krümmt. Sie ist in der Mitte ziendich breit, an ihrem äusseren Ende zugespitzt und längs ihres Bückens mit einer seichten Furche versehen. Die Nasenlöcher sind sehr gross und können noch viel weiter aufge- trieben werden. Bei ganz jungen Thieren bildet die Nase einen kleinen. 63 etwas nach auf- und rückwärts gerichteten, auf ihrem Rücken schwach gefurchten Kegel, wodurch sie nicht gewölht sondern ausgehöhlt erscheint. Die Oln-en sind kk^n, das Gesieht und die Innenfläche der Hände nackt. Der Leib ist ziemlich kurz und dick, der Schwanz sehr lang und dünn und gegen die Spitze etwas buschig. Die Behaarung ist reichlich und weich. Am Scheitel sind die Haare kurz und dicht, und breiten sich von einem Mittelpunkte aus; an den Seiten des Gesichtes, dem Hinterhaupte und dem Kinne sind sie länger, und bilden um Hals und Schultern eine Art von Kragen, Avelcher auch den sehr grossen Kehlsack überdeckt, der an der Vorderseite des kurzen Halses her- vortritt. Die Nägel an den Hinterdaumen sind sehr gross und dick. Scheitel, Hinterkopf und Schultergegend sind von lebhaft kastanien- brauner Farbe. Die Seiten des Gesichtes und ein Streifen, Avelcher quer über die Schultern zieht, sind röthlichgelb. Der Rücken und die obere Hälfte der Seiten sind fahlgelb und dunkel rotbbraun gewellt, der Rücken ])isweilen einfarbig rothbraun. Die Brust und der Obertheil des Bauches sind licht röthlichgelb, der Untertheil des Bauches graulichgelb. Ein dreieckiger, scharf abgegrenzter Flecken in der Kreuzgegend, dessen Spitze gegen die Schwanzwurzel gerichtet ist, ist graulichweiss. Die Gliedmassen sind in ihrer oberen Hälfte gelblichroth, in ihrer unteren, eben so wie der Schwanz, asch- grau. Die Nägel, die Innenfläche der Hände und die Gesässschwielen sind graulichschwarz , Gesicht und Ohren kupferfarben und die Augen licht kastanienbraun. Erwachsene Männchen erreichen eine Höhe von nahe an 3 Fuss. Der Leib misst 1 Fuss 1 1 1/3 Zoll , der Schwanz 2 Fuss 3 Zoll. Die Weibchen bleiben immer kleiner und sollen schon lange \ov Vollendung ihres Wachsthums zur Fortpflanzung geeignet sein. Die ausschliessliche Heimath des Kahau ist Borneo, woselbst er sich in den dicken Rotang- und Nipa-Gebüschen aufhält und in grossen Truppen zusammenlebt. Insbesondere kommen des Morgens und Abends zahlreiche Schaaren auf den Bäumen längs der Flussufer zusammen und lassen ihr tiefklingendes, lautes Geschrei, welches dem Worte Kahau sehr ähnlich klingt, allenthalben ertönen. Sie sind schnell und gewandt und besitzen eine ungemeine Fähigkeit sich selbst über Strecken von 15 — 20 Fuss von einem Baume zum anderen zu schleudern. Ihre Nahrung besteht in Früchten und Nüssen. Sie sind sehr lebhaft, wild, boshaft und stark und sollen sich nicht zähmen lassen. Über- fallen, verbergen sie sich am Boden, vertheidigen sie sich aber mit Miith, wenn sie angec^riffen werden. Die Dajaken, Ureinwohner eines Theiles von Borneo, jagen ihnen fleissig nach und geniessen ihr Fleisch, welches schmackhaft sein soll. Der Name, den sie bei den Eingeborenen haben, ist Bantangan. 5. Gattung. Schlank-xVffe (Semnopithecus), Die Gliedmassen sind fast von gleicher Länge und sehr schmächtig. Backentaschen fehlen, Gesässschwielen sind vorhanden. Der Leib ist meistens schlank, nur selten untersetzt. Die Schnauze ist kurz und die Nasenlöcher stehen auf der Oberseite derselben. Der Schwanz ist sehr lang, oder lang. Die Vorderhände haben einen kurzen Daumen. Vorder- und Hinterhände sind fünfzehig. Der bante Schlank-Affe oder Dok (Semnopithecus Nemaeus). (Fig. .-i.) Der Duk ist bezüglich seiner Färbung, unstreitig der schönste unter allen Allen , und nicht mit Unrecht hat man ihm auch wegen der Buntheit und scharfen Abgrenzung der Farben seines Felles, den Namen KleiderafTe beigelegt. Sein Kopf ist rund, sein Leib nicht besonders schlank, sondern eher dick als schmächtig. Sein Schwanz ist lang und dünn und das Gesicht ist von einem dichten Backenbarte umgeben. Die Behaarung ist reichlich und weich. Scheitel , Nacken, Rücken, Unterleib und Oberarme sind aschgrau mit Weiss gesprenkelt, indem jedes einzelne Haar abwechselnd weiss und schwärzlich gerin- gelt ist. Der Backenbart ist glänzend weiss, über die Stirne zieht sich eine schwarze Binde, und ein pinselförmiger Büscliel rothbrauner Haare erstreckt sich von den Augen zu den Ohren. Die Brust ist weiss und ihr oberer Rand wird durch eine rothbraune Binde begrenzt, welche sich bis zu den Schultern verlängert und von da, in Schwarz übergehend, über den Oberarm bis zu den Achseln läuft. Der Vor- derarm, der Schwanz und ein viereckiger Flecken an der Schwanz- wurzel sind von schneeweiser Farbe. Die Finger und die Ober- schenkel sind schwarz, ebenso die Zehen; die Unterschenkel und Fusswurzel hingegen rothbraun. Das Gesicht ist orangenfarben und um die gelben Gesässschwielen zielit sich ein weisser Rand. Die Innenfläche der Hände ist schwarz. Die Länge seines Körpers beträgt 2 Fuss, des Schwanzes 1 Fuss 8 Zoll. Vollkommen erwachsene Individuen zeisren in aufrechter Stellunor eine Höhe von 4 Fuss und 6S einigen Zollen. Er ist nur in Cochincliina und dem Inneren von Malacea zu Hause, wo er sowohl auf den höchsten Bäumen der Gehirgswülder, als in den dichten Kiistenwäldcrn in zahlreichen Gesellschaften getroffen wird. Er ist durchaus nicht scheu und dringt nicht selten sogar bis in die Dörfer der dortigen Bewohner ein. Von den Eingeborenen seihst hat er ungeachtet seines schönen Felles keine Verfolgimgen zu erdulden. Dagegen haben ihn die Nachstellungen fremder Matrosen von den Küsten schon so ziemlich verscheucht und seltener gemacht. So leicht es ist, ihn seihst in grösserer Menge zu tödten, so schwer ist es, ihn lebend zu erhalten. Diess ist auch nur bei jungen Thieren möglich und selbst diese klammern sich so fest an die Leichen ihrer erschossenen Mütter, dass man sie nur mit Gewalt von ihnen trennen kann. Nach einer Jagd versammeln sich die Entkommenen um die Erschossenen und Verwundeten und versuchen es dieselben in ihre Wälder zu schleppen. Die Nahrung des Duk besteht in Früchten. Er ist sehr friedlich und sanft und gleicht in seinen Gewohnheiten dem Orang-Utan. Der Name, welchen er bei den Eingeborenen führt, ist Venam, was so viel als Waldmensch bedeuten soll. In seinem Magen sollen nicht selten Bezoar-Kugeln gefunden werden. 6. Gattung. Stummelaffe (Colohus). Die Gliedmassen sind fast von gleicher Länge und sehr schmächtig. Backentaschen fehlen, Gesässschwielen sind vorhanden. Der Leib ist schlank. Die Schnauze ist kurz und die Nasenlöcher stehen auf der Oberseite derselben. Der Schwanz ist sehr lang. Die Vorderhände haben keinen Daumen. Die Vorderhände sind vierzehig, die Hinterhände fünfzehig. Der Ouereza (Colobus Guereza). (Fig. 6.) Sein Kopf ist rund, sein Leib schlank und seine Behaarung lang und weich. Von den Schultern zieht sich eine aus sehr langen Haaren bestehende Mähne jederseits längs den Seiten des Leibes herab, welche sich über den Lenden vereiniget und deren Haare flatternd lierabhängen. Der Schwanz ist sehr lang und dünn und endiget in eine Quaste. Eine das Gesicht umgebende, an der Kehle und den Seiten des Halses sehr breite Binde, sowie die lange Seitenmähne, sind nebst einer Einfassung um die nackten Gesässschwielen von schnee- (Natiirg'eschichte.) 5 66 weisser Farbe. Die übrigen Theile des Körpers, das Gesiebt, die Innenfläcbe der Münde, die Nägel und Gesässsehwielen sind tief saniintscbwarz. Nur die hintere Hälfte des Schwanzes sammt der Quaste ist silbergrau, da jedes einzelne Haar weiss und braun geringelt ist. Die Länge seines Körpers beträgt 2 Fuss 4 Zoll, des Schwanzes sammt der Quaste 2 Fuss ßVo Zoll. Der Guereza wird nur im süd- lichen und westlichen Theile von Abyssinien getroffen, woselbst er die Provinzen Godjam, Kulla und insbesondere Damot bewohnt. Er lebt auf hochstämmigen Bäumen in waldigen Niederungen, meist in der Nähe von Flüssen, in kleinen Familien zusammen. Seine Nahrung besteht in wilden Früchten, Samen und Insecten , mit deren Ein- sammeln er den ganzen Tag über beschäftiget ist. Niemals aber besucht er die Pflanzungen um sie zu berauben oder nach Art anderer Affen mutliwillig zu zerstören. Die Nacht bringt er schlafend auf Bäumen zu. Er ist sehr behende, lebhaft und schnell, und springt, wenn er verfolgt wird, oft von einer Höhe von 40 Fuss auf den Boden herab. Übrigens ist er sanft, durchaus nicht lärmend und voll- kommen harmlos. In früheren Zeiten wurde in der Provinz Damot regelmässig auf ihn Jagd gemacht, weil es die Eingeborenen für eine besondere Auszeichnung betrachteten, ein Schild zu besitzen, das mit dem langhaarigen Rückenfelle des Guereza überspannt war. 7. Gattung. Meerkatze (Cercopitheciis). Die Gliedmassen sind fast von gleicher Länge und nicht sehr schmächtig. Backentaschen und Gesässsehwielen sind vorhanden. Der Leib ist nicht sehr schlank. Die Schnauze ist etwas vorspringend und die Naseidöcher stehen auf der Oberseite derselben. Der Schwanz ist sehr lang, oder lang. Die Vorderhände haben einen langen Daumen. Vorder- und Hinterhände sind fünfzehig. Die Diane oder Palatlne (Cercopithccus Diana). (Fig. 7.) Die Diane ist eine der schönsten und zierlichsten Arten aus der zahlreichen Gattung der Meerkatzen, ausgezeichnet durch ihre ziem- lich schlanke Gestalt und einen langen krausen Backenbart, welcher sich unter dem Kinne zu einem platten Spitzbarte vereiniget. Kopf, Nacken, die Seiten und die Mitte des Unterleibes sind dunkel asciigrau und jedes Haar ist an diesen Stollen schwarz und weiss geringelt und 67 mit einer weissen Spitze versehen. Die Aussenseite der Gliedmassen und der Schwanz sind dunkel sehiefergrau , die Hände und die Schwanz- spitze schwarz. Längs des Rückgrates zieht sich von den Schultern his zur Schwanzwurzel ein dunkel rothbraunes Band, das sich nach hinten zu ausbreitet, und am Kreuze in der Gestalt eines schmalen Dreieckes abschneidet. Das dreieckige Gesicht und die Ohren sind tief schwarz. Der Kinn- und Backenbart, ein gerader Streifen langer Haare, welcher über die Augen hinwegzieht, so wie die Kehle, Brust und Innenseite der vorderen Gliedmassen sind weiss. Der untere Theil des Bauches, dann die innere Seite der hinteren Gliedmassen sind ziemlich lebhaft gelb. Über die Schenkel zieht sich in schiefer Richtung von der Croupe gegen das Knie ein schmaler, weisslichgrauer Streifen. Die Länge des Körpers beträgt 1 Fuss 6 Zoll, des Schwanzes 2 Fuss. Die Heimath der Diane scheint über einen ziemlich grossen Theil des westlichen tropischen Afrika zu reichen. Man kennt sie sowohl aus Fernando-Po, als von der Goldküste, Congo und Guinea. Über ihre Lebensweise ist nur sehr wenig bekannt. Man hatte bisher nur Gele- genheit gehabt, junge Thiere und zwar blos in der Gefangenschaft zu beobachten. Sie zeigten sich freundlich, mild, vertraulich und sehr geneigt zum Spielen. Beachtenswerth war ihre ReinUchkeit und die grosse Vorsicht, welche sie gebrauchten, beim Trinken ihren spitzen Bart nicht zu beschmutzen. Die MoHa (Cercopithecus Mona). (Fig. 8.) Die Mona gehört gleichfalls zu den schöneren und beliebteren Arten unter den Meerkatzen. Der Kopf ist glänzend gelbgrün, die langen Haare des Backenbartes sind strohgelb und beide schwarz gesprenkelt. Über die Augenbrauen zieht sich ein sclmialer, graulicher Streifen und zwischen dem Auge und Ohre befindet sich jederseits ein schwarzer Strich. Die nackten Wangen und Augenkreise sind purpurblau, Schnauze, Ohren und Hände fleischfarben. Der Rücken und die Seiten sind kastanienbraun mit feiner schwarzer Sprenkelung, welche Farbe an den Oberarmen und Schenkeln allmählich in's dunkel Schieferfarbene übergeht und sich an der Aussenseite der Gliedmassen fortsetzt. Von derselben schiefergrauen Färbung ist auch die Oberseite des Schwan- zes. Die ganze Unterseite, die Innenseite der Gliedmassen, und ein eiförmiger Flecken zu beiden Seiten der Schwanzwurzel sind von rein 68 weisser Farbe und scharf abgegrenzt. Die Länge des Körpers beträgt 1 Fuss 6 Zoll, des Schwanzes 1 Fuss 11 Zoll. Die Mona ist an der Westküste von Afrika zu Hause, und wird sowohl in Guinea als Senegandjien getroffen. Über ihre Lebensweise im freien Zustande ist nichts bekannt. Die ganze Kenntniss, welche wir von ihren Sitten und Gewohnheiten bisher erlangt haben, beruht auf Beob- achtungen , welche an Thieren während der Gefangenschaft gemacht wurden. Sie scheint unser Klima besser zu vertragen, als andere Affen, da sie in der Regel länger in der Gefangenschaft aushält. In der Jugend ist sie sanftmüthiger und anmuthiger als irgend eine andere Meerkatze. Ihre Bewegungen sind zierlich und gewandt und alle ihre Handlungen bedächtig. Im Allgemeinen ist sie mehr ernst als munter, und niemals ausgelassen. Sie ist zutraulich gegen jene, welche sie friedlich behandeln, lässt gerne mit sich spielen und erwiedert Schmeicheleien, ohne jedoch eine wahre und dauernde Aidiänglich- keit zu zeigen. Als Ausdruck ihrer höchsten Freude lässt sie ein eigenthümliches, leises und sanftes Geschrei ertönen, nimmt die verschiedenartigsten Stellungen an und kneipt zuweilen sanft und vor- sichtig mit ihren Zähnen. Überhaupt zeigt sie eine überaus grosse Gutmüthigkeit und durchaus keinen Zorn. Ihren Unwillen gibt sie niemals durch Verzerrung des Gesichtes zu erkennen. Ein Sprung in die Luft scheint sie vollkommen zu besänftigen, und indem sie sich plötzlich mit einem anderen Gegenstande beschäftiget, sollte man fast vermuthen, dass sie ein abgeschlagenes Verlangen vergessen habe. Sie vermag aber ihre Begierden eben so wenig zu unterdrücken, als andere Auen, und obgleich sie in ihrem Verlangen beharrlich ist, so sucht sie doch niemals durch Gewalt Befriedigung zu erzwingen. Selbst gereizt, bleibt sie gelassen. Dagegen hat die Mona grossen Hang zum Stehlen und weiss diess mit unglaublicher List, geräuschlos und ohne dass man es gewahr wird, auszuführen. Gelinde Strafen vermögen sie weder einzuschüchtern, noch von diesem Hange abzuhalten. Im Gegenthoile wendet sie nur um so mehr List an, ihre Zwecke zu erreichen. Mit grosser Begierlichkeit prüft sie schon mit dem Auge den möglichen Inhalt entfernt ihr dargereichter Taschen und wühlt, Avenn man es ihr gestattet, mit sichtlicher Lust tief in ihrem Grunde. Im Alter ist die Mona in ihren Sitten aber durchaus nicht anders als die übrigen Arten von Meerkatzen und zeigt sich so wie diese, eigen- sinnig und wild. G9 8. Gattung. Makako (Macacus). Die Gliedmasscu sind fast von gleicher Länge und ziemlich stark. Backentaschen und Gesässschwielcn sind vorhanden. Der Leib ist untersetzt. Die Schnauze ist stark vorspringend und die Nasenlöcher stehen auf der Oherseite derselben. Der Schwanz ist mittellang, oder kurz. Die Vorderhände haben einen langen Daumen. Vorder- und Hinterhände sind fünfzehig. Der Schweinsaffe (Macacus nemestrinus). (Fig. 9.) Diese Art ist durch ihren kurzen Schwanz ausgezeichnet, welcher dicht und kurz behaart, sehr dünn und fast kürzer als der Ober- schenkel ist. Er wird von dem Thiere immer so getragen, dass er von seiner Wurzel an nach aufwärts, gegen die Spitze zu aher nach abwärts gerichtet ist. Die Form sowohl, als das eigenthümliche Tragen des Schwanzes, welche ihm einige Ähnlichkeit mit einem Schweins- schwanze geben, haben die Veranlassung zu dem Namen gegeben, unter welchem dieser Affe allgemein bekannt ist. Die Beine sind ziem- lich hoch, die Haare auf der Oberseite des Körpers lang und reichlich, auf der Unterseite hingegen ziemlich spärlich. Auf dem Scheitel gehen sie strahlenförmig von einem Mittelpunkte aus, an den Wangen sind sie nicht besonders lang und dicht, am Kinne am spärlichsten und kürzesten. Gesicht, Ohren, Hände und Gesässschwielcn sind nackt und schmutzig fleischfarben; die oberen Augenlieder aber hell fleisch- farben und bei älteren Thieren sogar weiss. Die Augen sind braun. Die Oberseite des Felles ist dunkel olivenbraun, indem jedes einzelne Haar abwechselnd olivenfarben, grünlichgelb und schwarz geringelt ist. Längs des Rückgrates ist die Färbung am dunkelsten und erscheint auf dem Scheitel, dem Untertheile des Rückens und auf der Oberseite des Schwanzes braunschwarz. Auf den Oberarmen geht die olivenbraune Farbe in's Olivengelbe und Röthlichfahlgelbe über, und setzt sich auf den Unterarmen bis zu den Händen fort. Die Unterseite des Leibes und die Innenseite der Gliedmassen ist licht gelblich- oder bräunlichweiss, die Unterseite des Schwanzes hell rostbräunlich. Die Haare um die Wrangen und das Kinn sind hell graulichweiss. Die Höhe dieses Affen beträgt in aufrechter Stellung 2 Fuss 8 Zoll bei vollkommen erwachsenen Thieren, die Länge des 70 Körpers 1 Fuss 9 Zoll, des Schwanzes 6 Zoll. Seine Heimath sind die Wälder von Sumatra, Borneo und der inalay'schen Halbinsel. Er ist sehr lebhaft, munter und behende, und in der Jugend auch sehr gutmüthig, gelehrig und überaus leicht zu zähmen. Unter allen Arten der Makako's ist der Schweinsaffe diejenige, welche sich noch am leichtesten abrichten lässt. In der Nähe von Bencoolen auf Sumatra, wo er selir häufig ist, wird er von den dortigen Bewohnern in seiner Jugend dazu abgerichtet, auf gegebenen Befehl die Kokospalmen zu erklettern und die Nüsse von denselben abzupflücken. Er weiss diese Arbeit mit grosser Geschicklichkeit zu verrichten, indem er nur die reifen Nüsse auswählt und nicht mehr von denselben abbricht, als man verlangt. Die Gefangenschaft erträgt er gut und ziemlich lange, selbst in unserem Klima. Man kennt auch viele Fälle, dass sich diese Affen- art in Europa fortgepflanzt hat. Der Name, welchen der Schweins- affe bei den Malayen führt, ist Brüh. Der schwarze Bartaffe oder Wanderu (Macacus Silenus). (Fig. 10.) Der Wanderu ist sowohl durch seinen ziemlich kurzen Schwanz ausgezeichnet, der ungefähr von halber Körperlänge und an seinem Ende mit einer flockigen Haarquaste versehen ist, als durch eine aus einem grossen Haarkranze bestehende Mähne, welche das ganze Gesicht, mit Ausnahme einer kleinen Stelle an der Stirne, strahlen- förmig umfasst. Die Behaarung der übrigen Körpertheile ist minder reichlich, und Gesicht und Ohren sind fast ganz nackt. Die ganze Oberseite von der Stirne bis zur Schwanzspitze, so wie die Seiten und Gliedmassen sind von kohlschwarzer Farbe. Der Unterleib und der obere Theil der Innenseite der Gliedmassen ist Hellt bräunlichgrau. Der Haarkranz, welcher das Gesicht umgibt, ist gleichfalls bräunlich- grau und oben am dunkelsten, am lichtesten am Kinne. Das Gesicht und die Hände sind schwarz, die Gesässschwielen röthlich. Vollkom- men erwachsene Thiere haben eine Körperlänge von 2 Fuss, wobei der Schwanz sammt Quaste ungefähr 1 Fuss misst. Seine Heimath ist auf Hinter-Indien beschränkt, wo er in Malabar und insbesondere in den Provinzen Travaucore und Cochin häufig vorkonmit. Er hält sich aus- schliesslich nur in dichten Wäldern auf, und nähret sich vorzugsweise von Knospen und Baumblättern. Nur selten besucht er auch die Gär- ten, ohne jedoch in denselben einen erheblichen Schaden anzurichten. 71 In der Gefangenschaft nimmt er haUl mit jeder Nahrung vorlieh, ist aber grämhch und ungeselUg, und hat viele Neigung, andere in seiner Nähe hcfindhche Affen zu necken und eine Art Herrschaft üher sie auszuühen. Der Name, welchen der Wandern bei den Eingeborenen in Malabar führt, ist Nil-Bandar. In Ceylon, wohin er öfters auf Handelswegen gebracht wird, heisst man ihn Lowando oder Elwandu. 9. Gattung-. Magot (Inuns). Die Gliedmassen sind fast von gleicher Länge und ziemlich stark. Backentaschen und Gesässschwielen sind vorhanden. Der Leib ist untersetzt. Die Schnauze ist stark vorspringend und die Nasenlöcher stehen auf der Oberseite derselben. Der Schwanz ist sehr kurz, oder gänzlich fehlend. Die Vorderhände haben einen langen Daumen. Vorder- und Hinterhände sind fünfzehig. Der gemeine Magot oder türkische Affe (Inuns eccmclatus). (Fig. 11.) Der gemeine Magot ist die einzige Affenart, welche in Europa vorkommt und diejenige, welche uns am längsten bekannt ist, Sclion die Alten haben zu einer Zeit, wo die Zergliederung menschlicher Leichen aus Beligionsrücksichten nicht gestattet war, an diesem Thiere ihre anatomischen Untersuchungen und Studien gemacht. Die Behaarung auf der Oberseite ist ziemlich reichlich, auf der Unterseite hingegen, insbesondere auf der Brust und dem Bauche, spärlich, und lässt an diesen Theilen die blaulichgraue Körperhaut durchblicken. Gesicht, Ohren, Finger und die Innenfläche der Hände sind kahl. Das Gesicht ist von einem kurzen, starken Barte umgeben, und an der Stelle des mangelnden Schwanzes befindet sich ein sehr kurzes Haut- läppchen, Scheitel und Nacken sind gelbbraun, der Rücken und die Aussenseite der vorderen Gliedmassen bis gegen die Hände grünlich- braun. Die Aussenseite der hinteren Gliedmassen und die Hände bis zu den kahlen Fingern sind röthlichgelb. Die ganze Unterseite, so wie die Innenseite der Gliedmassen ist weissHch. Das Gesicht und die Gesässschwielen sind schmutzig fleischfarben und bleich, die Ohren und kahlen Finger, nebst der Innenfläche der Hände schwärzlich. Der Bart ist gelblichweiss, das Stirnhaar und ein Haarstreifen über den Augen schwarz. Die Körperlänge beträgt etwas über 2 Fuss. Die eigentliche Heimath des gemeinen Magot ist das nordwestliche Afrika; 72 (loch findet er sich auch auf den steilen und unzugänglichen Felsen von Gihraltar auf der Südspitze von Spanien. Es ist ungewiss, ob er ursprünglich daselbst heimisch war, absichtlich dahin verpflanzt wurde, oder wohl gar zufällig in jene Gegend gelangt sei, und sich seither daselbst fortgepflanzt hat. Seine Nahrung besteht in Früchten, Wur- zeln, Insecten und Gewüniien. Unter allen AlTen verträgt der gemeine Magot unser Klima am besten. Er wird am häufigsten nach Europa gebracht und zu allerlei Kunststücken und Gaukeleien abgerichtet. Diese Art ist es auch, welche gewöhnlich von Bärenführern und Per- sonen, welche abgerichtete Hunde und Afl'en zeigen, zur Schaulust des Publicums mitgeführt wird. In der Jugend ist er sanft, possierlich und zutlmlich, aber zugleich auch eigensinnig; doch lässt er sich sehr leicht zähmen, da er Züchtigung und Strafe fürchtet. Im Alter hingegen wird er, wie die meisten Affen, gewöhnlich boshaft und träge. Er ist dann still und falsch und oft so wild, dass es Mühe kostet, ihn zu bändigen. Seine Stärke ist so gross, dass selbst ein kräftiger Mann ihn kaum zu gewäl- tigen vermag. Sein Hauptvertheidigungsmittel besteht in seinem Gebisse und selbst noch bei ziemlicher Jugend versucht er davon Gebrauch zu machen, wenn er sich beleidiget fühlt, oder gereizt wird. Die Gewohn- heit, bei erregter Leidenschaft das Gesicht zu verzerren , besitzt der gemeine Magot in einem weit höheren Grade, als irgend ein anderer Affe. Hierbei bewegt er die Lippen mit grosser Schnelligkeit nach allen Rich- tungen und schlägt seine Zähne in rascher Aufeinanderfolge klappernd zusanmien. Damit gibt er Verlangen, Abscheu, Freude, Unwillen und Zorn zu erkennen. Nur wenn er sich fürchtet, stösst er ein heftiges, kurzes Gekreisch aus. Hat er nach einem Gegenstande Verlangen, so bewegt er mit grosser Schnelligkeit seine in Falten gelegte Stirnhaut auf und ab, streckt die Schnauze vor und zieht die Lippen so zusam- men, dass der Mund eine kleine zirkeiförmige Öftnung darbietet. In der Gefangenschaft gewöhnt er sich sehr leicht an die menschliche Kost, goniesst mit grosser Gier Zucker, Brod und gekochtes Gemüse und trinkt nicht blos Wasser und Milch, sondern auch Bier und Wein. Ebenso leicht pflanzt er sich aber auch in der Gefangenschaft fort und selbst noch in ziemlich nördlich gelegenen Ländern. Die Jungen hängen der Mutter beständig an der Brust oder klammern sich an ihrem Bauche fest, so lange sie von ihr gesäugt werden, und selbst wenn sie schon ziemlich herangewachsen sind, werden sie von den Altern gekannt und liebkoset. 73 10. Gattung-. Pavian (Cynocephalus). Die Gliedmasseii sind fast von gloiclior Länge und sehr stark. Backentaschen und Gesässscliwielen sind vorhanden. Der Leih ist üheraus stark. Die Schnauze ist sehr hing- und die Nasenlöcher stehen an der Vorderseite derselhen. Der Schwanz ist mittehang. Vorder- und Hinterhände sind fünfzehig. Der Bären-Pavian oder Chacnia (Cynocephalus j)orcarius). (Fig. 12.) Die Behaarung ist reichHch, nur die Innenseite der Arme und Schenkel ist spärlicher behaart. Gesicht, Ohren und Hände sind nackt, die Finger mit kurzen Haaren besetzt. Der Schwanz ist von mittle- rer Länge, reicht bis zur Ferse, und ist an seiner Spitze mit einem starken Haarbüschel versehen. Im Nacken befindet sich beim alten Männchen eine Art von Mähne, welche aus ziemlich langen Haaren besteht. Alte Thiere sind grünlichschwarz, am Vordertheile der Schaltern und au den Seiten aber blasser gefärbt, als auf dem Rücken. Die einzelnen Haare sind am Grunde grau, dann abwechselnd schwarz und weisslichgrau geringelt. Gesicht, Ohren und Hände sind von violetschwarzer Farbe, die kurzen Haare der Finger sind schwarz. Ein Kreis um die Augen ist lichter gefärbt als das Gesicht, und das obere Augenlied ist weiss. Bei jüngeren Thieren sind Gesicht, Ohren und Hände schwarz. Die Färbung des Felles ist bräunlich und dunkler längs der Mitte des Oberkörpers und am Schwänze. Die Körper- länge von Erwachsenen beträgt 3 Fuss, die Länge des Schwanzes 1 Fuss 8 Zoll. Der Chacma bewohnt die felsigen Gebirge in Süd-Afrika und vorzüglich in der Cap-Colonie. In früheren Zeiten war er häufiger als jetzt, indem er sich durch die allmähliche Aus- breitung menschlicher Ansiedelungen am Cap, ziemlich weit in's Innere des Landes zurückgezogen hat. In den, dem Inneren näher gelegenen Ansiedelungen besucht er jedoch nicht selten die Pflanzungen, namentlich die Gärten und Weinberge der dortigen Bewohner und übt daselbst ziemlich häufig seine Räubereien aus. Zwiebeln und Knollen- gewächse, an welchen Süd-Afrika einen grossen Reichthum besitzt, machen die Hauptnahrung desselben aus. Insbesondere soll die Babiana ein Lieblingsfutter dieses Pavian's sein, und desshalb diesen Namen erhalten haben. Doch fressen die Chacma's auch Getreide, und 74 besonders gerne Eier und Skorpionen, die sie mit Hast erfassen und deren gefährliche Stachehi sie mit grosser Gewandtheit und Schnelligkeit, ohne irgend einen Schaden zu leiden, abzureissen verstehen. Von den Felsen, auf welchen sie sich stets umhertreihen, steigen sie häufig in die fruchtbaren Thalschluchten herab, um ihre Lieblingsnahrung aufzusuchen. In Gegenden, die ihnen volle Sicherheit gewähren, zeigen sie wenig Furcht vor dem Menschen. Mit sichtbarer Neugierde sieht man sie zuweilen aus einer Spalte der unzugänglichsten Felsen auf vorüberziehende Reisende herabblicken. Gerathen sie in Thälern in Gefahr, so lässt jener, welcher die Gefahr entdeckt, einen starken, durchdringenden Warnungsruf ertönen, worauf die ganze Horde mit unglaublicher Schnelligkeit die Flucht ergreift, und die steilen, oft mehrere hundert Fuss hohen Felswände erklettert. Hierbei tragen die Mütter ihre Jungen auf dem Rücken, während die alten Männchen, welche zuletzt folgen, den ganzen Zug zu decken suchen. Sie sind über- aus stark und kräftig, und scheuen nicht leicht selbst einen überlegenen Gegner, wenn sie nicht mehr im Stande sind zu fliehen und genöthi- get werden sich zu vertheidigen. Es wird behauptet, dass eine Horde dieser Paviane im Stande sei den Hyänenhund, die Hyäne, ja selbst den Leoparden zu besiegen. Nur der Leopard vermag den Chacma, wenn er ihn einzeln trifft, zu gewältigen und ist sein fürchterlichster Feind, da er durch Schlauheit und List ihn einzeln zu beschleichen weiss, und viele dieser Thiere todtet. Die Jagdhunde der südafrika- nischen Pflanzer, welche gegen den Chacma einen grösseren Hass als gegen irgend ein anderes Thier haben, sind nicht im Stande, gegen diesen starken und gewandten Feind mit grossem Erfolge aufzutreten ; daher sich auch die Pflanzer weit eher zu einem Kampfe mit Löwen und Leoparden einlassen, als mit den Chacma's. Wird eine Truppe dieser Paviane von Hunden verfolgt, so lassen sie sich nur so lange von denselben vorwärts treiben, bis sie einen ziemlichen Vorsprung vor diesen gewonnen haben; dann aber wenden sie sich um, um den Angriff der Hunde zu emitfangen, wo die Mehrzahl derselben in der Regel getödtet oder durch fürchterliche Zerfleischung derart ver- wundet wird, dass sie zu einer Fortsetzung des Kampfes vollkommen unfähig ist. Die Anhänglichkeit der Mütter zu ihren Jungen ist bei den Chacma's überaus gross. Sie lieben sie mit grösster Zärtlichkeit und scheuen keine Gefahr, sie zu vertheidigen. Die Gefangenschaft scheinen sie selbst in unserem Klima ziemlich gut und lange zu ertragen. doch sind sie zu Zeiten überaus wild, so dass es für ihre Wärter höchst gefährlich ist, sich ihnen dann zu nahen. Durch ihr furcht- bares Gebiss sind sie im Stande Verwundungen beizubringen, die leicht den Tod zu Folge haben können. Insbesondere sind die alten Männchen zu fürchten, welche ganz unbändig sind. Die Weibchen sind , wenn gleich auch ihnen nicht viel zu trauen ist, im Verhältnisse doch weit sanftmüthiger als die Männchen und erhalten diesen fried- licheren Charakter selbst bei längerer Gefangenschaft, während die Männchen in der Regel sehr bald wild und böse werden. Obgleich ihnen ein gewisser Grad von Anhänglichkeit an ihre Pfleger nicht abzusprechen ist, und sich diese Anhänglichkeit insbesondere gegen Frauenspersonen bewährt, so ist es doch in keinem Falle räthlich ihnen besonderes Vertrauen zu schenken. Selbst bei der besten Behandlung und wenn sie auch noch niemals eine Strafe zu erleiden hatten, erwacht plötzlich ihr Zorn. Eine blosse Drohung mit einem Stocke genügt bisweilen, ihre Wuth urplötzlich zu entflammen. Man wollte hierin ein Zeichen ihres natürlichen Verstandes erblicken, da es nicht Rückerinnerung an erlittenen Schmerz sein kann, der das Thier zum plötzlichen Erwachen dieser Wuth bringt, sondern nur Folge eines überlegten Entschlusses. Der Name, welchen diese Pavianart bei den Hottentotten führt, ist T^chacamma, woraus die Benennung Chacma gebildet wurde. 11. Gattung. Mandrill (Papio). Die Gliedmassen sind fast von gleicher Länge und sehr stark. Backentaschen und Gesässschwielen sind vorhanden. Der Leib ist überaus stark. Die Schnauze ist sehr lang und die Nasenlöcher stehen an der Vorderseite derselben. Der Schwanz ist sehr kurz. Vorder- und Hinterhände sind fünfzehig. Der grosse MandriH (Papio Mormon). (Fig. 13.) Der grosse Mandrill ist eine der hässliehsten Gestalten unter allen Affen, und übertrifft an Leidenschaftlichkeit und Sinnlichkeit selbst alle bisher bekannten Arten von Pavianen. Die Veränderung, welche diese Affenart bei vorschreitendem Alter erleidet, ist sehr bedeutend, und zwar sowohl in Bezug auf die Gestalt, als auch auf Färbung, und ebenso erhebliche Verschiedenheiten bietet auch der Geschlechts- 76 unterschied dar. Das alte Männchen ist überaus kräftig und plump, ausgezeichnet durch den ungeheueren Kopf und die reichliche Behaa- rung an den Wangen und dem ganzen Ohertheile des Körpers, wodurch sein Aussehen an Plumpheit und SchwerfiUligkeit noch gewinnt. Das Haar des Vorderkopfes und der Schläfengegend vereiniget sich über der Stirne zu einem zugespitzten Schöpfe und unter dem Kinne helindet sich ein nach vorwärts gerichteter Bart. Der Schwanz ist über den ungeheuer grossen, weit vorragenden Gesässschwielen hoch am Leibe angesetzt und wird von dem Haare des Hintertheiles gedeckt. Das Gesicht, die Hände und Gesässschwielen sind nackt. Die weit vorstehenden Backenknochen sind mit einer dicken, stark angeschwol- lenen und tief gefurchten Haut bekleidet, die lebliaft blau gefärbt ist, während die Furchen von scharlachrotber Farbe sind. Zwei blaue Längsrippen begrenzen die scharlachrothe Nase, welche in derselben Färbung bis an die weit überhängenden Augenbrauenbogen verläuft, unter denen die kleinen, tiefliegenden Augen, Melche von lichtbrauner Farbe sind, hervorblicken. Ohren und Hände sind schwarz, die Gesässschwielen von lebhaft rother und blauer, glänzender Färbung. Die Gegend um den After und die Geschlechtstheile sind scharlachroth. Die Färbung der Haare ist auf der Oberseite und an den Seiten des Leibes dunkelbraun, mit einem schwachen olivenfarbigen Anfluge. Jedes einzelne Haar ist schwarz und olivengrün geringelt. Die Unterseite ist hellbräunlich, der Bauch weisslich. Der Kinnbart ist citronengelb und hinter den Ohren befindet sich ein graulichweisser Flecken. Jüngere Thiere haben zwar ebenfalls schon einen ziemlich plumpen Körper, aber er ist im Verhältnisse zur Höhe der Beine kürzer als bei alten Thieren. Der Kopf ist kurz und dick, die Farbe des Felles olivengrau; das Gesicht ist anfangs ungefurcht und schwärzlich, und erst später mit zwei blauen Längsrippen versehen; die Gesäss- schwielen sind von blassrother Färbung. Erst mit dem Hervorbrechen der Eckzähne beginnt allmählich die Veränderung in Gestalt und Farbe, welche in dem Masse zuniuunt, als die Entwickelung der Eckzähne fortschreitet. Die Weibchen erreichen niemals die Grösse des Männ- chens und die nackten Stellen ihres Körpers sind bei Weitem nicht so lebhaft gefärbt. Insbesondere wird die Nase niemals vollständig roth. Die Höhe eines erwachsenen Männchens beträgt in aufrechter Stellung 4»/s5 Fuss, in gehender Stellung 3 Fuss. Der Körper misst 3 Fuss, der Schwanz hingegen kaum 2 Zoll. Die Hcimath des grossen Mandrill 77 ist (las südwestliche Afrika , wo er in Guinea und insbesondere an der Goldküste häufig getroffen wird. Er lebt truppenweise in Wäldern und nähret sich von saftigen Früchten, Nüssen, Wurzeln, Knollen, Getreide und selbst Eiern. Nicht selten verlassen aber ganze Truppen ihren waldigen Aufenthalt und besuchen die Pflanzungen der benach- barten Ansiedler, insbesondere Gärten und Felder, wo sie ungestört und ungestraft ihre Plünderungen und Verwüstungen ausüben können. Der grosse Mandrill besitzt eine unglaubliche Kraft und einen hohen Grad von Wildheit und ist in seiner Heimath selbst von den Eingebore- nen überaus gefürchtet. Seine Kraft, seine Gewandtheit und sein fürchterliches Gebiss sichern ihn gegen jeden Feind, und eine Horde dieser Thiere ist im Stande, sich jedem anderen wilden Thiere erfolg- reich entgegen zu stellen. Sie schleudern Steine und Äste gegen ihren Feind, und lassen sich selbst durch den Schall der Schiessge- wehre nicht erschrecken. Sie klettern mit grosser Geschicklichkeit und Gewandtheit, und auch ihre Bewegungen auf ebenem Boden sind leichter und sicherer, als diess bei anderen Affen der Fall ist. Im freien Zustande gehen sie nur auf allen Vieren. Ihre Stimme klingt hohl und tief, doch keinesweges sehr laut, da sie durch einen häutigen Kehlsack gedämpft wird. Sie ist fast grunzend und hat eine entfernte Ähnlichkeit mit der Wiederholung der Sylbe Au. Ihre Leidenschaft- hchkeit und Sinnlichkeit kennt keine Grenzen; insbesondere über- treffen die alten Männchen an Brutalität und Unverschämtheit alle übrigen bekannten Affen. Es wird behauptet, dass sie es oft versuchen, Negerinnen zu rauben, und dass es ihnen auch bisweilen gelinge, die- selben in ihre Wälder zu schleppen, wo sie sie oft jahrelang geftmgen halten, und mit Sorgfalt nähren sollen. Der grosse Mandrill ist nur in der Jugend sanft und gutmüthig, und nur in zarter Altersstufe ist es möglich, ihn zu zähmen, ja selbst zu allerlei Kunststücken abzurichten. Er steht nur aufrecht, wenn er dazu gezwungen Avird, am liebsten auf einen Stock gestützt. Bei zunehmendem Alter verfällt er in die ihm angeborene Wildheit. Er ist boshaft, tückisch, diebisch und lüstern, besitzt jedoch Verstand in ziemlich hohem Grade, und weiss sich an seinen Beleidigern zu rächen. Er ist im Stande beim Menschen augen- blicklich das Geschlecht zu unterscheiden. Alte Thiere sind sehr böse, überaus leidenschaftlich und heftig. Ein Blick, ein Wort, ja oft die unbedeutendste Bewegung oder Handlung ist im Stande, sie augen- blicklich in Wuth zu versetzen. Ihren Zorn und Unwillen geben sie 78 durch Verzerrung des Gesichtes, Fletschen mit den Zähnen und heftige Bewegung zu erkennen, wohei sie gewöhnlich abgebrochene Laute ertönen lassen. Es ist dann sehr gefährlich, sich ihnen zu nahen, so wie sie auch jedes Thier augenblicklich tödten, das in ihre Nähe kommt. In der Gefangenschaft geniessen sie auch Brod, gekochtes Fleisch und Gemüse, ja selbst Käse, und vertragen Bier, Wein und Branntwein in ziemlich grosser Menge. Sie sind unmässig im Verlan- gen des ihnen dargebotenen Futters und pfropfen mit unglaublicher Schnelligkeit ihre Backentaschen damit voll, die so gross sind, dass sie mit Leichtigkeit acht Hühnereier in denselben bergen können. Beach- tenswerth ist ihre Reinlichkeit, in welcher sie andere Affen bei Wei- tem übertreffen. Alte Thiere halten sich lange in der Gefangenschaft, und sollen über 30 Jahre alt werden; junge hingegen leben selten lange, und unterliegen meistens dem Zahnwechsel. Der Name, welchen der grosse Mandrill bei den Eingeborenen führt, ist Barris. 2. Familie. IVenweltliche Affen (Platyrrhinae). Die Hinterfüsse sind immer mit einem den übrigen Zehen ent- gegensetzbaren Daumen versehen und meistens auch die Vorderfüsse ; denn selten ist entweder blos nur ein Daumenstummel vorhanden, oder der Daumen fehlt ganz. Alle Nägel sind platt. Die Nasenscheidewand ist breit. Die Heimath der neuweltlichen Affen sind nur die wärmeren Länder von Amerika. Sie bewohnen ausschliesslich die Urwälder und zwar meist in der Nähe von Flüssen und Sümpfen, wo sie gewöhnlich in einzelnen Familien oder truppen weise, und nur selten paarweise getroffen werden. Ihr gewöhnlicher Aufenthalt sind die Bäume, die sie nur selten verlassen. Die meisten sind Tagthiere, nur eine geringe Zahl führt eine mehr nächtliche Lebensweise und sehr wenige sind voll- kommene Nachtthiere. Manche, insbesondere die grösseren Arten, sind langsamer und minder rascli in ihren Bewegungen, während die aller- meisten äusserst gewandt und lebhaft sind. Bei jenen Arten, welche eine halbnächtliche Lebensart führen, sind die Bewegungen nur bei Tage träge, zur Nachtzeit hingegen behende und schnell. Alle vermögen aber mit grosser Leichtigkeit zu klettern, wobei jenen, welche mit einem Greif- oder Wickelschwanzc versehen sind, dieses Bewegungs- werkzeug vortrefflich zu Statten konunt. Die meisten springen auch 79 mit Leichtigkeit von Baum zu Baum und manche selbst in ziemlich weiten Entfernungen. Viele durchziehen die Wälder auch in langen Reihen, wobei manche eine geschlossene Kette bilden, indem sie sich wechselseitig mit den Scliwänzen an einander klammern. Die mit einem Greif- oder Wickeischwanze versehenen Arten haben die Gewohnheit, sich liäufig mit ihrem Schwänze an einen Baumast aufzuhängen oder auch zu schaukeln. Die allermeisten gehen niemals aufrecht und nur sehr wenige blos bisweilen und nur auf kurze Zeit, wobei ihnen der Schwanz zur Erhaltung des Gleichgewichtes dient. Ihr gewöhnlicher Gang ist auf allen Vieren. Bei den meisten ist er schwankend und unsicher und bei manchen selbst schwerfällig und beinahe hüpfend. Fast alle treten mit der ganzen Sohle auf und nur sehr wenige blos mit dem Innenrande der Vorderhände und dem Aussenrande der Hinter- hände. Ihre Nahrung besteht theils in Früchten, Knospen, Blättern, Stengeln, Schoten, Samen, theils aber auch in Insecten, Spinnen, Vogeleiern und Honig. Nur wenige nähren sich auch von jungen Nestvögeln und manche zuweilen auch zur Noth von Rinde. Gewisse Arten besuchen nicht selten die Pflanzungen , um in denselben zu plündern. Alle sind friedlich und die meisten auch wachsam, furchtsam, scheu und flüchtig. Bei Gefahr suchen sie sich entweder in den höchsten Baumkronen zu verbergen oder ergreifen die Flucht, und bei Verfolgung fliehen die meisten oft mit grosser Schnelligkeit und in ganzen Reihen über die Bäume hinweg. Werden sie angegriflen, so vertheidigen sie sich mit Muth. Manche Arten lassen sich zwar schAver, die allermeisten aber sehr leicht zähmen, insbesondere wenn sie jung eingefangen werden. Nur ganz alte Thiere sind nicht zähmbar. Bei- nahe sämmtliche Arten sind sanft, gutmüthig, zutraulich und lernen ihren Pfleger kennen; dabei sind viele aber auch neugierig, muth- willig, neckisch, eigensinnig, lüstern, genäschig, habsüchtig und selbst diebisch. Manche Arten sind aber auch grämlich und böse. Im Alter oder bei Misshandlung werden sie boshaft, tückisch und bissig. Erzürnt fletschen sie die Zähne. In der Gefangenschaft sind sie fast durchgehends munter und heiter und nur wenige Arten zeigen sich traurig. Manche, insbesondere die kleineren Arten, besitzen auch einen ziemlich scharfen Verstand und Geschicklichkeit, obgleich sie alle ungelehrig und zu keiner Abriehtung fähig sind. Gewisse Arten zeigen auch einen hohen Grad von Empfänglichkeit für äussere Ein- drücke und sprechen ihre Gefühle durch Lachen oder Weinen aus. 80 Die kleineren Arten sind sehr empfindlich gegen Kälte und Nässe , so wie jene, welche eine vollkommen nächtliche Lebensweise führen, gegen das Licht. Die Augen dieser leuchten im Dunkeln, gleich den Augen einer Katze. Die Zahl der Jungen beträgt 1 — 2. Die Mutter pflegt dieselben mit der grössten Sorgfalt und Zärtlichkeit und unter- richtet sie im Springen, bis sie selbst ihre Nahrung aufzusuchen verstehen. Sie trägt sie überall mit sich, meistens auf dem Hucken und verlässt sie niemals in Gefahr. Nur sehr wenige von jenen, welche eine nächtliche Lebensweise führen, nisten in hohlen Stämmen, die ihnen bei Tage auch zum Aufenthaltsorte dienen. Von den aller- meisten Arten wird das Fleisch von den Eingeborenen gegessen und von vielen auch das Fell verwendet. 1 . Gattung. Brüllaffe (Mycetes). Der Schwanz ist ein Greifschwanz , am unteren Ende kahl, und sehr lang. Die Gliedmassen sind stark. Die Vorderhände haben einen langen Daumen. Der Scheitel ist hochgestreckt. Das Gesicht ist mit einem Barte versehen. Vorder- und Hinterhände sind fünfzehig. Der rothe Brüllaffe oder Aloatc (Mycetes seniculas). (Fig. 14.) Der rothe Brüllaffe ist eine der grössten Arten unter den neu- weltlichen Affen. Er ist von gedrungenem Körperbaue, mit massig langen, starken Gliedmassen. Sein Kopf ist dick, der Hals kurz und in die Schultern eingezogen. Ein ansehnlicher Kropf umhüllt eine eigen- thüniHche Knochenkapsel, welche am Kehlkopfe mit der Luftröhre in Verbindung steht und Ursache jener starken Stimme ist, welche allen Arten dieser Gattung zukommt und zu ihrer Benennung Veranlassung gegeben hat. Der Bauch ist vorhängend, die Oberseite des Körpers ziemlich lang und reichlich, die Unterseite hingegen nur dünn behaart. Um das fast ganz nackte, nur mit einzelnen Härchen besetzte Gesicht zieht sich ein ansehnlicher, ziemlich langer Bart unter dem Kinne hinweg, welcher bei den Männchen länger, bei den Weibchen kürzer ist, und am Kinne zugespitzt erscheint. Das Haar am Vorder- und Ilinterkojtfe ist gegen den Scheitel gerichtet und bildet daselbst eine Art von Kamm; an den Vorderarmen ist es nach aufwärts gekehrt. Die Färbung des Felles ist glänzend rostroth, das auf den Gliedmassen, insbesondere den vorderen, dem Barte und dem Schwänze etwas 81 dunkler ist. Gesicht , Ohren und Hände sind nackt und schwärzlich, die Augen von gelbhräunlicher Farbe. Dieselbe Färbung wird selbst schon bei ganz jungen Thiereu wahrgenommen. Völlig erwachsene haben eine Körperlänge von 1 Fuss 8 Zoll, während die Länge des Schwanzes 1 Fuss OVa Zoll beträgt. Die Heimath des rothen Brüll- afTen sind nur die nördlicheren Gegenden von Brasilien, wo er bis nach Venezuela und Darien getroifen wird. Er bewohnet die an Flüssen und Sümpfen gelegenen dichten Urwaldungen in ungeheuerer Menge, und lebt in einzelnen Familien beisammen. Gewöhnlich wird eine ganze Familie, aus 10 — 20 Stücken bestehend, auf einem und demselben Baume getroffen, dessen höchste Stellen stets von den Männchen eingenommen werden. Auf den Boden kommen sie fast nie. Die Wälder durchziehen sie auf den Bäumen, in langen Reihen, die gewöhnlich aus 20 — 30 Stücken bestehen, und von einem alten Männchen angeführt werden. Alle Bewegungen desselben werden von den nachfolgenden nachgeahmt, und der Übergang von einem Aste zum anderen erfolgt genau an derselben Stelle, wo sich jenes hinübergeschwungen hat. Die Weibchen tragen hierbei ihre Jungen auf dem Rücken. Obgleich ihre Bewegungen im Allgemeinen langsam sind, so können sie doch sehr gut und zwar mit grosser Leichtigkeit klettern, wobei ihnen ihr Greifschwanz, mit welchem sie sich wie mit einer Hand an den Ästen und Zweigen festzuhalten vermögen, vor- trefflich zu Statten kommt. Auch benützen sie denselben häufig um entferntere Äste sich näher zu ziehen. Ihre Nahrung besteht vorzugs- weise in Blättern und Knospen, doch gemessen sie auch Früchte und Insecten. Die Samenschoten der Vanille sollen sie besonders lieben. Im Nothfalle fressen sie auch Rinde. Ihre Esslust ist sehr gross und ihr Magen stets gefüllt. Nur wenn sie trinken und sie nicht ein in's Wasser tauchender Zweig zur Wasserfläche führt, steigen sie zur Erde. Sie trinken übrigens nur wenig, da sie durch den Genuss saftiger Blätter und Früchte hinreichende Feuchtigkeit erhalten. Des Morgens und Abends lassen sie, insbesondere zur Avarmen Zeit, ihr lautes, dröhnendes Gebrüll erschallen, das von manchen Reisenden mit dem Geschrei der Frösche, von anderen mit dem Knarren ungeschmierter Wagenräder verglichen wird. Es besteht in röchelnden, trommeln- den Tönen, die theils von Pausen, theils von kurzen, rauhen Lauten unterbrochen werden, und hält bald längere, bald kürzere Zeit an. Die alten Männchen beginnen den Chor, in welchen die Weibchen (Naturgeschichte.) O 82 mit ihrer schwächeren Stimme einfallen nnd mit kurzen Unterbrechun- gen wird dieses rauhe, traurige und klagende Geheul, welches durch die Einöden ihrer Wildniss bis auf eine halbe Meile im Umkreise noch vernommen wird, oft stundenlang fortgesetzt. Gewöhnlich schreit eine ganze Gesellschaft zugleich, und wenn sie zu verstummen beginnt, setzt ein einzelner das Geheul wieder fort, wobei sie selten den einmal eingenommenen Wipfel eines Baumes verlassen. Dieser Umstand hat zur Sage Veranlassung gegeben, dass der Vorsänger auf dem Wipfel eines hohen Baumes sitze und den übrigen mit der Hand das Zeichen zum Einfallen oder zum Verstummen gebe, wie denn auch der Name Predigeraflfe, welchen man dem BriillafFen beigelegt hat, auf eben dieser Sage beruht. Von allen Reisenden Avird dieses Gebrüll, ins- besondere in einsamer Nacht, als wahrhaft schauerlich geschildert. Es ist gewiss, dass dasselbe nicht in einer Gemüthsbewegung gegründet sei, und ebenso wenig ist es auch an eine bestimmte Zeit gebunden. Es ertönt unregelmässig die Nacht hindurch, und selbst noch in den späteren Morgenstunden, insbesondere wenn der Himmel trüber ist. Da man die Beobachtung gemacht hat, dass vor dem Eintritte der in jenen Ländern herrschenden regelmässigen Gewitter ihr Geheul mit grösserer Stärke erschallt, so dürfte es wahrscheinlich sein, dass die elektrische Spannung der Atmosphäre hierauf Einfluss nimmt. Nur wenn sie fressen oder brüllen sind sie thätig. Die übrige Zeit starren sie regungslos vor sich hin, um sich zu sonnen, oder um zu schlafen, wobei sie, den Kopf auf die Brust gesenkt, sich der ganzen Länge nach auf einen Ast hinlegen, die vier Gliedmassen frei herabhängen lassen, und sich nur mit der Schwanzspitze, die ein- bis zweimal um den Ast herumgeschlungen ist, festhalten. Zuweilen sieht man sie auch blos mit der Schwanzspitze an einen Ast aufgehängt. Aufrecht gehen sie niemals, und nur im Nothfalle entschliessen sie sich zu rascheren Bewegungen. Auch sieht man sie niemals, so wie andere Affen, mit einander spielen. Gänzlich unwahr ist die Sage, dass sie auch gut schwimmen können. Vielmehr hat die Erfahrung gelehrt, dass sie es nicht einmal versuchen in's Wasser zu gehen, selbst wenn sie durch Noth dazu gezwungen wären. Ein sehr glaubwürdiger Reisender hat einst eine ganze Familie auf einem Baume sitzend angetroffen, der bei einer Überschwemmung rings vom Wasser umgeben, und bereits aller seiner Blätter und Zweige, ja selbst schon eines Theiles seiner Rinde beraubt war, ohne dass irgend eines der schon ganz ausgehun- 83 gerten Tliiere es gewagt hätte, sich durch Schwimmen über die nur bei 60 Fuss breite Wasserfläche in den nahen Wald zu retten. Sie sind furchtsam und träge, doch sind ihre Sinne scharf. Gewahren sie Gefahr, so verstummen sie augenblickhch und suchen sich in den höchsten Baum- kronen zu verbergen, indem sie sich fest an die Äste andrücken. Werden sie verfolgt oder selbst angeschossen, so fliehen sie, was jedoch keines- wegs mit grosser Schnelligkeit geschieht, so dass man ihnen leicht folgen kann, um sie mit Pfeilen oder langen Flinten in ihren Höhen zu erreichen. Auf dieser Flucht lassen sie beständig ihre breiartigen Exeremente fallen, was zur Sage Veranlassung gegeben hat, dass sie ihre Feinde mit ihrem Kothe bewerfen. Die Jagd, welche jedoch blos nur auf alte Thiere gemacht wird , ist aber keinesweges immer leicht und bisweilen sogar schwierig, da sie die Gefahr oft früh genug ent- decken , um bis in die höchsten Wipfel der Bäume zu entfliehen und sich zwischen denselben zu verbergen. Die Indianer sind daher oft genöthiget, einen nahestehenden Baum zu erklettern, um sie von da mit ihren Pfeilen zu erreichen. Werden sie auch selbst tödtlich ver- wundet und nicht gerade durch den Kopf oder das Rückenmark getroffen, so hängen sie sieh so fest mit ihrem Schwänze an einen Ast des Baumes an, dass sie erst oft mehrere Stunden nach dem Tode von demselben herabfallen. Stürzen sie aber, durch eine schwere Ver- wundung am Schwänze, lebend herab , so vermögen sie nur äusserst selten zu entkommen und vertheidigen sich muthig gegen den Schützen und die Hunde. Dass sie bei Verwundung das Blut durch Deckung der Wunde mit der Hand zu stillen suchen, oder wohl gar gekaute Blätter in die Wunde stecken, gehört in den Bereich der Fabeln und ebenso unwahr ist auch die Behauptung, dass wenn sie angeschossen, sich mit dem Schwänze an einen Ast festgeklammert haben, nur dann von demselben herabfallen, wenn sie den Schützen nicht früher erblickt haben. Ihre grössten Feinde sind ausser dem Menschen der Cuguar und die Pantherkatze , die sie von Baum zu Baum verfolgen, und insbesondere ist es die letztere, welche sie häufig zur Nachtzeit überfällt. Es sind übrigens vollkommen friedliche Thiere, welche dem Menschen durchaus keinen Schaden zufügen und niemals seine Pflan- zungen besuchen. Selbst jung eingefangen, ist es sehr schwierig sie aufzuziehen, und die meisten sterben schon in kurzer Zeit während der Gefangenschaft. Dieser Umstand sowohl, als ihr tiefsinniges, grämliches und langweiliges Wesen ist auch die Ursache, dass sie 6« nur selten eingel'aiigen werden. In der Gefangenschaft zeigen sie sieh zwar zutraulich, lernen aber ihren Pfleger niemals kennen. Sie besitzen durchaus keine Gelehrigkeit und sind auch keiner Abrichtung fähig. Sic sind traurig, zeigen nicht die geringste Lust zu spielen und voll])ringen ein klägliches Geheul. Meist beginnen sie schon in sehr kurzer Zeit abzumagern, bis sie oft plötzlich der Tod ereilt. An gefangen geiialtenen Thieren hat man die Beobachtung gemacht, dass unter allen ihren Sinnen der Tastsinn ihrer Finger am geringsten ausgebildet ist, dagegen aber durch das feine Tast-Gefühl, welches der kahlen Seite ihrer Schwanzspitze eigen ist, reichlichen Ersatz findet. Denn hatte man Früchte, ohne dass sie es sehen konnten, ihnen gegen die Schwanzspitze gehalten, so hatten sie es augenblicklich bemerkt und sich schnell gewendet um dieselben zu erhaschen. Ver- suchte man dasselbe mit einem Stücke Holz oder selbst mit der Hand zu thun, so wurde auch nicht der geringste Eindruck auf sie bewirkt. Sehr gross ist die Liebe und Zärtlichkeit, welche die Mutter zu ihrem Jungen hat, und die sich nicht blos durch Liebkosungen bewährt, sondern auch dadurch , dass sie es nie verlässt. Selbst verwundet, wendet sie die letzten Kräfte an, dasselbe zu retten, indem sie sich gewaltsam von ihm trennt, um es auf einem bergenden Aste abzusetzen. Das neugeborene Junge hält sich anfangs an dem Halse der Mutter fest, und wird erst später von ihr auf dem Rücken getragen. Der Schwanz der Jungen ist noch schlaft' und wird erst im halbgeMachsenen Alter zum Umgreifen taugUch. Das Fell des rothen Brüllafl'en, insbesondere der Männchen, wird von den Eingeborenen als Pelzwerk, zu Beuteln und Satteldecken benützt. Das Fleisch, welches fetter, weisser und auch besser als das anderer Aft"en ist, wird für wohlschmeckend gehalten, in der Regel aber nur von den wilden Indianern gegessen. Auch wird behauptet, dass es besonders kräftige Brühen gebe. Der Name, welchen dieser AiTe bei den Eingeborenen führt, ist Guariba. 2. Gattung. KlammerafTe (Ateles). Der Scliwanz ist ein Greifschwanz, am unteren Ende kahl, und sehr lang. Die Gliedmassen sind sehr schmächtig. Die Vorderhände haben einen Daumcnstunimel oder keinen Daumen. Der Scheitel ist rund. Das Gesicht ist bartlos. Die Vorderhände sind vierzehig, die Hinterhände fünfzehig Der welssbauchige Rlaiumeraffe oder iHarinionda (Äteles Behehulh). (Fig. 13.) Die langen Vorderglieder reichen bis unter das Knie, der Daumen der Vorderhande fehlt gänzlich. Die Behaarung der Ober- seite ist dicht und besteht aus groben, ziemHch langen Haaren, jene der Unterseite hingegen ist sehr dünn. Die Stirnhaare sind kurz und nach rückwärts gerichtet, die Scheitelhaare nach vorwärts gekehrt, wodurch bei ihrem ZusammentrefTen eine Art von Kamm gebildet wird. Gesicht, Ohren und Hände sind nackt. Bei alten Thieren ist die ganze Oberseite bis zur Schwanspitze, sowie die Aussenseite der Gliedmassen einfarbig schwarz; die Seiten des Kopfes, die Unter- seite des Leibes und Schwanzes und die Innenseite der Gliedmassen sind dagegen weiss, mitunter etwas gelblich überlaufen. Bei jungen Thieren ist die Unterseite des Leibes und Schwanzes, sowie die hmenseite der Gliedmassen schmutzig graulichgelb und ebenso auch die Aussenseite der Vorderarme und Unterschenkel; doch mengen sich auf diesen Theilen viele schwarze Haare ein, wodurch sie dunkler gefärbt erscheinen. Gesicht, Ohren und Hände sind violetschwarz, der Umkreis um die Augen ist fleischfarben. Der Körper des erwachsenen Thieres misst 1 Fuss 3 Zoll , der Schwanz 2 Fuss. Der Marimonda ist im spanischen Guiana zu Hause und wird am Orinoko und Cassiquiare sehr häufig angetroffen. Er lebt familien- oder truppenweise in den ausgedehnten LTrwäldern und liält sich fast immer auf hohen Bäumen auf. Nur äusserst selten kommt er auf den Boden. Seine Nahrung besteht in Früchten und Insecten, und wie die Indianer behaupten, auch in Eiern. Wasser trinkt er nur selten, da die saftigen Früchte ihm das Getränk ersetzen. Wenn er triidit, so geschieht diess von den Asten aus, die sich häufig bis an die Oberfläche des Wassers herabneigen. Seine Bewegungen sind im Allgemeinen träge und ziemlich langsam. Oft sitzt er stundenlange in der Sonnenhitze, den Kopf nach rückwärts gebogen und die Augen gegen den Himmel gerichtet, \\'obei er die Arme über den Rücken geschlagen hält. Sein Gang auf ebenem Boden ist sehr beschwerlich, schwankend und unsicher, und nur mit Hülfe seines Greifschwanzes ist er im Stande, demselben grössere Sicherheit zu geben. Beim Gehen auf allen Vieren berührt er nur mit dem Innenrande der Vorderhände und dem Aussenrande der Hinter- hände den Boden. Bisweilen nimmt er beim Gehen aber auch eine 86 aufrechte Stellung an, wobei ihm der Schwanz zur Erhaltung des Gleichgewichtes dient, indem er denselben gerade nach aufwärts gerich- tet trägt, und nur nach oben etwas krümmt. Auf den Bäumen bewegen sich die Marimonda's hingegen mit grösster Leichtigkeit und Sicher- heit. Sie vermögen auf denselben die raschesten Schwingungen auszuführen, wobei ihnen ausser ihren sehr ])eweglichen Gliedmassen, die oft das Aussehen haben, als ob sie verrenkt wären, ihr Greif- schwanz wesentliche Dienste leistet. Sprünge führen sie nur zuweilen aus, doch Aveit seltener als andere Affen. Bei Verfolgung fliehen sie mit grosser Behendigkeit über die Äste hinweg, indem sie die langen Giiedmassen, insbesondere die vorderen und den Schwanz nach vor- wärts werfen, sich mit denselben schnell und sicher befestigen, und den noch schwebenden Körper rasch denselben nachschleudern. Mit dem langen und starken Greifschwanze befestigen sie sich immer zuerst und benützen denselben auch bisweilen, um Zweige und Früchte sich näher zu ziehen. Nach der Behauptung der Indianer bedienen sie sich desselben auch um Eier und Insecten aus den Spalten der Bäume hervorzuholen. Nicht selten hängen sie sich auch auf Ästen mit dem Schwänze auf, und schwingen sich so lange, bis es ihnen gelingt, einen entfernteren Ast mit den langen Armen zu ergreifen. Man findet oft ganze Gesellschaften, die paarweise auf den Schwänzen aufgehängt, die seltsamsten Gruppen bilden. Wollen sie zu einem entfernter stehenden Baume gelangen, oder wohl gar einen Fluss übersetzen, so befestigen sie sich mit ihren langen Schwänzen an einander und bilden eine ganze Kette, welche sich so lange hin und her schwingt, bis der unterste das Ziel erreicht hat, wo er sich festhält, und die übrigen nachzieht. Beim Sitzen wickeln sie in der Begel den Schwanz mehrere IMale um den Leib. Der Marimonda ist sanft, furchtsam und vollkommen harmlos. Er scheint viel Verstand und Geschicklichkeit zu besitzen. In der Gefangenschaft zeigt er sich sehr sanft, milde und ohne allen Muthwillen und Heftigkeit. Wird er gereizt, so streckt er die Lippen vor und lässt einen rauhen Ton erklingen, der ungefähr wie Au-o lautet. Sein Zorn dauert jedoch nur kurze Zeit und er ist sehr bald beschwichtiget. Er ist ausserordentlich zärtlich und hält daher die Gefangenschaft nicht lange aus. Sein Fell wird als Pelzwerk benützt und seinFleisch von denlndianern gegessen. Die Indianer am Orinoko-Flusse ziehen dasselbe dem Fleische anderer Affenarten vor. Sie treiben aucli mit den über Feuer geräucherten. 87 ganz eingetrockneten Leibern dieses Affen Tauschhandel nach den höheren Gebirgen, avo Affen gar nicht vorkommen. Der Name, welchen der Marimonda bei den Indianern am Guiana-Fkisse führt, ist Arn. 3. Gattung. Rollaffe (Celms). Der Schwanz ist ein Rollschwanz, allenthalben behaart, und sehr lang. Die Gliedmassen sind ziemhch stark. Die Yorderhände haben einen langen Daumen. Der Scheitel ist rund. Das Gesicht ist mit einem Barte versehen. Vorder- und Hinterhände sind fünfzehig. Der weissköpfigc CapacineraiFe (Cehus hypoleucos). (Fig. 16.) Der weissköpfige Capucineraffe ist durch die grelle Abgrenzung seiner Farbenzeichnung eine der ausgezeichnetsten und zugleich schönsten Arten unter der zahlreichen Gattung der Rollaffen. Sein Haar ist ziemlich kurz, weich und glanzlos, der Vorderkopf kahl oder nur sehr kurz behaart. Gesicht, Ohren und Hände sind nackt. Um das Gesicht zieht sich ein Kranz von kurzen Haaren, welcher ebenso wie der Hals, die Brust, die Schultern und die Oberarme von weisser Farbe und nur bisweilen mit einem gelblichen Anfluge versehen ist. Alle übrigen Theile des Felles sind schwarz, was auf dem Hinterkopfe und am Rückgrate am dunkelsten, an den Seiten, den Gliedmassen und am Schwänze aber mit licht Gelblichgrau gemischt ist. Gesicht und Ohren sind licht fleischfarben, die Hände etwas in's Violette ziehend. Der Körper misst 1 Fuss, der Schwanz 1 Fuss 3 Zoll. Die Heimath dieser Art ist auf Guiana beschränkt, wo sie in den grossen und weitausgedehnten Wäldern sehr häufig getroffen wird. Die Lebensweise derselben stimmt vollkommen mit jener der übrigen Arten dieser Gattung überein. So wie diese, lebt auch der weissköpfige Capucineraffe familienweise, in Truppen von 10 und mehreren Stücken, auf hohen Bäumen, die er nur verlässt, um zu trinken oder ein nahe gelegenes Maisfeld zu plündern. Er ist sehr lebhaft und äusserst behende und gewandt, dabei aber auch furchtsam, scheu und flüchtig. Er ist im Stande, weite Sprünge zu machen, insbesondere wenn er verfolgt wird. Seine Geschickhchkeit im Klettern ist überaus gross, Avobei ihm sein Wickelschwanz vortrefflich zu Statten kommt. Er bedient sich desselben zum Festhalten, gleicliAvie mit einer Hand, trägt ihn aber sonst ausgestreckt, mit nach abAvärts eingerollter Spitze. 88 Nicht selten hängt er sich an seinem Schwänze auf, um sich zu schau- keln oder einen tiefer gelegenen Ast leichter erreichen zu können. Auf diese Weise aufgehängt, ist er im Stande mit grösster Leichtigkeit seinen Körper nach aufwärts zu biegen, indem er den Schwanz mit den Händen erfasst und an demselben gleichwie an einem Seile in die Höhe klettert. Er ist muthwillig und munter; insbesondere spielen die Jungen sehr gerne mit einander, wobei sie grosse Behendigkeit und Gewandtheit zeigen. Seine Nahrung besteht nicht blos in Früchten und Knospen, sondern auch in Insecten, Honig, Vogeleiern und selbst ganz jungen Nestvögeln. Saftige Früchte sind ihm am liebsten, ins- besondere Pomeranzen. Kommt eine ganze Truppe auf einen Pome- ranzenbaum, so vertheilt sie sich sogleich auf die einzelnen Äste. Jeder umschlingt den Ast, auf dem er sitzt, mit seinem Schwänze, um sich festzuhalten, nimmt dann eine Pommeranze zwischen die Hinterbeine, eine andere in die Hände, und versucht dieselbe zu öffnen, indem er mit einem Finger in die Grube des Stielansatzes bohrt. GeHngt diess nicht sogleich, so schlägt er unwillig und murrend dieselbe an einen Ast, damit die Schale entweder springt, oder sich leichter löst. Ist einmal .eine ()ffnung in der Schale vorhanden, so zieht er mit der grössten Schnelligkeit einen Theil davon mit den Fingern ab, leckt gierig den herunterträufelnden Saft von der Frucht, und selbst von seinen Händen und Armen, reisst das Fleisch mit den Fingern von dem Reste der Schale los und beisst es mit den Zähnen vollends ab. Haben die einen ihren Antheil schon verzehrt, so verstehen sie mit grosser List den anderen ihren Vorrath zu entreissen, wobei sie erzürnt, sich auf die seltsamste Weise geberden, das Gesicht verzerren, die Zähne gegen einander fletschen und sich wechselseitig auch den Kopf zer- zausen. Wenn sie nach Insecten suchen, so heben sie sorgfältig die trockene, aufgesprungene Baumrinde von den Ästen und erhaschen die flüchtigen Insecten mit grosser Sicherheit. Haben sie sich satt gefres- sen, so legen sich die älteren meist auf einen wagrecht hervor- stehenden Baumast mit dem Bauche der Länge nach hin , lassen die vier Gliedmassen von demselben herabhängen, und halten sich mit ihrem Schwänze, den sie um den Ast herumschlagen, fest. Nicht selten begeben sie sich auch in die den Waldsäumen nahe gelegenen Maisfelder, um dieselben zu plündern. Sorgfältig sehen sie von dem Baume , auf welchem sie sich versammelt haben , vorerst allenthalben umher, bevor sie ihn verlassen, um nach und nach von demselben 89 herabzusteigen, klettern sodann über die Umzäunung des Maisfcldes, wo sie mit Hast 2 bis 3 Kolben abbrechen, die sie mit der einen Hand an die Brust fest andrücken und kehren sodann mit grösster Schnellig- keit in den nahen Wald zurück, um ruhig und ungestört iln'e Beute zu verzehren. Bei einer solchen Plünderung sind immer die jüngeren, als die unvorsichtigeren, die ersten, welche sich in das Maisfeld hinein- wagen und denen die älteren nachfolgen. Hier handelt jeder einzelne für sich, ohne sich um den anderen zu bekümmern. Gänzlich unwahr ist die Sage, dass sie bei einer solchen Plünderung besondere Vorsichts- massregeln in Anwendung bringen, oder wohl gar, wie man behauptet hat, selbst Wachposten ausstellen. Dagegen ist die Liebe und Sorgfalt bewunderungswürdig, welche die Mütter zu ihren Jungen haben. Wird die Mutter, während sie noch frisst , von ihrem Jungen , das sich bald vom Bücken auf ihre Schulter begibt, bald ihr durch den Arm an die Brust durchkriecht, um ihr einen Bissen wegzubaschen, in ihrer Mahlzeit beirrt, so sucht sie dasselbe anfangs dadurch zurechtzuweisen, dass sie das- selbe sanft zurückschiebt. Bleibt diese Ermahnung aber unbefolgt, so gibt sie ihm ihre Ungeduld und ihren Unwillen durch Grinsen zu erken- nen. Bei einem wiederholten Versuche endlich, sie zu stören, erfasst sie das Junge bei den Kopfhaaren und stösst es mit Gewalt auf den Bücken zurück. Nach Beendigung ihrer Mahlzeit jedoch, zieht sie dasselbe ganz sanft hervor, und legt es an die Brust, Mobei sie es mit grosser Sorg- falt fortwährend beobachtet, so lange es saugt, und immer damit beschäftiget ist, es von den Insecten zu befreien, von denen es gequälet wird. Jeder andere, sich ihr dann nähernde Affe, Avird sogleich mit drohenden Geberden zurückgewiesen. Wenn die Jungen sich satt gesogen haben, kehren die grösseren auf den Bücken ihrer Mütter zurück, Avährend die kleineren von denselben unter dem Arme gehalten werden. Hier schlafen sie nun, und halten sich hierbei mit allen vier Händen an den Haaren der Mutter fest. DieBewegungen der Jungen sind keines weges so leicht und gefällig, wie die der älteren Thiere, sondern unbeholfen und beinahe plump. Die Laute, welche diese Affenart von sich gibt, sind so wie bei allen übrigen Arten dieser Gattung von verschie- denem Klange. Sehr häufig sind die Töne pfeifend, oder beinahe zwitschernd; bei Aufregung bestehen sie in einem gellenden Geschrei und ein keinesweges lautes, klägliches, fast weinerliches Gewinsel ertönt bei Angst, daher man dieser ganzen AfTengruppe den Namen Winselaffe gegeben hat. Ausserdem ist ihnen aber auch eine Art von 90 Lachen und Weinen eigen. Wenn sie lachen, ziehen sie die Mundwinkel zurück, ohne dahci irgend einen Laut von sich zu geben, und wenn sie Meinen, was bei Lüsternheit oder Furcht geschieht, füllt sich das Auge mit Thränen, die jedoch nicht über die Backen herabträufeln. Werden sie unter einem Baume, auf dem sie sich eben befinden, über- rascht, so ergreifen sie unter krächzendem Geschrei die Flucht über die Wipfel des Waldes und haben sie dann noch etwas von einer auf einem Maisfelde gemachten Beute, so unterlassen sie nicht, wenigstens einen Theil davon mit sich zu tragen. Werden sie angeschossen, so wickeln sie den Schwanz um einen Baumast und bleiben daran so lange hängen, bis sie todt zur Erde fallen. Das Junge verlässt die Mutter nicht, selbst wenn sie angeschossen ist. Mit sichtbarer Unruhe klammert es sich fest an dieselbe an und ist von ihr nicht wegzubrin- gen, selbst wenn sie schon todt ist. Trennt man es gewaltsam von der Leiche, so lässt es Klagelaute ertönen, und kriecht sogleich wieder auf sie hin, so wie es frei gelassen wird. Erst nach einigen Stunden, und wenn schon die Todeskälte eingetreten ist, scheint das Junge ein Grauen vor der todten Mutter z)i überfallen; denn setzt man es neuer- dings ihr auf den Rücken, so lässt es sich, ohne sich zu sträuben, gut- willig von ihr trennen. Die List, welche die Jäger gebrauchen, diese Affen zu fangen, besteht in Folgendem. Sie schneiden in einen Kürbis ein Loch von einem Zoll im Durchmesser, füllen denselben mit Mais- körnern und befestigen ihn an einen Baum, von dem sie bissen, dass Affen an ihm vorüberziehen. Während sie sich in einem Verstecke ruhig verhalten, kommen die Afien cinhergezogen und erblicken den Kürbis, den sie als einen ihnen meist ganz fremden Gegenstand sogleich untersuchen. Werden sie den Mais darin gewahr, so zwängen sie sogleich die Hand durch die kleine Öffnung, um sich der Körner zu bemächtigen. Die zu kleine ÖlTiiung gestattet ihnen aber nicht, die vollgepfropfte Hand zurückzuziehen und sie bemühen sich daher mit ihren Zähnen die ()frnung zu vergrössern. In diesem Augenblicke springt der Jäger aus seinem Hinterhalte hervor und fängt den Affen, der es vorzieht, sich eher gefangen zu geben, als seine Beute zurückzulassen. In ihrem Vaterlande werden diese Affen häufig zahm gehalten, und meist schon als Säuglinge zu diesem Behufc eiugefangen. Man findet sie in sehr A'ielen Hütten bei den Eingeborenen. In der Jugend lassen sie sich auch sehr leicht zähmen, denn sie vergessen bald die kaum genossene Freiheit und schmiegen sich gerne an den Menschen an. Schon in 91 den ersten Tagen ihrer Gefangenschaft lernen sie ihren Pfleger kennen, suchen bei ihm Nahrung und Wärme, und richten bei jedem Miss- behagen ihre klagenden Töne an ihn. Bei guter Behandknig sind sie überaus sanft, gutnuithig und zutraulich. Nach öfters erlittenen Miss- handlungen werden sie aber boshaft, tückisch und bissig, und wider- setzen sich, wenn sie sich stark genug fühlen, selbst mit Gewalt. Fürchten sie ihren Herrn, so suchen sie sich zu verstellen, um sich gelegentlich zu rächen. Unversehens und unerwartet bringen sie dem- selben einen Biss bei, worauf sie schnell entfliehen, und wenn sie sich hinreichend entfernt glauben, schadenfroh auf ihn herabgrinsen. Werden sie öfters geneckt, so lernen sie wieder zu necken. Selbst Hausthiere lassen sie dann nicht ungeneckt vorüberziehen. Hunde undKatzen zerren sie am Schwänze, Hühnern und Enten reissen sie die Federn aus, und selbst Pferde, wenn sie in ihrer Nähe angebunden sind, zupfen sie am Zaume. Je mehr sie diese Thiere beunruhigen können, desto grösser ist ihre Freude. Sie sind immer munter und lebhaft, und verrathen grosse Neugierde und Klugheit. Dabei sind sie aber auch muthwillig und nicht blos listig und lüstern, sondern auch genäschig und diebisch. Mit grosser List verstehen sie zu stehlen und alles, was für sie unbrauchbar ist, zerstören sie. Eine besondere Eigen- thümlichkeit ist auch ihre Habsucht. Was sie einmal haben, lassen sie so leicht nicht wieder los. Insbesondere verweigern sie es jenen Per- sonen zurückzugeben, die fjie hassen. Selbst eine glühende Kohle lassen sie sich dann nicht rauben, obgleich sie sich bei ihrer Verthei- digung nicht selten die Finger damit verbrennen. Nicht minder gross ist auch ihr Eigensinn, daher sie fast zu gar nichts abgerichtet werden können. Man kann sie zwar mit Gewalt von einer Handlung abhalten, aber durchaus zu keiner zwingen. Junge Thiere lernen sich auch selbst an Hausthiere anschliessen. Nicht selten werden sie in ihrem Vaterlande mit einem jungen Hunde aufgezogen und mit dem- selben später zusammengekuppelt. Der Aff'e benützt dann den Hund zum Reiten und versteht es sehr gut ihn zu lenken. Wird er von ihm getrennt, so bricht er sogleich in sein klägliches Geschrei aus, und liebkoset ihn beim Wiedersehen mit sichtlicher Freude, Seine Liebe zu seinem Jugendgenossen ist so gross, dass er ihn selbst gegen andere Hunde mit Muth vertheidiget. Bei alten Thieren ist aber eine Zäh- mung nicht mehr möglich. Auch halten sie die Gefangenschaft auf kurze Zeit nur aus. Sie werden traurig, verschmähen jede Nahrung 92 und sterben in der Regel meist schon nach wenigen Wochen. Dagegen werden jung aufgezogene Thiere bisweilen sehr alt und man kennt Beispiele, dass wenigstens nahe verwandte Arten die Gefangenschaft selbst über 40 Jahre lang ertragen haben. Die wilden buiianer jagen ihnen häufig nach, und schiessen sie mit ihren Pfeilen. Sie benützen ihr Fell und geniessen ihr Fleisch, welches sie für sehr wohlschmeckend betrachten. Der Name, welchen dieser Affe bei den Guarani's führt, ist Gay, was so viel bedeutet, als Herr des Waldes. 4. Gattung. Eichhornaffe (Chrysothrix). Der Schwanz ist schlaff, dünn, und sehr lang. Die Gliedmassen sind schlank. Der Scheitel ist langgestreckt. Das Gesicht ist bartlos. Die Augen sind von mittlerer Grösse. Vorder- und Hinterhände sind fünfzehig. Der gemeine Salmirl oder TodtenkopfaflFe (Crtjsothrix sciurea), (Fig. 17.) Dieser, durch seine niedliche Gestalt und schöne angenehme Fär- bung, ebenso wie durch seine Heiterkeit und die Zierlichkeit in seinen Bewegungen ausgezeichnete Affe ist eine der kleinsten, schönsten und zugleich auch beliebtesten Arten in der ganzen Familie der neu- weltlichen Affen. Die eigentiiümliche Gestalt uud Zeichnung seines Köpfchens haben Veranlassung gegeben, ihn mit dem Namen Todten- kopfaffe zu bezeichnen. Seine Augen sind gross und feurig, und sein kleines, rundes Gesicht wird von den Stirnhaaren herzförmig einge- säumt. Die Behaarung ist ziemlich lang und weich. Die Oberseite ist gelblich olivengrün und schwarz gesprenkelt, der Rücken goldfarbig und bei alten Thieren lebhaft pomeranzengelb. Die Unterseite ist weisslich, was insbesondere auf der Brust und Kehle stärker hervortritt, und sich gegen den After zu in's Gelbliche zieht. Die Oberseite des Kopfes ist einfarbig olivengelb und sehr fein schwarz gesprenkelt. Das Gesicht ist fleischfarben und ebenso wie die Ohren mit weissen Härchen besetzt. Mund und Kinn sind schwarz, Vorderarme und Hände lebhaft goldroth. Der Schwanz ist Graulichgelb mit Schwarz gemischt, und in seinem letzten Drittel ganz scliwarz. Die Körperlänge des erwachsenen Thieres beträgt 1 Fuss % Zoll, jene des Schwanzes 1 Fuss 5 Zoll. Der Aufenthalt des gemeinen Saimiri verbreitet sich sowohl über das französische und holländische Guian;u als auch über die Provinzen Borba, Rio branco und Rio negro im nördlichen Brasilien. Besonders häufig wird er in der Nähe der Wasserfälle des Orinoko, Rio Guaviari und Rio Caura, so wie bei Essequiebo gefunden, und die schönsten und kleinsten finden sich am Rio Cassiquiare. Er lebt daselbst in ziemlicher Menge in den grossen und weit ausgedehnten , dichten, feuchten Urwäldern, wo er beständig auf Bäumen getrolfen wird. Seine Lebensweise ist eine gesellige, denn man trifft ihn stets in Gesell- schaften von 10 — 12 Stücken beisammen und meist auf Zweigen, etwas zusammengebückt sitzend. Er kann vortrefflich klettern und vermag mit grosser Leichtigkeit sich auf den Stämmen der Schlingpflanzen rasch in die Höhe zu begeben. Die Nacht bringt er in den Palmenkronen zu, die er gegen Sonnen -Untergang besteigt, und die ihm ein sicheres Obdach bieten. Er ist scheu und furchtsam, und ergreift schon bei der leisesten Gefahr sogleich und ziemlich rasch die Flucht. Hierbei ziehen sie in langen Reihen über die Baumkronen der Wälder hinweg, wobei der Vorderste die Richtung und Bewegungen der Übrigen bestimmt, die alle von ihm ausgeführten Sprünge mit der grössten Leichtigkeit und Zierlichkeit nachahmen. Sie sind stets in Bewegung und man sieht sie unaufhörlich spielen oder mit Insecten- fangen beschäftiget. Ihre Bewegungen sind voll von Anmuth und überaus zierlich und leicht. Ihre Nahrung besteht theils in Früchten und Knospen, theils aber auch in Insecten und insbesondere Spinnen, die sie jeder Pflanzen-Nahrung vorziehen. Sie sind sehr frostig und gegen Nässe und Kälte höchst empfindlich. Selbst in ihrem Vaterlande haben sie an kühlen Regentagen viel von den Einflüssen der Witterung zu erleiden. Gegen die Kälte suchen sie sich zu schützen, indem sie sich zusammendrängen, um sich gegenseitig zu erwärmen, wobei sie Hände und Füsse um einander schlagen, und den Schwanz um Kopf und Hals winden. An kühlen Morgen sieht man nicht selten in den Wäldern ganze Gruppen von 10 — 12 dicht gedrängt neben einander auf den Zweigen sitzen , mit verschränkten Armen und emporgerich- tetem, vielfach um sich gewundenem Schwänze. Jeder sucht mit traurigem Winseln sich in die Mitte zu drängen, wo es am Wärmsten ist, wobei die Äussersten, die sich vergeblich bemühen, in den Klumpen einzudringen, um daselbst Schutz und Wärme zu finden, ein klägliches Geschrei vollbringen. Dieser Affe ist an das nicht sehr warme Klima seiner dichten, feuchten Urwälder und einen häufig umwölkten Himmel so gewohnt, dass er die trockene, brennendheisse 94 Luft des inneren Guiana nur schwer und kurze Zeit verträgt. In heissen Gegenden, und je mehr man ilni von seiner Heimath entfernt, desto mehr verHert er an seiner Heiterkeit und Lebhaftigkeit. Er stirbt bakl dahin und überlebt selten einige Monate. Seine gewöhn- liche Stimme besteht in einem schwachen, leisen Pfeifen, das er 3 — 4mal schnell wiederholt. Doch stösst er auch, wenn ihn etwas unangenehm berührt, und insbesondere, wenn ihn Regen und Nässe treffen oder die Kälte überfällt, klagende, winselnde Laute aus. Wenn mehrere beisammen sind, so hört man ihre Stimme schon in ziemlicher Entfernung ertönen, was bei schönem Wetter gewöhnlich Morgens und Abends der Fall ist. Eine Eigenthümlichkeit dieser Affen ist, dass alle Theile seines Leibes einen schwachen Bisamgeruch haben. Er ist äusserst sanft und gutmüthig, und wird, wenn er jung gefangen wird, überaus zahm und zutraulich. Seine Gesichtszüge zeigen fast densel- ben Ausdruck von Unschuld, der dem Kinde eines Menschen eigen ist, dasselbe schalkhafte Lächeln und auch eben den raschen Übergang von Lust zur Traurigkeit. Die mannigfaltigen Veränderungen, welche dieselben, je nach den verschiedenen Eindrücken erleiden, beweisen seine grosse Empfänglichkeit für äussere Eindrücke und spiegeln seine iimerstenEmpfindungen ab. Wird er erschreckt, so vergiesst erThränen aus seinen grossen Augen und empfindet auch sehr lebhaft jeden Schmerz, wie er diess gleichfalls durch Weinen zu erkennen gibt. Über- haupt ist seine Empfindlichkeit und Reizbarkeit sehr gross, obgleich er nicht leicht erzürnt zu werden vermag. Sein Verstand besitzt einen seltenen Grad von Schärfe. Aufgespiesste Insecten frisst er vorsichtig von den Nadeln ab, ohne sich mit denselben zu verletzen und weiss sie aufzufinden, selbst wenn sie noch so gut verwahrt sind. Ja er erkennt sie sogar in Abbildungen, selbst wenn sie nur in schwarzen Zeichnungen vor ihm liegen, indem er nach denselben greift. Mährend er Abbil- dungen anderer Thiere unbeachtet lässt. Wird in seiner Gegenwart gesprochen, so ist bald seine ganze Aufmerksamkeit auf die Sprechen- den gerichtet. Er blickt ihnen starr und unverwandt in's Gesicht, ver- folgt und beobachtet mit seinen lebhaften Augen jede Bewegung ihrer Lippen, und sucht dann bald sich ihnen zu nähern, um ihnen auf die Schulter zu klettern und Zähne und Zunge sorgfältig mit seinen Fingern zu untersuchen. Die ihm dargebotene Nahrung nimmt er zuweilen mit den Händen, zuweilen aber auch mit dem Munde. Den Vorderdaumen setzt er nicht den übrigen Fingern entgegen, sondern bewegt ihn in 90 gleicher Richtung- mit denselben. Sitzend streckt er die Hinterfüsse nach vorwärts und stützt sich darauf mit seinen Händen. In derselben Stellung pflegt er auch zu schlafen, wobei er aber den Kopf zwischen die Füsse beugt, so dass er damit den Boden berührt. Bei Kälte sucht er sich durch Umschlingen mit dem Schwänze zu erwärmen. Er ist auch im Stande mit demselben sich einen Gegenstand näher zu bringen, indem er die Spitze desselben etwas nach unten einbiegt, ohne jedoch den Gegenstand selbst damit fest zu halten. In der Regel wird er schlaff, bisweilen aber auch aufwärts getragen. In Europa hat er sehr viel durch die Einwirkung des Klima's zu leiden und hält daselbst auch die Gefangen- schaft nicht lange aus. Demungeachtet wird er als einer der liebens- würdigsten Allen sehr gesucht und gerne gehalten. Selbst in seiner Heimath ist er bei den Eingeborenen sehr beliebt, und wird vor allen anderen Affen am liebsten in Häusern gehalten. Insbesondere ist er bei den Küstenbewohnern von Süd-Amerika wegen seiner Schönheit und seiner sanften, liebenswürdigen Sitten sehr gesucht. Man sucht sie immer jung zu bekommen, denn alt gefangen überleben sie selten den Verlust der Freiheit und sterben bald. Zu diesem Behufe schiessen die Indianer die Alten mit vergifteten Pfeilen, um den geschossenen Weibchen ihre Jungen zu rauben. Stürzt die Mutter todt zur Erde nieder, so bleibt das Junge fest an die Schulter und den Hals derselben geklammert hängen, und wird, wenn es nicht selbst durch den Fall verwundet wird, in die Gefangenschaft gebracht und aufgezogen, um bei Gelegenheit des Schildkrötenfanges an die Küstenbewohner ver- kauft zu werden. Missionäre bezahlen in der Regel 1 bis i y^ Piaster für das Stück und verkaufen sie für 8 bis 9. Der Name, welchen dieser Affe bei den Bewohnern am Orinoko führt, ist Titi. 5. Gattung. SchweifafFe (Pithecia). Der Schwanz ist schlaff, buschig, und sehr lang, oder lang. Die Gliedmassen sind ziemlich stark. Der Scheitel ist rund. Das Gesicht ist entweder mit einem Barte versehen, oder bartlos. Die Augen sind von mittlerer Grösse. Vorder- und Hinterhände sind fünfzehig. Der Jadenaffe (Pithecia Israelita). (Fig. 18.) Der grosse runde Kopf ist durch eine Art von Mütze ausgezeich- net, welche aus nicht sehr langen, geraden, aber dicht anliegenden 96 Haaren gebildet wird, die sich aus einem gemeinschaftlichen Wirbel von der Höhe des Hinterhauptes aus strahlenförmig ausbreiten, und indem sie sowohl nach der Stirne, als den Nacken zu, eine Längsver- tiefung zeigen, sich auf dem Vorderkopfe als zwei abgesonderte Büschel darstellen. Diese Mütze, welche die Ohren und Schläfen um- hüllt, bedeckt die Stirne nicht, sondern grenzt sich weit oberhalb der Augen ab. Von den Ohren verläuft um die Wangen und das Kinn ein sehr dichter Bart aus langen, nach vorwärts gerichteten Haaren, der das Gesicht in einem Halbkreise umzieht und insbesondere unter dem Kinne sehr gross, lang und zugespitzt erscheint. Der ganze Oberleib ist dicht, doch nicht sehr lang beliaart; Hals, Brust, Bauch und die hmenseite der Gliedmassen hingegen sind nur spärlich mit Haaren besetzt. An der Aussenseite der Unterarme ist die Behaarung nach rückwärts gerichtet. Gesicht, Ohren und die Innenfläche der Hände sind nackt. Der Schwanz ist lang und buschig, und zwar an seinem Ende mehr als an der Wurzel. Der Rücken ist von licht fahl- gelber Farbe, die sich an den Seiten und auf dem Kreuze mehr in's Rostgelbe zieht. Die Aussenseite der Gliedmassen ist dunkel rostbraun mit Schwarz untermischt. Die Innenseite der Gliedmassen, so wie die Bauchhaare, sind fast ganz schwarzbraun, die Hände an ihrer Aussen- seite von roströthlicher Farbe. Kopfhaare und Bart sind glänzend- schwarz. Die einzelnen Haare des Schwanzes sind auf ihrer unteren Hälfte rostroth, auf der oberen schwarz, daher der Schwanz voll- kommen schwarz erscheint. Das Gesicht und die Ohren sind schwarz. Junge Thlere sind von röthlicher Farbe. Die Weibchen unterscheiden sich von den Männchen durch den schwächeren Bart. Die Länge des Körpers beträgt bei erwachsenen Thieren 1 Fuss 3 Zoll, die des Schwanzes 1 Fuss 2 Zoll. Seine Heimath beschränket sich auf die grossen Wälder in den W^ildnissen von Rio negro uiul Alt-Orinoko, südlich und östlich von den Wasserfällen des oberen Orinoko. Er wird daselbst häufig getrofl"en und lebt paarweise auf den Bäumen, von denen er nur selten zur Erde herabsteigt. Seine Nahrung besteht in Früchten und Insecten. Der Judenafl'e ist bei Tage langsam und schläfrig und hält sich meist zwischen den Baumkronen verborgen. Erst des Abends und Nachts kommt er in der Regel zum Vorscheine, um seiner Nahrung nachzugehen und ist dann sehr behende in seinen Bewegungen. Nicht selten wird er durch die RollalTen gcnöthiget, seinen Aufenthalt auf Bäumen zu verlassen und sich in's Gebüsche 97 zurückzuziehen, wohin ihn dieselben verfolgen, ihn seiner Nahrung berauben, und selbst sogar misshandeln. Im freien Zustande trinkt er nur selten, und bringt das Wasser mit der hohlen Hand zum Munde, wobei er mit grosser Vorsicht vermeidet, seinen Bart zu benetzen. Sieht er sich dabei beobachtet, so unterlässt er diese Vorsicht. Er ist kräftig und wild, sehr leicht erzürnt, und hat eine laute Stimme. In der Gefan- genschaft ist er grämlich und böse und sehr schwer zu zähmen. Bei der geringsten Veranlassung gibt er seinen Unwillen zu erkennen, indem er mit seinem Gebisse droht, und die starken Zähne fletscht, wobei er sein Gesicht verzerrt und seine Augen lebhaft funkehi. Gereizt stellt er sich aufrecht, knirscht mit den Zähnen, reibt das Ende seines Bartes, und springt um den Gegenstand seines Zornes wild herum. Er wird bisweilen so böse, dass er sich mit Wutli oft tief in's Holz verbeisst. Den Umgang mit anderen Affen liebt er nicht und wendet sich bei jeder Annäherung derselben mürrisch und unwillig von ihnen ab. In der Gefangenschaft, wo er bei dem Abgange saftiger Früchte häufig trinkt, pflegt er das Wasser nicht so wie in freiem Zustande mit der hohlen Hand zum Munde zu führen, sondern nimmt es in der Art zu sich, dass er den Mund dem Wasser nähert, ohne hierbei irgend eine Sorgfalt auf die Reinhaltung seines Bartes zu verwenden. Der Judenaffe wird von den Indianern von Atures und Esmeraldas zu gewissen Jahreszeiten gegessen. Der Name, welchen er bei denselben führt, ist Couxio. 6. Gattung-. Nachtaffe (Nyctipithecus). Der Schwanz ist schlaff, dünn, und sehr lang. DieGKedmassen sind ziemlich stark. Der Scheitel ist rund. Das Gesicht ist bartlos. Die Augen sind gross. Vorder- und Hinterhände sind fünfzehig. Der lirikina oder Duruculi (Nyctipithecus felinus). (Fig. 19.) Dieser durch seine grossen Augen und kleinen Ohren ausge- zeichnete Affe hat noch die Eigenthümlichkeit, dass die Nasenlöcher, welche durch eine keinesweges sehr breite Scheidewand von einander geschieden sind, nach abwärts gerichtet sind, der Daumen der Vorder- hände nicht sehr stark beweglich ist und diese vom Thiere nie ganz ausgestreckt, sondern beim Gehen nur mit dem Ballen und den Finger- spitzen auf den Boden gesetzt werden. Die Oberseite des Felles und (Naturgeschichte.) 7 98 die Aussenseite der Gliedmassen ist bräunlichgrau und bisweilen etwas in's Gelbliche fallend, indem jedes einzelne Haar bis zu den Finger- spitzen aus mehreren schwarzen und licht bräunliehgelben Ringen gebildet wird, wobei die Wurzel gewöhnlich schwarz, die Spitze bräunlichgelb gefärbt ist, und wodurch die gemischte bräunlichgraue Färbung entsteht, die längs des Rückens und Hinterkopfes am dunkelsten ist. Die ganze Unterseite vom Kinne an, so wie die Innen- seite der Gliedmassen ist röthlich ockergelb, was an der unteren Hälfte am schmutzigsten, an der Brust und den Seiten des Halses am lebhaftesten ist. Über jedem Auge befindet sich ein grosser dreieckiger weisser Flecken, zwischen welchem vom Nasenrücken ein schwarzer Streifen emporsteigt, der sich auf der Stirne ausbreitet, und einen ovalen, an beiden Seiten zugespitztenFleck darstellt. Über jedem Mund- winkel entspringt ein anderer, jedoch um die Hälfte schmälerer schwar- zer Längsstreifen, der zwischen dem äusseren Augenwinkel und dem Ohre emporsteigt, und sich mit dem der anderen Seite, und bisweilen selbst mit dem Mittelstreifen auf dem Scheitel in einer nach rückwärts gerichteten Spitze vereiniget. Wangen und Lippen sind mit weiss- lichen, die Ohren am inneren Rande mit einigen bräunlichen Haaren besetzt. Der Schwanz ist auf der Oberseite an der Wurzel ocker- farl)en, dann von der Farbe des Rückens, auf der Unterseite hingegen rostroth. Das letzte Viertel des Schwanzes, welcher an seiner Spitze auch länger behaart ist, ist fast ganz schwarz, indem die einzelnen Haare am Grunde ockerfarben, an der Spitze aber schwarz sind. Das Haar ist glänzend, dicht und weich. Die Augen sind gelb und im Dunkeln leuchtend, die Augenlieder weiss. Die Körperlänge beträgt 1 Fuss, li/a Zoll, die Länge des Schwanzes 1 Fuss, 3 Zoll. Der Mirikina kommt nur im südwestlichen Theile von Brasilien, in Paraguay und Bolivia vor, wo er in den am Wasser gelegenen dichten Wäldern lebt und sein ganzes Leben nur auf Bäumen und in hohlen faulen Stämmen zubringt. Er wird nur paarweise getroffen und wolmt mit seinem Weibchen das ganze Jahr hindurch in einer und derselben Höhle eines Stammes zusammen. Seine Lebensweise ist eine vollkommen nächt- liche, denn nur zur Nachtzeit ist er thätig. Gegen das Licht höchst empfindlich, verbirgt er sich schon bei anbrechendem Morgen in die Höhlen fauler Bäume, in denen er sein mit Blättern und Baum-Moos ausgefüttertes Lager sich bereitet hat, und wo er den ganzen Tag über schlafend zubringt. Doch kaum beim Einbrüche der Abend- 99 dämmerung erAvacht er aus sciuem Schlafe, und jagt rasch in den Baum- kronen seiner Nahrung nach, unbeirrt selbst durch das Leuchten des Mondes. Wird er bei Tage aufgejagt und aus seinem Schlafe gestört, so ist er so vom Tageslichte geblendet, dass er sich kaum zu besinnen und seine Augen aufzuschliessen im Stande ist. Er ist allenthalben in seiner Heimath selten, und Avird nur zufällig und äusserst selten beim Fällen der Bäume gefangen. Auf diese Weise aufgescheucht, sucht er zu entfliehen, Avird aber so geblendet, dass er weder einen sicheren Sprung zu machen, nocli rasch zu klettern fähig ist, daher er auch, ungeachtet er sich mit seinem schAvachen Gebisse muthig zu \er- theidigen sucht, leicht zu fangen ist. Seine BeAvegungen sind leicht und katzenartig und er besitzt eine ungemein grosse Fertigkeit im Klettern und im Springen von einem Baume zum anderen. Auch ist er im Stande, sich durch die engsten Öfl'nungen hindurchzuzAA ängen. Auf ebenem Boden hingegen beAvegt er sich nur schAverfällig und wegen der längeren Hinterbeine beinahe hüpfend. Den sehr beweg- lichen SeliAA^anz schlägt er oft auf den Rücken, oder schlingt ihn um den Hals. Seine Nahrung besteht hauptsächlich in Insecten, Vogel- eiern und kleinen Vögeln, die er leicht im Schlafe überrascht, und früher rupft, bevor er sie verzehrt. Er besitzt eine ausserordentliche Fertigkeit im Fangen von Fliegen und Mücken, die er schnell und sicher mit den Händen zu erhaschen Aveiss. Ausserdem geniesst er aber auch noch Früchte, vorzüglich saftige Palmfrüchte, Pomeranzen und Paradiesfeigen, so wie auch selbst Samen, Blätter und Stengel, insbesondere vom Zuckerrohr. Er nimmt indess nur Avenig feste Nahrung zu sich und trinkt auch nur äusserst selten. Des Nachts lässt er einen eigenthümlichen Ruf ertönen, der zAvar dumpf, aber ausserordentlich laut und heftig klingt, und Ähnlichkeit mit dem aus der Ferne tönenden Geschrei des Jaguars hat. Dieses Rufes Avegen, der ungefähr Avie Muh-Muh klingt, und den er auch öfters wiederholt, hat er von den Weissen den Namen Titi-Tiger erhalten. Ausserdem schreit er aber auch noch ähnlich einer Katze, und stösst erzürnt, einen tiefen, unangenehmen und durchdringenden Kehllaut aus, der ungefähr Avie Quer-Quer lautet. Gereizt bläht er keuchend seine Kehle auf, AA'ie eine Katze, Avenn sie von einem Hunde überfallen Avird. Sein Gehör ist äusserst fein, und schon das geringste Geräusch erregt seine Aufmerksamkeit. In der Jugend lässt er sich leicht zähmen und gestattet sogar, dass man ihm den Mund öffnet, ohne dass er beisst. Später 7* 100 aber wird er wild und bissig, haut mit den Tatzen so wie eine Katze und beisst selbst Personen, die ihm schmeicheln. Weibchen scheinen gutmüthiger zu sein. Er ist sehr unrein und bedarf daher eines grossen Käfiges, um längere Zeit in der Gefangenschaft auszuhaiten. Bei Tage zieht er sich in die dunkelsten Stellen seines Gefängnisses zurück oder versteckt sich zwischen Brettern und schläft sitzend mit eingezogenen Beinen, den Rücken stark nach Vorne gebogen, das Gesicht zwischen den gekreuzten Armen versteckt und den Schwanz um die Beine geschlagen. Erweckt man ihn, so ist er verdriesshch und schlaf- süchtig, und will man es versuchen, ihn durch Streicheln wach zu erhalten, so fällt er sogleich wieder in den Schlaf. Bei hellem Tage ist er nicht im Stande, einen Gegenstand zu unterscheiden. Das Auge ist trübe und matt, fast ohne allen Glanz , und wie abgestorben, wobei die Pupille so zusammengezogen ist, dass sie kaum bemerkbar ist. Bringt man ihn aus der Dunkelheit plötzlich an das Licht, so beweisen seine Töne und Geberden, dass es schmerzlich auf ihn wirkt. Beim Anbruche des Abends erwacht er, seine Pupille dehnt sich allmählich und zwar in demselben Grade aus, als das Tageslicht immer mehr und mehr abninmit, so dass sie zuletzt die ganze Iris verdrängt, und wie das Auge einer Katze oder Eule leuchtet. Mit dem Einbrüche der Abenddämmerung beginnt er auch in seinem Käfige umherzu- streichen und seine Nahrung aufzusuchen. Des Nachts ist er sehr munter und ungestüm, und lärmt, indem er beständig gegen die Wände springt. Im Freien in einem abgeschlossenen Räume gehalten, ist es nicht möglich ihn zur Nachtzeit zu fangen, während er bei Tage, zwischen Blättern und Ästen verstockt, ruhig sitzt, und sich ergreifen lässt. Er spielt nur selten, ist fast inuner nur mit sich selbst beschäftiget, und fängt in finster gehaltenen Zimmern oft den ganzen Tag hindurch Fliegen, Mücken oder Küchenschaben. Im Zustande der Gefangenschaft nährt er sich auch mit Zuckerbrot, Milch und in Milch geweichtem Brote, so wie, wenn auch nicht sehr gerne, mit gekochtem Mais und mitMandioca-Wurzeln. Sen)st Fleisch versehmäht er nicht, und zwar sowohl im rohen, als im gekochten Zustande. Im Ganzen genommen isst er wenig und hält sehr lange, bisweilen selbst 20 — 80 Tage aus, ohne Getränk zu sich zu nehmen. Die Geistesfähigkeiten des Mirikina sind sehr geringe, und man sieht ihn selbst zur Befriedigung seiner Begierden und Leidenschaften keine Handlungen verrichten, die auf Verstand zu schliessen berechtigen 101 würden. Ei* lernt weder seinen Pfleger kennen, noch merkt er auf seinen Ruf; aucli empfangene Liebkosungen bleiben unerwiedert. Sein Hang zur Freiheit dagegen ist sehr gross , und selbst wenn er ganz jung eingefangen, oder schon jahrelang in der Gefangenschaft gebalten wurde, benützt er jede Gelegenheit zu entwischen. Sehr gross ist auch die Anhv'inglichkeit , welche Männchen und Weibchen zu einander zeigen; denn stirbt das Eine, so überlebt das Andere selten lange den erlittenen Verlust. Eben so gross soll aber auch die Liebe sein, welche die Mütter zu ihren Jungen haben, und es wird behauptet, dass, wenn sie auf den Bäumen umherklettern, sie ihr Junges immer mit sich tragen. Das Fell des Mirikina wird von den wilden Indianern sehr geschätzt, und zu Beuteln und Taschen verwendet, sein Fleisch wird von denselben genossen. 3. Familie. Krtilleuaffen oder Sahiirs (Arctopitheci). Die Hinterfüsse sind mit einem den übrigen Zehen entgegen- setzbaren Daumen versehen. Die Vorderfüsse haben keinen eigent- lichen Daumen, da die Innenzehe den übrigen nicht entgegengesetzt werden kann. Nur der Daumen der Hinterfüsse hat einen platten Nagel, alle übrigen Zehen haben krallenförmige Nägel. Die Nasen- scheidewand ist breit. Die Krallenafl'en oder Sahui's werden nur in Süd -Amerika getroffen. Sie halten sich fast alle nur in Wäldern, insbesondere den dichten Urwäldern ebener und gebirgiger Gegenden auf; Avenige nur werden auch in den Gebüschen sandiger Ebenen getroffen. Keine Art ist jedoch an einen festen Aufenthalt gebunden, und sie ziehen sämmtlich von einer Gegend in die andere. Sie treiben sich fast beständig nur auf Bäumen herum, auf denen sie mit grosser Gewandt- heit und Behendigkeit umherspringen, und indem sie sich mit den Vorderfüssen an einen Ast aufhängen, mit Schnelligkeit auf einen anderen zu schleudern verstehen. Sie können sehr gut springen, und klettern vortrefflich, wobei ihnen die Krallen ihrer Vorderpfoten vor- züglich behilflich sind, da ihnen der Abgang eines entgegensetzbaren Daumens nicht gestattet, die Äste vollständig zu umfassen. Man findet sie meist in bald grösseren, bald kleineren, zuweilen selbst zahlrei- chen Gesellschaften; nur selten werden gewisse Arten auch einzeln 102 getroffen. Ihre Thätigkeit ist auf den Tag beschränkt, während sie die Nacht in Baumhöhlen schlafend zubringen. Sie liegen hierbei in zusam- mengerollter Stellung, den Schwanz um sich geschlagen, und dicht an einander gereiht. Während des Tages lassen sie beständig Locktöne vernehmen. Früchte, Insecten und Spinnen, denen sie sehr eifrig nach- stellen, machen ihre Nahrung aus, die sie in sitzender Stellung zu sich nehmen, und zwischen den Vorderpfoten halten. Sie sind unge- mein schnell, behende und lebhaft, und stets in Bewegung. Wenn sie ruhen, liegen sie mit dem Bauche platt auf einem Baumaste, und lassen den Scliwanz schlaff und gerade herabhängen. Manche bewe- gen sich hierbei beständig mit ihrem Kopfe. Ihr Gang erfolgt nur auf allen Vieren und sie treten hierbei mit der ganzen Sohle auf. Sie sind ausserordentlich vorsichtig, wachsam und furchtsam. Bei dem gering- sten Geräusche suchen sie sich zu verbergen, und beim Anblicke fremdartiger Gegenstände verstecken sie sich schnell zwischen dicht- belaubte Baumkronen und blicken nur zuweilen mit ihren Köpfchen aus den dichtesten Zweigen derselben hervor. Ungeachtet der ihnen eigenthümlichen Furchtsamkeit, sind sie aber dennoch nicht feig, wenn sie der Gefahr ihrer Verfolger nicht durch die Flucht zu entkommen vermögen, und vertheidigen sich mit ihrem Gebisse mit Muth selbst gegen einen überlegenen Feind. Ihre Geistesfähigkeiten sind nur geringe, dagegen besitzen sie Instinct in ziemlich hohem Grade. Insecten, vor deren Stich sie sich zu fürchten haben, erkennen sie schon auf den ersten Blick, und ebenso gewahren sie die Gefahr, welche ihnen von Raubthieren und Baumschlangen droht, zeitig genug, um derselben zu entgehen. Es sind muntere, aber nicht sehr neu- gierige, dagegen eigensinnige, misstrauische, sehr reizbare und zorn- süchtige Thiere. Gereizt, sträuben einige die Mähne ihres Halses oder Kopfes, und weisen ihre Zähne. Sie sind übrigens sehr leicht zu zähmen, gewöhnen sich bald an ihre Pfleger, und manche Arten werden auch zutraulich. Dagegen zeigen sie wenig Anhänglichkeit und Dankbarkeit, und bleiben stets misstrauisch , insbesondere gegen Fremde. Gegen Kälte und Nässe sind sie ausserordentlich empfindlich. Die Weibchen bringen in der Regel 2 — 3 , zuweilen aber auch nur IJunges zurJWelt, von denen sie, während das eine saugt, die anderen auf dem Rücken tragen. Das Tragen der Jungen auf dem Rücken wird abweclislungsweise von den Weibchen und Männchen besorgt. Bei jenen Arten, welche mit Ohrenbüscheln versehen sind, halten sich 103 die Jungen an dieselben angeklammert. Das Fleisch wird von den Eingeborenen gegessen. 1. Gattung-. SeidenafTe (Hapale). Der Schwanz ist schlafT, buschig, und sehr lang. Die Ohren sind mit Haarbüscbeln versehen. Das Gesicht ist von keiner Mähne umgeben. Vorderfüsse und Hinterhände sind fünfzehig. Der weissohrige Seidenaffe (Hapale Jacclms). (Fig. 20.) Die Behaarung des Felles ist lang und weich. Die Färbung des Körpers besteht im Allgemeinen aus einer Mischung von Schwarz, Weiss und Rostgelb , indem die einzelnen Haare an der Wurzel schwärzlich, dann rostgelb, hierauf wieder schwärzlich und an der Spitze weisslich gefärbt sind. Auf dem Rücken, mit Ausnahme seines hinteren Viertels, erreichen die rostgelben Haarringe eine so ansehnliche Breite, dass der grössere Theil des Rückens gleich- sam rostgelb gefleckt erscheint, was insbesondere beim Sträu- ben des Haares deutlicher hervortritt. Auf dem Hintertheile des Rückens wechseln schmale, schwarze und weissliche, wellenförmige Querbinden mit einander ab. Am Unterleibe und den Ghedmassen endigen die schwärzlichen Haare mit weisslichgrauen Spitzen, wodurch an diesen Theilen die graue Farbe vorherrschend wird. Kopf und Hals sind dunkelbraun, und nur bisweilen ist der Hals so wie die Wangen ringsum weisslich gefärbt. Ein weisser, dreieckiger Flecken steht auf der Stirne , und an den Ohren befindet sich ein Pinsel von weissen, an der Spitze nur äusserst selten schwärzlich gefärbten Haaren in der Länge eines Zolles, der vor, über und hinter den Ohren entspringt und sich fächerförmig ausbreitet. Das Gesicht ist dunkel fleischbraun und spärlich mit weisslichen Härchen besetzt. Die nackten Ohren, welche nur am äusseren Rande feine Härchen tragen, sind dunkel graubraun, die Augen bräunlichgelb. Der Schwanz ist schwarz, mit ungefähr 22 schmalen, weisslichen Ringen umgeben, und endiget in eine weissliche Spitze. Die Länge des Körpers beträgt SVs Zoll, jene des Schwanzes 1 Fuss, 1 Zoll. Der weissohrige SeidenafTe findet sich nur im mittleren Theile der Ostküste von Brasilien, wo er in zahlreichen Gesellschaften die Urwälder bewohnt, und nicht selten sogar in der Nähe von Städten 104 ^etrofTen wird. Er hält sicli nur auf Bännioii auf, auf denen er, behende wie die Eichhörnehen, herumklettert und umherspringt, wie denn überhaupt seine Bewegungen äusserst lebhaft sind. Bei Tage sind diese Thiere beständig in Bewegung, während sie die Nacht still zubringen. Wenn sie schlafen, biegen sie sich zusammen, und bedecken den Kopf mit ihrem Schwänze. Sie sitzen nur selten aufrecht auf dem Hintertheile und liegen, wenn sie ruhen, mit dem Bauche platt auf einem Baumaste auf. Ihre Nahrung besteht in Früchten, vorzüglich Paradiesfeigen, Insecten und Spinnen, die sie in hockender Stellung zwischen den Vorderpfoten halten, und mit denselben zum Munde füln'en. Nicht selten kommen sie in kleinen Gesellschaften von einigen Familien zu 3 — 8 Stücken, unter beständigem Pfeifen und Zischen, wie junge Vögel, bis in die Pflanzungen. Sie sind furcht- sam, vertheidigen sich aber, wenn es Noth thut, muthig, und selbst gegen einen überlegenen Feind. Die Zahl ihrer Jungen beträgt meistens 3, wovon aber gewöhnlich nur eines aufkommt. Die Jungen sind anfangs beinahe haarlos und klammern sich vorne an der Mutter an; später werden sie von ihr auf den Schultern getragen. Wird die Mutter geschossen, so klammern sich die Jungen sogleich fest an ihren künftigen Pfleger und bleiben ihm auch sehr zugethan, Avenn sie erwachsen sind. Gegen Kälte und Nässe sind diese Thiere ausser- ordentlich empfindlich. In der Gefangenschaft, die sie in unserem Klima schwer ertragen, indem sie selten einen Winter überleben, zeigen sie sich munter, stets in Bewegung, eigensinnig und reizbar. Gegen Fremde sind sie misstrauisch, lassen sich nur ungerne von ihnen berühren und geben ihren Unmuth durch einen pfeifenden Ton zu erkennen. Dagegen sind sie zutraulich und anliänglich gegen jene, die sie pflegen. Im gefangenen Zustande füttert man sie mit Obst, Gemüse, Brot, Zuckerbrot und fein geschnittenem Fleische; doch fressen sie auch Schnecken und selbst Fische. Heuschrecken, Käfer und Fliegen verzehren sie mit Gier; dagegen flösst ihnen der Anblick einer Biene oder Wespe Furcht ein, wenn sie auch nie früher eine solche gesehen hatten, und treibt sie in die Flucht. Es ist diess ein eigenthüml icher Instinct, welcher sie vor Thieren warnt, vor deren Stich sie sich zu fürchten haben. Ja selbst Verstand ist ihnen nicht abzusprechen; deiui haben sie einmal Trauben genossen, wobei ihnen der Saft in's Auge spritzte, so schliessen sie beim künfti- gen Genüsse derselben stets die Augen, um das Ausspritzen des 105 Saftes nicht wieder fühlen zu müssen. Auch mit Thieren, insbesondere mit Katzen, wissen sie sieh bei längerem Umgange zu befreunden. Gerathen sie in Fiu'cht, so verstecken sie sich mit einem durchdrin- genden Schrei. Bisweilen pfeifen sie anhaltend fort, ohne irgend eine wahrnehmbare Ursache. Alt gefangene Thiere zeigen sich anfangs ziemlich wild, und schreien schon bei der geringsten Annäherung an sie. Es währt ziemlich lange, bis man sie berühren kann. Sie sind misstrauisch, vorsichtig und wachsam, und wenden schon bei dem geringsten Geräusche den Kopf nach allen Seiten. Ihre Reizbarkeit ist sehr gross, und sie wissen dann selbst die Personen nicht zu untersclieiden, und drohen mit ihrem Bisse ihrem Pfleger ebenso, wie fremden Personen. Auch in der Gefangenschaft suchen sie sich sorg- fältig gegen Kälte zu schützen und tragen die ihnen dargereichte Baumwolle oder andere weiche Stoffe in irgend einen Winkel ihres Käfiges, um sich in dem weichen Lager gänzlich einzuhüllen, aus welchem sie bei Annäherung bekannter Personen nur dann ihre Köpfchen hervorstrecken , wenn ihnen irgend ein Leckerl)issen vor- gehalten wird. In der Gefangenschaft geworfene Junge klammern sich sogleich fest an ihre Mutter an, und verbergen sich in ihren Haaren. Werden der Mutter die Jungen zu schwer, so nähert sie sich dem Männchen mit einem kläglichen Tone, welches ihr die Jungen abnimmt, sie auf seinen Rücken setzt oder unter den Leib nimmt, und dieselben fest angeklammert mit sich trägt. Wollen dann die Jungen wieder saugen, was sie durch Unruhe zu er- kennen geben, so gibt sie das Männchen der Mutter zurück. Bis- weilenstreift die Mutter auch ihre Jungen an einer Wand des Käfiges ab, worauf sie sogleich dem Männchen auf den Rücken klettern. Hören die Jungen gänzlich auf zu saugen, so übernimmt das Männchen noch zuletzt die Pflicht, sie so lange zu tragen, bis sie allmählich selbst in ihrem Käfige herumzuklettern gelernt haben. Der Name, welchen der weissohrige SeidenafTe bei den Eingeborenen führt, ist Sahui. 2. Gattung. MidasafTe (Midas). Der ScliAvanz ist schlaff, buschig, und sehr lang. Die Ohren sind nicht mit Haarbüscheln versehen. Das Gesicht ist bisweilen von einer aufrichtbaren Mähne umgeben. Vorderfüsse und Hinterhände sind fünfzehiff. 106 Der Löwenaife oder Marikin (Midas ItosaliaJ, (Fig. 21.) Der Marikin ist ein überaus schönes und zartes Thier und eine der niedlichsten Arten aus der Familie der KrallenafTen. Sein Haar ist lang und seidenartig, und bildet um das Gesicht eine Art von Mähne, die vom Kopfe sowohl rück- als seitwärts herabhängt und die Ohren vollständig bedeckt. Ohrenbüschel fehlen, dagegen ist der Schwanz gegen seine Spitze länger, und fast büschelförmig behaart. Das Fell ist einfarbig, licht röthllchgelb und goldglänzend, zuweilen heller, zuweilen dunkler gefärbt. Der Schwanz ist in der Regel an der Spitze braun und nur äusserst selten mit schwarzen Flecken ver- sehen. Das nackte Gesicht ist graubraun, das Auge röthlich gelbbraun. Die Körperlänge beträgt 9 Zoll, die Schwanzlänge 1 Fuss, 2 Zoll. Der Aufenthalt des Marikin beschränkt sich auf den südlichen Theil der Ostküste von Brasilien, wo er theils in kleinen Familien, theils aber auch einzeln, sowohl in den Wäldern gebirgiger Gegenden, als auch auf den Gebüschen sandiger Ebenen getroffen wird. Überall, wo er aber vorkommt, ist er ziemlich selten. Seine Nahrung besteht zum Theile in Früchten, vorzüglich aber in Insecten, denen er gierig nachstellt. Er ist sehr lebhaft in seinen Bewegungen und kann vor- trefflich klettern. Häufig hängt er sich mit seinen Händen an einen Ast und schleudert sich mit Schnelligkeit auf einen anderen. Er ist sehr furchtsam, und verbirgt sich schon bei dem geringsten Geräusche. Wird er einen ihm fremdartigen Gegenstand gewahr, so versteckt er sich sogleich in dem dichtesten Laube der Baumkronen. In aufgeregtem Zustande richtet er die Mähne in die Höhe, welche sein Gesicht umgibt. Beunruhiget oder geängstiget, stösst er einen scharfen Schrei aus, der wie ein kurzes Pfeifen tönt, und droht zu beissen. Sonst lässt er aber bisweilen auch seine Stimme voller tönen. Er ist überaus sanft und friedlich, und vollkommen harmlos. Die Gefangenschaft, insbesondere in unserem Klima, erträgt er gewöhnlich nur sehr kurze Zeit, denn er ist überaus zärtlich und höchst empfindlich gegen Feuchtigkeit und Kälte. Nur mit grösstor Vorsicht ist es möglich, ihn bei uns während des Winters am Leben zu erhalten. Er liält sich beständig in der Höhe auf, und sucht immer die höchsten Orte auf, welche er nur selten verlässt. Entschliesst er sich herabzusteigen, so geschieht diess von rückwärts. Er ist nur munter, wenn er sich in 107 Gesellschaft seines Gleichen befindet; in der Einsamkeit fühlt er sich traurig. Seine Geistesfähigkeiten sind sehr geringe. Er zeigt zwar Zutraiilichkeit gegen seinen Pfleger, niemals aber wahre Anhänglichkeit oder Dankbarkeit. Schmeicheleien empfängt er gerne, ohne sie jedoch zu erwiedern. Gegen Fremde ist er misstrauisch, und beweiset diess durch Fletschen seiner Zähne, die jedoch so schwach sind, dass sie kaum zureichen würden, ihn selbst gegen das kleinste Raubthier zu schützen. 2. Ordnung. Halbaffen oder Äffer (Hemipitheci). Die Gliedmassen sind entweder Gang,- oder Flatterbeine. Das Gesicht ist behaart. Vorder,- Eck,- und Backenzähne sind vorhanden. Die Zähne bilden eine geschlossene Reihe. Die Backenzähne sind einfach. Diese Ordnung scheidet sich in drei natürliche Familien: 1. die Kurzfüsser {BrachytarsiJ, 2. die Langfüsser (Macrotarsi) und 3. die P e 1 z f 1 a 1 1 e r e r (Pleuropteri). 1. Familie. Riirzfiisser (Brachytarsi). Die Gliedmassen sind Gangbeine. Vorder- und Hinterfüsse sind immer mit einem den übrigen Zehen entgegensetzbaren Daumen versehen und fünfzehig. Die Fusswurzel ist kürzer als das Schienbein. Die Ohren sind klein. Nur der Zeigefinger der Hinterhände hat einen krallenförmigen Nagel, alle übrigen Zehen haben platte Nägel. Der Aufenthalt der Kurzfüsser ist fast durchgehends auf Mada- gaskar in Afrika beschränkt; nur eine einzige Gattung lebt in Asien, wo sie Ost-Indien und die dazu gehörigen Inseln bewohnt. Sie leben in Wäldern, auf Bäumen, truppenweise und bisweilen selbst in grossen Gesellschaften zusammen. Es sind durchaus Thiere von nächtlicher oder halbnächtlicher Lebensweise, die entweder bei Tage zusammengerollt in hohlen Bäumen oder auf einigen nahe bei- sammen stehenden Ästen zusammengekauert schlafen. Die meisten liegen während des ganzen Tages in tiefem Schlafe und selbst die halbnächtlichen entziehen sich dem hellen Sonnenlichte und halten sich verborgen. Insbesondere shid die ungeschwänzten Arten überaus 108 lichtscheu. Ihr Schlaf ist aher keiiiesweges fest und bei vielen Arten sogar sehr leise, indem selbst das schwache Geräusche, welches die Annäherung' eines Insectes bewirkt, sie zu erwecken im Stande ist. Sie schlafen entweder sitzend auf dem Hintertheile, mit an sich gezogenen Vorderfüssen und den Kopf auf die Brust gesenkt, wobei die langschwänzigen Arten den Schwanz über den Kopf oder die Schultern schlagen, die ungeschwänzten aber sich mit den Hinterhänden fest- halten, oder zusammengerollt, wobei die mit langen Schwänzen ver- sehenen Arten den Schwanz zwischen die Beine legen, und entweder dicht an einander gereiht sind, oder sich paarweise zu einer gemein- schaftlichen Kugel zusammenrollen, und sich mit ihren Schwänzen umwinden. Beim Eintritte der Abenddämmerung erwachen sie aus ihrem Schlafe, um ihrer Nahrung nachzugehen, und bleiben thätig durch die ganze Nacht, indem sie in den Wäldern umherstreifen. Einige nähren sich blos von Früchten, Wurzeln und hisecten, nach welch' letzteren gewisse Arten besonders lüstern sind, während andere Früchte vorzuziehen scheinen. Mehrere verfolgen nei)stbei auch noch leidenschaftlich kleine Vögel, Säugethiere und Beptilien, die sie oft schon in ansehnlicher Ferne entdecken, geräuschlos zu beschleichen wissen, mit Begier tödten und verzehren. Manche verschmähen auch Eier nicht. Ihre Beute pflegen sie plötzlich mit beiden Händen zu erhaschen. Beim Fressen sitzen sie aufrecht auf dem Hintertheile und bringen die Nahrung mit den Vorderhänden zum Munde. Die lang- schwänzigen Arten haben hierbei den Schwanz hoch emporgehoben und an den Bücken angelegt, während die ungeschwänzten sich mit den Hinterhänden festhalten. Das Getränke nehmen sie leckend, ähnlich einer Katze zu sich. Die geschwänzten Arten sind ungemein lebhaft und gewandt in ihren Bewegungen, aber auch überaus leise; dagegen bewegen sich die ungeschwänzten äusserst träge, gleichför- mig, bedächtig und schleichend. Erstere klettern mit vieler Geschick- lichkeit, Zierlichkeit und Leichtigkeit und springen mit der grössten Schnelligkeit von Ast zu Ast, und zwar nicht selten selbst in ziemlich weiten Entfernungen und bis auf eine Höhe , die 6 — 8 Fuss betragen kann. Wähi'ond des Sprunges halten die langschwänzigen den Schwanz nach oben «•ekrümmt und fallen ebenso wie die kürzere- schwänzten geräuschlos und nnt der grössten Leichtigkeit auf die Spitzen ihrer Finger nieder. Die ungeschwänzten dagegen klettern nur sehr langsam, vorsichtig und sicher, indem sie sich zuerst mit 109 der einen, dann mit der anderen Hand der Vorderbeine an einen Zweig festhalten, und einen nach dem anderen Hinterfuss festsetzen, auch nicht eher mit diesen loslassen, bis die Vorderhände wieder fest angefasst haben. Auf dem Boden können sich selbst die geschwänzten nur schwer und gezwungen bewegen, während der Gang der unge- schwänzten, welche überhaupt nur selten von den Bäumen herab- steigen, überaus langsam und schleppend ist. Die langschwänzigen Arten pflegen hierbei den Schwanz in die Höhe gerichtet zu tragen, mit nach rückwärts gekrümmter Spitze. Der ausschliessliche Gang sämmtlicher Arten ist auf allen vier Beinen. Beim Gehen treten manche mit der ganzen Sohle auf, während andere hierbei die Finger der Vorderbände zur Hälfte nach abwärts geschlagen haben. Eine besondere Eigenschaft gewisser Arten ist das Leuchten ihrer Augen zur Zeit der Nacht; und manche Arten haben die Eigenthümlichkeit zu schnurren, insbesondere vor dem Eintritte des Schlafes, wobei sie den Schwanz um den Kopf zu wickeln pflegen. Es sind durchgehends zärtliche, sehr frostige Thiere, welche die Wärme lieben, und insbe- sondere sind manche Arten gegen die Kälte sehr empfindlich. Alle, welche einer schnelleren Bewegung fähig sind, sind scheu und flüchtig. Sie fliehen den Menschen, vertheidigen sich aber mit Muth durch heftiges Beissen , wenn sie angegriffen werden. Die Langsamen sind unfähig zu entkommen. Ihre Geistesfähigkeiten sind geringe. Sie sind sehr gutmüthig, sanft, friedlich und furchtsam; die unge- schwänzten Arten sogar still, beinahe schwermüthig, wenig reizbar und ruheliebend. Nur unter sich beissen sich zuweilen gewisse Arten. Alle lassen sich leicht zähmen, werden zutraulieb, und lernen die Personen kennen , welche sie pflegen. Manche zeigen sogar bis- weilen einen hohen Grad von Zuneigung, Anhänglichkeit und selbst Dankbarkeit gegen ihre Pfleger. Andere hingegen beweisen durch- aus keine besondere Anhänglichkeit. Nur gereizt oder beleidiget suchen sie sich durch Bisse zu rächen. Eine Art ist sogar gelehrig und zur Abrichtung fähig, und wird von den Eingeborenen gleich den Hunden zur Jagd verwendet. Die Weibchen werfen nur 1 Junges, das sich mit den Hinterbeinen am Rücken der Mutter festhält. 1. Gattung. Maki (Lemur). Die Gliedmassen sind nicht sehr lang und ziemlich stark. Der Schwanz ist sehr lang, und buschig. Die Obren sind kurz und behaart. HO die Augen mittelgross und nicht sehr stark genähert. Der Scheitel ist langgestreckt, die Schnauze ziemlich gestreckt und spitzig. Der • Zeigefinger der Yorderhände ist lang. Der Mokoko (Lemur Catta). (Fig. 22.) Der Mokoko ist von der Grösse einer mittelgrossen Hauskatze, und eine der schönsten Arten der ganzen Gattung. Die Oherseite des Kopfes ist aschgrau, das Hinterhaupt schwarz, Gesicht und Ohren sind weisslich und die Augen von einem schvi-^arzen, rautenförmigen Flecken umgehen. Die Schnauze ist schwarz, der Hals ohen aschgrau, Rücken, Arme und Vorderhände sind hell röthlichgrau, die Beine hell aschgrau, und die Hinterhände weiss. Die Unterseite ist schmutzig- weiss, der Schwanz schwarz und weiss geringelt. Der Umkreis um die Augen, die Schnauzenspitze, die Innenseite des Oberarmes und der Hände sind kahl und schwarz. Die Behaarung ist weich und das Haar steht aufgerichtet. Die Iris ist röthlichbraun. Die Länge des Körpers beträgt 1 Fuss, 2 Zoll, 4 Linien, die des Schwanzes 1 Fuss, 6 Zoll. Die Heimath des Mokoko ist Madagaskar, wo er in Truppen von 30 — öO Stücken auf den Bäumen lebt und auch häufig auf den Klippen umherklettert oder sich auf denselben, auf den Hinterbeinen sitzend, sonnet. Seine Nahrung sind Obst und Wurzeln. Er klettert und springt mit grosser Leichtigkeit und ohne Geräusche. Beim Gehen hält er den Schwanz empor und krümmt seine Spitze nacli rückwärts, im Galoppe hingegen biegt er denselben nach vorwärts über den Rücken. Als ein halbnächtliches Tbier hält er sich während des Tages oft verborgen, schläft aber auch nicht selten sitzend in der Sonne, wobei er den Kopf niedergebogen hält, die Hände an sicli zieht, und den Schwanz über den Kopf schlägt. Er ist ein überaus harmloses Thier, das sich sehr leicht zähmen lässt, und wie ein Hund im Hause gehalten werden kann. Seine schönen Formen sowohl, als seine zierlichen Bewegungen, so wie dieleichte Zähmbarkeit und die Friedlichkeit seines Charakters, machen ihn allgemein beliebt, daher er auch ziemlich häufig nach Eurojja gebracht wird. Die Gefangen- schaft hält er selbst in unserem Klima sehr gut aus, und man kennt ein Beispiel, dass ein Mokoko 19 Jahre in Europa in der Gefangen- schaft gelebt. Er ist immer in Bewegung, und macht Sprünge, ähnlich jenen eines Aftcn oder einer Katze. Auch hält er sich sehr rein. Hl kämmt sich das Haar mit seinen Vürderzähnen und erhält es immer glänzend. Nur selten lässt er seine schwache Stimme hören und fast nur wenn er erschreckt oder gereizt wird, giht er einen kurzen, scharfen Laut von sich. Fühlt er sich zufrieden, so schnurrt er, ähnlich einer Katze. Alles, was ihm in den Weg kommt, untersucht er, und streut es um sich herum. Kälte ist ihm empfindlich; er rollt sich dann zusammen und bedeckt den Rücken mit seinem Schwänze. Doch setzt er sich auch gerne an's Feuer um sich zu wärmen, hält die Hände daran, und verbrennt sich hierbei nicht selten seine Schnurren. Beim Eintritte des Abends springt er ziemlich tactmässig eine halbe Stunde umher, und legt sich dann zur Ruhe, um zu schlafen. Er wickelt liier- bei den Schwanz um seinen Kopf, und schnurrt so lange, bis er schläft. In der Gefangenschaft füttert man ihn mit Brot und Möhren, so wie mit Obst und Eiern, die er besonders gerne frisst. Jung nimmt er auch gekochtes Fleisch, und trinkt selbst Wein. Er ist sehr sanft, lässt sich gerne schmeicheln, zeigt aber zu keiner bestimmten Person eine besondere Zuneigung, sondern ist zutraulich gegen alle, setzt sich auf den Schooss oder klettert ihnen auf die Schultern. Im Alter wird er stiller. Der Name, Avelchen er in seiner Heimath führt, ist Mokoko. Der weissstirnige Maki (Lemur albifrons). (Fig. 23.) Die Behaarung ist weich. Rücken und Seiten sind graulichbraun mit einem schwachen, röthlichen Anthige. Die Aussenseite der Glied- massen , und die ersten zwei Drittel des Schwanzes sind rothbraun, das letzte Drittel ist schwarz. Die Unterseite, die Innenseite der Gliedmassen und der Nacken sind weiss. Der Hinterkopf ist beinahe schwarz. Eine breite Binde von wolligen Haaren, welche sich über die Stirne zieht, und die Ohren, so wie die Seiten des Gesichtes ein- schliesst, ist weiss. Schnauze und Hände sind purpurschwarz. Die Iris ist orangefarben. Der Körper misst 1 Fuss, 5 Zoll; der Schwanz 1 Fuss, 8 Zoll. Die Heimath des weissstirnigen Maki ist auf Mada- gaskar beschränkt, wo er gesellig auf Bäumen getroffen wird. So gross auch die Schnelligkeit ist, mit welcher er auf denselben zu klettern im Stande ist, so wenig gewandt und rasch sind seine Bewe- gungen auf ebenem Boden. Überhaupt kommt er in seiner Lebens- weise fast ganz mit dem Mokoko überein. Auch der weissstirnige Maki 112 erträgt die Gefangenschaft selbst in Europa ziemlich lange, mul man kennt Boispielo, dass er sich daselbst sogar fortgepflanzt habe. Auch in der Gefangenschaft liebt er die Geselligkeit, obgleich sich mehrere, wenn sie zusammen gehalten werden, nicht selten gegenseitig beissen. Seine Lebensweise ist gleichfalls eine halbnächtliche, denn er schläft fast den ganzen Tag in zusammengerollter Stellung, wobei er den Schwanz zwischen die Beine steckt. Seine gewöhnliche Stimme besteht in einem Grunzen, während er bei Angst einen durchdringen- den Schrei ertönen lässt. Die neugeborenen Jungen haben die Grösse einer Ratte. 2. Gattung'. Lori (Steiwps). Die Gliedmassen sind sehr lang und schmächtig. Der Schwanz fehlt. Die Ohren sind mittelgross und behaart, die Augen sehr gross und stark genähert. Der Scheitel ist rund, die Schnauze kurz und spitzig. Der Zeigefinger der Yorderhände ist kurz. Der plumpe lori (Stenops tardigrndus). (Fig. 24.) Der Kopf ist rund, die Schnauze stumpf und die Nase nicht über die MundölTnui^g hervorspringend. Die Ohren sind eiförmig und unter dem Haare versteckt. Der Leib ist etwas untersetzt und auch die Gliedmassen sind nicht besonders schmächtig. Die Behaarung ist sehr dicht und weich, beinahe filzartig, insbesondere auf dem Unterleibe. Gesicht und Finger sind mit kurzen Haaren besetzt. Die Färbung ist bräunlichgelb oder bräunlichgrau, am Bauche heller und auf der Aussenseite mit einem mehr oder minder deutlichen röthlichen Anfluge. Ein breiter rostbrauner Streifen zieht sich vom Kopfe über das Rück- grat, theilt sich am Scheitel und umAisst einerseits die Ohren, während er andererseits sich an die Augen herabzieht, und durch einen weissen Flecken von dem Ohrenstreifen getrennt wird. Die Augen sind von"einem braunen Rnige umgeben, und ein schmaler, weisser Streifen läuft zwischen denselben von der Stirne herab. Die kurzen Haare derSchuauze sind weisslich. Die Schnauzenspitze und diehinen- fläche der Hände sind nackt und schwärzlich, oliven fleischfarben. Die Iris ist dunkelbraun. Die Länge des Körpers beträgt 1 Fuss, 1 Zoll. Das Vaterland des plumpen Lori ist Süd-Indien, wo er sowohl in Bengalen, wie in Siam getroffen wird, so wie einige Inseln des 113 indischen Archipels, namentlich Sumatra, Borneo und Pulo-Penang. Sein Aufenthalt ist auf die einsamsten Wälder im Felsgebirge und an den Küsten beschränkt, wo er auf Bäumen lebt, und in hohlen Stämmen eine Zufluchtstätte findet. Er wohnt in kleinen Familien zusammen, und ist allenthalben selten. Seine Lebensweise ist eine vollkommen nächtliche, indem er den Tag über schlafend zubringt, und erst zur Nachtzeit seiner Nahrung nachgeht, die vorzugsweise in Insecten, kleinen Vögeln und Vogeleiern besteht; doch geniesst er auch bisweilen süsse und saftige Früchte. Sein gewöhnlicher Gang ist auf allen Vieren, doch überaus träge und langsam , so dass er in einer Minute kaum eine Strecke von vier Klaftern zurücklegt. Er vermag jedoch auch kurze Zeit aufrecht zu gehen, ohne dabei aber schneller vorwärts zu kommen. Überhaupt scheint er nur selten die Bäume zu verlassen und auf den Boden herabzusteigen, da er weit besser zu klettern, als zu gehen vermag, obgleich seine Bewegungen auch beim Klettern äusserst lang- sam und bedächtig sind. Bei Nacht sind seine Augen leuchtend und belebt, am Tage jedoch verlieren sie ihren Glanz. Überhaupt sind seine Augen gegen das Tageslicht sehr empfindlich, obgleich sich ihre Pupille hierbei nur wenig verengert. Die grosse Schärfe seines Gesichtes und Gehörs kommen ihm bei Aufsuchung seiner Nahrung sehr zu Statten. Schon aus ansehnlicher Ferne und bei dem geringsten Geräusche wird er ein Insect oder einen Vogel gewahr , die er vor- sichtig zu beschleichen und sicher zu erhaschen weiss. Seine Stimme, die er bisweilen ertönen lässt, besteht in einem leisen Pfeifen, das jedoch nach den verschiedenen Gefühls-Eindrücken, wie Schmerz, Ärger, Ungeduld, verschieden lautet. Des Nachts lässt er bisweilen klägliche Laute ertönen, die ungefähr wie Ai-Ai lauten. Der plumpe Lori ist ein vollkommen harmloses und sehr sanftes Tliier, das sehr leicht zu zähmen ist, die Gefangenschaft aber seiner Zartheit wegen nicht lange aushält. Er zeigt sich auch im gefangenen Zustande still, geduldig und schwermüthig, und versucht nur anfangs, wenn man ihn berühren will, zu beissen; doch reicht selbst eine kleine Züchtigung hin, seinen Zorn zu gewältigen. Gegen Kälte ist er überaus empfind- Hch und zeigt sich dann nicht nur minder sanft, sondern selbst zuwei- len böse. Personen, die ihn pflegen, lernt er bald kennen, und zeigt sich gegen dieselben anhänglich und dankbar. Er liebt Liebkosungen, lässt sich gerne, insbesondere an Kopf und Kehle streicheln und selbst die Zähne berühren, und sucht dieselben zu erwiedern, indem er (Naturgeschichte.) 8 114 seine Augen gegen seinen Pfleger emporrichtet, seine Finger leckt, oder wohl gar dessen Hand an seine Brust drückt. Wenn er gestört wird, lässt er ein schwaches Murren vornehmen und nur zur Zeit des Winters, oder wenn man ihm seine Nahrung wegnimmt, wird er zornig, und lässt einen durchdringenden Schrei ertönen. In seinem Vaterlande kann man ihn in der Gefangenschaft mit süssen Früchten, wie Paradiesfeigen und Mango füttern, doch ist er beson- ders lüstern nach Vögeln und Insecten, und liebt auch sehr die Eier. Ausserdem geniesst er aber auch Fleisch, gekochten Reis, Brot, insbe- sondere wenn es eingeweicht und mit Zucker bestreut ist. Orangen, Birnen, Kirschen, Zucker und Gummi. Nebst Wasser trinkt er auch gerne Milch. Gewöhnlich ergreift er die Nahrung mit den beiden Vorderhänden, wobei er aufrecht sitzt und sich mit den Hinterhänden festhält; doch langt er bisweilen auch mit allen Händen nach dem Futter. Im Allgemeinen ist er nicht gefrässig, obgleich er sich an Heuschrecken nie satt fressen kann und denselben die ganze Nacht hindurch nachstellt, wenn sich Gelegenheit dazu bietet. Des Morgens frisst er dagegen selten viel. Kommt des Nachts ein Insect in seine Nähe, so heftet er seine leuchtenden Augen auf dasselbe , zieht sich dann etwas zurück und erhascht es plötzlich mit den beiden Vorder- händen, um es dann, in der einen Hand haltend, in den Mund zu führen. Sein Gehör ist so fein, dass er selbst im Schlafe die Nähe eines Insectes gewahrt, plötzlich erwacht und nach demselben hascht. Hält man ihm aus der Ferne einen Vogel vor, so kommt er vorsichtigen Schrittes herangeschlichen, hält in der Entfernung von ungefähr einem Fusse ruhig an, richtet sich in die Höhe, rückt dann aufrecht näher, streckt leise die Arme aus, und fährt plötzlich auf den Vogel los, den er erhascht und mit grosser Schnelligkeit erdrückt, bevor er ihn ver- zehrt. Er schläft meist den ganzen Tag, oft 10 — 11 Stunden ununter- brochen fort. Gewöhnlich sitzt er hierbei auf dem Hintertheile in zusammengerollter Stellung und mit eingezogenem Kopfe, den. er zwischen die über den Schenkeln über einander geschlagenen Vorder- hände steckt und auf dieselben stützt, während er sich mit den Hinter- händen an den Stäben seines Käfiges festhält. Seltener gebraucht er auch eine der Vorderhände zum Festhalten und bisweilen liegt er auch zusammengerollt, so wie ein Igel. Des Abends, eine halbe Stunde vor l'ntergang der Sonne, wacht er auf, leckt und putzt sich wie eine Katze, frisst und schlummert wieder ein, um in kurzer Zeit, wenn HS die Sonne ganz gesunken, wieder zu erwachen. Zu dieser Zeit, wo er beginnt lebhafter zu werden, hängt er sich gerne mit den Vorder- händen an der Decke seines Käfiges auf, und schwingt den herabhän- genden Körper durch einige Minuten. Beim Anbruche der Nacht reibt er sich die Augen, sieht allentlialben umlier und tritt seine Wanderung an. Seine Bewegungen sind höchst huigsam und gleichförmig, wobei er beim Geben auf dem Boden, einen Fuss bedächtig vor den anderen setzt, und den Bauch ganz nieder über der Erde hält. Selbst nicht durch Gewalt ist es möglich, diesen langsamen Gang zu beschleunigen. Beim Klettern fasst er die Stäbe seines Käfiges zuerst mit der einen, dann mit der anderen Vorderhand, setzt eine nach der anderen Hinter- hand nach, und lässt dieselben nicht eher los, als bis die Vorderhände wieder festen Halt gewonnen haben. So bringt er die ganze Nacht wachend und meist auch in Bewegung zu, obgleich er sich auch gerne verkehrt, und mit allen vier Händen festgeklammert, ander Decke seines Gitterkäfiges aufliängt, um zu ruhen. Eine Stunde nach Sonnen- aufgang schläft er wieder ein, und schliesst die Augenlieder senkrecht, indem sie sich seitlich zusammenziehen. Wird er während des Tages aus seinem Schlafe geweckt, oder mit Gewalt einige Zeit wach erhalten, so zeigt er sich blödsüchtig und schläfrig und verfällt bald wieder in seinen früheren Schlaf. Unangenehm ist der üble Geruch, den er in der Gefangenschaft verbreitet. Die ausserordentliche Zartheit dieses Thieres ist die Ursache, wesshalb es so überaus selten nach Europa gebracht wird. In Ost-Indien wird es Tonger oder Schläfer und Tevang oder Schleicher genannt. Die Hindu's nennen es Lajja Banar und auf Sumatra führt es bei den Eingeborenen den Namen Brüh samundi. Der schlanke Lori {Stenops gracilis). (Fig. 25.) Diese Art ist durch die etwas verlängerte, spitze Schnauze, die über die Mundöffnung hervorragende Nase, den schlanken Leib und die sehr schmächtigen Gliedmassen ausgezeichnet. Die Behaarung ist sehr weich und kurz. Die Aussenseite ist einfarbig fahlgrau oder gelblichbraun, die Unter- und Innenseite graulich oder gelblichweiss. Von der Stirne läuft ein weisser Streifen zwischen den Augen auf die Nase herab. Die Seiten des Kopfes und die Schnauze sind weisslich. Die Länge des Körpers beträgt 8 Zoll, 9 Linien. Der schlanke Lori 116 kommt sowohl in Bengalen als auf Ceylon vor und hält sieh in Wäldern auf Bäumen und in hohlen Stämmen auf. In seiner Lebensart seheint er mit dem plumpen Lori übereinzukommen, obwolil man nidits mit Bestimmtheit hierüber weiss; denn er ist weder in seinem Vaterlande bisher lebend beobachtet, noch jemals lebend nach Europa gebracht worden. In Bengalen heisst er Tevangan. 2. Familie. Lang^füsser (Macrotarsi). Die Gliedmassen sind Gangbeine. Vorder- und Hinterfüsse sind immer mit einem den übrigen Zehen entgegensetzbaren Daumen ver- sehen und fünfzehig. Die Fusswurzel ist länger als das Schienbein. Die Ohren sind gross. Nur der Zeigefinger und bisweilen auch der Mittelfinger der Hinterhände hat einen krallenförmigen Nagel, alle übrigen Zeilen haben platte Nägel. Die Langfüsser sind grösstentheils in Afrika zu Hause. Nur eine einzige Gattung gehört Asien an und wird in Ost-Indien und auf den benachbarten Inseln getroffen. Ihr Aufenthalt ist blos das Dickicht der Wälder, wo sie theils gesellschaftlich, theils paarweise auf Bäumen getroffen werden. Sämmtliche Arten sind Nachtthiere, welche das Licht scheuen und bei Tage entweder in Baumhöhlen oder unter Baumwurzeln versteckt und zurückgezogen leben und fast immer oder grösstentheils schlafen. Hierbei pflegen die langschwänzigen Arten, welche mit grossen, häutigen Ohren versehen sind , dieselben vollkommen einzuschlagen, indem sie sie ganz zusammenfalten, dicht an den Kopf anlegen und mittelst derselben den Ohrgang verschliessen. Demungeachtet haben sie aber nur einen sehr leisen Schlaf; denn schon das Schwirren eines Insectes ist im Stande sie zu erwecken, wobei sie schnell ihre Ohren entfalten und straff die Ohrmuschel spannen. Die meisten erwachen schon beim Beginne der Abenddämmerung; manche kommen aber erst zur Naditzeit aus ihren Schlupfwinkeln hervor. Viele haben die Eigenthümlichkeit, dass ihre Augen im Dunkeln leuditen. Gewisse Arten nähren sich von Früchten, jungen Trieben und Baumknospen; manche fressen nebstbei auch Insecten, die sie schnell und sicher zwischen den dichtesten Zweigen und Blättern mit den Vorderhänden zu erhaschen wissen; andere dagegen kleine Eidechsen. Einige Arten lecken auch Gummisäfte, die ihre Hauptnahrung auszumachen scheinen. 117 Beim Fressen sitzen sie auf dem Hintertheile und bringen die Nahrung mit den Vorderhänden zum Munde. Das Getränke nehmen sie leckend wie die Katzen. Die langschwänzigen Arten sind äusserst gewandt, lebhaft und schnell in ihren Bewegungen, die kurzschwänzigen dagegen träge und langsam. Sie können alle gut klettern, die ersteren aber auch schnell und geräuschlos springen. Manche vermögen mit grosser Leichtigkeit sehr weite Sprünge von einem Baume zum anderen zu machen, andere springen satzweise, ähnlich wie die Frösche und erklettern die Bäume in kurzen Sätzen, deren Entfernung bei zwei Fuss beträgt. Sie können nur auf allen Vieren gehen und treten dabei mit der ganzen Sohle auf. Alle sind sanft, friedlich und harmlos und lassen sich leicht zähmen. Gereizt fletschen sie die Zähne. Manche Arten nisten entweder in Baumlöchern oder hohlen Bäumen, oder bauen sich zwischen den Gabelästen der Bäume ein Nest, in welchem sie für ihre Jungen ein Lager aus Gras bereiten. Einige bringen gewöhnlich 2, andere nur 1 Junges zur Welt, das wie bei den Katzen von der Mutter bisweilen im Munde getragen wird. Das Fleisch mehrerer Arten wird von den Negern gegessen. 1. Gattung. Galago (OtoUcnus). Die Gliedmassen sind nicht sehr lang und ziemlich stark. Der Schwanz ist sehr lang, und buschig. Die Ohren sind sehr gross und nackt, die Augen gross und ziemlieh stark genähert. Der Scheitel ist rund, die Schnauze kurz und spitzig. Nur der Zeigefinger der Hinterhände hat einen krallenförmigen Nagel. Der Zeigefinger der Vorderhände ist lang. Der loholi oder gemeine Cralago (OtoUcnus Galago). (Fig. 26.) Dieses überaus zierliche Thier hat ungefähr die Grösse eines kleinen Eichhörnchens. Sein Fell ist zwar kurz, aber dicht und sehr weich behaart. Der länger behaarte Schwanz endiget in eine Art von Pinsel, indem sich die Haare schon von der Hälfte desselben an ver- längern. Die Ohren sind sehr gross, oval zugespitzt, von der Länge des Kopfes und ganz nackt. Die Nägel sind platt, nur der Zeigefinger der Hinterhände ist mit einer zusammengedrückten Kralle versehen. Die Farbe der Oberseite erscheint fahlgrau, indem die Haare an der Wurzel blaulichgrau , an der Spitze fahlgrau gefärbt sind. Kopf und 118 Rüeken haben einen schwachen, röthllchen Anflug. Die Unterseite und die Innenseite der Giiedniassen ist gelhlichweiss, was auf den Glied- massen mehr in's Gelbe zieht. Die Wangen und eine zwischen den Augen entspringende und über den Nasenrücken bis an das Naseneiule verlaufende Längsbinde, sind gleichfalls von gelblichweisser Farbe. Ein schwärzlicher Kreis umgi])t die Augen. Die Ohren sind fleischfarben. Der Schwanz ist graulich rostfarben. Von den ursprünglich vorhan- denen vier oberen Vorderzähnen werden die äusseren bisweilen durch die starke Entwickelung der grossen Eckzähne verdrängt. Die Länge des Körpers beträgt 7 Zoll, jene des Schwanzes 9 Zoll. Die Heimath des Moholi erstreckt sich vom Senegal und der Wüste Sahara bis nach Kordofan, dem Sennaar und in die südlichen Provinzen von Abyssinien, ja selbst bis Natal und an den Fluss Limpopo. Er hält sich nur in den Mimosen- Wäldern auf, wo er sehr häufig getroften wird und lebt beständig auf Bäumen. Als ein vollkommen nächtliches Thier bringt er den Tag über, zwischen Gabelästen oder in hohlen Stämmen versteckt, fast beständig schlafend zu. Mit dem Eintritte der Dämmerung erwacht er aus seinem Schlafe und schleicht des Nachts mit hell leuchtenden Augen auf den Bäumen umher, um Insecten nach- zujagen, die seine Hauptnahrung ausmachen und die er unter der dichtesten Belaubung ebenso schnell als sicher überrascht, mit den Vorderhänden fängt und mit ausserordentlicher Schnelligkeit ver- schlingt. Ausser Insecten nähren sich die Moholi's aber auch von weichen Früchten und selbst Gummisäften, die sie lecken, obwohl sie den Insecten den Vorzug vor anderer Nahrung geben. In ihren Bewegungen sind sie äusserst gewandt und schnell und überaus lebhaft. Sie können sehr geschickt klettern und springen geräuschlos und mit Leichtigkeit von Ast zu Ast, oder machen selbst weitere Sprünge von einem Baume zum anderen. Überhaupt sind sowohl ihre Bewegungen als ihr Benehmen affenähnlich. Sie sind fast immer in Bewegung, doch sitzen sie auch, um zu ruhen, häufig auf den Hinterbeinen, während sie nicht selten, um sich umzusehen, das Laubwerk der Bäume mit den Händen auseinander theilen. Im Schlafe schlagen sie die Ohren ein und legen dieselben dicht an den Kopf an. Hierbei runzeln und verkürzen sich dieselben zuerst an ihrem Grunde und falten sich dann erst vollständig zusanunen, wenn sie vollends nieder- gelegt M^erden. Bei dem geringsten Geräusche schlagen sie sie aber Avieder auf und spannen rasch die Muschel. Sie nisten in Baumlöchern 119 und bereiten ihren Jungen ein weiches Lager, indem sie das Nest mit Gras ausfüttern. Die Zahl der Jungen beträgt gewöhnlich 2, die das Weibchen auferzieht. Die Moholi's sind sanft und friedlich und lassen sich in der Gefangenschaft leicht ernähren, indem sie Milch, Gummi und Eier, und selbst gekochte Speisen geniessen.Auch in diesem Zustande zeigen sie sich lebhaft und muthwillig und springen kräftig umher. Insbesondere erregt schon das leiseste Summen der Insecten ihre Aufmerksamkeit und setzt sie in Bewegung. Insbesondere lauern sie auf Küchenschaben, die sie schnell hinwegzuschnappen wissen. Die Neger von Galam am Senegal jagen ihnen häufig nach, da sie ihr Fleisch geniessen und verkaufen sie auch an die Europäer unter dem Namen Galago oder Gummithiere. In Süd -Afrika werden sie MohoU genannt. 3. Familie. Pelzfltitterer (Pleiiropteri). Die Gliedmassen sind Flatterbeine, indem sie durch eine Flatter- haut mit einander verbunden sind. Weder Vorder- noch Hinterfüsse sind mit einem den übrigen Zehen entgegensetzbaren Daumen ver- sehen, und beide sind fünfzehig. Alle Zehen haben krallenförmige Nägel. Der Aufenthalt der Pelzflatterer ist auf Süd-Asien beschränkt, wo sie sowohl auf der Halbinsel Malakka, als den ostindischen Inseln vorkommen. Sie sind nur in Wäldern zu treffen, deren Bäume sie bewohnen und auf welchen sie mittelst ihrer starken Krallen sehr leicht und sicher zu klettern vermögen. Auch können sie über sehr weite Zwischenräume, deren Entfernung selbst bis auf 100 Schritte reicht, von einem Baume zum anderen springen, wobei ihnen ihre Flatterhaut als Fallschirm dient; denn ein eigentliches Flugvermögen besitzen sie nicht. Diese Sprünge erfolgen immer in einer abwärts geneigten Linie, von höher gelegenen Ästen auf niederere. Im Stande der Buhe halten sie sich mit allen vier Beinen an den Bäumen angeklammert und lassen den Körper nach abwärts hängen. Ihre Bewegungen sind nicht sehr rasch und ihr Gang auf ebenem Boden, wenn sie dazu gezwungen werden, ist schleppend und ermüdend. Sie leben in grösseren Gesellschaften beisammen und sind wahre Nachtthiere, welche den Tag, zwischen dem Laube der Bäume verborgen, im tiefsten Schlafe zubringen, wobei sie mit den Hinterfüssen an einem Aste aufgehängt sind und Kopf und Leib nach abwärts hängen lassen. 120 Erst mit Einl)riich der Abenddämmerung erwachen sie aus ihrem Sehhife und steigen des Nachts geräuschlos in den Baumkronen umher, um ihrer Nahrung nachzugehen, die sowohl in Früchten, als auch Insecten und selbst kleinen Vögeln besteht, die sie mit vieler Gewandt- heit zu erhaschen wissen. Es sind friedliche, gutmüthige Thiere, die selbst angegriffen sich nicht zu vertheidigen suchen. Das Weibchen wirft 2 Junge, die an den Zitzen der Mutter hängend, beständig von ihr herumgetragen werden. In manchen Gegenden wird das Fleisch derselben gegessen und das Fell verwendet. 1. Gattung. Flattermaki (Galeopithecus). Der ganze Leib ist von einer dicken, auf beiden Seiten behaarten Flatterhaut umgeben, welche alle vier Gliedmassen und den Schwanz vollständig einschliesst, die Zehen der Vorder- und Hinterfüsse bis zu den Krallen mit einander verbindet, und sich an den Seiten des Halses hinter dem Unterkiefer anheftet. Die Schnauze ist etwas gestreckt und spitzig. Die Ohren sind klein und behaart, die Augen mittelgross und nicht sehr stark genähert. Der Schwanz ist kurz. Der rothe Flattermaki (Galeopithecus rufiisj. (Fig. 27.) Der rothe Flattermaki ist ungefähr von der Grösse einer Haus- katze. Sein Kopf ist mit einer kurzen, spitzen Schnauze versehen, die Ohren sind klein und abgerundet, die Nasenlöcher halbmondförmig, seitlich gestellt und ziemlich nahe an einander liegend. Die Augen sind von mittlerer Grösse, der Schwanz ist kurz. Die Krallen sind zuriickziehbar, die Schnurren kurz und dünn. Die Behaarung ist weich und kurz , auf der Bückenseite und längs der Mitte der Unter- seite dicht, von wo sie sich auch über den Oberarm ausbreitet, an den Vorderarmen dagegen dünn und wollartig. Die Seiten des Leibes und die Achselgegend sind nackt. Die Färbung des erwachsenen Thieres ist auf der Oberseite braunroth, die Unterseite ist heller ffefärbt. Die Innenseite der Gliedmassen und die Seiten des Halses sind weisslich. Junge Thiere sind auf der Oberseite bräunlichgrau, mit dunkelbraunen, wellenförmigen Längs- und Querstroifen auf dem Bücken und den Seiten, und kleinen weissen Flecken auf der Flatter- haut und den Gliedmassen. Brust und Bauch sind graulichbraun. Die Länge des Körpers beträgt 1 Fuss 6 Zoll, des Schwanzes 4 Zoll 121 die Flugweite 2 Fiiss und etwas darüber. Die Heimath dieser Art erstreckt sich über die meisten Siinda-Insehi, von Java aus bis Timor. Ihre Lebensweise stimmt mit der alier zur Familie der Pelzflatterer gehörigen Arten vollkommen überein. 3. Ordnung. Flatterthiere (Chiroptera). Die Gliedmassen sind Flugbeine. Vorder-, Eck- und Backen- zähne sind vorhanden. Die Zähne bilden eine geschlossene Reihe. Die Backenzähne sind einfach. Diese Ordnung enthält vier natürliche Familien: 1. die Flughunde (Cynoptein), 2. die Fledermäuse (Vespertiliones), 3. die B 1 a 1 1 n a s e n (Phyllostomata) und 4. die Kammnasen (Rhinolophi). 1. Familie. Flnghnnde (Cynopteri). Die Nase hat keinen Haut-Ansatz. Die Ohren sind mit keiner Klappe versehen. Die Backenzähne sind höckerig. Der Daumen und bisweilen auch der Zeigefinger der Vorderfüsse, und alle Zehen der Hinterfüsse haben krallenförmige Nägel, die übrigen Zehen sind nagellos. Weder Vorder- noch Hinterfüsse sind mit einem den übrigen Zehen entgegensetzbaren Daumen versehen, und beide sind fünfzehig. Die Flughunde bewohnen alle wärmeren Länder von Afrika, Asien und Australien. Die meisten sind Bewohner der Wälder, in deren Mitte sie oft in unzählbarer Menge die Bäume bedecken, indem sie reihenweise mit den Hinterfüssen an den Baumästen aufgehängt sind und Kopf und Leib mit den Flügeln umhüllen. Andere haben hohle Bäume zu ihrem Aufenthalte, in denen sie bisweilen in einer Anzahl von mehr als 400 beisammen getroffen werden. Wenige nur werden in Felsspalten und Höhlen, oder wohl gar in alten Gebäuden getroffen. Ihre Lebensweise ist eine nächtliche, obgleich sie in dichten Urwäldern oft auch am hellen Tage umhertliegen. Den Tag bringen sie grösstentheils schlafend in den Wäldern, hohlen Bäumen, Felsenhöhlen oder in altem Gemäuer zu. Mit Einbruch des Abends erwachen sie und ver- lassen ihre Verstecke, in denen sie den Tag über ruhend zugebracht 122 haben, Ulli dio £?anze Nacht hindiircli ihrer Nahrunsf nachzugehen, und erst mit Aiihruch des Morgens Avieder in dieselben zurückzukehren. Häufig küinnien sie einzeln bei einem Baume an, dessen Früchte sie dahin locken, um bahl in grossen Schaaren daselbst versammelt zu sein. Oft besuchen sie aber auch in dichtgedrängten Schwärmen selbst Av eit entlegene Wälder, und verdunkeln auf ihren Zügen den Himmel. Ihre Hauptnahrung besteht in saftigen Früchten und Blüthen, doch fressen sie auch nebstbei kleinere Vögel und selbst Säugethiere, denen sie bisweilen nachjagen. Meist ist es nur der Saft der Früchte den sie aussaugen, während sie die faserigen Theile derselben nicht geniessen. Die mit einer weit ausstreckbaren Zunge versehenen Arten, bedienen sich vorzugsweise dieses Organes, um den Saft der Früchte auszusaugen. Süsse oder wohlriechende Früchte, wie Bananen, Pan- dang's, Pfirsiche, Misteln und mancherlei wohlschmeckende Beeren, so wie derHonigsaft der Blumen, sind ihre Lieblingsnahrung. Sie sind sehr gefrässig und richten in den Obst- und Weingärten, die sie häufig schaarenweise überfallen, grossen Schaden und bedeutende Ver- wüstungen an. Wo sie einmal eingefallen sind, fressen sie die ganze Nacht hindurch; und man hört das Geräusch, welches sie hierbei machen, selbst schon in zimlich weiter Entfernung. Wenn sie ruhig auf einem Baume sitzen, lassen sie ein eigenthümliches Geschrei ertönen, das in einem starken, kreischenden Zischen besteht. Manche leben einzeln, viele jedoch in bisweilen sehr grossen Gesellschaften. Ihr Flug ist rasch und lebhaft, doch in der Regel nicht sehr hoch. Nur wenn sie unter Tags einzeln fliegen, erreicht er eine bedeutendere Höhe, welche bisweilen 100, sogar 200 Klafter betragen kann. Vom Boden vermögen sie sich nicht zu erbeben. Sie müssen immer an eine erhabenere Stelle eine Strecke hinaufklettern, um von derselben wegzufliegen, wobei sie stets mehrere Male ihre Flügel schwingen, bevor sie ihre Krallen loslassen und sich in Flug setzen. Dagegen erklettern sie mit ziemlicher Gewandtheit selbst die höchsten Äste. Geliör- und Gesichtssinn sind wenig bei ihnen entwickelt und bei Tage schliesst sich die Pupille ganz. Desto ausgebildeter ist aber der Geruchssinn, indem sie schon ans weiter Ferne durch den Geruch der Früchte und Rlüthen angezogen werden, und selbst in dichtem Walde die l}äuine mit reifen Früchten zu unterscheiden wissen. Sie sind übrigens furchtsam, und ergreifen, wenn sie noch so ruhig an den Ästen hängen und plötzlich durch einen Raubvogel oder wohl gar durch 123 einen Seluiss ersehreckt werden , alsogleich die Fhicht. Tm letzteren Falle geschieht es nicht selten, dass manche von ihnen aus Schreck zur Erde fallen, wo sie sodann auf jeden Gegenstand, der sich in ihrer Nähe befindet, ja selbst auf Menschen emporklettern, um ihre Flügel zum Fluge entfalten zu können. Sowohl Harn als Unrath liaben einen widrigen Geruch. Um sich des Unrathes zu entledigen, wenn sie mit den Hinterfüssen aufgehängt sind, greifen sie mit den Vorderklauen in die Höhe und bringen dadurch den Körper in eine halbwagerechte Stellung. Sie liaben nur einmal im Jahre Junge und zwar nur 1 — 2, die sich an den Brüsten der Mutter festhalten und von ihr selbst im Fluge getragen werden. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie einer doppelten Mauser unterliegen. In der Gefangenschaft werden sie schon nach wenigen Tagen zahm und gewöhnen sich leicht an die Personen die sie pflegen. Sie nehmen ihnen bald sogar das Futter aus der Hand und versuchen weder zu beissen, noch zu kratzen. Ja sie werden nach einiger Zeit so zutraulich, dass sie dieselben wie ein Hund belecken. Sie lassen sich leicht mit gekochtem Reis, Brot und Zuckerrohr ernähren und trinken sehr gerne Reiswasser mit Zucker. Doch verzehren sie auch mit Gier junge Ratten und todte Vögel, denen sie vorher die Federn auszurupfen pflegen, und trinken sehr oft selbst ihren eigenen Harn. Sogar in hängender Stellung, wenn sie mit einem Fusse aufgehängt sind , nehmen sie die Nahrung aus der Hand, die ihnen vorgehalten wird ; und wohlriechende Früchte, die man ihnen selbst in der Entfernung von einigen Füssen entgegen- hält, hohlen sie sich mit dem Munde. Den Tag bringen sie auch in der Gjefangenschaft ruliig und meist an einem Hinterfusse hängend zu, wobei Kopf und Leib in die Flügel gehüllt sind. Dagegen zeigen sie sich des Nachts sehr unruhig und suchen stets aus ihrem Käfige herauszukommen. Wenn sie geschlagen werden, suchen sie zu beissen und zu kratzen. In gewissen Gegenden werden manche Arten von den Eingeborenen gegessen und von denselben mit Netzen gefangen, wobei sie sich durch Beissen und Kratzen zu vertheidigen suchen. Es wird behauptet, dass das Fleisch, welches fett sein und einen unan- genehmen Bisamgeruch haben soll, demungeachtet wohlschmeckend sei. Von Manchen wird es mit dem Kaninchenfleische verglichen, von Anderen mit Feldhühner- oder wohl gar mit Froschfleisch. Besonders wohlschmeckend sollen junge Thiere sein, welche erst ein Alter von 4 — 5 Monaten erreicht haben. Auch das Fett von einigen Arten 124 wird in inaiiclien Gegenden, bei Bereitung der Speisen, von den ärmeren Bewohnern verwendet. 1. Gattung-. Flederlumd (Pteropus). Die Flughaut entspringt an den Seiten des Körpers. Der Zeige- finger der Vorderfüsse ist mit einer Kralle versehen. Im Ober- und Unterkiefer befinden sich vier Yorderzähne. Die Schnauze ist abge- stumpft und verlängert. Die Zunge ist lang und breit. Der Schwanz ist entweder kurz, oder sehr kurz, und zur Hälfte oder fast ganz von der Schenkelflughaut umhüllt, oder er fehlt gänzlich. Der Daumen ist entweder frei, oder in seiner unteren Hälfte von der Daumenhaut umkleidet. Die Zitzen liegen bald unter, bald vor der Einlenkung des Armes. Der Kalong (Pteropus edulis). (Fig. 28.) Der Kalong ist die grösste Art nicht nur unter den Fiederhunden, sondern unter den Flatterthieren überhaupt. Sein Körper ist lang und gestreckt, seine Behaarung rauh, bei alten Thieren am Rücken dicht, bei jungen dünner und auf der Unterseite mehr abstehend. Die Schnauze ist lang, die langen Ohren sind nackt, und zugespitzt und die Flug- häute sehr entwickelt. Die Schenkelflughaut ist breit und umsäumt den Steiss, indem sie an demselben in einem spitzen Winkel zusammen- läuft. Der Schwanz fehlt gänzlich. Die Färbung des Rückens ist tief braunschwarz, bald einfarbig, bald aber auch mit einzelnen schmutzig- grauen Haaren untermengt. Der Unterleib geht aus dem Braun- oder Rostigschwarzen in ein vollkommenes tiefes Schwarz über, und auch die Schnauze, der Unterkiefer und die Kehle sind schwarz. Die ganze Ober- und Hinterseite des Kopfes und Halses, von der Stirne an bis zu den Schultern zwischen den Flügeln herab, so wie die untere Hälfte des Vorderhalses bis zur Brust herab, sind rostig gelbroth.was an den unteren und Seitentheilen mehr in's Rostrothe, auf dem Hinterkopfe mul Oberhalse mehr in's lebhaft Rostgelbe fällt und sich von der schwarzen Rückenfarbe scharf und in einer geraden Linie abschneidet. Die jährigen Jungen haben fast dieselbe Färbung wie die alten Thiere, doch ist das Haar ihres Felles länger und zottiger. Die Länge alter Thiere beträgt 1 Fuss 3 Zoll, ihre Flugweite 4 Fuss 10 Zoll. Die Heimath des Kalong ist der indische Archipel, wo er auf Java, Sumatra, 125 Banda, Ternate und Timor getrofl'eii wird. Insbesondere gemein und häufig ist er aber auf Java, wo er in den Niederungen des Landes getroffen wird. Sein eigentlicher Aufenthalt sind die Wälder, wo er während des Tages mit den Hinterfiissen an den Zweigen hängend schläft, und in solcher Menge in dicht gedrängten Reihen getroffen wird, dass ganze Bäume bis zu ihren höchsten Wipfeln von diesen Thieren bedeckt werden. Bisweilen dienen ihm aber auch Feigen- bäume zu seinem Aufenthaltsorte, die in der Nachbarschaft von Landgütern sich befinden. Des Abends, wenn sie die Dunkelheit aus ihrem Schlafe weckt, fallen sie in ungeheueren, oft wolkenähnlichen Schwärmen in die Obstgärten ein und richten daselbst fürchterliche Verwüstungen an. Da gewöhnlich Flüge von Hunderten einen einzigen Baum überfallen, so wird oft in einer Nacht ein ganzer Obstgarten vernichtet. Die Einwohner suchen sich gegen diese Verwüstungen in ihren Gärten dadurch zu schützen, dass sie die Fruchtbäume mit Netzen aus Bambusfäden überspannen, oder die einzelnen Früchte, bevor sie zur Reife gelangen, mit Körben aus gespaltenem Bambusrohre umgeben. Wenn der Kalong seine Ruheplätze verlässt, was bald nach Sonnenuntergang geschieht , so fliegt gewöhnlich ein einzelner voraus, dem aber bald in ununterbrochener Reihe und kleinen Entfernungen die übrigen nachfolgen. Sein Flug erfolgt in gerader Linie, zwar ziemlich langsam, aber ausdauernd und sicher. Süsse, saftige und wohlschmeckende Früchte sind seine Lieblingsnahrung, insbesondere Feigen und Bananen. Wird auf sie geschossen, wenn sie dicht auf einen Obstbaum eingefallen sind, so flüchten die nicht getroffenen auf einen anderen Baum. Schiesst man auf sie bei Tage , wenn sie schlafend an den Ästen hängen, so gerathen sie, indem sie sich flüchten wollen, in eine solche Unordnung, dass einer den anderen beirrt und die getroffenen, welche ihre Flügel in diesem Gewirre dann nicht entfalten können, so fest mit ihren Krallen an den Zweigen hängen bleiben, dass sie selbst getödtet nicht von denselben herabftdlen. Will man daher bei Tage ihrer habhaft werden, so muss man sie erst aufjagen, um sie im Fluge zu erschiessen. Werden sie geängstiget, so stossen sie ein scharfes, kreischendes Geschrei aus, das jenem einer Gans nicht unähnlich sein soll. Übrigens sind sie vollkommen harmlos. In früherer Zeit, bevor man ihre Lebensweise näher kannte, hielt man sie für sehr gefährliche , blutgierige Thiere, die nicht blos Vögel und kleinere Säugethiere anfallen und verzehren, sondern den Reisenden 120 sogar die Speisen vom Feuer wegholen. In der Gefangenschaft werden sie bald zahm, und wenn sie gefressen haben, behalten sie meistens etwas von dem Futter in den weiten Backen. Ihr Fleisch, welches nach Bisam riecht, wird nur von den Eingeborenen gegessen, und gilt bei denselben sogar für einen Leckerbissen. Es soll auch wirklich wohlschmeckend, und selbst gesund sein. Häufig werden sie daher von denselben des Abends in den Obstgärten, mittelst eines an einer langen Stange befestigten Sackes gefangen, wobei sie ihren stark nach Bisam riechenden Harn von sich lassen. Der Name, welchen diese Art auf Java führt, ist Kalon. 2. Familie. Flederniänse (Vespertiliones). Die Nase ist mit keinem Haut-Ansatze versehen. Die Ohren haben eine Klappe. Die Backenzähne sind spitzzackig. Der Daumen der Vorderfüsse und alle Zehen der Hinterfüsse haben krallenförmige Nägel, die übrigen Zehen sind nagellos. Die Vorderfüsse sind nie und die Hinterfüsse nur äusserst selten mit einem den übrigen Zehen entgegensetzbaren Daumen versehen. Beide sind fünfzehig. Die Heimath der Fledermäuse ist über alle Tlieile der Welt, mit Ausnahme der Polar-Regionen verbreitet. Ihr Aufenthalt ist an dunkle, möglichst einsame Orte gebunden. Manche halten sich in Wäldern oder auch auf Feldern, in hohlen Bäumen, zwischen Holz und unter Binde, ja selbst zwischen den Blättern dichtbelaubter Baumkronen auf, andere in Höhlen, Fels- klüften und Schluchten, während viele auch in verfallenem Gemäuer, unterirdischen Gewölben, alten verlassenen Gebäuden und selbst in den Häusern der Dörfer und Städte zwischen Gebalge, vorzüglich unter den Dachgiebeln auf Kirclien und Thürmen und in der Nähe von Schornsteinen getroffen werden. Sie wohnen sowohl in bergigen und felsigen, als auch in ebenen Gegenden und nicht selten auch in der Nähe von Flüssen und stehenden Gewässern, so wie selbst an der Küste des Meeres. Meistens leben sie in grossen Gesell- schaften zusammen, deren Zahl oft Hunderte, ja selbst Tausende beträgt. Nur selten werden sie in kleinen Gesellschaften oder wohl gar nur einzeln angetroffen, und häufig finden sich selbst verschie- dene Arten zu einer Gesellschaft vereinigt. Gegen die Kälte sind sie sehr empfindlich, dalier sie beim Eintritte derselben möglichst 127 warme Orte aufsuchen. Manche der in kälteren Regionen wohnenden scheinen im Herbste in wärmere Gegenden zu ziehen; die meisten derselben halten aber einen Winterscldaf, wo sie meist zu Hunderten vereinigt sind. Beim Eintritte der warmen Witterung erwachen sie, und manche Arten werden auf kurze Zeit selbst mitten im Winter, bei gelinden, warmen Tagen aus ihrem Schlafe erweckt. Dasselbe geschieht zuweilen auch durch allzugrosse Kälte, wornach sie jedoch sterben. Bevor die Weibchen Junge bekommen, trennen sie sich von den Männchen und leben in so lange in besonderen Gesell- schaften beisammen, bis die Jungen selbst ihrer Nahrung nachzu- gehen vermögen, während die Männchen gleichfalls gesonderte Gesellschaften bilden. Erst gegen die Zeit des Winterschlafes vereinigen sie sich wieder mit einander. Es sind wahre Nacht- thiere, die den ganzen Tag über in ihren dimklen und verborgenen Schlupfwinkeln im Schlafe zubringen und erst beim Eintritte der Abenddämmerung oder Nacht aus ihrem Schlafe erwachen, um in der Luft umherzuschwirren und ihrer Nahrung nachzugehen. Nur wenige fliegen schon vor der Dämmerung, die meisten nur während derselben und schlafen in der Nacht. Einige jedoch fliegen erst spät und oft die ganze Nacht hindurch. Nur sehr selten ereignet es sich, dass einzelne auch bei Tage fliegen. Bei manchen ist der Flug bisweilen sehr hoch, bei anderen nieder. Er erfolgt mit ausser- ordentlicher Schnelligkeit und Gewandtheit und ühertrifl't hierin den Flug selbst der schnellsten Vögel. Die sonderbarsten Wendungen, welche demselben eigenthümlich sind, erfolgen so rasch, dass es Raubvögeln fast unmöglich ist, sie im Fluge zu erhaschen. Im Stande der Ruhe klammern sie sich gewöhnlich mit den Krallen der Hinter- beine an einen Baumzweig, Balken oder Felsen und lassen Leib und Kopf nach abwärts hängen. In dieser Stellung fällt es ihnen leicht die Flugbeine zum Fluge zu entfalten. Bisweilen ruhen sie aber auch in wagerechter Stellung auf dem Bauche, wobei sie sich sowohl auf dieFüsse, als das Gelenk der Flügel und der Handwurzel stützen. Nur äusserst selten setzen sie sich auf den Boden, weil es ihnen schwer fällt sich zum Fluge zu erheben, wenn sie nicht von einem höher gelegenen Orte sich wegzuschwingen vermögen. Sie sind fast aus- schliesslich nur zum Fluge geeignet; doch klettern sie, wenn auch ziemlich unbeholfen, bisweilen auf Bäume, Balken und Mauern, wobei sie sich nur mit ihrenFlügeln zu erhalten im Stande sind. Auf ebenem 128 Boden gehen sie in der Regel nur, w enn sie dazu genöthiget werden. Ihr Gang ist ein sehr heschwerlicher und ermüdender, indem sie sich dabei beständig erheben und wieder niedersinken. Demungeachtet erfolgt er ziemlieh schnell. Sie häckeln hierbei die scharfe Daumen- kralle in den Boden ein, legen die übrigen Finger mit der Flughaut an den Körper an, ziehen die Hinterfüsse unter den Leib und stossen den ganzen Körper sodann vorwärts. Ihre Nahrung besteht grössten- theils in Insecten, vorzüglich in Fliegen, Motten, grösseren Schmetter- lingen und Käfern, die sie im Fluge erhaschen. Nur wenige nähren sich nebstbei auch von Fett, vorzüglich Speck, von Öhl und Fleisch. Ihre Gefrässigkeit ist sehr gross. Kleinere Arten verzehren 70 — 80 Fliegen, grössere mehr als ein Dutzend Maikäfer, ohne gehörig satt zu sein. Unermüdet streichen sie daher während der ganzen Dauer ihres Fluges über den Wäldern, Feldern und selbst über dem Wasserspiegel in den mannichfaltigsten Richtungen hin und her, um eine hinreichende Menge Insecten zu erhaschen, und häufig sieht man sie aus Höhen, die bisweilen wohl 20 Fuss betragen mögen, plötzlich auf ein Insect herabstürzen, das im Fluge mit Sicherheit getroffen und gefangen wird. Kleinere Insecten werden ohne Mühe leicht mit den Zähnen zermalmt und sogleich verschluckt. Grössere dagegen erfor- dern einige Anstrengung. Sie stopfen sie vorerst in den Rachen, indem sie den Kopf gegen die Brust legen und den Schwanz mit seinen Flughäuten gegen den Kopf biegen. Von grösseren Käfern und Schmetterlingen verzehren sie aber nur die Leiber und lassen die Flügel, Flügeldecken und die Beine fallen. Ihr Unrath besteht auch fast ganz aus unverdauten Leibesringen und Flügeldecken von Insecten, und an den Orten, wo sie schlafen, ist der Boden oft hoch von denselben bedeckt. Eine besondere Geschicklichkeit besitzen sie, sich desselben bei verkehrter Stellung zu entledigen. Sie lassen einen ihrer Hinter- füsse los und stossen mit demselben gegen die Decke, um in eine schaukelnde Bewegung zu gelangen, die sie dazu benützen, um die Daumenkralle eines ausgestreckten Armes an die Decke oder eine in der Nähe hängende Fledermaus einzuhängen, wodurch sie eine beinahe wagerechte Stellung erreichen, wornach sie, wenn die Entleerung erfolgt ist, ihre frühere hängende Stellung wieder einnehmen. Ihre Stinune besteht in einem starken, pfeifenden Zwitschern, das bei manchen Arten zu einem durchdringenden Geschrei wird. Der Gesichtssinn ist bei ihnen am schwächsten und auch der Geruchssinn 129 nicht besonders entwickelt. Desto schärfer ist ihr Gehör und vollends ihr Gefühl. Es scheint in den nackten Flächen ihrer Ohren und Flug- häute jenes bewunderungswürdige Empfindungsvermögen selbst für die feinsten Lufteindrücke zu liegen, welches sie in den Stand setzt, durch die verworrensten Baumäste und alle Winkel ihrer Aufent- haltsorte mit grösster Schnelligkeit durchzufliegen, ohne irgendwo anzustossen. Versuche, die man selbst mit geblendeten Fledermäusen angestellt hat, haben gelehrt, dass es ein überaus feines Gefühl sein müsse, das ihnen die Nähe eines festeren Gegenstandes verrathe. Vorgehaltenen Stäben , ja selbst vielfach ausgespannten Fäden wussten die geblendeten ebenso sicher auszuweichen, als die nicht geblendeten. Eben diese Versuche haben aber auch herausgestellt, dass der Hauptsitz dieses feinen Gefühles bei den Fledermäusen weniger in den Flughäuten, als in den Ohren liege. Die Weibchen bringen 1 — 2 Junge zur Welt, welche sich an den Zitzen der Mutter fest- halten und so lange von ihr, auch während des Fluges, herumgetra- gen werden, bis sie selbst ihre Nahrung zu suchen im Stande sind. Auch die Mutter trägt zum Festhalten ihrer Jungen bei, indem sie sie in einer Falte ihrer Schenkelflughaut, welche durch die Krüm- mung des Schwanzes nach Vorne entsteht, gleichwie in einen Sack einhüllt, und damit ihrem Körper eine Stütze bietet. Die Fledermäuse sind bissige , zornige Thiere, die selbst unter sich häufig raufen, wobei sie sich nicht selten sogar die Armknochen entzwei beissen. Sie sind übrigens nicht nur allein vollkommen unschädlich, sondern sogar höchst nützlich für den menschlichen Haushalt, indem sie eine ungeheuere Menge oft sehr schädlicher hisecten vertilgen. Sie lassen sich nur wenig zähmen, und sind auch ihres üblen Geruches wegen nicht beliebt. 1. Gattung. Ohrenfledermaus (PlecotusJ. Der Schwanz ist lang, und von der Schenkelflughaut bis an die Endspitze eingehüllt. Der Daumen ist frei. Die Ohren sind sehr gross, dünnhäutig und über dem Scheitel mit einander verwachsen. Die Nasenlöcher liegen auf der Oberseite der Schnauze. Die gemeine Ohrenfledermaus (Plecotus auritus). (Fig. 29.) Diese Art ist insbesondere durch ihre ungeheuer langen, über dem Scheitel verwachsenen Ohren ausgezeichnet, welche mehr als (Naturgeschichte.) "^ 130 zweimal so lang als der Kopf, sehr dünnhäutig, und mit 22 — 24 Querfiilton versehen sind. Der Aussenrand der Ohren endet unter der Ohrklappc, etwas hinter dem Mundwinkel und in gleicher Höhe mit demselhen. Am Grunde des Innenrandes der Ohren befindet sieh ein durch eine Einbuchtung abgesonderter, zungenförmig vorsprin- gender, abgerundeter Lappen. Die spitze Ohrklappe ist kürzer als die halbe Länge des Ohres, und Unterarm und Schwanz sind kaum länger als dasselbe. Das Gesicht ist behaart, und die Nasenlöcher öffnen sich auf der Oberseite der Schnauze. Die Flughäute sind dünn, und die Sporen am Hinterfusse haben keinen seitlichen Hautlappen. Der Schwanz ist lang, und von der Schenkelflughaut ganz umschlossen. Die Behaarung ist weich und dicht. Das Fell ist graubraun, unten etwas blasser gefärbt. Die einzelnen Haare sind von ihrer Wurzel an bis über ihre Mitte schwärzlich. Die Flughäute sind braun. Der Körper misst IZoll 7 Linien, der Schwanz eben so viel, die Flugweite beträgt 9 Zoll. Die Heimath der gemeinen Ohrenfledermaus ist über ganz Europa mit Ausnahme des höchsten Nordens verbreitet, und erstreckt sich in Asien bis zum Kaukasus und nach Georgien, und in Afrika bis in den nördlichen Theil von Ägypten. Im Flachlande findet man sie tlieils einzeln, meist aber in grossen Gesellschaften, in Städten und Dörfern, in Häusern, auf Kirchen und Kirchthürmen, vorzüglich unter Dächern, und hie und da oft zu Hunderten unter einem einzigen Dache beisammen; eben so auch in Ritzen und Klüften alter steinerner und hölzerner Gebäude, zwischen Brettern, hinter Fensterbalken, in Schwalbennestern und in den Klüften von Lehmwänden; bisweilen auch in Gärten, in hohlen Bäumen, und selbst in der Nähe von Teichen. Im Gebirge sind es Felsenritzen und Höhlen, aber auch hohle Stämme, die ihr zum Aufenthaltsorte dienen. In Mittel-Europa ist sie fast allenthalben sehr gemein. Sie kommt erst nach Sonnenuntergang und zwar an hellen Abenden 1 y^ — 1 '/a Stunde nach demselben aus ihren Schlupfwinkeln hervor, und fliegt meist nieder über der Erde oder der Oberfläche des Wassers. Ihr Flug ist nicht sehr schnell und auch ihre W^endungen sind nicht besonders rasch. Ihre Nahrung Itesteht in kleineren Insecten, Fliegen, Mücken, Motten u. dgl. Die Weibchen leben zur Zeit wo sie trächtig sind, gesondert von den Männchen, aber gesellig und in Eintracht beisammen. Die Zahl ihrer Jungen beträgt 2. Die Gefangenschaft hält diese Art länger als andere Fledermäuse aus , doch gelingt es auch bei dieser selten länger 131 als einige Wochen sie am Leben zu erhalten. Sie zeigt sich munter und besonders lebhaft zur Zeit der Dämmerung, obwohl sie auch während des Tages öfters fliegt. Die Nacht über bringt sie ruhig zu. Im Zimmer schwebt sie mit grösster Leichtigkeit und Ausdauer, und obgleich sie während des Fluges die Flügel öfters zusammenzieht und ausbreitet, so erscheinen sie durch längere Zeit fast unbewegt gespannt. Mit grösster Sicherheit weiss sie den Gegenständen auszuweichen, die ihr im Wege stehen, indem sie rasch eine Bogenwendung macht. Auf der Erde läuft sie ziemlich gewandt und erhebt sich ohne Schwierigkeit in die Luft. Auch an den Wänden vermag sie mit Hülfe ihrer Daumenkralle schnell herum zu klettern, doch sucht sie gerne Spalten auf, um sich in den- selben zu verkriechen. Die grösste Beweglichkeit hat sie in den Ohren. Schon beim leisesten Geräusche spitzt sie dieselben und krümmt sie, wenn es anhält, an ihrer S})itze gleich einem gewundenen Hörn. Im Stande der Ruhe schlägt sie die Ohren zurück und legt sie unter den an die Schnauze angepressten Unterarm, so dass nur die Ohrklappe allein sichtbar ist und wie ein Hörn an beiden Seiten des Kopfes hervorragt. Beim Horchen streckt sie die Ohren wagerecht nach Vorne, so dass der ganze Kopf von denselben bedeckt wird. Den Kopf dreht sie beständig nach den Seiten, weiset ihre Zähne, leckt sich mit der Zunge und schnuppert mit der Nase. Ihre Stimme ist fein- tönend und pfeifend. Bei kühler Witterung sitzt sie still mit gefalteten Flügeln, wird aber sogleich lebhaft, wenn ein Strahl der Sonne auf sie fällt. Zur kalten Zeit nimmt sie auch keine Nahrung zu sich, und obgleich sie sehr gefrässig ist, vermag sie doch ziemlich lange zu hungern. Insbesondere setzt sie den Stubenfliegen nach und verzehrt 60 — 70 Stücke bei einer Mahlzeit. Die Verdauung geht eben so schnell vor sich als sie frisst; denn während sie noch nach Fliegen jagt, lässt sie in Menge ihren schwarzen L'nrath fallen. Die Nähe eines Insectes gewahrt sie nicht durch das Gesicht, sondern durch ihr überaus feines Gehör. Bringt man ihr eine Fliege in die Nähe, so wird sie sogleich unruhig und schleicht, wenn diese sich bewegt, witternd um sie her, A\'obei die Ohren fortAvährend in Bewegung sind ; hat sie sie erreicht, so fährt sie mit ausgebreiteten Flügeln auf sie los, um sie zu haschen. Bisweilen sucht sie die Fliege auch unter ihre Flügel zu bringen und fängt sie, indem sie den Kopf gegen den Bauch hin biegt. Ist die Fliege von besonderer Grösse, so sucht sie sie dadurch leichter zu erfassen, dass sie den Kopf nach der Brust 9* 132 hin biegt. Sie kauet dieselben mit Leichtigkeit und schnell, und ver- schlingt sie mit Hülfe ihrer Zunge, wobei sie die Beine und Flügel derselben, die sie nicht gerne frisst, behende aus dem Munde fallen lässt. Todte Fliegen nimmt sie nur bei grossem Hunger, dagegen fährt sie, gleich einer Spinne, rasch auf ihre Beute los, wenn diese sich bewegt. Wenn sie sich sattgefressen hat, verhält sie sich ruhig und zieht sich zusammen. Wie alle Fledermäuse, so wird auch diese sehr häufig von Milben gequält, daher sie sich gerne an den Seiten des Kopfes mit den Nägeln der Hinterfüsse kratzt. Sie wird bald zahm und holt sich eine vorgehaltene Mehlkäfer-Larve oder Fliege in kurzer Zeit selbst aus der Hand. Überhaupt ist sie ein vollkommen harmloses Geschöpf, das nur des üblen Geruches wegen, den sie verbreitet, nicht gerne in der Gefangenschaft gehalten wird. 3. Familie, ßlattnasen (PhyUostomata). Die Nase hat einen Haut -Ansatz. Die Ohren sind mit einer Klappe versehen. Die Backenzähne sind spitzzackig. Der Daumen der Vorderfüsse und alle Zehen der Hinterfüsse haben krallen- förmige Nägel, die übrigen Zehen sind nagellos. Weder Vorder- noch Hinterfüsse sind mit einem den übrigen Zehen entgegen- setzbaren Daumen versehen und fünfzehig. Die Blattnasen leben nur in den wärmeren Ländern von Amerika. Manche werden in grossen Wäldern, nicht selten in der Nähe von Flüssen, in hohlen Bäumen, an alten Stämmen oder zwischen breiten Blättern von Palmen und Bananen versteckt getroffen, manche an Felsen und in Höhlen oder an dunklen Begräbnissorten, unter den Trümmern verfallener Gebäude, wie an alten Mauern, und gewisse Arten auch in einzelnen Hütten und Dörfern unter Palmendächern, oder selbst in Städten zwischen dem Gebälke der Dächer. Sie leben meistens einzeln und führen eine vollkommen nächtliche Lebens- weise. Bei Tage sind sie gewöhnlich in ihren Schlupfwinkeln ver- borgen und nur selten hängen die Bewohner der Wälder mit den Hinterfüssen an den Ästen der Bäume. Erst beim Eintritte der Dämmerung erwachen sie aus ihrem Schlafe, und durchschwirren die Luft oft ganze Nächte hindurch und selbst beim Leuchten des Mondes. Der Flug ist bei manchen nieder und schnell, bei anderen, insbesondere den grösseren Arten, höher und langsamer. Auf dem 133 Boden vermögen sie sehr schnell zu laufen. Ihre Stimme ist zischend. Die Nahrung der allermeisten Arten besteht in Insecten, die sie insbesondere an den Waldrändern aufsuchen und im Fluge erha- schen. Abend- und Nachtschmetterlinge sind ihre Hauptnahrung, doch fressen sie auch Käfer und jagen eifrig den Muskito's und Eintagsfliegen nach. Von grösseren Insecten verzehren sie nur die Leiber und lassen die Flügel, Flügeldecken und die Füsse fallen. Nicht selten kommen manche Arten des Nachts selbst in die Woh- nungen der Menschen, um in den Zimmern den Muskito's nach- zustellen. Andere fressen selbst mit besonderer Begierde saftige Früchte und richten an den Obstbäumen nicht selten grossen Scha- den an. Im Allgemeinen sind sie sehr gefrässig und vermögen, wenn mehrere beisammen sind, oft in einer Nacht einen ganzen Baum seiner Früchte zu berauben, wobei sie die Schalen häufig zurücklassen. Es ist nicht leicht die Obstbäume vor ihrem Über- falle zu schützen, da die meisten Arten, welche den Früchten nach- stellen, durch die Maschen der darüber gespannten Netze durch- zuschlüpfen im Stande sind. Sehr viele Arten unter den Blattnasen sind aber auch Blutsauger, und überfallen Säugethiere und Vögel, ja selbst bisweilen den Menschen; insbesondere während des Schlafes. Ihr Geruch sowohl, als ihr Gehör, ist sehr scharf. Bei eintretender Kälte verfallen sie in Schlaf, der 4 — 8 Tage anhält, sich aber jedesmal wiederholt, so oft die Kälte eintritt. Manche Arten ver- theidigen sich, wenn man sie überrascht, muthig mit ihren Zähnen. Die Zahl ihrer Jungen beträgt 2 , die von der Mutter, an den Zitzen festgesogen, allenthalben herumgetragen werden. Einige wenige haben die Eigenschaft ihre Haut dergestalt aufzublasen, dass das Thier das Ansehen eines mit Kopf und Flügeln versehenen Balles annimmt, indem die Haut nur lose und blos an einigen Stellen mit dem Körper fest zusammenhängt, und vom Munde aus das dazwischen liegende lockere Zellgewebe aufgeblasen werden kann. 1. Gattung. Blattnase (Phyllostoma). Der Nasenbesatz ist doppelt, und besteht aus einer hufeisen- förmigen Hautfalte und einem aufrechtstehenden, lanzettförmigen Blatte. Die Ohren sind von mittlerer Grösse und weit von einander getrennt. Die Ohrenklappe ist kurz. Der Schwanz ist entweder kurz, oder sehr kurz, und bald ganz von der Schenkelflughaut eingeschlossen. 134 halt! üboi' dieselbe hiiiausreichciiil , oder er fehlt gänzlich. Die Backenzähne haben eine mehrzackige Krone. Die Schnauze ist verlän- gert und abgestumpft. Die Zunge ist lang und dick. Der Vampyr (Phyllostoma SpectrumJ. (Fig. 30.) Die Ohren sind lang. Die Schenkelflughaut ist sehr gross, füllt den ganzen Haum zwischen den Beinen aus, und wird durch lange Sporen unterstützt. Der Nasenbesatz ist lanzenförmig und klein, in der Mitte etwas verdickt, an den Rändern schwach convex und ganz, am oberen Ende zugespitzt und an der Wurzel über dem Hufeisen nicht ausgeschnitten. Der Kopf ist gestreckt, die Schnauze lang. An der Unterlippe befinden sich zwei Warzen. Die Zunge ist sehr dick, fleischig, oben platt und mit Rauhigkeiten besetzt. Im Oberkiefer befinden sich jederseits 5, im Unterkiefer 6 Backenzähne. Die Flügel erstrecken sich bis zur Wurzel der ersten Zehe. Der Schwanz fehlt gänzlich. Die Behaarung ist weich, die Färbung oben kastanienbraun , unten röthlichgelb. Die Länge des Körpers beträgt 5 Zoll 6Va Linie, die Flugweite 1 Fuss 3 Zoll. Die Heimath des Vampyrs ist Guiana, wo er in einsamen Urwäldern getroffen wird und nicht selten auch die nahe gelegenen Hütten der Eingeborenen umschwärmt, unter deren dichten Palmen- dächern er sich während des Tages bisweilen verbirgt, oder zwischen den Blattstielen der Kokospalmen Schutz sucht, während sein gewöhn- licher Aufenthalt bei Tage hohle Bäume sind. Des Nachts jagt er den Insecten nach, die zahlreich die Luft durchschwärmen, und lässt häufig hierbei seine zischende Stimme ertönen. Wie alle ver- wandten Arten, so ist auch der Vampyr ein berüchtigter Blutsauger. In der Dämmerung sowohl als bei mondhellen Nächten, umflattert er in grosser Menge und mit starkem Flügelgeräusche die grasenden oder ruhenden Lastthiere , die sich dieses Umschwärmen ruhig gefallen lassen , am folgenden Tage aber die unverkennbarsten Spuren jenes Blutsaugens an sich tragen , indem sie meistens am Halse oder auf den Schultern Wunden haben, aus denen das Blut bis zu den Hufen trieft, wodurch sie nicht selten bedeutend abge- mattet werden. Die Wunde, welche durch dieses Blutsaugen hervor- gebracht wird, ist trichterförmig, gewöhnlich V^ Zoll und lun* zuweilen etwas mehr im Durchmesser, und je nach dem Körpertheile, 135 auf dem sie sich befindet, von einer Tiefe von 1 — 2 Linien. Nie- mals reicht sie durch die Haut hindurch bis auf die Muskeln, und auch nie bemerkt man an ihr Eindrücke von Zähnen wie bei Biss- wunden; dagegen ist ihr Rand immer bedeutend aufgelockert und gleicht einer wässerigen Geschwulst. Es ist daher so viel als gewiss, dass der Vampyr den Lastthieren diese Wunden nicht sogleich mittelst eines Bisses beibringe, wobei selbst jedes schlafende Thier erwachen und sich seines Feindes entledigen würde. Vielmehr scheint es, dass er die Haut vorerst durch Saugen mit den Lippen unem- pfindlich mache, wie dies auch das Aufsetzen von Schröpfköpfen bewirkt, und dann erst, wenn sie angeschwollen ist, mit den Zähnen eine kleine Öffnung in dieselbe macht, durch welche er seine aus- dehnbare Zunge allmählig in die Haut hineinbohren kann; wodurch sich auch das trichterförmige Aussehen jener Wunden erklärt. Die Sage, dass er, so Avie alle blutsaugenden Blattnasen, dem angefallenen Thiere während des Saugens mit den Flügeln Kühlung zufächle und es so im Schlafe erhalte , ist gänzlich ungegründet , da die Flügel während des Sitzens zusammengefaltet werden müssen. Um sich leichter festhalten zu können, wählen sich diese Blutsauger immer die behaarteren aber zugleich auch flacheren Theile aus; daher sie den Pferden und Maulthieren vorzüglich am Halse, dem Widerriste und um die Schwanzwurzel, den Ochsen hingegen auf den Schultern und an der Wamme die Wunden beizubringen suchen. Obwohl diese Wunden an und für sich nicht gefährlich sind , so werden doch die verwundeten Thiere durch den starken Blutverlust oft sehr geschwächt ; indem nicht selten 4 — 6 und selbst noch mehrere solcher Blutsauger in derselben Nacht an einem Lastthiere saugen und sich dies häufig selbst durch mehrere Nächte hinter einander wiederholt, und zwar um so mehr, als immer auch eine Nachblutung der Wunde stattfindet. Gewöhnlich geschieht es auch, dass gewisse Fliegenarten ihre Eier in die Wunden legen, wodurch bisweilen selbst grosse Geschwüre entstehen. Die Maulthiertreiber wenden keine Mittel zur Heilung dieser Wunden an, welche nur dann gefähr- lich werden können, wenn den Thieren zu früh der Sattel auf die W^mde aufgelegt wird, wodurch oft eine heftige Entzündung herbei- geführt wird. Glaubwürdige Reisende behaupten auch, dass sich die Vampyre und andere Blattnasen, an die fleischigen Kämme und Kehl- lappen der Haushühner ansaugen, die dann gewöhnlich an den brandig 136 gewordenen Wunden sterben sollen. Nach den Berichten eben der- selben kann auch nicht geläugnet werden, dass sie, wenn auch selten, aber doch zuweilen schlafende Menschen überfallen und Blut aus ihren Zehen saugen. 2. Gattung-. Ziernase (Megaderma). Der Nasenbesatz ist dreifach, und besteht aus einer hufeisen- förmigen Hautfalte, einer wagerechten, und einem aufrechtstehenden, lanzettförmigen Blatte. Die Ohren sind sehr gross und über der Stirne miteinander verwachsen. Die Ohrenklappe ist lang. Der Schwanz fehlt. Die leyernase (Megaderma Lyra). (Fig. 31.) Diese Art ist durch die eigenthümliche Bildung ihres Nasen- besatzes eine der ausgezeichnetsten der ganzen Gattung und verdankt derselben auch ihre Benennung. Das aufrechtstehende Blatt ist fast lanzenförmig gestaltet, indem es in der Mitte mit einem starken Längs- wulste versehen ist und sich seine Seitenlappen, welche sich unmit- telbar mit dem Hufeisen verbinden , nach vorne schlagen , so dass es gleichsam in zwei ausgehöhlte Fächer getheilt ist. Mährend sein freies Ende viereckig abgeschnitten erscheint und in drei stumpfe Spitzen ausläuft, von denen die mittlere die beiden seitlichen etwas überragt. Das dritte Blatt, welches ungefiihr um die Hälfte kürzer als das aufrechtstehende ist und an seinem Längswulste entspringt, läuft mit dem Hufeisen concentrisch und hängt in seiner Mittellinie mit den Knorpeln, welche die Nasenscheide>vand bilden, zusammen. Die Ohren sind ausserordentlich gross, oben abgerundet und auf der Stirne herzförmig verwachsen, indem die verwachsenen Bänder die- selbe Höhe haben, wie der über denselben liegende freie Theil. Die Ohrklappe ist in zwei Lappen getheilt, wovon der innere abgerundet ist, der noch einmal so lange äussere aber in eine Spitze ausläuft. Die Flügel sind sehr gross, fast eben so breit als lang und reichen bis an die Zehen der Hinterfüsse. Die Sporen, welche die Schenkel- flughaut unterstützen, sind sehr kurz und auf dieser befinden sieh drei Falten, welche vom Steisse auslaufen, wovon die mittlere sich in gerader Bichtung bis an"s Ende derselben zieht, die beiden seit- lichen aber zur Spornwurzel verlaufen. Die Lippen sind behaart und ohne Warzen, und auch die kurze, glatte Zunge ist weder mit einer 137 Furche, noch mit Warzen versehen. Die Farbe der Oberseite ist roth, da jedes Haar an der Wurzel dunkelgrau, an der Spitze roth ist. Die Unterseite erscheint fahlgelb, da auch hier die Haare nur an ihrer Spitze diese gelblichweisse Färbung zeigen , während ihr grösserer Theil bis zur Wurzel fast ganz schwarz ist. Die Oberseite des Kopfes ist hellgrau, die Unterseite des Unterkiefers spärlich mit weissen und rothen Haaren besetzt. Die nackten Flughäute sind hellbraun. Die Körperlänge beträgt 2 Zoll 1 1 Linien , die Flugweite 1 Fuss 6 Zoll. Die Heimath dieser Art, von deren Lebensweise bisher gar nichts bekannt geworden ist, beschränkt sich auf das Festland von Ost- Indien. 3. Gattung. Klappnase (Rhinopoma). Der Nasenbesatz ist einfach, und besteht aus einem aufrecht- stehenden, lanzettförmigen Blatte. Die Ohren sind von mittlerer Grösse und über der Stirne mit einander verwachsen. Die Ohrenklappe ist kurz. Der Schwanz ist lang, und ragt sehr weit über die Schenkel- flughaut hinaus. Die ägyptische Rlappnase (Rhinopoma microphyllum). (Fig. 32.) Die Nase ist lang, kegelförmig, auf ihrer oberen Seite gruben- förmig ausgehöhlt, an ihrem vorderen Ende schief abgeschnitten und rüsselartig in eine kreisförmige Scheibe ausgebreitet, die von den schmalen Nasenlöchern durchbrochen wird und über welcher sich das kleine Nasenblatt beOndet. Die Ohren sind von mittlerer Grösse, nach vorwärts gerichtet und über der Stirne mit einander verwachsen. Die Schenkelflughaut ist ausserordentlich kurz und schmal, und wird durch keine Sporen unterstützt. Der Schwanz ist sehr lang und dünu, und ragt weit über die Schenkelfhighaut hinaus. Die Behaarung ist lang und reichlich. Die Farbe des Felles und der Flughäute ist asch- grau, des Schwanzes schwarz. Die Körperlänge beträgt 2 Zoll, jene des Schwanzes 1 Zoll 10 Linien, die Flugweite 7 Zoll 4 Linien. Die Heimath dieser Art ist auf Ägypten beschränkt, wo sie vorzüglich häufig in den Grabesgewölben der Pyramiden bei Kairo und Gizeh und in den alten Gebäuden zu Theben , Ombos und Erment getroffen wird. Zur Nachtzeit streift sie über den Gewässern des Nils, um von der Oberfläche des Wassers die Insecten wegzuhaschen, wobei ihre 138 Nasenscheibe in beständiger Bewegung ist und sieh die Nasenlöcher fortwährend abwechsehid ölTnen und sehliessen. 4. Familie. Rammnasen (Rliinolophi). Die Nase ist mit einem Haut-Ansatze versehen. Die Ohren haben keine Klappe. Die Backenzähne sind spitzzackig. Der Daumen der Vorderfüsse und alle Zehen der Hinterfüsse haben krallenförmige Nägel , die übrigen Zehen sind nagellos. Weder Vorder- noch Hinter- füsse sind mit einem den übrigen Zehen entgegensetzbaren Daumen verschen und fünfzehig. Der Aufenthalt der Kammnasen ist über einen grossen Theil von Europa, Asien und Australien, und über ganz Afrika verbreitet. Sie sind an dunklen, einsamen Orten zu treffen, wo sie sich theils in Felsenhöhlen, Steinbrüchen und hohlen Bäumen, theils in ver- fallenem Gemäuer und alten Gebäuden aufhalten. Manche lieben den Aufenthalt in der Nähe von Flüssen, >vo sie nicht selten über dem Wasserspiegel umherschweben. Sie leben gesellig und werden oft in grosser Menge beisammen getroffen. Ihre Lebens\veise ist eine vollkommen nächtliche; denn während des Tages halten sie sich in ihren Schlupfwinkeln verborgen, mit den Hinterfüssen aufgehängt, den Kopf nach abwärts gerichtet und von den Flügeln ganz umhüllt, und kommen erst zur Zeit der Abenddämmerung zum Vorschein, um die Luft zu durchschwirren und Insecten nachzujagen, die ihre Nahrung ausmachen. Mit grosser Schnelligkeit und Sicherheit verstehen sie dieselben im Fluge zu erhaschen und manche holen sich dieselben sogar von der Oberfläche des Wassers, indem sie rasch auf den Wasserspiegel stürzen und sogar den Kopf in's AVasser tauchen, um ihrer Beute habhaft zu werden. Ihr Flug ist ausserordentlich schnell, wobei sie fast beständig zischende Laute ausstossen. Jene Arten, welche in der gemässigten Zone leben und einen Winterschlaf voll- bringen, erwachen schon zeitig im Frühjahre und haben überhaupt einen sehr unterbrochenen Winterschlaf; denn es ereignet sich nicht selten, dass sie selbst mitton im Winter erwachen und bei gelinderer Witterung umherfliegen. Geruch und Gehör sind bei ihnen vorzugs- weise entwickelt. Die Weibchen bringen gewöhnlich 2 , seltener nur 1 Junges zur Welt, die von der Mutter, an den Zitzen festgesogen, so lange berumgetragen werden, bis sie selbst ihre Nahrung zu sich 139 nehmen können. Die Gefangenschaft halten sie nur sehr kurze Zeit aus. 1. Gattung. Kammnase (Rhinolophus) . Der Nasenbesatz ist dreifach, und besteht aus einer hufeisen- förmigen Hautfalte, einem Quer- oder Längskamme, und einem auf- rechtstehenden, verschieden gestalteten Bhitte. Die Ohren sind gross und weit von einander getrennt. Der Schwanz ist lang, und entweder von der Schenkelflughaut ganz eingeschlossen, oder über dieselbe hinausragend. Die grosse Hufeisennase (Rhinolophus ferrum-eqiiinum) . (Fig. 33.) Die Ohren sind gross, an ihrem Aussenrande schwach und flach- winkelig eingeschnitten, so dass der Lappen wenig hervortritt. Die obere Ecke desselben ist minder stumpf abgerundet als die untere. Die vordere Fläche des Längskammes oder Sattels ist in der Mitte eingebuchtet, die hintere Spitze desselben abgerundet und nur wenig über die vordere erhaben. Das durch Querlalten unten grubige Nasen- blatt ist an der Wurzel lappenartig erweitert und gegen die Spitze plötzlich verschmälert, breiter als lang und etwas kürzer als das Huf- eisen. Die Flughaut reicht bis an die Fusswurzel. Die Schenkelflughaut ist an der Schwanzspitze fast rechtwinkelig begrenzt und spärlich mit weichen Haaren gewimpert. Die Behaarung ist reichlich und lang. Die Farbe der Männchen ist auf der Oberseite aschgrau, mit weiss- lichen Haarwurzeln, auf der Unterseite hellgrau, und etwas dunkler am Oberarme und an den Seiten. Die Flughaut ist schwärzlich. Die Farbe der Weibchen ist auf der Oberseite licht röthlichbraun, mit weisslichen Haarwurzeln, auf der Unterseite röthlichgrau, und an den Seiten dunkler röthlichbraun überlaufen. Die Flughaut ist gleichfalls schwärzlich. Die Länge des Körpers beträgt 2 Zoll 2 Linien, des Schwanzes 1 Zoll ^^/^ Linie, die Flugweite 1 Fuss 6 Linien. Die grosse Hufeisennase ist über einen grossen Theil von Mittel -Europa und einen kleinen Theil von Asien verbreitet. In Europa reicht sie nördlich bis in die Mitte von Deutschland, nordwestlich bis in's südliche England und südöstlich bis in die Krimm, während sie aus Asien nur aus der Gegend des Libanon bekannt ist. Sie hält sich vorzugsweise in gebirgigen Gegenden, theils in Felsenhöhlen und 140 Steinbrüchen, theils in Klüften von Lelimwünden , in alten Schlössern und anderen Gehänden zwischen Brettern und Gehälke auf, und wird bisweilen auch in Wäldern und Gärten in hohlen Stämmen getroffen. Gewöhnlich lebt sie in Gesellschaft mehrerer Arten von Fledermäusen beisammen, und wohnt überhaupt auch gesellig unter sich; doch ist sie im Allgemeinen selten. Des Abends schwebt sie den Schwalben ähnlich über Teichen und holt sich Mücken-Larven aus dem Wasser, indem sie den Kopf in"s Wasser taucht. Auch den Spiinien setzt sie eifrig nach. Wenn sie mit ihres Gleichen oder anderen Fledermäusen spielt, oder in Angst gerätli, gibt sie einen hellzischenden Laut von sich. II. Reihe. Kralleiithiere (Vnguiculata), Die Gliedmassen ragen vollständig aus dem Körper hervor. Es sind deren vier, die entweder Gang-, Flatter- oder Springbeine sind, mit vollkommen beweglichen Zehen versehen und Nägeln, welche das Ende der Zehen nicht ganz umAissen. Die Ruthe liegt in einer Scheide eingeschlossen. Die Zitzen sind entweder frei, oder beim Weibchen von einem Beutel oder einer Hautfalte eingeschlossen, und liegen ent- weder blos nur am Bauche, in den Weichen, auf der Brust, oder selbst zuweilen auch an den Seiten, oder an einigen dieser Theile zugleich. Beutelknochen fehlen oder sind vorhanden. Harn- und Geschlechts- organe münden entwedernachAussen, oder zuweilen auch in dieCloake. Diese Reihe zerfällt in nachstehende drei Ordnungen : 1. Raubthiere (Ilapacia), 2. B e u t e 1 1 h i e r e (Marsupialia) und 3. Nagethiere oder Nager (Rodcntia). 1. Ordnung. Raubthiere (Rapacia). Die Zitzen sind frei. Beutelknochen fehlen. Harn- und Geschlechts- organe münden nach Aussen. Der Unterkiefer ist nur von oben nach abwärts beweglich. Die Gliedmassen sind Gangbeine. Vordei--, Eck- und Backenzähne sind vorhanden. Diese Ordnung umfasst acht natürliche Familien : 1. die Hunde (Canes), 2. die Katzen (FdesJ, 141 3. die Z i b e t h k a t z e n oder V i v e r r e n (Viverrae), 4. die Wiesel (Mustelae), 5. die Bären (Ursi), 6. die Igel (Erinacei), 7. die Spitzmäuse (Sorices^ m\A 8. die M a u I w ü r f e (Talpae). 1. Familie. Hunde (Canes). Die vorderen Backenzähne sind schneidig, die hintersten meistens höckerig, und nur äusserst selten schneidig. Der Reisszahn ist schnei- dig. Die Krallen sind nicht zurückziehbar. Der Verbreitungsbezirk der Hunde reicht über alle Theile der Welt. Dir Aufenthalt sind meist einsame, stille Gegenden und Wild- nisse , wo sie theils im Gebirge, und zwar oft noch in beträchtlichen Höhen, theils in den Ebenen wohnen. Viele halten sich in düsteren Wäldern, im Dickichte und zwischen Brüchen und Gebirgsklüften auf, viele aber auch in weit ausgedehnten Steppen und Wüsten, und manche sogar in der Nähe von Flüssen, Dörfern und einzelnen Häusern. Einige haben einen sehr unbeständigen Aufenthalt und wandern weit umher, andere graben sich Höhlen in die Erde oder legen sich auch selbst unterirdische Baue an, oder benützen die Baue anderer Thiere, die sie zu ihrem Zwecke nach ihrem Bedürfnisse einrichten und erweitern. Viele haben eine nächtliche , viele eine nur halbnächtliche Lebensweise, und manche sind vollkommene Tagthiere. Die beiden ersteren bringen den Tag über entweder im dichtesten Gebüsche und Gehölze, oder im Schilfe und hohen Getreide verborgen zu, oder zwischen öden und dunklen Felsen, ja selbst unter den Trümmern verfallener Gebäude, oder auch in Felsspalten, in ihren Erdhöhlen und Bauen, und streifen zur Nachtzeit bald einzeln, bald in Gesellschaft oft meilenweit ihrem Raube nach, wobei manche nicht selten selbst bewohnte Gegenden , ja sogar grössere Dörfer und Städte besuchen. Einige leben nur einzeln oder paarweise, andere rotten sich blos zur Zelt des Winters zu grösseren Rudeln zusammen, und manche leben beständig geseUig. Ihre Hauptnahrung besteht in Säugethieren und Vögeln, und bald ist es das Fleisch, bald das Blut, bald sind es aber auch die Knochen, denen sie den Vorzug geben. 142 Aas fressen alle, doch nicht mit gleicher Lust. Während es manchen nur im hi)chsten Nothfalle zur Stillung ihres Hungers dient, ziehen viele es jeder anderen Nahrung vor und scliarren selbst Leichnahme aus der Erde, um ihre Lust zu befriedigen. Viele Arten nähren sich aber nebstbei auch von Amphibien, Eiern, Nacktschnecken, Regen- M iirmern, Krebsen und Insecten, von Honig, Obst, Feld- und Garten- friichten, ja selbst von Pflanzensprossen, Baumknospen, Wurzeln und Moos , wenn sie durch Noth dazu gezwungen werden. Manche verschmähen auch Milch und Käse nicht, verzehren sogar Talg und Thierfelle, und Avenn sie der äusserste Mangel dazu treibt, selbst unverdauliche Dinge, ja sogar thierischen und Strassenkoth. Die meisten sind sehr gefrässig und tödten mehr als sie verzehren können; doch können manche von ihnen auch lange hungern. Viele sind auch sehr schädliclie und gefürchtete Raubthiere, die nicht blos unter dem Wilde und den Hausthieren bedeutende Verwüstungen anrichten, sondern wenn sie von Hunger getrieben oder gereizt werden, auch den Menschen anfallen. Andere hingegen sind seit den ältesten Zeiten des Menschengeschlechtes gezähmt und zu Hausthieren geworden und gehören zu den allerwichtigsten Thieren für die menschliche Gesellschaft. Alle Hunde treten beim Gehen mit den Zehen auf. Rir Lauf ist meist rasch und flüchtig und bei manchen selbst überaus schnell. Nur wenige Arten sind im Stande auf einen Baum zu springen, doch keine von ihnen besitzt die Eigenschaft zu klettern. Manche sind durch besondere Kraft und Stärke ausgezeichnet und vermögen mit Leichtigkeit ein Schaf oder eine Ziege im Rachen mit sich fort- zuschleppen. Alle haben einen überaus feinen Geruch und ein sehr scharfes Gehör und wittern ihren Raub meist schon aus weiter Ferne. Viele sind scheu, furchtsam und feig und werden nur dreist und kühn, wenn sie der Hunger dazu drängt; andere sind argwöhnisch, behut- sam, vorsichtig und überaus listig und schlau, während manche frech und diebisch sind und durchaus keine Scheu besitzen. Der Gefahr suchen sie durch Flucht zu entgehen, vertheidigen sich aber mulhig mit ihrem Gebisse, wenn sie angegrifTen werden. Von den nocli in wildem Znstande vorkommenden Arten lassen sich die meisten zähmen und einige sogar zu Kunststücken abrichten; docli werden nur wenige von ihnen so zahm , dass sie so wie die zahmen Hunde dem Menschen folgen. Die meisten werden selbst, wenn sie jung gezähint wurden, im Alter wild und bissig. Nur bei den schon seit 143 undenklichen Zeiten dem Menschen vollkommen unterwürfig gewor- denen zahmen Hunden findet eine höhere Entwickehmg der Geistes- fiihigkeiten Statt, und hierin ühertrefTen sie selbst die höchsten Bil- dungen unter den altweltlichen Affen. Die Zahl der Jungen beträgt bei den Hunden 9 — 10 und ausnahmsweise selbst bis 15, ja sogar bis 21, die von den Müttern sorglich gepflegt und beschützt werden. Manche Arten liefern ein gutes Pelzwerk, von einigen werden auch die Haut und die Zähne verwendet, und von sehr wenigen wird hie und da auch das Fleisch gegessen. 1. Gattung. Hund (Canis). Die Gliedmassen sind fast von gleicher Länge. In der After- gegend ist keine Drüsentasche vorhanden. Die Vorderfüsse sind fünfzehig , die Hinterfüsse vierzehig und nur zuAveilen mit einer fünften Afterzehe versehen. Die zwei hintersten Backenzähne im Ober- und Unterkiefer sind höckerig. Der Schwanz ist mittellang, und entweder nicht, oder nur wenig buschig. An der Wurzel seiner Oberseite befindet sieh keine Absonderungsdrüse. Die Pupille ist rund. Der zahme Hand (Canis familiaris). Der zahme Hund ist eines der merkwürdigsten, zugleich aber auch allerwichtigsten Thiere für die menschliche Gesellschaft, denn er ist der treueste Begleiter und Diener des Menschen unter allen Zonen des Erdballs. Mehr als irgend ein anderes Thier zur Zähmung geeignet, scheint er es gewesen zu sein, welchen sich der Mensch zuerst unterwarf; denn seine Zähmung reicht bis in das graueste Alterthum zurück. Soweit sich das Menschengeschlecht über die Erde verbreitet, so weit findet man auch den Hund; und selbst die arm- seligsten und uncivilisirtesten Völker haben ihn zu ihrem Genossen und Vertheidiger. In keinem Lande der Erde ist er aber mehr wild zu treffen, sondern überall nur gezähmt. Er ist daher die vollkom- menste Eroberung, welche der Mensch von der Natur gemacht hat, indem alle Individuen desselben dem Menschen dienstbar wurden. Diejenigen Hunde, welche in manchen Ländern in wildem Zustande angetroffen werden, gehören zwar derselben Gattung, jedoch weit von ihm verschiedenen Arten an, und nur selten trifft man noch heut zu Tage hie und da den zahmen Hund in verwildertem oder halb- wildem Zustande. Es sind dies Individuen, die früher im Zustande U4 der Zähmung gelebt und nur durch besondere Verhältnisse, indem sie sich selbst und frei überlassen wurden, in einen halbwilden Zustand übergegangen sind. Über die Abstammung des zahmen Hundes herrscht das grösste Dunkel und eine höchst bedeutende Meinungsverschie- denheit unter den Naturforschern. Einige haben sich bemüht, seine Abstammung vom Wolfe, dem Schakale oder dem Fuchse herzuleiten. Andere haben es versucht, den Kolsun oder die Dhole aus Indien, und den Buansu aus Nepal als seine Stammältern zu bezeichnen, wäh- rend die Mehrzahl der Naturforscher einen eigenen Stamndumd anneh- men zu müssen für nöthig hält, der von unserem Haushunde wenig verschieden gewesen sein mochte, dermalen aber nicht mehr in wildem Zustande zu finden sei, indem die ganze Art sich nach und nach vollständig unter die Herrschaft des Menschen begeben habe. Manche Naturforscher endlich fanden sich bestimmt, nebst der Annahme eines solchen Stammhundes auch die Bastardirung desselben mit dem Wolfe, Schakale, Fuchse und sogar mit der Hyäne zuzugestehen, um die zahlreichen Verschiedenheiten in der Form des zahmen Hundes zum Theile daraus abzuleiten, während sie als Hauptursache dieser Verschiedenheiten die Einwirkungen des Klima's, der Zähmung und der Lebensweise betrachten. Dass der zahme Hund weder vom Wolfe , dem Schakale , dem Fuchse , noch vom Kolsun oder vom Buansu abstamme, kann bei der gänzlichen Verschiedenheit ihrer Natur und ihres Charakters bei näherer Erwägung wohl kaum mehr von irgend Jemanden bezweifelt werden, so wie man andererseits aber auch zugeben muss , dass zwischen diesen Thieren und dem zahmen Hunde allerdings Bastardirungen stattfinden können und zum Theile auch wirklich stattgefunden haben. Anders verhält es sich dagegen mit Beantwortung der Frage, ob von der ungeheueren Anzahl von verschiedenen Formen des zahmen Hundes sich alle nur auf eine einzige Stammart zurückführen und blos durch Einwirkungen des Klima's und derCultur entstanden erklären lassen. Es ist zwar nicht zu läugnen, dass das Klima sowohl als die Cultur grossen Einfluss auf die Entstehung mancher Racen unserer Hausthiere ausgeübt haben, und bei wenigen derselben dieser Einfluss in so auff^dlender Weise hervortritt, als beim zahmen Hunde. Bei allen Hausthieren aber, deren Stammältern wir noch kennen und mit Bestimmtheit nachzuweisen im Stande sind, sehen wir, dass die Veränderungen, welche Klima, Lebensweise, Zähmung und Zucht in der Urform hervorzubringen 148 vermocliten, nie eine c^ewisse Grenze überschritten haben, selbst Menn sie einen Zeitraum von Jahrtausenden umfassen. Den deutlichsten Beweis liefern uns die Kameele, das Rind, das Pferd und der Esel. Findet eine solche Überschreitung der Grenze mögliclier Veränderung der Urform unter den Hausthieren Statt, wie dies namentlich beim Schafe, der Ziege, dem Schweine, der Katze, dem Haushuhne und der Taube der Fall ist, so kann man mit fast völliger Gewissheit anneh- men, dass es weder Klima noch Cultur waren, welche jene grossen Veränderungen bewirkten, sondern dass diesen Thieren nicht blos eine einzige, sondern mehrere Stammarten zu Grunde liegen. Das- selbe lässt sich auch beinahe mit vollster Gewissheit vom zahmen Hunde behaupten; denn es gibt kein Thier, welches sowohl in Grösse, Form , Beschatfenheit der Haare und Farbe, als auch in seinem Cha- rakter und seinen geistigen Fähigkeiten, so grosse und erhebliche Verschiedenheiten darbietet, als der zahme Hund. Das einzige Kenn- zeichen, welches die grosse Masse verschiedener Formen des zahmen Hundes mit einander gemein hat, und wodurch sich diese willkürlich angenommene Art von anderen verwandten Arten unterscheidet, besteht in dem Tragen des Schwanzes nach aufwärts gekrümmt. Die Gering- fügigkeit dieses Merkmales im Gegensatze zu den grossen Verschie- denheiten , welche der zahme Hund sowohl in Bezug auf Gestalt und weitere Körperbildung, wie auf Instinct und Fähigkeiten darbietet, zAvingt zur Annahme, obgleich sich sämmtliche Formen fruchtbar unter einander fortpflanzen, dass sie nicht von einer einzigen Stammart herzuleiten sind, sondern von mehreren entsprungen sein müssen. So unmöglich es ist, die körperlichen Verschiedenheiten, welche der zahme Hund in seinen extremen Formen darbietet , von klimatischen und Culturs-Einflüssen abzuleiten, eben so wenig ist es möglich, diese Annahme auf seine geistigen Fähigkeiten anzuwenden. Man kann zwar allerdings durch Zucht Hunde scharfsinniger machen und durch Ver- nachlässigung diesen Scharfsinn verringern; niemals ist dies aber bei gewissen Formen möglich, und diesen muss derselbe Scharfsinn von jeher eigen gewesen sein. Was von den geistigen Fähigkeiten gilt, findet auch seine volle Anwendung auf die körperlichen Verschie- denheiten; denn weder Klima, noch irgend eine Zuchtmethode haben je vermocht, eine der extremen Formen des zahmen Hundes auch nur annäherungsweise in eine andere zu verwandeln. Alle bleiben sich, bei rein erhaltener Zucht, unter allen Himmelssti'ichen gleich, und (Naturgeschichte.) 10 146 noch niemals hat sich ein Haushund in einen Seidenhund, ein Dachs- hund in einen Jagdhund, oder ein Bullenheisser in einen Windhund, oder wohl gar in einen nackten Mund verwandelt. Dies sind die sieben extremen Formen des zahmen Hundes, die sämmtlich als Stamm- arten desselben zu betrachten und in ihrer Körperbildung so verschie- den sind, dass an eine Identität derselben nicht gedacht werden kann. Die meisten derselben bieten je nach ihrer geographischen Verbreitung wieder Unterschiede dar, welche jedoch minder erheblich sind, und nur als klimatische Verschiedenheiten angesehen werden müssen. Alle übrigen Formen beruhen theils auf geringeren Veränderungen, M'elche Zucht und Cultur hervorzubringen vermochten, oder auf augenfälligen, welche jene sieben extremen Formen scheinbar durch Übergänge mit einander verbinden. Diese letzteren sind aber weiter nichts als Bastarde jener sieben Hauptformen, und Bastarde wieder von ihren Bastarden, die theils unter unseren Augen entstehen, theils wieder verschwinden, sich immer aber wieder neu erzeugen können; da nicht blos die Stannnarten des zahmen Hundes, sondern selbst alle ihre Bastarde die Eigenschaft haben , sich fruchtbar unter einander fortzujiflanzen, und ihre Zucht bei rein erhaltener Kreuzung, auch im Laufe der Zeiten zu erhalten. Scheidet man aus dem ungeheueren Heere der verschiedenen Formen des zahmen Hundes nebst den genannten sieben Stammarten auch jene Varietäten aus, welche sich unzweifelbar als klimatische Verschiedenheiten herausstellen, oder auch als Zucht- Varietäten, ent- standen durch Acclimatisirung, veränderte Lebensweise nnd Cultur, ergeben, so erübriget noch immer eine höchst bedeutende Anzahl verschiedenartiger Formen, welche aber durchgehends auf Bastarde zurückgeführt werden können und ihre beiderseitige älterliche Abstam- mung in den allermeisten Fällen ohne grosse Schwierigkeiten erken- nen lassen; und selbst wenn eine wiederholte nnd mehrfache Vermi- schung stattgefunden hat. Um hierin jedoch einige Klarheit zu gewin- nen, theilt man diese Bastarde in Halb-Bastarde, einfache, doppelte, und dreifache Bastarde ein. Unter Halb -Bastarden versteht man die Vermischung von Varietäten einer und derselben Stammart; unter ein- fachen Bastarden die Vermischung zweier, unter doppelten Bastarden die Vermischung dreier, und unter dreifachen Bastarden endlich die Vermischung von vier Stammarten. Eine mehrf\icbe Verbindung ist, ungeachtet jetzt schon nahe an 200 solcher Bastardformen von den 147 Naturforschern iinterscliiodeii, beschrieben oder l)enannt worden sind, seither noch nicht bekannt geworden. Diese ungeheuer grosse Zahl Üisst sich nur dadurch erklären, dass jede Art von Bastardirung, nämlich sowohl Halb-Bastarde, als einfache, doppelte und dreifache, bald durch reine, bald durch gemischte Kreuzung entstehen können. Als klimatische Varietäten des Haushundes stellen sich heraus: der Pyrenäen-Hund (C. fhm. pyrenaicus) aus Spanien, der algie- rische Hund (C. dorn, algirtmsis) aus Algier, der Ponimer (C. dorn, pomeranusj aus Russland, der ungarische Wolfshund (^C. dorn, liipa- rius) aus Ungarn, der lappländische Hund (C. dorn, hipponicus) aus Lappland, der Kamtschatka-Hund (C. dorn, camtschatkensis) aus Kamtschatka, der Hasen-Indianer-Hund (C. dorn, lagopus) aus dem Hasen-Indianer-Lande, und der Eskimo-Hund (C. dorn, borealis) aus der Baffins-Bai. Eine Zucht -Varietät des Haushundes ist der Spitz, ein Halb-Bastard der grosse Wolfshund. Als einfache Bastarde müssen betrachtet werden : der Zigeuner-Hund , der chinesische Hund , der isländische und kleine isländische Hund, der sibirische Hund, der Fuchs- und Seiden-Spitz, der echte und Seiden-Wolfshund, der lang- haarige Kamtschatka-Hund, der grönländische Hund, der Heiden- und Viehhund, der Zigeuner- und Heiden-Spitz, der langhaarige und glatt- füssige sibirische Hund, und der polnische Wolfshund. DoppelteBastarde sind: der Windhund-Spitz, der hochbeinige isländische Hund, der Schafhund, der Dachs-Spitz, der Trüifelhund, und der schottische Schäferhund; dreifache Bastarde endlich: der Doggen -Spitz, der baierische Wolfshund, und der Saubeller. Klimatische Varietäten des grossen Seidenhundes sind: der kleine Seidenhund (C. extr. hispanicus), welcher Spanien angehört, der grosse Pudel (^C.extr. aqnaticusj, welcher aus der Berberei stammt, der orientalische Hirtenhund {C. extr. Calmuccorum), der die Mon- golei zur Heimath hat, und der deutsche Hirtenhund (C extr. villo- susj, welcher in Deutschland zu Hause ist. Als Varietäten, welche durch Acclimatisirung, veränderte Lebensweise und Zucht entstanden sind, müssen betrachtet werden: der englische Seidenhund, der König- Carls-Hund, die Pyrame, der Schnür-Pudel, und der mittlere Pudel. Halb-Bastarde sind : die Bouffe, der zottige Wachtelhund, der kleine Pudel, der Bologneserhund, und derSeiden-Pintsch; einfache Bastarde: der Burgos, der grosse und rauhe Pintsch, der Löwenhund, und der kleine Pintsch; doppelte Bastarde: der Calabresen-Hund . der 10' 148 Neufoundländer-HuiHl, und der Schaf-Pudel; und dreifache Bastarde: der St. Bernhardshund, und der schottische Seidenhund. Einfache Bastarde des krummheinigen Dachshundes sind: der zottige, hinghaarig'c, doppelnasige, schweinschwänzige, und gerad- heinige Dachshund; doppelte Bastarde: der bunte, und gestreifte Dachshund; und dreifache: der rauhe Dachshund, der Boll-Dachshund, der gefleckte, und Domingo-Dachshund. Zu den klimatischen Varietäten des deutschen Jagdhundes gehö- ren: der Leithund (C. sag. venaticiis), welcher aus Polen stammt, der französische Jagdhund (C. sag. galUcus), der Frankreich zur Hei- math hat, und der englische Jagdhund (C. sag. anglimisj, welcher in England zu Hause ist. Einfache Bastarde sind: der langhaarige deutsche Jagdhund, der Stöberhund, der langhaarige französische Jagdhund, der doppelnasige französische Hühnerhund, der Schweisshund, der normannische Jagdhund, der englische Fuchshund, und die englische Bracke; doppelte Bastarde: der Vorstehhund, der russische Hühner- hund, die deutsche Bracke , der Hühnerhund , der kleine, französische, und dalmatinische Hühnerhund, die französische Bracke, der englische Stöberhund, der langhaarige englische Fuchslumd , der englische Hühnerhmid, der englische Parforcehund, und der englische Schweiss- hund; dreifache Bastarde : die Steinl)racke, der langhaarige Vorsteh- hund, der Wasser-Hühnerhund, der portugiesische und langhaarige Hühnerhund, der langhaarige Wasser-Hühnerhund, der französische Stöberhund, und der langhaarige englische Hühnerhund. Als Klima- Varietäten des Bullenbeissers sind zu betrachten: der Bull-Dogg (^C. Mol. orbicularis), der aus England stammt, und die Thibet-Dogge (C. Mol. thibetaims) , welche Thibet zur Heimat hat; als Zucht-Varietäten: der doppelnasige Bullenbeisser, und der Mops. Ein Halb-Bastard ist der kleine Bullenbeisser; einfache Bastarde sind: der Bulldogg-Pintsch, der kleine dänische und alicantische Hund, der Boquet, und der artesische Hund; doppelte Bastarde : die gemeine, dänische, englische, und Cvdja-Dogge, und die Bulldogg-Bracke; und dreifache Bastarde: der glatte Pintsch, und die Box-Dogge. Klimatische Varietäten des grossen Windhundes sind: der irländi- sche Windhund (C. lep. hihernicus) , welcher aus Irland stammt, der italienische Windhund (C. lep. üalieus) , welcher Italien zu seiner Hoinudh hat. und der ägyptische Windhund (C. lep. aegi/pfiitsj, der aus Ägypten stammt. Einfache Bastarde sind : der spartanische 149 Hund, der französische Fleischerhund , der grosse dänische Hund, der persische und russische Windhund, der irUindische Curshund, der arabische Windhund, der irUindische Fleischerhund, der türkische und griechische Windhund, der leichte Curshund, und der schottische Windhund; doppelte Bastarde: die Saurüde, der deutsche und schwere Fleischerhund, der Tigerhund, die russische Rüde, der schwere Curshund, und der Solofänger; und dreifache Bastarde : der Hetzhund, und der Kuppel-Windhund. Als eine durch Acclimatisirung entstandene Varietät des nackten Hundes ist der ägyptische Hund zu betrachten. Einfache Bastarde sind: der nackte Windhund, und der langohrige ägyptische Hund; und ein doppelter Bastard ist der gemahnte ägyptische Hund. Ein Merkmal, welches alle Formen des zahmen Hundes mit einander gemein haben, besteht in sieben mit 2 — 4 Borsten besetzten Gesichtswarzen, von denen sich jederseits eine über dem inneren Augenwinkel, eine an den Backen, eine hinter dem Mundwinkel, und eine einzelne unterhalb des Kinnes an der Kehle befindet; ferners in den Bart -Schnurren, welche in 5 — 6 Längsreihen am Oberkiefer gegen die Schnauzenspitze stehen, in einer nackten Nasenkuppe, der runden Pupille des Auges, und einer glatten Zunge. Auch in der Lebens- weise und in ihren Sitten kommen sie in vielen Beziehungen alle mit einander überein. Sie sind durchgehends Tagthiere und lieben die Geselligkeit. Selbst bei denjenigen Hunden, welche in halbwildem Zustande leben, findet man Geselligkeit, welche das wichtigste Erfor- derniss für ein Hausthier bildet. Sie vereinigen sich um gemein- schaftlich nach einer Beute zu jagen , und unterstützen sich gegen- seitig, um sich gegen ihre Feinde zu vertheidigen. Die Stimme des Hundes besteht theils in einem lauten, hellen Gebelle, theils in einem Geheule, oder einem Knurren oder Winseln, je nach den verschie- denen Leidenschaften , die ihn bewegen und die er dadurch aus- zudrücken sucht. Er frisst Alles , thierische sowohl als vegetabilische Nahrung, in rohem wie in zubereitetem Zustande. Vor Allem liebt er aber Fleiscli und zwar etwas faules mehr noch als das frische. Von gekochten Speisen sind ihm mehlige und besonders süsse am willkommensten, da er insonderheit den Zucker liebt. So zieht er auch Birnen und besonders Pflaumen anderem Obste vor. Um ihn jedoch gesund zu erhalten, muss man ihm nur wenig Fleisch, dagegen aber Knochen, gute Brühe, Brot, Gemüse und Milch gehen. Fett und 150 zu viel Salz sind dem Hunde schädlich. Auch seihst mit Brot allein kauu er im Nothfalle gefüttert und gesund erhalten werden, wenn man es ihm nur immer zu bestinmiten Zeiten reicht. Hunger kann er durch sehr lange Zeit ertragen. Wasser trinkt er viel und oft, und schlappt es schöpfend mit der Zunge, indem er sie löffelförnng kriunmt und die Spitze derselben etwas nach abwärts biegt; doch kann er es auch längere Zeit entbehren, obwohl es zur Erhaltung seiner Gesundheit, ebenso wie der Genuss von Knochen, unumgänglich nöthig ist. Fleisch, Knochen und Brot verscharrt er, wenn er sie nicht verzehren kann, mit der Nase in der Erde, indem er mit derselben Erde darüber deckt. Um Knochensplittern aus dem Magen zu entfer- nen, frisst er auch gerne Gras, besonders Quecken-Gras, und selbst junge Saat; so wie er, um sich zu purgiren, auch stachelige Kräuter zu sich nimmt. Trifft er irgendwo auf Aas, so wälzt er sich mit Begierde auf demselben, da ihm der Geruch desselben höchst will- kommen ist. Beim Buhen sitzt er entAveder auf den Hinterbeinen, oder legt sich auf die Seite oder den Bauch, indem er die Hinter- füsse auswärts legt und die Vorderfüsse vorwärts streckt , um zwi- schen dieselben seinen Kopf zu legen. Seltener streckt er hierbei die Hinterbeine auch nach rückwärts aus. Grosse, schwere Hunde legen sich im Sommer im Schatten, gerne auf den Bücken. In der Sonne oder am Ofen legt er sich meist auf die Seite und streckt alle vier Beine von sich; bei kühler Zeit aber und des Nachts zieht er die Füsse an sich, krünunt den Bücken und steckt die Schnauze zwischen die Hinterbeine. Die Wärme liebt er sehr und eben so gerne ruht er auch auf einer weichen Unterlage, die selbst den grössten Hunden nöthig ist, da sie sich sonst die Ellenbogen aufliegen und Geschwülste bekommen. Eine Decke, die ihn birgt, verträgt er aber nur äusserst selten. Bevor er sich zur Buhe legt , geht er vorerst einige Male im Kreise herum und scharrt sein Lager auf, uiul wenn er keine Unter- lage hat, auch selbst den nackten Boden. Überhaupt scharrt er gerne im Boden und zwar sowohl mit den Vorder- als den Hinterfüssen. Er schläft gerne und viel, und selbst häufig unter Tags. Sein Schlaf ist aber leise, unruhig und häufig von Träumen begleitet, daher er auch nicht selten im Schlafe Zuckungen macht, mit dem Schwänze wedelt, brummt, und selbst bisweilen sogar aufbellt. Beinlichkeit liebt er über Alles und verlangt, dass der Ort, der ihm zu seinem Aufenthalte angewiesen ist, stets rein gehalten werde. Dcsshalb leckt er sich beständig, geht meistens gerne in's Wasser und schwimmt aueli in demselben. Seinen Unrath setzt er gerne auf kahlen Plätzen, insbe- sondere auf Steinen ab und deckt ihn gewöhnlich mit Mist oder Erde zu, die er mit den Hinterfüssen nach rückwärts wirft. Selten gehen die Männchen an einem Erdhaufen, an einem Steine, Pfahle oder Strauche, an einer Mauer oder einem Zaune vorüber, ohne sich hier- bei ihres Harnes zu entledigen, was immer mit aufgehobenem Hinter- fusse geschieht, wenn sie einmal ein Alter von 9 Monaten erreicht haben. Begegnen sie einem anderen Hunde, so beriechen sie sich, und sehen sie sich zum ersten Male, so geben sie ihre wechselseitige Begrüssung dadurch zu erkennen, dass sie mit der freundlichsten Miene unzählige Male an dem Orte ihrer Zusammenkunft den Harn lassen. Der Hund schwitzt nur sehr wenig am Körper, und selbst beim stärksten und anhaltendsten Laufe; dagegen sondert sich der ScliAveiss auf seiner Zunge, die er, wenn er erhitzt ist, keuchend aus dem Munde streckt. Seine Wunden heilt er sich selbst, durch blosses Belecken mit der Zunge, und kann er nicht selbst an die Stelle seiner Wunde kommen, so übt diesen Dienst einer seiner Hausgenossen. Der Hund hat ein starkes Vorgefühl bei Veränderung der Witterung und verbreitet bei herannahendem Regen meist einen widerlichen Geruch. Er zeigt dann wenig Lustbarkeit, ist träge, frisst wenig oder nichts und erbricht sich auch zuweilen. Seine Nerven sind überhaupt höchst reizbar und empfindlich. Glockengeläute, Musik, besonders der Schall von Blas-Instrumenten und selbst das helle Licht des Vollmon- des, versetzen ihn in grosse Unruhe. Er flieht, wenn er kann, an eine Strassenecke, fängt jämmerlich zu heulen an und lockt dadurch auch andere Hunde herbei, die in sein Geheul mit einstimmen. Alles was schnell und rasch an ihm vorübereilt, seien es Menschen, Thiere oder rollende Wägen, fällt er insbesondere in seiner Jugend an, und ver- folgt es unter beständigem Gebelle. Sein Bellen ist aber keineswegs immer ein Zeichen seines Unmuthes oder seines Grimmes, sondern erfolgt häufig auch aus Freude und selbst bisAveilen sogar aus Furcht. Schlecht gekleidete Personen, insbesondere wenn sie sich gleichsam ausspähend in die Häuser schleichen oder umhersehen, fällt er bellend an und eben so auch fliehende. Wer sich ruhig verhält und stehen bleibt, schreckt nicht selten dadurch den Hund zurück. Auch die Aus- dünstung mancher Personen scheint widrig auf ihn einzuwirken, denn solche Leute fällt er an und lässt sich nicht so leicht besänftiffen. 152 Dagogen sclicint er al)or iuicli die Neigung, die manche Personen zu den Hunden haben, im Voraus zu erkennen. Fremden sieht er immer nach den Augen. Niemals vergisst der Hund seinen Wohlthäter, und wer ihm Gutes gethan, ihn geptlegt, geheilt, beschützt, gerettet, dem bleibt er immer dankbar. Eben so wenig vergisst er aber auch denjenigen, der ihm Unrecht gethan, ihn geneckt oder gequält hat. Seine Freude gibt er durch Wedeln mit dem Schwänze und rasches Hin- und Herbewegen des Hinterthoiles des Körpers zu erkennen, durch Entgegenspringen, Anschmiegen und Belecken, und häufig auch durch Bellen. Die Paarung des Hundes findet zweimal des Jahres Statt, im Sommer und im Winter. Das Weibchen trägt 9 — 10 Wochen, gewöhnlich aber 63 Tage, und wirft meist an einem dunklen Orte 3 — 10, und zwar in der Regel 4 — 0, in höchst seltenen Fällen aber auch selbst bis 15, ja sogar bis 21 Junge, die schon mit den Vorder- zähnen zur Welt kommen und 10 — 12 Tage blind bleiben. Die Mutter ist die alleinige Ptlegerin ihrer Jungen, die sie durch zwei Monate säugt, sorgfältig bewahrt, beleckt, erwärmt, vertheidiget und nicht selten im Munde von einem Orte zum anderen trägt, indem sie sie sanft mit ihren Zähnen an der schlafien Haut des Halses fasst. Im dritten und vierten Monate schon wechseln die Jungen ihre ersten Zähne , verlassen die Mutter im sechsten Monate und sind schon nach 10 Monaten, und bisweilen sogar nach 9, selbst zur Fortpflanzung geeignet. Der Hund ist schon im 12. Jahre alt, kann aber ein Alter von 20 Jahren und auch darüber erreichen; und man kennt sogar, wenn auch nur seltene Beispiele, dass Hunde, welche im Alter sorglich gepflegt, und blos mit Meissem Brote und kräftiger Fleischbrühe gefüt- tert M'urden, selbst ein Alter von mehr als 26, ja bis zu 30 Jahren erreicht haben. Bei höherem Alter verliert er aber sein Gehör und noch mehr seinen Geruch, wird blind, seine Zähne werden schlecht und fallen aus, sein Haar ergraut um Stirne, Augen und Schnauze, und an die Stelle gewohnter Reinlichkeit tritt Unreinheit, indem er sich nicht mehr gehörig beleckt; daher er auch durch alle diese Gebrechen sich in hohem Alter selbst zur Last wird. Der Hund ist mancherlei und ziemlich vielen Krankheiten unter- worfen. Die bemerkenswerthesten darunter sind : die Räude, welche durch fettes und stark gesalzenes Futter, schlechtes Wasser, wenig Bewegung und vorzüglich durch Unreinlichkeit hervorgerufen wird ; die Staupe oder sogenannte Hundeseuche, welche gewöhnlich durch 153 Erkältung entsteht, auf einer Entzündung der Schleimhäute beruht, und am häufigsten bei jungen Hunden zwischen dem vierten und neun- ten Monate vorkommt; und die Tollheit oder Wuth, welche die gefähr- lichste und fürchterlichste unter allen Krankheiten des Hundes, und bei demselben nicht zu heilen ist. Meist tritt dieselbe erst bei älteren Hunden ein und gewöhnlich entweder im Sommer bei sehr grosser Hitze, oder im Winter bei allzugrosser Kälte, insbesondere wenn sich der Hund aus der Kälte sogleich an einen zu warmen Ort begibt. Zu den Hauptursachen, welche diese Krankheit hervorrufen, scheinen aber auch Wassermangel und Unterdrückung des Geschlechtstriebes zu gehören. Wird ein Mensch oder ein Thier von einem mit dieser Krankheit befallenen Hunde gebissen oder an einer, wenn auch noch so kleinen, wunden Stelle seines Körpers auch nur beleckt, so theilt sich ihm dieselbe Krankheit mit, welche nicht nur eine der qualen- vollsten, sondern auch der unheilbarsten ist und fast immer mit dem Tode endiget. Schon bei Beginn der Krankheit bemerkt man eine Veränderung im Betragen des Hundes. Er zeigt eine ungewöhnliche Schläfrigkeit und Traurigkeit, sucht beständig warme Orte auf, schleicht öfters nach dem Futter ohne jedoch zu fressen, nimmt begierig Wasser, wovon er oft, aber immer nur eine geringe Menge auf einmal trinkt, und zeigt sich überhaupt sehr unruhig und beäng- stiget. Bei Annäherung von Thieren oder Menschen knurrt er. Hierauf tritt gewöhnlich Verstopfung und Erbrechen ein. Die Ohren werden schlaff, das Thier lässt den Schwanz hängen, die Stimme verändert sich in ein eigenthümliches Heulen und in ein heiseres Gebelle , das Auge wird matt, der Blick schielend; später röthet sich das Auge und wird ebenso wie die Augenlieder entzünden; der Hund beisst ohne vorher zu knurren oder zu bellen, selbst ohne irgend einem Anlasse. Er ist unempfänglich für Liebkosungen, selbst seines eigenen Herrn, und achtet nicht mehr seinen Befehl. Bei Zunahme der Krankheit wird der Hund immer unruhiger und scheuer, der Blick wird feurig, aber starr, das Thier trägt den Kopf gesenkt, Augen- und Backen- gegend schwellen an, die Zunge wird stark geröthet und hängt aus dem Maule, aus dessen Seiten zäher Schleim herabquillt. Der Hund knurrt noch, aber bellt nicht mehr, auch kennt er andere Personen und selbst seinen eigenen Herrn nicht mehr. So sehr er nach Getränke lechzt, so wenig vermag er es hinab zu bringen. Selbst gewaltsam bei- gebracht, verursacht es ihm schmerzhaftes Würgen und krampfhaftes 154 Zusammenziehen der Schlundmuskeln. Es tritt nun Scheu gegen Was- ser und jede andere Flüssigkeit ein; das Thier magert schnell ab, besonders in den Weichen: es legt sich nicht mehr nieder, sondern schleicht scheu und schielend mit gesenktem Schwänze unruhig umher. Jetzt erst entwickelt sich die Krankheit entweder zur stillen, oder zur rasenden Wuth. Bei der stillen Wuth sind die Augen entzüiulet, aber trübe und starr, die Zunge wird bläulich und hängt oft weit aus dem Maule heraus, weisser Schaum überzieht die Mundwinkel, der Mund steht immer offen und der Unterkiefer ist gelähmt und hängt völlig sddaff herab. Mit eingezogenem Schwänze und gesenktem Kopfe läuft der Hund taumelnd und unstät, oft meilenweit den geraden Weg ver- folgend fort, und beisst was ihm in den Weg kommt, insbesondere aber andere Hunde. Stösst er auf ein Hinderniss, das ihm nicht gestattet den geraden Weg zu verfolgen, so taumelt er im Kreise, fällt öfters und schnappt dabei nach Luft. Bei der rasenden Wuth wird das Auge funkelnd, die Pupille sehr erweitert, das Maul steht offen, ist nur wenig von Geifer benetzt und die bläuliche Zunge hängt aus demselben heraus. Der Hund zeigt schon bei der Entwickelung dieser Krankheitsform einen grossen Grad von Trotz und Falschheit, selbst gegen seinen Herrn, schnappt unwillkürlich nach Fliegen und Allem was ihm in die Nähe kommt, fällt das Hausgeflügel an und zerreisst es, ohne jedoch davon zu fressen, lockt andere Hunde freundlich an und fällt dann wüthend über sie, fletscht die Zähne, verzerrt das Gesicht, schielt nach den Weichen, winselt, leckt mit der entzündeten Zunge seine Lippen und schnalzt auch mit derselben, wobei ihm oft schon wässeriger Geifer aus dem Maule trieft. Später vorfolgt er mit emporgerichtetem Schwänze und hoch aufgehobenen Beinen den geraden Weg im Freien, wobei ihn nur unüberwindliche Hindernisse von der geraden Richtung abzubringen vermögen. Stösst er hierbei auf Wasser, so wendet er sich meist taumelnd von demselben ab, scln\inimt aber aucli bisweilen sogar durch Bäche und Pfützen hin- durch und beisst Alles was ihm entgegenkommt. Häufig beisst er auch in leblose Gegenstände und der angebängte Hund sogar in seine eigene Kette. Diese fürchterliche Krankheit des Hundes scheint von den heftigsten Schmerzen begleitet zu sein, denn unter den grässlichsten Convulsionen stirbt das arme Thier meist am sechsten oder achten, bisweilen aber schon am vierten, selten erst am neunten Tage. Diese schreckliche Krankheit des Hundes war schon den alten Griechen 155 bekannt. Merkwürdig ist, dass sie nur in den Ländern des gemässig- ten Himmelsstriches häufig vorkommt und zwar im Sommer häufiger als im Winter, und dass sie in den Ländern der kalten und vollends der heissen Zone, nur äusserst selten oder fast gar nicht zu treffen ist. Das seltene Vorkommen dieser Krankheit in den heissen Ländern schreibt man der dort fast allgemein herrschenden Sitte zu, die Hunde weder in den Häusern zu halten, noch gar an die Kette zu legen, sondern sie frei sich selbst zu überlassen. Das sicherste Kennzeichen eines vollkommen gesunden Hundes, ist eine feuchte, kalte Nase. Trockenheit und Wärme derselben deuten immer auf Unwohlsein. Die vorzüglichsten Eigenschaften des Hundes besteben in der Schnelligkeit seines Laufes, in seiner Muskelkraft, seinem äusserst feinen Gerüche und seiner Gelehrigkeit, so wie in seiner Wachsamkeit und Anhänglichkeit an seinen Herrn. Durch diese Eigenschaften wird er für uns ein unschätzbares Haiisthier und auf sie beziehen sich die meisten Dienste, die er uns leistet. So ist er der treue Wächter unseres Hauses, bewacht die Heerden, hält sie zusammen, führt sie an, vertheidiget sie gegen ihre Feinde, und hält sie ab die Ernte zu vernichten. Bei den Völkern , die ausschhesslich von der Jagd leben oder dieselbe zu ihrem Vergnügen treiben , wird der Hund zur Auf- findung der Spuren des Wildes, zum Nachjagen und Fangen desselben benützt. Da die Dienste, welche hierzu erfordert werden, nach der Natur des Wildes verschieden sind, und die erforderlichen Eigen- schaften, welche erst durch Erziehung sich entwickeln, auch fort- gepflanzt werden , so haben sich auch eben so viele Racen gebildet als es überhaupt Jagdarten gibt. Schon in den Kampfspielen der Römer wurde der Hund zum Hetzen der wilden Thiere gebraucht und dient noch heut zu Tage manchen Völkern in den Stierkämpfen. Durch geübte Blutgier benützte man den Hund auch in früheren Zeiten als Hülfeleister seines Herrn im Gefechte; so bedienten sich die alten Gallier desselben in ihren Kriegen, und die Spanier bei Eroberung Amerika's gegen die wilden Indier. In alten Zeiten, wo die Civilisation noch sehr weit zurück war, bediente man sich des Hundes auch um Verbrecher zu entdecken, und vor nicht sehr ferner Zeit wurde er auf den Antillen noch zur Aufsuchung der in die Wälder geflüchteten Neger verwendet, um sie in das Joch der Sciaverei zurückzuführen. In manchen Gegenden, insbesondere im hohen Norden, bedient man sich des Hundes auch als Zugthier. In 156 Kamtschatka und Grönland spannt man ihn zu 5 — 10 an einen leichten Schlitten und sie laufen mit solcher Schnelligkeit, dass sie in einem Tage zuweilen eine Strecke von 25 Meilen auf dem Eise zurücklegen. Vom Hunde verwenden wir nur das Fell; das Fleisch unserer Hunde wird nirgends gegessen. Der Hund der Südsee-lnsulaner, dessen Fleisch von den Eiugehorenen genossen M'ird, ist eine von unseren zahmen Hunden weit verschiedene Art. Der nackte Hand (Canis africunus) . Der Kopf ist länglich, hoch, die Stirne stark gewölbt, die Schnauze ziemlich lang, nach vorne stark verschmälert, und zugespitzt. Die Ohren sind ziemlich lang, etwas hreit, zugespitzt, halbaufrecht- stehend, gegen die Spitze umgebogen, und nackt. Die Lippen sind kurz und strafl". Der Leib ist etwas gestreckt, schmächtig, gegen die Weichen stark eingezogen, und der Rücken schwach gekrümmt. Der Hals ist nicht sehr lang und dünn, die Brust schmal und tief- liegend. Die Füsse sind ziemlich hoch, schlank und zart, und die vorderen vollkonmien gerade. An den Hinterpfoten ist keine After- zehe vorhanden. Der Schwanz ist sehr dünn, ziemlich lang, reicht etwas unter das Fersengelenk, und wird entweder herabhängend, oder nach rückwärts gestreckt und etwas nach aufwärts gebogen getragen. Die Haut ist nackt; nur um denMund herum, in der Nähe des Schwanzes und an den Beinen befinden sich einzelne Haare, und auch der Schwanz ist nackt. Die Hautfarbe ist schwärzlich. Die Kiu'perlänge beträgt 2Fuss, die Länge des Schwanzes 10 Zoll, die Höhe am Wider- rist 1 Fuss. Die Heimath dieser Stammart ist das Innere von Afrika, von wo sie nach Nord-Afrika, und über Guinea nach Manilla, China, auf die Antillen und Bahama-Inseln, so wie auch auf das Festland von Süd- und Mittel -Amerika verbreitet wurde. Der nackte Hund ist äusserst leicht und beweglich und sein Lauf ist ebenso schnell als anhaltend. Unter seinen Sinnen scheint der Geruchs- und Gehörssinn am meisten ausgebildet zu sein, und obwohl er nur wenig Intelligenz besitzt, so wird er doch in seinem Vaterlande zur Jagd abgerichtet \md insbesondere bei der Gazellen-Jagd verwendet, für welche er ein vorzügliches Talent zu haben scheint. Unermüdet in der Verfolgung der aufgefundenen Spur, hält er nicht selten bei zwei Stunden aus. Häufig sucht er dem verfolgten Wilde durch allerlei Abwege nach anderer Richtung den Weg abzuschneiden, um es desto schneller und 1J>7 sicherer einzuholen. Er ist äusserst gutmüthig^ und wachsam und zeigt die treueste Anhänglichkeit an seinen Herrn. Er bellt zwar selten, aber heftig hei Annäherung von Fremden. In unserem Klima, wo er seiner Zartheit und Empfindlichkeit wegen nur als Stuhenhund gehal- ten wird, hält er in der Regel nicht sehr lange aus. Seine Empfind- lichkeit gegen die Einflüsse der Temperatur ist so gross, dass er selbst oft an den wärmsten Tagen zittert. Auch bei der wärmsten Haltung und sorgfältigsten Pflege unterliegt er häufig katarrhalischen Anfällen. Bei längerer Haltung in unserem Klima verfärbt sich auch seine Haut und geht aus dem Schwärzlichen in's Grauliche über, mit einem schwachen, fleischfarbenen Tone. Der grosse Windhund (Canis leporarius). (Fig. 34.) Der Kopf ist lang und gedrückt, die Stirne flach, die Schnauze lang, nach vorne stark verschmälert, und zugespitzt. Die Ohren sind ziemlich lang , schmal , zugespitzt , halb aufrechtstehend, gegen die Spitze umgebogen, und mit kurzen Haaren besetzt. DieLippen sind kurz und straff. Der Leib ist etwas gestreckt, sehr schmächtig, gegen die Weichen überaus stark eingezogen und der Rücken stark gekrümmt. Der Hals ist lang und dünn, die Brust schmal und tiefliegend. Die Füsse sind sehr hoch, schlank und zart, und die vorderen vollkommen gerade. An den Hinterpfoten ist keine Afterzehe vorhanden. Der Schwanz ist sehr dünn, ziemlich lang, reicht weit unter das Fersengelenk, und wird entweder herabhängend, oder nach rückwärts gestreckt und etwas nach aufwärts gebogen getragen. Die Behaarung ist kurz, glatt und weich. Der Schwanz ist kurz behaart. Die Färbung ist entweder fahl- oder röthlichgelb , oder grau, bisweilen aber auch hell bräuniich, schwarz oder weiss. Nicht selten finden sich auch Varietäten mit schiefen, schwarzen Querstreifen auf grauem oder hell bräunlichem Grunde. Die Körperlänge beträgt 2 Fuss 7 Zoll, jene des Schwanzes 1 Fuss G Zoll, die Höhe am Widerrist 2 Fuss 3 Zoll. Die ursprüngliche Heimath dieses Stammhundes scheint die Levante zu sein. Der grosse Windhund, welcher ungeachtet seiner Schlank- heit verhältnissmässig sehr kräftig ist, läuft gerne, ausdauernd und mit ausserordentlicher Schnelligkeit. Sein Gesicht ist überaus scharf und sein Gehör sehr fein, wie denn auch seine Ohren immer in Bewegung sind; dagegen ist der Geruchssinn bei ihm nur wenig aus- 158 gebildet uiul auch seine Intelligenz ist sehr beschränkt: denn er besitzt nur geringe Fähigkeiten, ist wenig empfänglich für feinere Dressur und begreift nur schwer und langsam. Seines schnellen Lau- fes wegen wird er zum Fangen gewisser Wildarten und namentlich im flachen Lande auf der Hasen- und Kaninchen-Jagd verwendet, so wie nicht minder auch zum Jagen der Füchse. Doch verwendet man ihn hierzu nicht unter einem Jahre, und da er blos durch Übung lernt, so muss er immer zuerst von schon abgerichteten Thieren angeführt werden. Das gefangene Wild zerreisst er gerne selbst, doch kann man es mit Mühe und Geduld dahin bringen, dass er den gefangenen Hasen unversehrt dem Jäger bringt. Auf der Jagd leitet ihn mehr das Gesicht als der Geruch. Häufig schneidet man den zur Jagd bestimm- ten Windhunden gleich nach der Geburt die Daumenzehe derVorder- (iisse und die Ballen an dem Handgelenke aus, weil sie dadurch im Laufe gehindert werden und sehr oft auch wunde Ballen bekommen; eine Übung, die mindestens schon seit dem eilften Jahrhunderte besteht. Der Windhund bellt selten und seine Stimme besteht mehr in einem Klaffen. Er empfindet lebhaft und tief und wird durch Gemüthseindrücke so sehr ergriffen, dass sein Herzschlag oft plötzlich eine kaum glaub- liche Unregelmässigkeit und Schnelle annimmt. Diese Beizbarkeit, verbunden mit seiner geringen Intelligenz , ist auch die Ursache , dass er Niemanden ausschliesslich zugethan und so überaus empfänglich für Liebkosungen ist; denn er ist gleich freundlich gegen Alle, die sich mit ihm abgeben, und zeigt auch nur wenig Treue und Anhänglichkeit an seinen Herrn. Dagegen erkennt er gute Behandlung, gibt seine Freude durch lebhafte Bewegungen zu erkennen und ist dankbar: dabei aber auch oft bissig und falsch. Grösser ist seine Anhänglich- keit an Pferde, denen er sehr gerne folgt. Der Bullenbeisser (Canis Molossus). (Fig. 35.) Der Kopf ist rundlich, hoch, die Stirne stark gewölbt, die Schnauze kurz, nach vorne nicht verschmälert, und sehr stark abge- stumpft. Die Ohren sind ziemlich lang, nicht sehr breit, gerundet, halb aufrechtstehend, gegen die Spitze umgebogen und hängend, und nu't kurzen Haaren besetzt. Die Lippen sind lang und sehr stark hän- gend. Der Leib ist gedrungen, dick, gegen die Weichen nur wenig eingezogen, und der Rücken nicht gekrümmt. Der Hals ist ziemlich 1S9 kurz und dick, die Brust breit und tiefliegend. Die Füsse sind von mittlerer Höhe, dick und sehr stark. An den Hinterpfoten ist keine Afterzehe vorhanden. Der Schwanz ist am Grunde dick, gegen das Ende zu verschmälert, ziemlich lang, reicht unter das Fersengelenk und wird in die Höhe gerichtet und nach vorwärts gebengt, seltener gerade nach rückwärts gestreckt getragen. Die Behaarung ist kurz, glatt und etwas grob. Der Schwanz ist kurz behaart. Die Färbung ist entweder fahl- oder bräunlichgelb, bisweilen mit einem schwärzlichen Überfluge oder auch bräunlich. Das Schnauzenende, die Lippen und das äusserste Ende der Ohren sind schwarz. Nicht selten finden sich auch Varietäten mit schwarzen Querstreifen auf bräunlichem Grunde ; seltener schwarze, mit bräunlichgelben Füssen. Die Körperlänge beträgt 2Fuss 61/3 Zoll, jene des Schwanzes 1 Fuss 1 Zoll, die Höhe am Widerrist 1 Fuss 8 Zoll. Als wahrscheinliche Heimath dieser Stammart kann Irland betrachtet werden. Der Bullenbeisser ist plump und schwer, sein Lauf daher weder besonders rasch, noch anhaltend. Dagegen besitzt er eine ausserordenthche Stärke, Entschlossenheit und Muth, und wagt sich selbst mit grosser Kampflust an einen überlegenen Feind. Unter allen seinen Sinnen ist der Geruchssinn bei ihm am stärksten ausge- bildet; doch steht er hierin dem Jagdhunde etwas nach. Seine Intel- ligenz ist sehr beschränkt; demungeachtet hat er aber einen Begriff von Eigenthum und eignet sich daher vortrefflich , insbesondere auf dem Lande, zum Wächter und Hüter unseres Hauses und unserer Güter, die er beschützt und muthig vertheidiget. Zu diesem Beluife wird er häufig als Kettenhund gehalten , wodurch sein Muth sowohl als seine Stärke, insbesondere wenn er mit Aas gefüttert wird, bedeu- tend gekräftiget werden. Auch als Bewacher der Binder-Heerden wird er verwendet, und er weiss selbst die wildesten Ochsen zu bändigen, indem er so lange um sie herumspringt, bis es ihm gelingt sich in ihr Maul einzubeissen und sich an demselben aufzuhängen, wodurch jeder noch so wilde Ochse besänftiget wird. Da er sich sehr leicht zum Kampfe abrichten lässt und dadurch sehr wild wird, eignet er sich vorzüglich auch zur Jagd, als Hetzhund auf grosse Baubthiere, wie Bären und Wölfe, so wie auch auf Wildschweine und Hirsche , indem er diese Thiere an den Ohren fasst, sie festhält und würgt, ohne sie dabei wesentlich zu beschädigen. Eben dieser Eigenschaften wegen ist er auch in den alten Thierhetzen auf Auerochsen und andere wilde Thiere verwendet worden und wird selbst jetzt noch bei den Stier- 160 gefechton in Spanien benutzt. So wild und l)üsartig er aber aucb ist, wenn er angehetzt wird, so ist er doch sonst, wenn auch trotzig, doch gutniülbin'. ja selbst phlegmatisch; da er zwar ernst, aber nur wenig zum Zorne geneigt ist. Nicht leicht sucht er mit anderen Hunden Streit, und lässt sich insbesondere von kleinen Hunden viel gefallen. Auch erträgt er lange Neckereien, greift aber bei fortgesetzter Reizung, ohne vorher zu warnen oder viel zu bellen, von Vorne an, wobei er jedoch im Bewusstsein seiner Kraft niemals List gebraucht, sondern sich damit begnügt, seinen Gegner zu Boden zu werfen, ohne ihn zu beissen, wenn er sich ergibt oder ihm keinen ferneren Widerstand leistet. Seinem Herrn ist er treu und anhänglich, ohne sich ihm jedoch aufzudrängen. Gefährlich bleibt er aber immer für Fremde, er mag nun frei sein oder an der Kette liegen, und vollends wenn er gegen sie gehetzt wird. Er ist daher der beste und verlässlichste Begleiter, vorzüglich in einsamen Gegenden, auf Reisen. Sein Gebell ist dumpf und kurz, und von seinen Lippen trieft fortwährend in hängenden Fäden der Geifer. Der krummbeinige Dachshand (Canis Vertagiis). (Fig. 36.) Der Kopf ist länglich, ziemlich erhaben und mit einem starken Knochenkamme versehen, die Stirne schwach gewölbt, die Schnauze ziemlich lang, nach vorne schon von den Augen an plötzlich ver- schmälert, und stumpf zugespitzt. Die Ohren sind sehr lang, breit, gerundet, vollkommen hängend, und mit kurzen Haaren besetzt. Die Lippen sind ziemlich kurz und kaum etwas hängend. Der Leib ist stark gestreckt, ziemlich dick, gegen die Weichen etwas eingezogen, und der Rücken schwach gekrümmt. Der Hals ist ziemlich kurz und dick, die Brust breit und stark vorstehend. Die Füsse sind sehr kurz, plump und stark, die vorderen am Handgelenke stark nach einwärts gebogen, so dass sie sich beinahe berühren, und von da plötz- lich nach auswärts gekrümmt. An den Hinterpfoten ist eine etwas höher gestellte, liekrallte Afterzehe vorhanden. Der Schwanz ist am Grunde dick, gegen das Ende zu verschmälert, ziemlich kurz, reicht bis an"s Fersengelenk , und wird hoch nach aufwärts gerichtet und sehr stark nach einwärts gebeugt, selten aber gerade ausgestreckt getragen. Die Behaarung ist kurz, glatt und ziemlich grob. Der Schwanz ist kurz behaart. Die Farbe ist auf der Oberseite des Körpers, der 161 Aussenseite der Schenkel und der Oberarme schwarz, die übrigen Theile des Körpers sind, mit Ausnahme der weissen Brust und Kehle, von hell lu-äunlichgelber Farbe. Über den Augen befindet sich jederseits ein rund- licher, hell bräunlichgelber Flecken, so dass die Augen gleichsam von einem schwarzen Ringe umgeben erscheinen, und ein grösserer eben so gelber Flecken steht zu beiden Seiten der Brust. Lippen und Wan- gen sind gleichfalls von hell bräunlichgelber Farbe , welche jedoch an den Wangen, liäufig durch das vorAvaltende Schwarz bis auf einen kleinen, runden Flecken verdrängt wird. Auch gibt es bräunlichgelbe Abarten, welche auf der Oberseite meist mehr oder weniger mit Schwarz überflogen sind. Seltener kommen ganz schwarze oder ganz weisse vor. Die Länge des Körpers beträgt 2 Fuss 6 Zoll, die des Schwanzes 1 1 Zoll, die Höhe am Widerrist 1 1 Zoll. Spanien scheint die ursprüngliche Heimath dieser Stammart gewesen zu sein. Der krummbeinige Dachshund, welcher im Verhältnisse zu seiner geringen Grösse eine ansehnliche Stärke besitzt, ist durch seinen ganzen Körper- bau mehr zum Graben als zum Laufen geeignet. Schon die kurzen, niederen Beine, noch mehr aber die verdrehten Vorderbeine, Avelche ihm einen ganz eigenthümlichen, wankenden Gang geben, sind die Ursache seines eben so wenig raschen, als ausdauernden Laufes. Sein Geruch ist überaus fein, sein Gesicht hingegen minder scharf, und eben so sein Gehör. Dagegen besitzt er Intelligenz in hohem Grade, und eben so Tapferkeit und Muth. Diese Eigenschaften eignen ihn ganz vorzüglich zur Jagd, insbesondere in Gebirgsgegenden, wo er haupt- sächlich zur Aufsuchung und Verfolgung der in unterirdischen Bauen wohnenden Thiere, aber auch zur offenen Jagd verwendet wird. Er spürt nur durch den Geruch und entdeckt mit grösster Sicherheit die Baue des Dachses, Fuchses, Kaninchens, des Bibers und der Fisch- otter. Obgleich ihm wahre Jagdlust und insbesondere das Kriechen in die Erdlöcher angeboren, so wird er doch hierzu noch besonders abgerichtet. Mit Kraft, Muth und Ausdauer, bekämpft er den Dachs und Fuchs in seiner unterirdischen Behausung, und zwingt sie meist , die- selbe zu verlassen. Die heftigen Verwundungen, die er oft bei diesem Kampfe erhält, schrecken ihn aber nur äusserst selten von der Fort- setzung desselben ab, sondern machen ihn meist nur noch böser und eif- riger, und reizen ihn auch nicht selten so zur Wuth, dass er sich gänzlich in sie verbeisst. Sein Leben ist so zähe, dass er selbst die bedeutend- sten Verwundungen glücklich übersteht. Mittelgrosse und nicht zu dicke (Naturgeschichte.) i'* 162 Dachshunde kriechen am besten. Werden sie zu jung zu diesem Geschäfte verwendet, so werden sie abgeschreckt, verweigern das Kriechen in die Baue, und jagen nur mehr über der Erde. Aus diesem Grunde pflegt man sie auch nicht unter einem Jahre hierzu abzurichten. Sind sie aber einmal zum Kriechen und Vorliegen hinreichend eingeübt, so kann man sie auch nebstbei zur freien Jagd verwenden, ohne sie hierdurch zu verderben. Es lässt sich sehr gut vor dem Dachshunde schiessen, weil das verfolgte Wild nicht sehr stark vor ihm liiuft und sich von ihm vielfach herumjagen lässt. Selbst auf Schweine ist er gut zu gebrauchen, da er seines niederen Baues Avegen nicht leicht vom Eber gefasst werden kann. In der offenen Jagd steht er aber gegen die eigentlichen Jagdhunde weit zurück, theils weil er nicht weit in die Ferne sieht, theils aber auch weil er bei Verfolgung des Wildes nicht auf den Ruf des Jägers hört, und oft stundenlange nicht zurückkehrt; da er, wenn er ermüdet, sich am nächstbesten Orte niederlegt und ruht. Jenen Dachshunden, welche man zur Jagd ver- wendet, schneidet man in der Regel schon in sehr zarter Jugend die Afterzehen an den Hinterfüssen ab, da sie sich sehr leicht mit den- selben verhängen. Der Dachshund ist sehr klug, gelehrig und treu, dabei aber auch listig und selbst diebisch. So lange er noch jung ist, ist er munter und angenehm: im Alter aber wird er ernst, mürrisch, bissig und oft tückisch, und knurrt und fletscht die Zähne oft gegen seinen eigenen Herrn. Überhaupt zeigt er sich bissig, zänkisch und kampf- lustig, streitet fast mit jedem Hunde, greift selbst die grössten an und beisst sich mit ihnen herum. Versucht es ein grosser Hund sich gegen ihn zu vertlieidigen, so gebraucht der Dachshund die List, sich auf den Rücken zu werfen und seinen Gegner an den empfindlichsten Theilen zu beissen, um ihn dadurch zu verscheuchen, oder zu zwingen, vom ferneren Kampfe abzustehen. Sein Gebell ist laut, hell tönend und anhaltend, insbe- sondere beim Verfolgen des Wildes. In Frankreich und England wurde er in früheren Zeiten häufig zum Wenden des Bratspiesses abgerichtet und verdankt diesem Geschäfte seine englische Benennung Tnruspit. Heut zu Tage benützt man ihn in England vorzugsweise zum Rattenfange. Der deutsche Jagdhund (Canis sagnx). Der Kopf ist länglich, ziemlich erhaben und mit einem starken Knochenkamme versehen, die Stirne schwach gewölbt, die Schnauze niclit sehr lang, nach vorne sehr wenig verschmälert, und etwas 163 abgestumpft. Die Ohren sind sehr lang, hreit, gerundet, vollkonimen hängend, und mit kurzen Haaren besetzt. Die Lippen sind nicht sehr lang und etwas hängend. Der Leib ist schwach gestreckt, etwas scWank, gegen die Weichen ziemlich eingezogen, und der Rücken nicht gekrümmt. Der Hals ist ziemlich lang und dick, die Brust breit und vorstehend. Die Füsse sind von mittlerer Höhe, schlank und stark, die vorderen vollkommen gerade. An den Hinterpfoten ist eine etwas höher gestellte , bekrallte Afterzehe vorhanden. Der Schwanz ist am Grunde dick, gegen das Ende zu verschmälert, ziem- lich lang, reicht etwas unter das Fersengelenk, und wird entweder in die Höhe gerichtet und etwas nach vorwärts gebeugt, oder auch gerade nach rückwärts gestreckt getragen. Die Behaarung ist kurz, glatt und etwas grob. Der Schwanz ist kurz behaart. Die Färbung ist entweder auf der Oberseite des Körpers so wie auf derAussenseite der Schenkel und der Vorderbeine schwarz oder rothbraun, während die übrigen Theile, mit Ausnahme der meist weissen Brust, mehr oder weni- ger bräunlichgelb gefärbt sind. Über den Augen befindet sich jederseits ein rundlicher, bräunlichgelber Flecken, und auch die Schnauze ist an den Lippen und den Wangen bräunlichgelb gezeichnet. Doch gibt es auch einfarbige Abarten, die bald röthlich oder rothbraun, bald bräun- lichgelb oder grau, selten aber schwarz oder weiss sind. Häufiger kommen noch gefleckte Varietäten vor, mit weissen oder gelbhchen Flecken auf dunklem Grunde, oder mit schwarzen Flecken auf weissem Grunde. Die Pfoten sind meist weiss oder gelblich. Die Körperlänge beträgt 2 Fuss 41/3 Zoll, die Länge des Schwanzes 1 Fuss l^/a Zoll, die Höhe am Widerrist 1 Fuss 4 Zoll 10 Linien. Es ist mit grosser Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass Deutschland die ursprüngliche Heimath dieser Stammart sei. Der deutsche Jagdhund ist kräftig und schnell, und sowohl durch sein scharfes Auge, als seinen überaus feinen Geruch vor allen anderen Hunden zur Jagd befähiget, zu der er auch ausschliesslich verwendet wird. Er jagt hauptsächlich nach der Spur und besitzt ein so scharfes Spurvermögen, dass er das Wild schon aus weiter Ferne wittert. Man bedient sich seiner daher zum Aufspüren und Aufjagen, so wie auch zur Verfolgung des Wildes, und richtet ihn zu jedem dieser Geschäfte besonders ab. Vorzüglich wird er auf Haarwild benützt, dessen Spur er mit lauter, anhaltender Stimme, ohne jedoch eigentlich zu bellen, verfolgt. Er besitzt in hohem Grade Intelligenz und einen bedeutenden Instinct, ist sehr gelehrig, 11* 164 anhänglich und treu, und weder falsch, noch listig, seihst auch nicht gegen Fremde. Sein Gebell, welches, ausser beim Verfolgen des Wildes, nur selten erschallt, ist ziemlich tief tönend, hell klingend und kurz. Der Torstehhond (Canis sagax venaticiis major). (Fig. 37.) Der Vorstehhund, welcher seinen Namen der nur in Folge besonderer Abrichtung erlangten Eigenschaft verdankt, dem Jäger das Wild anzuzeigen und vor demselben ruhig stehen zu bleiben, ist für denselben eine der wichtigsten und geschätztesten Racen des deutschen Jagdhundes. Er bildet aber weder eine klimatische noch eine Zucht- Varietät desselben, sondern ist nur ein doppelter Bastard aus gemischter Kreuzung des Leithundes (C. sag. venaticus) mit der englischen Dogge (C. Mol. mastkus anglicus), welche durch Kreuzung der gemeinen Dogge mit demBuUenbeisser entstanden, und daher gleichfalls schon ein Doppel-Bastard gemischter Kreuzung ist, indem in ihr der Bullenbeisser, der grosse Windhund und der franzö- sische Jagdhund bereits vereiniget sind. Es ist nicht schwierig, in ihm seine älterliche Abstammung zu erkennen, denn er verbindet mit der Gestalt des Leithundes, die kräftige Form der englischen Dogge und den guten Geruchssinn beider. Sein Kopf ist stark, die Stirne breit, und eben so auch die Nase , welche mit grossen, weit geöffneten Nasenlöchern versehen ist. Die Ohren hängen lang und breit herab, und die Augen sind lebhaft und von nussbrauner Farbe. Der Leib ist stark, die Brust breit, und die mittelhohen Beine sind kräftig, ohne plump zu sein. Das Fell ist bald einfarbig braun oder weiss, bald getigert oder gross gefleckt. In der Regel wählt man zur Abrichtung meist Individuen von mittlerer Grösse und mit gefleckter Zeichnung, da einfarbig braune, häulig rothe, entzündete Augen bekommen. Auch besteht die Sitte an vielen Orten, solchen Hunden den Schwanz zu kürzen. Je schärfer der Geruchssinn entwickelt ist, desto mehr eignet sich ein solcherHund zur Abrichtung. Man dressirt ihngewöhn- lich schon in einem Alter von y^ Jahren, obgleich die Abrichtung auch selbst noch im zweiten Jahre vorgenommen werden kann. Zu diesem Behufe legt der Jäger dem Hunde ein Repphuhn vor, und lehrt ihn dasselbe aufsuchen, dann vor dasselbe hinzutreten und ruhig zu stehen ohne es zu berühren, damit es entweder sitzend, vor dem Hunde, oder im Fluge, wenn ihn durch einen Zuruf geheissen wird 165 dasselbe aufzujagen, geschossen werden kann; worauf der Hund das getödtete Federwild unversehrt dem Jäger überliefern, und sich nach dem Schusse ruhig zurückbegeben und neben dem Jäger niedersetzen muss. Diese Abrichtung, welche viele Zeit und auch Geduld erfordert, kann aber auch bei anderen Hunde-Racen in Anwendung gebracht wer- den, welche eine verwandte Abstammung haben; so beim langhaarigen Vorstehhunde, dem eigentlichen Hühnerhunde, dem russischen, lang- haarigen, kleinen, dalmatinischen und portugiesischen Hühnerhunde, dem französischen und doppelnasigen französischen Hühnerhunde, dem englischen und langhaarigen englisclien Hühnerhunde und dem Wasser- und langlraarigen Wasser-Hühnerhunde. Diejenigen, welche sich Anfangs ungelehrig und hartnäckig zeigen , werden meistens die besten nach vollendeter Abrichtung. Nur vollkommen gut dressirte Hunde werden zum Vorstehen auf der Jagd verwendet. Spielend dressirte haben meist keinen guten Apell , und werden mehr blos zum Aufsuchen des Federwildes benützt. Der grosse Seidenhand (Canis extrarius). Der Kopf ist länglich, ziemlich erhaben, die Stirne sclnvach gcAvölbt, die Schnauze nicht sehr lang, nach vorne etwas versclnnä- lert , und schwach zugespitzt. Die Ohren sind lang , breit , gerundet, vollkommen hängend, und mit sehr langen Haaren besetzt. Die Lippen sind kurz und straff. Der Leib ist etwas gedrungen, ziemlich dick , gegen die Weichen etwas eingezogen , der Rücken nicht gekrümmt. Der Hals ist ziemlich kurz und dick, die Rrust nur wenig breit und kaum vorstehend. Die Füsse sind von mittlerer Länge, nicht sehr dick und ziemlich stark , die vorderen vollkommen gerade. An den Hinterpfoten ist keine Afterzehe vorhanden. Der Schwanz ist nicht sehr dünn, ziemlich lang, reicht etwas unter das Fersengelenk, und wird aufwärts gebogen und stark nach rückwärts gebeugt, seltener etwas gestreckt getragen. Die Rehaarung ist sehr lang, zottig und seiden- artig. Die Schnauze und die Vorderseite der Füsse sind kürzer behaart, die Hinterseite derselben aber, der Rauch und Schwanz, insbesondere auf der Unterseite, sind mit langem, zottigem Haare besetzt. Die Oberseite des Körpers ist schwarz; Rrust, Rauch und Füsse, so wie die Lippen und Wangen sind bräunlichgelb, und ein rundlicher, bräunlichgelber Flecken befindet sich jederseits über dem Auge. Doch gibt es auch Varietäten, wo die schwarze Farbe durch eine 166 rothbraiiue Färbung ersetzt wird, oder auch einfarbige, gelbbraune, schwarze und weisse. Sehr häufig kommen gefleckte Abarten vor, mit gelbbraunen, rothbraunen oder schwarzen Flecken auf Meissem Grunde. Der Körper hält 2 Fuss 4 Zoll in der Länge, der Schwanz 1 Fuss 2 Zoll ; die Höhe am Widerrist beträgt 1 Fuss 6 Zoll. Die ursprüngliche Heimath dieses Stammhundes scheint Italien gewesen zu sein. Der grosse Seidenhund ist zwar leicht und schnell, aber keinesweges ausdauernd in seinem Laufe, da er überhaupt nicht stark gebaut ist. Er besitzt einen sehr feinen Geruch und grosse Intelligenz, ohne dabei jedoch besonders gelehrig zu sein. Demungeachtet ist er aber tauglich für die Jagd, wo er hauptsächlich auf Federwild ver- wendet wird. Um ihn jedoch hierbei mit Vortheil benützen zu können, muss er sorgfältig zur Jagd erzogen und abgerichtet werden. Er spürt dem Wilde, blos durch seinen feinen Geruch geleitet, nach, durchstöbert die ganze Gegend nach allen Richtungen, ist ungeduldig, winselt und schlägt auch öfters an, wenn er auf die Spur des Wildes trifft, so dass dasselbe häufig früher auffliegt, als es der Jäger zum Schusse bekommen kann. Selbst bei der besten Dressur zittert er bei Auffindung der Spur vor Begierde an den Füssen und vermag es nicht, seine Freude, die sich immer durch ein, wenn auch noch so leises Anschlagen kund gibt, dabei zu unterdrücken. Aus diesem Grunde eignet er sich daher weniger als die eigentlichen Jagdhund- Racen zur Dressur des Vorstehhundes; dagegen wird er sehr häufig als Stubenhund gehalten. Seine Zuneigung zu seinem Herrn ist grösser als seine Anhänglichkeit, sein Gebell laut, durchdringend und anhaltend. Der NeufoaudläQder-Uaud (Canis extrarius aquaticus terrae-tiovae). (Fig. 38.) Der Neufoundländer-Hund gehört Aveder zu den Stajnmarten des zahmen Hundes, noch zu den klimatischen Varietäten derselben, sondern stellt sich als ein doppelter Bastard dar, welcher durch reine Kreuzung des grossen Pudels mit dem französischen Fleischerhunde entstanden ist, und seine Race in Noufoundland bis zur Stunde in ihrer ursprünglichen Reinheit erhalten hat. Es ist ungewiss, zu welcher Zeit sidi diese Race in Noufoundland gebildet und wer hierzu die Veranlassung zunächst geboten hat. So viel ist indess gewiss, dass dieser Hund bei der ersten Niederlassung der Engländer daselbst im Jahre 1G22 noch nicht vorgefunden wurde und seine Entstehung 107 erst später stattgefunden habe, nachdem seine Stammältern wahr- scheinlich durch Engländer aus Europa in die neue Colonie gebracht wurden. Der Neufoundländer-Hund trägt, wie alle Bastarde, die Kenn- zeichen seiner älterlichen Abstammung unverkennbar an sich. Er vereiniget mit der Gestalt, Grösse und Stärke des französischen Fleischerhundes, welcher ein Bastard des grossen Windhundes und des französischen Jagdhundes ist, zum Theile die Behaarung und Gestalt der Ohren des grossen Pudels, der zu den klimatischen Abän- derungen des grossen Seidenhundes gehört. Der Neufoundländer-Hund ist ein grosser, starker und kräftiger Schlag, mit breitem, länglichem Kopfe, etwas verdickter Schnauze, mittelgrossen, hängenden, zottig behaarten Ohren, starker Brust und kräftigem Halse, ziemlich hohen, starken Beinen, dichter, langer, zottig-krauser, weicher, fast seiden- artiger Behaarung, ziemlich langem, zottigem Schwänze, und stark ausgebildeten Spannhäuten zwischen den Zehen. Er ist meist schwarz, mit einem lebhaft rostgelben Flecken über jedem Auge, und rost- gelber Zeichnung an den Lippen, der Kehle und den Fussgelenken. Seltener ist er schwarz und weiss, oder braun und weiss gefleckt, oder einfarbig schwarz, braun oder weiss. Er gilt für eine schöne Bace und ist daher auch sehr gesucht. Auch seine Eigenschaften verkünden seine Abstammung. Er ist überaus treu und anhänglich an seinen Herrn, sehr verständig und ausserordentlich gelehrig. Sein Haupt-Element ist das Wasser, und er schwimmt nicht nur allein sehr gut und mit grösster Leichtigkeit selbst gegen den Strom, und taucht auch unter, sondern geht auch sehr gerne in das Wasser, aus dem er nicht so bald wieder herauszubringen ist. Seine Ausdauer im Wasser ist ausserordentlich, und man kennt ein Beispiel, dass ein Neufoundländer-Hund von einem Schiffe in einer Bai aufgenommen wurde, in der weit und breit kein Segel zu sehen war, der mithin viele Stunden lang herumgeschwommen sein musste. Ohne irgend eine vorausgegangene Dressur holt er unermüdlich jeden Gegenstand aus dem Wasser, selbst bei der strengsten Kälte, und bringt ihn seinem Herrn. Dieser Eigenschaft wegen wird er auch häufig zum Betten verunglückter Menschen aus dem Wasser abgerichtet. Erblickt er einen Menschen in Gefahr, so stürzt er sich sogleich in's Wasser, schwimmt ihm nach, steckt dem Verunglückten die Schnauze unter die Achsel, und hebt ihn mittelst derselben über den Wasserspiegel empor. Man kennt unzählige Beispiele, wo diese Hunde, vorzüglich bei Schiffbrüchen, 168 oino grosse Anzahl von Menschen gerettet haben. Aus diesem Grunde wird er daher hauptsäclilich auf SehifTen, so wie auch in der Nähe von Strömen und Flüssen, insl»esondere von reissenden Berg- flüssen gehalten. Aber auch zur Verfolgung des nordamerikanischen Wolfes wird er l)enützt, den er mit Muth und Erfolg angreift und bekämpft. In seiner Heimath verwendet man ihn auch zum Zuge, indem man ihn vor den Schlitten spannt und Holz und geräucherte Fische ziehen lässt. Das Land wittert er schon in grosser Entfernung auf den Schiffen und selbst ])i8weilen sogar von mehr als 10 englischen Meilen, und gi])t diess durch starkes Bellen zu erkennen. Ungeachtet seiner Stärke blickt er stolz und ruhig auf kleine Hunde herab, wenn sie ihn necken. Er ist gutmüthig und sanft, und hat ein starkes Erin- nerungsvermögen sowohl für genossene Wohlthaten, als erduldete Unbilden und Strafen. Bei all' seiner Gutmüthigkeit lässt er sich aber doch nur ungerne von Fremden und Kindern berühren, oder auch selbst am Kopfe streicheln, und macht öfters Miene sogar zu beissen; daher er auch nur mit Vorsicht im Hause gehalten werden kann. Ins- besondere zeigt er sich aber falsch gegen Fremde. In Europa ist es schwer, seine Race rein zu erhalten, und es erfordert diess, bei der ungeheueren Anzahl verschiedener Hunde-Racen , welche allenthal- ben getroffen werden, grosse Aufmerksamkeit. Durch Kreuzung mit anderen Racen geht sehr viel von seinen Eigenthümlichkeiten verloren. In neuerer Zeit hat man auch versucht, den Neufound- länder-Hund im St. Bernhardskloster auf dem St. Gotthardsberge in der Schweiz, statt des St. Bernhardshundes einzuführen. Der Haushund (Canls domesticus). Der Kopf ist länglich, wenig erhaben, die Stirne schwach gewölbt, die Schnauze nicht sehr lang, nach vorne ziemlich stark verschmälert, und zugespitzt. Die Ohren sind kurz, nicht sehr schmal, zugespitzt, aufrechtstehend, und mit nicht sehr langen Haaren besetzt. Die Lippen sind kurz und straff. Der Leib ist etwas gedrungen, ziemlich dick, nur gegen die Weichen etwas eingezogen, der Rücken wenig gekrümmt. Der Hals ist ziemlich kurz und dick, die Brust nur wenig breit und kaum vorstehend. DieFüsse sind von mittlerer Höhe, dick und stark, und die vorderen vollkommen gerade. An den Hinterpfoten ist keine Afterzehe vorhanden. Der Schwanz ist nicht sehr dünn, ziemlich lang, reicht etwas unter das Fersengelenk, und M'ird entweder gerade 169 nach rückwärts gestreckt oder etwas nach aufwärts gebogen, seltener und zwar nur auf kurze Zeit aber auch hängend getragen. Die Behaa- rung ist lang, zottig und grob. Die Schnauze, die Vorderseite der Vorder- und Hinterfüsse , sowie die Hinterseite der Schienbeine sind kurz behaart. Der Schwanz ist zottig, insbesondere auf der Unterseite. Die Oberseite des Körpers ist schwarz, Kehle, Brust und Bauch sind weisslichgrau, die Füsse und die Unterseite des Schwanzes bräunlich- gelb. Über den Augen befindet sich jederseits ein rundlicher, bräun- lichgelber Flecken, und auch die Schnauze ist stellenweise bräunlich- gelb gezeichnet. Bisweilen tritt bei gleicher Zeichnung die braune Farbe an die Stelle der schwarzen, und es finden sich auch Varietäten, die einfarbig sind, meist schwarz, braun oder grau, seltener weiss. Die Länge des Körpers beträgt 2 Fuss 3 Zoll , des Schwanzes 1 Fuss 2 Zoll, die Höhe am Widerrist 1 Fuss Sy^ Zoll. Der Haushund, welcher eine der sieben Stammarten des zahmen Hundes bildet, scheint Frankreich zu seiner ursprünglichen Heimath gehabt zu haben. Der Haushund ist zwar stark, aber keinesweges besonders schwer, daher er auch in seinem Laufe ziemlich rasch und ausdauernd ist. Dabei ist er auch muthig und tapfer, besitzt InteUigenz in hohem Grade und zeichnet sich ebenso sehr durch Klugheit und Scharfsinn , als Wach- samkeit, Anhänglichkeit und Treue aus. Dieser Eigenschaften wegen wird er mit ebenso grossem Vortheile als Wächter des Hauses, wie auch als Hüter und Lenker der Heerden benützt, die er anführt, zusammenhält, mit Verstand bewacht und mit Muth gegen Feinde vertheidiget. Unaufliörlich umkreiset er in Abwesenheit des Schäfers die ihm anvertraute Heerde, hält sie ab bebaute Felder zu betreten, und treibt einzelne, entlaufene Stücke zusammen. Bald lernt er jeden Wink und Blick des Schäfers kennen, und erträgt mit seltener Aus- dauer, jegliche Beschwerde des Hungers und der Witterung. Diese Fertigkeiten erlangt er jedoch keinesweges durch einen vorausgegan- genen langsamen Unterricht, sondern erlernt sie, ohne seinem Herrn besondere Mühe zu machen, leicht und schnell, gleichsam von sich selbst, wobei er durch Geduld, Ausdauer und Muth, wahre Lust an seinen eigenen Fortschritten zu erkennen gibt. Überhaupt besitzt er ein ungewöhnliches Vermögen schnell und leicht zu begreifen, und über- trifft hierin alle anderen Hunde. Gewöhnlich wird er schon mit einem halben Jahre als Wächter der Schafe verwendet, muss aber in der Jugend, der ihm angeborenen Bissigkeit und Heftigkeit wegen, oft 170 gezüclitii?et werden. So beschwerlich dieses Geschäft auch ist, so hält »M- (loch bei guter Behandbuig 8— 10 Jahre bei demselben aus. Auch der Geruchssiiui ist bei ihm sehr ausgebildet, und er wird dess- halb sowohl zur Aufsuchung von TriUlelu, als auch zur Jagd verwen- det. Hauptsächlidi bedient man sich seiner bei der Schweinsjagd und zur Aufsuchung- des Dachses, wenn er des Nachts im freien Felde seiner Nahrung nachzieht. Das Gebell des Haushundes ist laut, klaifend und anhaltend und eine seiner Eigenthümlichkeiten, sein geringer Hang zur Geselligkeit. Der gemeine Wolf (Canis Lupus). (Fig. 39.) Der gemeine Wolf ist das schädlichste und gefürchtetste unter allen europäischen Rauhthieren. Er ist von der Grösse eines grossen Fleischerhundes und hat in seiner Gestalt noch die meiste Ähnlichkeit mit dem Haushunde. Sein Kopf ist dick, die Stirne flach und breit, und die Schnauze gestreckt und spitzig. Die Augen sind schief gegen einander gestellt und zwar weit schiefer als bei irgend einem zahmen Hunde; die Ohren sind kurz, zugespitzt und aufrechtstehend. Der Hals ist dick, der Vordertheil des Leibes breit und stark, der Hinter- theil schmal uiul eingebogen. Die Beine sind ziemlich lang und kräftig, und der ziemlich lange, weit über das Fersengelenk reichende, etwas buschige Schwanz, wird vom Thiere entweder hängend oder zwischen die Hinterbeine eingezogen, und nur bisweilen auch gerade ausgestreckt getragen. Die Behaarung ist dicht, lang und rauh, am längsten am Unterleibe und den Schenkeln, und insbesondere am Schwänze, wodurch derselbe buschig und in der Mitte etwas dicker erscheint. Am gröb- sten ist das Haar am Halse, und an den Seiten aufrechtstehend. Die Farbe wechselt nach den Jahreszeiten. Im Sommer ist sie auf der Oberseite des Körpers röthlichgrau, im Winter fahl- oder gelblichgrau mit Schwarz gemischt, indem die einzelnen Haare in schwarze Spitzen endigen; auf der Unterseite bingegen weisslichgrau oder schmutzig- weiss, und nur auf der Vorderseite des Halses und der Brust in's Gelb- braune ziehend und mit Schwarz gemischt. Die Beine sind an der Aussenseite gelblichbraun, an der Innenseite weisslichgrau und die Vorderbeine au ihrer Aussenseite, insbesondere bei alten Thieren, mit einem schwarzen Streifen gezeichnet. Ein äludiclier, aber minder deutlicher schwarzer Streifen findet sich bisweilen auch bei alten 171 Thiercii an der Aussenseite der Hinterbeine. Die Stirne ist weisslich- grau mit Schwarz gemischt, die Schnauze gelblichbraun mit schwarzer Mischung. Die Lippen sind weisslieh, die Wangen gelblich und bis- weilen undeutlich schwarz gestreift. Die Aussenseite der Ohren ist schwärzlichbraun und an ihrem Grunde befindet sich ein gelblich- brauner Flecken, Der Schwanz ist von der Farbe der Oberseite des Körpers, und an seiner Spitze waltet die schwarze Farbe vor. Die im hohen Norden lebenden sind viel heller gefärbt und erscheinen im Winter bisweilen fast ganz weiss. Die Länge des Körpers beträgt bei erwachsenen Thieren gewöhnlich Sy, Fuss, jene des Schwanzes IVaFuss, und die Höhe am Widerrist 2 1/3 Fuss. Das Weibchen unterscheidet sich vom Männchen durch einen etwas niedereren und schwächeren Körperbau, eine spitzere Schnauze, und einen dünneren Schwanz. Neugeborne Junge sind von weisslichrother Farbe. Der gemeine Wolf findet sich nicht nur in den gemässigten, sondern selbst auch in den nördlichsten Gegenden von Europa und Asien. In Amerika wird er durch eine andere Art vertreten. In Europa erstreckt sich seine Heimath von den Pyrenäen und den Alpen bis nach Lappland, in Asien, vom Kaukasus bis nach Kamtschatka. Russland, Polen, Schwe- den und Norwegen sind diejenigen europäischen Länder, wo er am häufigsten vorkommt. Dagegen ist er aus vielen cultivirten Gegenden verdrängt worden und erscheint in denselben nur zeitweise, wo er bei strengen Wintern aus den benachbarten Ländern, die dermalen seine eigentliche Heimath bilden, meist nur einzeln, und selten in grösserer Zahl heriiberstreift. So ist er in Deutschland fast gänzlich ausgerottet und kommt nur bisweilen aus Polen und Ungarn nach Österreich und Preussen, oder aus Frankreich, wo er noch immer ziemlich häufig ist, in die Gegenden am Rhein. In früheren Zeiten war er indess in Frankreich weit häufiger als jetzt, und selbst noch 1797 wurden nach Reendigung der Revolution, in diesem Lande allein 7351 Stücke von diesem gefährlichen Raubthiere erlegt. Aber auch selbst in Deutschland gehörte er noch vor 200 Jahren zu den häufig vor- kommenden Thieren, da gegen das Ende des dreissigjährigen Krieges zwischen 1648 und 1649 blos im Fürstenthume Lüneburg 182 Wölfe getödtet Avurden. Dermalen ist er in den bewohnteren Gegenden von Süd- und Mittel-Europa Avohl nur auf die Pyrenäen und Alpen beschränkt, obgleich er auch hier nicht mehr so häufig als in früheren Zeiten sjetrofien wird. Aus England und Irland ist er dacegen schon 172 seit ungerähr zwei Jahrhunderten gänzlich ausgerottet worden. Sein Aufenthalt sind einsame, stille Gegenden und Wildnisse, insbesondere grosse, düstere Wälder und Dickichte, oder Brüche mit morastigen und trockenen Stellen. In den südlicheren Ländern sind es vorzüglich die höchsten Gebirgswälder, welche ihm zum Aufenthalte dienen, in den nördlicheren dagegen ausgedehnte Steppen. Seine Lebensweise ist mehr eine nächtliche, denn den Tag über hält er sich die längste Zeit im Frühjahre im dichtesten Gebüsche und Gehölze, und im Sommer meist im Schilfe und hohem Getreide verborgen, und streift nur zur Nachtzeit einzeln oder paarweise, seltener aber auch in kleinen Rudeln, oft meilenweit herum, um seinem Raube nachzugehen; niemals gräbt er sich aber Höhlen in die Erde. Überhaupt ist sein Aufenthalt sehr unbeständig. In der Regel lebt er paarweise mit seinem Weibchen, und nur selten einzeln; zur Zeit des Winters aber gesellt er sich in jenen Ländern, wo er häufiger ist, zu ziemlich zahlreichen Rudeln zusammen. Der gemeine Wolf ist das gefrässigste, und wenn ihn der Hunger quält, auch das fürchterlichste unter allen europäischen Raubthieren, das kein grösseres Thier und selbst auch nicht den Menschen schont. Alle unsere Thiere fällt er an, Wild sowohl als Hausthiere und reisst alles nieder, was ihm vorkommt. Meistens geht er allein oder mit seinem Weibchen auf Raub aus, um dem Wilde nachzustellen, das er, indem er es verfolgt, ermüdet; fällt Rehe und Hirsche, und im Norden auch Renn- und Elennthiere unter lautem Geheule an, und ist nicht minder ein höclist gefährlicher Feind für Schaf-, Ziegen- und Rinder- heerden. Häufig schleicht er sich in die Hürden und Ställe derselben ein und tödtet gewöhnlich, insbesondere wenn er nicht einzeln kommt, mehr Schafe , Ziegen oder Kälber , als er zu verzehren vermag. Mit Leichtigkeit trägt er ein Schaf oder eine Ziege in Eile mit sich fort, indem er das getödtete Thier fest in seinem Rachen hält und den Leib desselben sich über die Schultern schlägt, um die Hauptlast auf dem Rücken zu tragen. Nicht selten greift er aber auch die Heerden im Freien an und versteht es mit grosser Sicherheit ein einzelnes Stück mitten aus denselben wegzuholen. Ebenso raubt er auch Federvieh und im Nothfalle selbst Hunde von der Kette. Zur Zeit des Winters, wo er sich gewöhnlich zu ganzen Rudeln zusammenrottet, geht er in Gesellschaft auf den Raub und vollbringt seine Jagd unter grässlichem Geheule. Finden sie an einem Orte nichts , so ziehen sie weiter und legen oft in einer einzigen Nacht mehrere Meilen Weges zurück. Auf 173 diesen Zügen laufen sie gewöhnlich in einer Reihe hinter einander her, wobei die folgenden immer in dieFuss-Spuren des vorangeeiltcn treten, so dass es schwer wird zu erkennen, ob nur einer oder eine grössere Zahl von Wölfen vorbeigeeilet ist. Bei Hunger fällt er auch, und zwar meistens in Gesellschaft, Pferde und erwachsenes Rindvieh an, insbesondere wenn sie des Nachts über auf der Weide bleiben; auch wagt er sich selbst an Wildschweine und bisweilen sogar an Bären, wenn er zu grösseren Gesellschaften vereiniget ist. Bei strengen Wintern, wo er, wenn er einzeln ist, meist den Gebirgszügen oft in weiten Strecken und nicht selten über 100 Stunden folgt, setzt ihm der Hunger oft gewaltig zu. Dann verschmäht er auch Aas nicht und zer- malmt mit seinem kräftigen Gebisse selbst die stärksten Knochen, oder verschont, wenn sich ihm Gelegenheit bietet, selbst seines Gleichen nicht. Vorzüglich trifft dieses Loos kranke oder verwundete Wölfe. Nur wenn es ihm an jeder thierischen Kost gebricht, nimmt er seine Zuflucht auch zur Pflanzennahrung und begnügt sich bei höchster Noth sogar mit Moos und Baumknospen. Ja im hohen Norden, wo ihm bis- weilen jede Nahrung mangelt, verzehrt er sogar unverdauliche Dinge, um seinen Hunger zu stillen, wie Reste von alten Kleidungsstücken und Garn, die mit dem Kehricht aus den Schiffen geM^orfen werden und die er an den Küsten, in der Nähe von Ansiedelungen, zur Zeit der Nacht sorgfältig aus dem Kehricht hervorsucht. Den Menschen fällt er nur dann an, wenn ihn der äusserste Hunger dazu zwingt. Hat er indess einmal Menschenfleisch gekostet, so lauert er beständig auf diese Nahrung, schleicht sich in die Dörfer ein, raubt Kinder und gräbt sogar Leichen aus der Erde. Solche Wölfe, welche Leichen aus der Erde scharren, dem Menschen besonders nachstellen und dadurch den Einwohnern höchst gefährlich werden, werden mit dem Namen Wehrwölfe belegt. Besonders lockend soll die Ausdünstung gewisser Menschen für sie sein. Der Muth des Wolfes steht in keinem Verhältnisse zu seiner Kraft und Grösse; denn er ist furchtsam und feig, so lange er hinreichende Nahrung findet, und nur der Hunger ist im Stande diese Furchtsamkeit in Kühnheit zu verwandeln. Ist er nur einigermassen gesättiget , so flieht er vor einem Hunde , Aveicht einer Kuh oder einem Ziegenbocke, wenn sie ihre Hörner ihm ent- gegenstellen, ja selbst einer Heerde Schafe, wenn sie sich zusammen- drängen und ihre Köpfe gegen ihn richten. Auch durch Hörner- schall und den Klang anderer Instrumente kann man ihn verjagen, 174 so wie durch das Klirren mit einer Kette, so lange er sicli nicht durch Hunger gequälet fülilt. Ist diess aher der Fall, so ist mau durch kein Mittel im Staude, ihn zu vcrscheuclien, weder durch Funkenschiagen, das er doch sonst sehr fürchtet, noch seihst durcli den Knall der Flinte. Seine Dreistigkeit und Verwogenheit geht dann üher alle Gren- zen, und wird er in die Enge getriehcn, so vertheidiget er sich im Bewusstsein seiner Kraft und Stärke, wüthend mit seinem zermahnen- den Gebisse. In Gegenden, wo er häufig ist, gehört es insbesondere zur Zeit des Winters keinesweges zu den Seltenheiten, dass er zu ganzen Hotten vereiniget, Reiter und Fuhrwerke verfolgt und angreift, Pferde vor dem Schlitten oder Wagen überfällt, und selbst den Men- schen trotz der tapfersten Gegenwehr gewältiget. Solche Rotten sind für Reisende höchst gefährlich, und mau darf es niemals wagen, ohne gute Schiessgewehre, oder wohl gar uubewaffnet oder einzeln, derlei Gegenden zur Zeit des Winters zu durchziehen. Bei seiner ungeheueren Esslust fällt dem gemeinen Wolfe der Hunger äusserst schwer; doch ist er im Stande ziemlich lange zu hungern, Avenn es ihm nur dabei nicht auch an Wasser gebricht, das er am wenigsten zu entbehren vermag. Wenn auch seine List im Allgemeinen nur geringe ist, so ist er doch sehr schlau und vorsichtig bei seinem Raube. Er weiss die Thiere, deren er sich bemächtigen will, so zu überraschen, dass es ihnen, wenn sie ihm auch an Grösse und Stärke gleich sind oder ihn hierin auch selbst noch übertreft'en, nur selten gelingt, ihm zu entgehen. Einzelne Pferde, Rinder, Hirsche, Renn- und Elennthiere fällt er nur an, indem er ihnen in den Nacken springt, da er sorgfältig ihren Waffen auszuweichen sucht. Werden sie indess von ganzen Rudeln überfallen, so suchen sich zwar die Pferde mit ihren Hufen, die Rinder mit ihren Hörnern, und Hirsche, Renn- und Elennthiere mit ihren Geweihen und starken Füssen, in denen sie eine solche Kraft besitzen, dass sie einen Wolf mit einem Sclilage zu tödten im Stande sind, gegen die andringende Menge zu vertheidigen, wer- den aber ungeachtet ibrer Stärke inuner ein Opfer der l'bernracht. Jagt eine solche Rudel Wölfe nach einem Hirsche oder einem ande- ren grösseren Thiere, so vertheilen sie sich, jagen es einer dem anderen zu, um es zu ermüden, oder Aerrennen dem flüchtigen Tliiere den Weg, während einer es zu Hoden reisst, um es dann mit seinen Gefährten gemeinschaftlich zu verzehren. In der Ausbildung seiner Sinne steht er dem zahmen Hunde durchaus nicht nach; denn 175 so wie dieser, hal mich der gemeine Wolf einen überaus feinen Geruch und ein sehr scharfes Gehör. Er wittert seinen Raub schon in weiter Ferne, und weiss genau, welches Thier es ist, dessen Spur ihn leitet. Ist diess nach seinem Geschmacke, so sollen andere Thiere, welchen er auf seinem Zuge begegnet, wie man behauptet, vollkom- men sicher vor seinem Anfalle sein, indem er an ihnen vorüberzieht, ohne sie zu beachten. Aas wittert er schon in der Entfernung einer Viertelmeile. Bei seinen Überfällen ist er überaus vorsichtig und behutsam, um ja seine Freiheit und sein Leben nicht einer Gefahr auszusetzen. Daher verlässt er seinen Hinterhalt niemals, ohne vor- her genau ausgespürt zu haben, dass er auch viJllig sicher sei, und vermeidet mit grosser Sorgfalt jedes Geräusch bei seinem Zuge. Sein Argwohn ist so gross, dass er jedem Stricke, jeder Öflnung aus- weiclit, da er sie nur für eine gelegte Schlinge oder Falle hält. Aus eben diesem Grunde vermeidet er auch durch ein offenes Thor in einen Hof einzudringen, wenn es ihm anders möglich ist über die Einfriedigung desselben, sei es Hecke oder Mauer, hinüberspringen zu können, und wenn er angebundene Thiere nur im äussersten Noth- falle angreift, so beruht diess wohl gleichfalls nur auf dieser Vorsicht. Dagegen macht ihn der Hunger so dreist, dass er bei trübem Wetter, Nebel, Regen und Schnee, sich bis an die Hecken der Viehställe schleicht und sich unter ihrer Schwelle einen Eingang in dieselben gräbt. Hier würgt er dann Alles was er trilft, und ist so in sein Geschäft vertieft , dass er weder durch Schüsse noch durch Schellen zu verscheuchen ist, so sehr er beides sonst auch scheut. Ist er ein- mal in einen Hof eingebrochen, so wagt er Alles, um ein Schaf, eine Ziege, ein Schwein, einen Hund oder ein Stück Federvieh davonzu- schleppen. Seine Lieblingsnahrung besteht in Lämmern, jungen Schweinen und Gänsen. Trifft er letztere auf der Weide, so würgt er einige derselben, legt ihre Hälse kreuzweise über einander und trägt sie in seinem Rachen davon. Aber auch Hasen, Kaninchen, Hamster, Ratten, Mäuse , Maulwürfe und Waldvögel weiss er listig zu erschleichen, wenn es ihm an grösseren Thieren gebricht. Seine Esslust ist so gross, dass er ein Reh, ein Hirschkalb, ja selbst zwei Schafe auf eine Mahlzeit zwingen kann. Wird er hierbei gestört, so kehrt er später zu dem Reste zurück, um ihn vollends zu verzeh- ren. Nach gepflogener Mahlzeit pflegt er sich zu wälzen, und um die Knochensplittern aus seinem Magen zu entfernen, geniesst er zuweilen 176 auch Gras , so wie der zahme Hund. Mit grosser Geschicklichkeit weiss er den getödleten Thiereu das Fleisch aus der Haut heraus- zuscliäleu, ohne dieselbe bedeutend zu verletzen. Seine Stärke ist sehr gross und insbesondere besitzt er eine bedeutende Muskelkraft im Nacken; daher er im Stande ist ein Schaf, eine Ziege, ohne alle Anstrengung im vollen Laufe und selbst springend mit sich fortzu- tragen. Im Laufe ist er sehr rasch und flüchtig, und im Gehen gleicht er dem zahmen Hunde, obwohl seine Schritte weiter ausgreifen und sein Gang, wiegen des eigenthümlichen Baues des Hintertheiles, etwas lahm erscheint. Seine Stimme besteht nicht in einem Gebelle, wie beim zahmen Hunde, sondern in einem lauten, widrigen Geheule, das er insbesondere bei grosser Kälte ertönen lässt, und um seine Gefährten zu sich zu locken. Fängt einer zu heulen an, so folgen die anderen nach, und zwar die Alten in tieferen Tönen als die Jungen. Wie die meisten Fleischfresser, so hat auch der Wolf einen verpe- stenden Athem. Zu seinen besonderen Eigenschaften gehört aber der eigenthümliche , höchst widrige und allen Thieren unausstehliche Geruch, den er überhaupt verbreitet, und der noch weit stärker und widriger ist als beim Fuchse. Dieser durchdringende Geruch haftet so fest an den Händen, wenn man seinen Balg berührt, oder denselben abzieht, dass es längere Zeit erfordert, um denselben los zu werden. Allenthalben w^o man auf die Spur des Wolfes trifft, wird er verfolgt, und nur selten entgeht er seinem Tode. Entweder wird er in Gruben, die mit Baumästen und Stroh überdeckt sind, gefangen, oder in grossen eisernen Fallen. Meist aber, und zwar in allen bevölkerteren Gegen- den, werden besondere Treibjagden auf ihn gemacht, wo er entweder durch Schüsse, Trommel- und Pfeifenschall in Netze getrieben und darin todt geschlagen, oder durch ausgestellte Schützen geschossen wird. Hunde , welche nicht eigens zur Wolfsjagd abgerichtet sind, greifen ihn nicht an, insbesondere wenn sie dem Geschlechte nach verschieden sind. Auch sind die Wunden, die der Wolf dem Hunde reisst, gefährlich und oft schwer zu heilen. In Asien wird er in anderer Weise verfolgt. So jagen ihn die Kirgisen, indem sie den Goldadler auf ihn beizen, während ihn die Kosacken in Kamtschatka an Angeln fangen, die sie mit Köder an ihre Häuser hängen, nach welchen der Wolf springt und an denen er auch hängen bleibt. Auf eine ganz eigenthümliche Weise tödten ihn die Tschuktschen. Sic rollen zu die- sem Behufe spitze Riemen spiralförmig fest zusammen, lassen sie mit 177 Eis lunfi'ieren und bestreichen diese Eisballen dann mit Butter, um sie dem Wolfe als Köder zu legen. Gierig verschlingt er diesen Ball; bald aber thauet das Eis im Magen auf, die Riemen drängen sich aus einander und bohren sich so in die Magenhaut ein, dass die heftigsten Schmerzen eintreten und der Wolf nicht mehr im Stande ist zu ent- tliehen. Der grosse Schaden, welchen der Wolf dem Menschen zufügt, zwingt denselben, kein Mittel unversucht zu lassen, ihn zu vertilgen; daher wird er auch häufig, wo es ohne Gefahr für Hunde oder Schweine geschehen kann, vergiftet. Gewöhnlich geschieht diess mit Brechnuss oder den sogenannten Krähenaugen, die entweder in Würsten oder in frisch gefallenen Thieren, die man dem Wolfe als Köder legt, in hinreichender Menge angebracht werden. In Sibirien ist diese Art der Vergiftung mittelst Brechnuss oder auch mit Sublimat, die in Würsten oder Butterkugeln eingemengt, als Köder gestreut werden, ganz gewöhnlich. Trifft der Wolf auf einen solchen vergifteten Köder, so frisst er ihn hastig, stirbt aber schon in kurzer Zeit und wird meist ganz in der Nähe desselben todt gefunden. Die Zeit der Paarung fällt bei älteren Thieren auf das Ende des Decembers und währt bis Anfang Januars; bei jüngeren hingegen, tritt sie erst mit Ende Januars ein und währt bis Anfang Februars. Die Tragzeit erfordert zwei einen halben Monat bis eilf Wochen, und das Weibchen wirft in einsamen, düsteren Wäldern, entweder in einem selbstgegrabenen Loche, unter Baumwurzeln oder an einem Ufer, oder nicht selten auch in einem alten verlassenen Dachs- oder Fuchsbaue, den es vergrössert, auf ein mit Moos ausgelegtes Lager, je nach ihrem Alter, 3 — 9, gewöhnlich aber 4 — 6 Junge, die 10 Tage blind bleiben und 5 — 6 Wochen an der Mutter saugen. Sie verbirgt sie so lange, bis sie laufen können, sorgfältig vor anderen Wölfen und selbst vor ihrem eigeneuMännchen, um sie der Gefahr zu entziehen, von denselben aufgefressen zu werden. Auch vermeidet sie in der Nähe ihrer Jungen einen Baub zu begehen, um dadurch dieselben ja nicht zu entdecken. Wittert sie bei der Zurück- kauft nach ihrer Abwesenheit die Spuren von Menschen, so trägt sie, wie die Füchsinn, ihre Jungen im Bachen, indem sie sie am Halse fasst, an einen anderen Ort. Überhaupt liebt und pflegt sie sie mit grosser Zärtlichkeit und vertheidiget sie muthig bei jeder Gefahr. Den Jungen kaut sie anfangs ihre Nahrung vor und füttert sie mit kleinen Thieren, die sie ihnen bringt, rupft und vorlegt, bis sie im Stande sind die ihnen lebend gebrachten Thiere, mit denen sie vorerst (Naturgescliichte.) 12 178 nur spielen, selbst zu tödten und aiicli /u verzehren. Erst dann führt sie das Männchen zu den Jungen, wenn diese so weit gezogen sind, dass sie seihst zu würgen heginnen. Auch das Männchen soll die, Tungen zärt- lich liehen und treu beschützen, obgleich es die llerheischleppung der Nahrung für dieselben nur allein der Mutter üherlässt. Die Jungen Ader- lässen dieselbe auch nicht früher, als bis zu ihrernächsten Paarungszeit, und schon nach dem zweiten Jahre sind sie ausgewachsen und selbst zur Fortptlanzung geeignet. Das Lebensalter, welches der gemeine Wolf erreicht, beträgt 12 — 15 Jahre. Altgefangene Thiere lassen sich schwer zähmen und bleiben immer wild; junge hingegen, insbesondere wenn man sie noch blind bekommt und an einer Hündinn säugt, wer- den sehr leicht zahm und lassen sich selbst abrichten, obgleich sie bei zunehmendem Alter misstrauisch , tückisch, boshaft und bissig werden. In Persien werden sie zum Tanzen abgerichtet, wo man sie zur Ergötzung des Volkes ihre Künste machen und wie einen zahmen Hund mit mehreren Menschen gefahrlos kämpfen lässt. Auch in Deutschland sind schon mehrmals von Thierführern Wölfe gezeigt worden, welche zu allerlei Kunststücken abgerichtet Avaren, über Stöcke und durch Reife sprangen, sich auf Befehl ihres Herrn, so Avie der zahme Hund, auf dem Hintertheile aufrichteten und dergleichen mehr. In der Gefangenschaft, die der Wolf sehr gut und dauernd erträgt, gCAvohnt er sich auch sehr leicht an einen Hund, a\ enn dieser jung mit ihm aufgezogen wird, und gcAvinnt denselben eben so lieb als seines Gleichen. Man kennt auch viele Beispiele, dass sich der Wolf in der Gefangenschaft mit dem zahmen Hunde und zA\'ar mit verschiedenen der grösseren Racen desselben bastardirt habe, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass eine solche Bastardirung auch im freien Zustande unter gewissen Umständen bisAveilen stattfinde, wodurch sich vielleicht einige dem Wolfe sehr nahe stehende Racen, insbesondere des hohen Nordens, erklären Hessen. Die Bastarde, welche man in der Gefangenschaft erzielte, glichen meist mehr dem Wolfe als dem Hunde, da gewöhnlich die Wölfinn die Mutter Avar; und insbesondere scheinen auch jene Wölfe diH'ch Bastardirung mit dem Hunde entstanden zu sein, Avelche mit ehier fünften Afterzehe an den Hinterbeinen versehen sind. Der Umstand, dass die Wolf- Bastarde fruchtbar sind, hat manche Naturforscher verleitet, den gemeinen Wolf für die Stammart des zahmen Hundes zu betrachten. So sehr er aber auch in seiner Organisation mit dem zahmen Hunde 179 übereinkommt, so ist er doch in sehr vielen und wichtigen Beziehungen von demselben unterschieden. Niciit blos so manclie äussere Merkmale, welche den Wolf selbst von dem wolfiilmlichsten zahmen Hunde unter- scheiden, sprechen gegen diese Annahme, sondern auch die völlige Verschiedenheit in seinem Charakter und seinen Sitten. Während der Hund für die Geselligkeit geboren scheint, lebt der Wolf einsam oder nur mit seinem Weibchen, und gesellt sich nur dann zusammen, wenn er durch Hunger genöthiget allein nicht ausreichen kann, sich Nahrung zu verschaffen. Auch ist die natürliche Abneigung, welche zwischen diesen beiden Thieren besteht, so gross, dass sie sich stets sorgfältig zu meiden suchen und im freien Zustande nur unter ganz besondern Umständen einander vielleicht bisweilen nähern. So Avie der Hund, so unterliegt auch der Wolf zuweilen der Räude und der Tollheit, und so wie dieser wird er auch im Alter mühselig und blind. Der grösste Nutzen, welchen wir vom Wolfe ziehen, besteht in seinem Winter- felle, welches als Pelzwerk benützt und zu Mänteln, Mützen, Muffen, Pferdedecken u. s. w. verwendet wird. Die schönsten Felle werden aus Schweden, Russland, Polen und Frankreich nach Deutschland gebracht und oft mit 5 — 6 Thalern bezahlt. Je Aveisser sie sind, desto mehr werden sie geschätzt, und diess ist insbesondere bei jenen W ölfen der Fall, welche im höheren Norden leben. Ausser dem Pelze verwendet man aber auch die Haut hie und da zu Handschuhen, Pauken- und Trommelfellen. Die Zähne dienen, in Griffe gefasst, den Malern, Kupferstechern, Goldschmieden, Vergoldern und Buchbindern zur Glättung und Polirung bei ihren Arbeiten. Das grobe Fleisch des gemeinen Wolfes , welches auch selbst gebraten nicht einmal die Hunde fressen wollen , wird nur von den Kalmücken , Tungusen und den ärmsten Lappländern gegessen. Eine merkwürdige Abart des gemeinen Wolfes ist der schwarze Wolf (Canis Lupus LycaonJ, welcher lange für eine eigene Art gehalten wurde. Er ist in der Regel etwas kleiner, einfarbig, von hellerer oder dunklerer, bis- weilen sogar tief schwarzer Farbe, mit einem weissen Flecken auf der Brust, und bisweilen auch weisslichen Lippen. Diese Abart, welche übrigens immer nur einzeln getroffen, aber für wilder als der gewöhnliche Wolf gehalten Avird, scheint ausschliesslich nur den gebii'gigen Gegenden anzugehören, und wurde bisher sowohl in den Pyrenäen, als in den Gebirgszügen Siebenbürgens und der Bukowina gefunden. 12* 180 Der gemeine Schakal (Canis aureus). (Fig. 40.) Der gemeine Schakal steht rücksichtlich seiner Körperhiidung in der Mitte zwischen dem Wolfe und dem Hunde und hat im Allgemeinen ziemlich grosse Ähnlichkeit mit dem Haushunde. Weniger nähert er sich dem Fuchse, den er auch an Grösse etwas ühertrifTt, ohne jedoch die Grösse des Wolfes zu erreichen. Seine Gestalt ist schlanker als jene des Wolfes, sein Kopf viel kürzer als der des Fuchses, seine hald mehr hald minder schmächtige Schnauze stumpfer, die Stirne gewölhter, und auch die Backen sind weniger aufgetrieben als bei diesem. Die Nase ragt wenig über die Oberlippe hervor und ist nackt und feucht; die Zunge ist glatt, die Pupille rund. Die Ohren sind aufrechtstehend, scharf zugespitzt und kürzer als die des Fuchses. Dagegen sind die Beine höher und die Zehen mit kurzen Krallen ver- sehen. Der Schwanz ist nur von massiger Länge, reicht kaum bis an das Fersengelenk, und wird während des Laufes gerade ausgestreckt, sonst aber zwischen die Beine eingezogen getragen. Die Behaarung ist ziemlich lang und rauher als beim Fuchse. Der Schwanz ist etwas länger behaart als der Leib, insbesondere gegen seine Spitze, und erscheint dadurch in der Mitte dicker und gegen das Ende zugespitzt, doch bei weitem nicht so buschig als beim Fuchse. Unter dem gröberen Grannenhaare befindet sich feines Wollhaar. Die langen Schnurren stehen in sechs Beihen auf der Oberlippe. So wie der Hund hat auch der Schakal sieben borstentragende Gesichtswarzen. Die Färbung, Avelche jedoch nach den verschiedenen Ländern, über welche der gemeine Schakal verbreitet ist, ziemlich bedeutenden Ver- änderungen unterliegt, besteht bei der gemeinsten, am Kaukasus und in der Levante vorkommenden Form, welche als Stammart betrachtet werden muss, auf der Oberseite in einem schmutzigen Fald- oder Graugelb, welches auf dem Nacken und Rücken melir, auf den Seiten weniger in's Schwarze fällt und bisweilen gleichsam schwarz gewellt erscheint, indem die einzelnen Haare, insbesondere am Bücken, von vier abwechselnd gestellten Farbenringen umgeben sind, von denen der unterste weiss, der folgende schwarz, der dritte fahlgelb und der vierte, welcher die Spitze bildet, wieder schwarz ist. Die Kehle ist weisslich, die Unterseite gelblichweiss oder gelblichroth. Der Kopf ist (djen röthlich und mehr oder weniger mit längeren, grauen Haaren 181 gemengt, die in ihrer Mitte und am Ende schwarz geringelt sind. Die Lippen sind schwarz, die Ohren an ihrer Aiissenseite braunroth, an der Innenseite weiss; die Fasse hräunlichfahl oder gelhiichroth, wohei die Aussenseite der Arme und Schenkel lebhafter roth gefärbt erscheint, und am vorderen Handgelenke befindet sich fast immer ein mehr oder minder deutlicher schwarzer Flecken. Der Schwanz , welcher meist von derselben Färbung wie der Rücken oder bisweilen auch gegen das Ende zu mehr röthlich ist, endiget in eine schwarze Spitze, wobei die einzelnen Haare an ihrem Grunde weisslich oder röthlich, bis zur Spitze aber schwarz sind. Die Länge des Körpers beträgt 2 Fuss 33/4 Zoll, jene des Schwanzes 10 Zoll, die Höhe am Widerrist 1 Fuss 51/2 Zoll. Die Heimath des gemeinen Schakals ist auf einen Theil von West -Asien und wenige Länder im Süden des östlichen Europa beschränkt. Von den kaukasischen Provinzen erstreckt er sich einer- seits von den Vorbergen jenseits desTerek, über die südlichen Gehänge des Kaukasus durch Turgestan nach Persien und in die Levante, andererseits nach Nepal, Ost-Indien und selbst Ceylon, während er in Europa nur in Morea, und in Dalmatien auf der Halbinsel Punta oder Sabioncello, sowie auf den zu diesem Lande gehörigen Inseln Giupana, Corzola und dem Scoglio Jaclian getroffen wird. Auf dem Festlande von Dalmatien und den Inseln des ost-indischen Archipels fehlt er. In früheren Zeiten scheint er eine grössere Verbreitung gehabt zu haben, da er einst auch noch nordwärts vomTerek herumstreifte, wo er der- malen nicht mehr zu finden ist, und sicher auch in Griechenland häufig und wahrscheinlich auch auf dem Festlande im Süden von Dalmatien zu treffen war. Im Kaukasus, am Kur, und am kaspischen See, sowie in der persischen Provinz Laar, in der unteren und Central-Region von Nepal und in der Provinz Dekan in Ost-Indien, ist er in ziemlicher Menge vorhanden, besonders häufig aber ist er in der Levante. In Syrien, Ägypten, Algier und Senegambien, in Nubien und TripoHs, soAvie am Cap, wird er durch andere verwandte Arten vertreten, die oft grosse Ähnlichkeit in der Farbenzeichnung mit einander haben, sich aber durch Körperverhältnisse von einander unterscheiden. Er hält sich mehr in bergigen als offenen Gegenden auf, und zwar in Wäldern, wo er sich bei Tage in schmalen, meist tief verborgen lie- genden Felsspalten und ähnlichen Schlupfwinkeln versteckt hält, ohne jedoch selbst unterirdische Baue anzulegen. Er lebt geselhg und zeigt sich höchstens bei Tage bisweilen einzeln, während er zur Nachtzeit nie 182 allein geM, sondern stets in grossen Schaaren, die nicht selten selbst bis zu 200 Stücken stark sind, auf Raub auszieht. Seine Lebensweise ist eine nächtliche, denn er verlässt niemals freiwillig seine Schlupf- winkel vor Einbruch der Dämmerung; dann aber streift er die ganze Nacht hindurch in zahlreichen Schaaren weit umher, um seine Nahrung aufzusuchen. Während des Tages verhält er sich vollkommen still, dagegen beginnt sein Geheul schon mit Sonnenuntergang, währt die ganze Nacht hindurch und endet erst am hellen Morgen. Dieses höchst unangenehme, Avidrige Geheul, welches oft durch hundeartiges Gebell unterbrochen wird, klingt bald scharf, bald wehniüthig und verhallend, und gleicht bisweilen, insbesondere wenn es aus der Ferne tönt, dem Hülferufe oder Schmerzlaute eines Menschen. Häufig heult einer nach dem anderen, bald einzeln, bald im ganzen Chore, und heult selbst einer in der Ferne, so fallen alle anderen ein. Dieses fortwährende Geheul ist insbesondere für den Ungewohnten höchst beschwerlich, da es nicht nur die nächthche Ruhe häufig stört, son- dern nicht selten auch die ganze Nacht hindurch den Schlaf unmögUch macht. In den Städten des Orients vernimmt man auf den Terrassen an stillen Sommerabenden dieses widrige Geheul fast täglich und in solcher Nähe, dass man glauben könnte, die ganze Horde sei schon in die Stadt gezogen und im RegrilTe in die Häuser einzufallen. Noch unheimlicher aber ist für den Reisenden dieses Geheul in den oft weit ausgedehnten, öden Mauertrümmern verfallener Städte in der Wüste, wo zur Nachtzeit nicht selten die Schakale ihre Wohnung aufschlagen. Sie sind überaus gefrässig und werden, selbst wenn sie sich hinreichend gesättiget haben, sehr bald wieder hungerig. In minder bewohnten Gegenden nähren sie sich in ähnlicher Weise wie die Füchse, indem sie schwächere Säugethiere oder Vögel beschleichen, jagen aber auch nicht selten in ganzen Rudeln von 100 bis 200 gemeinschaftlich nach Rehen, Bezoar- Ziegen und Gazellen. Auch stellen sie besonders unbewachten Ziegen und Schafen nach, fallen in die Heerden ein und richten grosse Verwüstungen unter denselben an. Wo sie häufig sind, dringen sie während der Dunkelheit der Nacht auch in die Dörfer und Städte, lesen die auf den Strassen befindlichen Abfälle zusammen oder verzehren die todten Thiere, welche in manchen Gegenden des Orients auf den Strassen liegen bleiben. Häufig fallen sie auch selbst in geschlossene Höfe ein, rauben Schafe und Federvieh aus den Ställen, oder besuchen schlecht verwahrte Vorrathhäuser, die ihnen im Nothfalle 183 mancherlei zurNahrung darbieten. Sie fressen anch Obst, lieben insbe- sondere Traubon, und nehmen im Nolh falle auch mit Pflanzenwurzeln verlieb, um sich damit den Hunger zu stillen. Sehr grosses Wohlgefallen haben sie an Aas, dem sie weithin nachziehen. So begleiten sie in Ost- Indien den Königstiger, um die Überbleibsel aufzuzehren, die er bei sei- nen Mahlzeiten zurückliisst, und verrathen daselbst nicht selten durch ihr Geheul dem Menschen die Nähe jenes gefährlichen Feindes. Aber auch Begräbnissplätze suchen sie auf und wühlen sich Zugänge zu den nicht selir tief verscharrten Leichen , was ihnen auch stets gelingt, wenn die Gräber nicht sorgfältig genug durch Steine und Dornhecken verwahret sind. Ebenso folgen sie auch des Aases wegen den Zügen der Karawanen und Armeen oft in weiter Ferne nach. Wenn sie auf Raub ausziehen , treten sie ihre Wanderung anfangs langsam und mit nach vorwärts herabhängendem Kopfe an; finden sie aber eine Spur, so verfolgen sie dieselbe raschen Laufes, wobei sie den Wolf selbst an Schnelligkeit noch übertreffen, und fallen, wenn sie nahe genug gekommen sind, ihre Beute gewöhnlich plötzlich an. Vor dem Men- schen haben sie wenig Misstrauen und scheuen ihn auch nicht, wenn er ihnen zufällig auf ihren Raubzügen in den Weg tritt. Auch thun sie ihm nur selten etwas zu Leide und diess blos, wenn sie der äusserste Hunger dazu zwingt. Man kennt nur wenige Beispiele, dass sie erwachsene Menschen angefallen oder wohl gar zerrissen haben; dagegen schonen sie aber Kinder nicht, wenn sie sie allein treffen, tödten sie und fressen sie auf. Die Schakale sind so frech und zudringlich und so wenig f.cheu vor dem Menschen, dass sie nicht nur im Freien schlafenden Personen Alles, selbst Kleidungsstücke, wie Schuhe, Stiefel und Hüte, auch Zäume und dergleichen weg- stehlen und mit sich fortschleppen, sondern sich selbst in Zelte und Stuben wagen, um Leder- und Esswaaren, sogar Brot und Käse zu rauben. Durch diese Frechheit werden sie in manchen Gegenden, wo sie häufig sind, zu einer wahren Landplage, denn nur schwer und blos durch Schäferhunde sind sie abzuhalten, die sie fürchten und vor denen sie auch fliehen. Diese allein nur sind im Stande, ihre Besuche in den Dörfern zurückzuweisen, selbst wenn sie in grossen Schaaren nach denselben ziehen. Wird ein einzelner angegriffen, so helfen die anderen ihn zu vertheidigen, so weit es der Trieb der Selbsterhaltung nur gestattet. Gegen den Herbst zu trifft man die Schakale in der Regel meist gut genährt und fett. Unerträglich aber 184 ist der üble Geruch, den sie verbreiten. Die Ranzzeit, welche nur einmal im Jalire eintritt, fällt in den Frühling. Nach 7 Wochen wirft das Weibchen 5 bis 8 Junge, für welche es ebenso wie der Fuchs, ein besonderes Lager bereitet. In der Gefangenschaft wird der Schakal, insbesondere wenn er jung eingefangen wird, weit zahmer als der Fuchs, lässt gerne mit sich spielen, schmeichelt seinem Herrn und zeigt durchaus keinen Hang zu beissen. Sehr gut verträgt er sich auch mit Hunden, mit denen er so wie mit seines Gleichen spielt. Ebenso leicht bastardirt er sich auch mit dem Hunde und zeugt mit demselben fruchtbare Bastarde. Diese haben indess immer manche der üblen Eigenschaften des Schakals, sind bissig, gefrässig und räu- berisch und niemals treue, aufmerksame Wächter. Sie zeigen eine besondere Neigung zu wühlen, machen weite und sichere Sprünge, bellen sehen, und sind überhaupt nicht sehr verträglich. Ein solcher Bastard vom griechischen Schakal und dem grossen Windhunde scheint der Hund der Spartaner gewesen zu sein, den die alten Griechen für einen Bastard von Hund und Fuchs hielten, wie denn überhaupt im grauen Alterthume häufig der Schakal mit dem Fuchse verwechselt wurde; denn schon in der Bibel wird seiner mehrmals unter diesem Namen erwähnt, obgleich daselbst offenbar verschiedene Arten mit einander verwechselt werden. Ohne Zweifel ist er aber auch der Thos und Goldwolf der Alten, und seines eigenthümlichen Geheules wegen bei denselben schon berühmt geworden. Bei den Persern heisst er Sjechaal und bei den Türken Chical, woraus die Benennung Schakal entstanden ist. Sein Fell, welches noch vor drei Jahrhunderten in Europa als Pelzwerk benützt und selbst ziemlich theuer bezahlt wurde, findet heut zu Tage keinen Gebrauch mehr und hat auch kei- nen Werth, indem das Haar zu grob und Überfluss an schöneren Fellen vorhanden ist. In Persien fängt man den Schakal, um ihn zu vertilgen, in Fallen, ähnlich jenen, in welchen man in Russland Füchse und Wölfe zu fangen pflegt. Doch wird er bei der osmanischen Bevölke- rung im Orient fast allenthalben geduldet. In Ost-Indien glaubt man ihn dadurch von den Gräbern entfernt halten zu können, dass man getrocknete und gepulverte Kalmuswurzel auf dieselben streut. Wäh- rend alle europäischen Reisenden des Schakals nur mit Widerwillen in ihren Berichten gedenken, finden die Orientalen >N'ohlgefallen an seinen Sitten und schmücken häufig ihre Erzählungen mit einer Schil- derung desselben aus. Manche Naturforscher betrachten den Schakal 185 für den Stammvater des zalimeii Hundes und liuldigen der Ansieht, dass er sich im Laufe der Zeiten durch Zähmung und Cultur in den- selben umgewandelt habe. Die klimatischen Al)änderimgen des gemei- nen Schakals sind: der dalmatinische Schakal (C.aurcufi dalmatinns), bei welchem die Lippen weissHch, der Bauch heller als der Rücken und die Aussenseite der Ohren fuchsroth gefiirbt sind, und der griechische Schakal (C. aureus graecus) , bei welchem auf dem Rücken, dem Kreuze und dem Schwänze die schwarze Färbung weit mehr vorherrschend ist, und die Oberlippe, die Unterseite des Halses und des Leibes, mit Ausnahme der hinteren, sich etwas in"s Fahle ziehenden Bauchgegend, von weisser Farbe sind. 2. Gattung. Fuchs (Vulpes), Die Gliedmassen sind fast von gleicher Länge. In der Aftergegend ist keine Drüsentasche vorhanden. Die Vorderfüsse sind fünfzehig, die Hinterfüsse vierzehig. Die zwei hintersten Backenzähne im Ober- und Unterkiefer sind höckerig. Der Schwanz ist lang und buschig. An der Wurzel seiner Oberseite befindet sich eine Absonderungsdrüse. Die Pupille ist länglich. Der gemeine Fachs (Vulpes vulgaris). (Fig. 41.) Der gemeine Fuchs, welcher schon seit den ältesten Zeiten durch seine Schlauheit und List eine gewisse Berühmtheit erlangt hat, gehört jedenfalls zu den schädlicheren unter den europäischen Raubthieren. Sein Kopf ist breit, die Stirne platt, und die Schnauze, welche sich plötzlich verschmälert, lang, dünn und spitz. Die Augen sind schief gestellt, und die Ohren am Grunde breit, ziemlich lang, aufrecht stehend und spitz. Der Leib ist schlank und erscheint nur durch die Behaarung dick, der Hals ist ziemlich kurz. Die Füsse sind dünn uiul kurz, und der lange, buschige Schwanz wird gerade aus- gestreckt getragen. Die Behaarung ist reichlich, dicht und weich. Die Färbung besteht im Allgemeinen auf der Oberseite in einem dunklen Rostroth oder Gelbroth, wobei die Haare an ihrer Wurzel heller sind. Stirne, Schultern, und der Hintertheil des Rückens bis zur Schwjjjizwurzel, sind mit Weiss überlaufen, indem die einzelnen Haare an diesen Stellen in eine weisse Spitze endigen. Ebenso ist auch die Aussenseite der Hinterbeine mit Weiss gemengt. Lippen, 186 Backen und Kehle sind weiss, und ein weisser Streifen zieht sich an den Beinen herab. Brust und Baucli sind aschgrau, die Weichen weissgrau, indem die Haare an ihrem Grunde bläulichgrau gefärbt sind. Die Vorderfüsse sind rüthlicb, die Ohren so wie die Fussspitzen sammt einem Theile des Mittelfusses schwarz. Der Schwanz ist rostroth odergelbroth, schwärzlich überlaufen und endiget in eine weisse Spitze. Die Länge des Körpers beträgt 2 Fuss 3 1/3 Zoll, jene des Schwanzes 1 Fuss 4 Zoll, die Höhe am Widerrist 1 Fuss 2% Zoll. Das Weibchen unterscheidet sich durch einen etwas schlankeren Bau und vorzüglich durch eine spitzere Schnauze. Der gemeine Fuchs unterliegt mancher- lei Abänderungen in Bezug auf die Färbung seines Felles, insbeson- dere nach den verschiedenen Klimaten, in denen er vorkommt. Die gewöhnlichste Färbung ist die rostrothe und diese Füchse werden Birk- oder auch Both- oder Goldfüchse genannt. Doch gibt es auch Abän- derungen, bei welchen Brust und Bauch mehr oder weniger braun oder schwärzlich sind. In seltenen Fällen sind Bauch und Füsse weiss und schwarz gefleckt, während der Schwanz fast zur Hälfte weiss ist. Noch seltener sind ganz schwarze, bei denen nur die Schwanzspitze weiss ist. Auch halbschwarze trifft man bisweilen, wo die Seiten des Halses und Leibes oder auch nur des Bückens, mehr oder weniger breit mit weissen oder grauen Haaren besetzt sind; doch sind bei diesen die Spitzen der Hinterzehen so wie die Schwanzspitze immer weiss. Am seltensten ist die ganz weisse Abänderung, welche auch bisweilen mit wenigen schwarzen Haaren an der Schwanzspitze, mit fahlgelben Ohren und Füssen, oder mit einzelnen röthllchgelben oder rothen Flecken erscheint. Der gemeine Fuchs ist über einen grossen Theil der nördlichen Hälfte unserer Halbkugel oder der alten Welt ver- breitet. In Europa erstreckt sich seine Heimath von Piemont, der Lombardie, Dalmatien und der Krim, bis in den hohen Norden, und reicht in Asien vom Kaukasus durch ganz Sibirien südlich bis gegen den Himalaya uud nördlich bis Kamtschatka. In Nord-Afrika findet er sich am häufigsten in der Sahara und hinter der ersten Kette des Atlas, seltener hingegen im Gebiete von Algier am Fusse des Atlas, in der Ebene Metidscha. Im südlichen Theile von Italien, in Ägypten und Nord -Amerika wird er durch andere verwandte Arten ersetzt. In Europa ist er sehr gemein, insbesondere in den nördlicheren Gegenden, noch häufiger aber im Norden von Asien. Er lebt paarweise oder einzeln und keinesweges gesellig, weniger in hochstämmigen 187 Wäldern, als an Waldsäumen oder an leicht bebuseliten, theilweise hügeligen Gegenden, in der Nähe kleiner Dörfer und einzeln stehender Häuser. Als Wohnung dienen ihm entweder selbst gegrabene Baue, die er sich meist im dichten Gehölze, seltener im freien Felde in der Nähe von Gebüschen, meist an abhängigen Niederungen oder unter Baumwurzeln anlegt, wo der Boden trockener und nicht zu steinig ist, oder auch Dachsbaue, die er bisweilen zur Hälfte gemeinschaftlich mit demselben bewohnt und sich nach seinem Bedürfnisse erweitert, oder aus denen er den Dachs vertreibt, indem er ihn stets beunruhigt und neckt, oder den Eingang zu dem Baue mit seinem stinkenden Unrathe verunreinigt. Ein solcher Fuchsbau hat einen ansehn- lichen, bisweilen bis 50 Fuss betragenden Umfang und eine Tiefe von 3 — 6 Fuss, und besteht aus einer grösseren oder kleineren Anzahl von ovalen, meist 3 Fuss im Durchmesser haltenden Kammern, die mit langen, sich vielf\ich durchkreuzenden Gängen oder Bohren zahlreich nach Aussen münden, und durch eine besondere Bohre wieder mit einander in Verbindung stehen. Von der letzten dieser Kammern führt eine sehr enge Bohre meist erst senkrecht in die Erde, dann in einem Bogen aufwärts steigend, in einen runden Kessel von 3 y« Fuss Höhe und 3 Fuss Breite, der keinen ferneren Ausgang mehr hat und die Schlafkammer und letzte Zufluchtsstätte des Fuchses bildet. Solcher Kessel befinden sich höchstens zwei in einem Baue. Ausser diesem Baue legt sich der Fuchs aber auch ])isweilen nur eine einfache Bohre in der Erde an, welche den Boden gerade durchläuft und welche ihm blos als Fluchtröhre dient. Der gemeine Fuchs ist mehr ein ansässi- ges, als ein herumschweifendes Thier. Seine Lebensweise ist eine halbnächtliche, denn den Tag über bringt er meist im dichten Gebüsche oder im Schilfe trockener Teiche, seltener, und zwar vorzugsweise zur Zeit der Paarung, in seinem Baue zu, während er erst des Nachts auf Baub ausgeht. Er liebt, so wie der Hund, die Sonnenwärme und legt sich bei schönem Wetter gewöhnlich vor seinem Baue auf einen alten Stamm oder Baumstock, oder auch auf einen Stein, um sich zu sonnen. Seine Nahrung besteht in Hirsch- und Behkälbern, Lämmern, Hasen, Kaninchen, Igeln, Hamstern, Maulwürfen, Wasserratten, Mäu- sen, allerlei Federwild und Hausgeflügel. Doch geniesst er nebstbei gerne auch Waldbeeren und Obst, und insbesondere stellt er den Trauben nach. Ebenso liebt er auch Honig, Wespen -Larven und Eier, und wenn sich ihm Gelegenheit bietet, auch Milch und Käse. 188 Im Notlifalle frisst er auch Eidechsen, Schlangen, Frösche, Kröten, Fische, Krebse, Käfer, Heuschrecken, Nackt -Schnecken, Regen- würmer, Fehl- und Gartenfriichte, und zur Zeit der höelistcn Noth selbst Menschenkotb und Aas. In sehr strengen Wintern wagt er sich, zu mehreren vereinigt, sogar an alte Rehe. Er hat einen ausser- ordentlich feinen Geruch und ist daher im Stande, seine Reute sowohl als seinen Feind schon in einer Entfernung von 200 — 300 Schritten zu entdecken. Mit grosser Schlauheit versteht er, dem Winde ent- gegen, auf dem Rauche an ein Thier zu kriechen, um dasselbe, wenn er nahe genug gekommen, durch einen schnellen, sicheren Sprung zu haschen, so dass selbst das tUichtige Repphuhn oft noch in der Luft von ihm ergriffen wird. Misslingt ihm ein solcher Sprung, was übri- gens nur selten geschieht, so zieht er sich langsam und gleichsam beschämt auf seiner Spur zurück und misst den Raum mit seinen Schritten, um zu sehen, um wieviel er sich versprungen hat. Das meiste Wild fängt er auf der Lauer mit Hülfe seiner List. Er kennt genau die Stellen, wo sich das Wild hinlagert, und durchschleicht langsam und bedächtig jene Gegend nach allen Richtungen, um ja kein Stück zu übergehen oder durch Aufscheuchung die vorhandene Beute zu verjagen, wodurch es ihm gelingt, nach und nach sich aller im Lager sitzenden Hasen und aller brütenden Wald- und Feldhühner zu bemächtigen. Erblickt er einen Hasen längs einer Hecke herbei- kommen, so legt er sich dicht an dieselbe auf die Erde nieder und ver- fehlt selten seinen Fang, wenn er ihm zum Sprunge kommt. Junge Hasen verfolgt er in der Ebene und fällt sie zuweilen unverhofft in ihrem Lager an; den Kaninchen spürt er in ihren Gehegen nach und sucht eben so die Nester der Repphühner und Wachteln auf. An Bäumen und im Gebüsche überfällt er brütende Vögel auf den Eiern, denen er vor den Hecken auflauert, und richtet eine grosse Menge derselben zu Grunde. Ebenso sucht er schon am frühen Morgen und selbst zu wiederholtenmalen des Tages Schlingen und Leimruthen in Wäldern und Gebüschen auf, um die gefangenen Vögel fortzuschleppen. Den Feld- mäusen zieht er förmlich nach und spielt sich mit ihnen, wenn er sie fängt, so wie die Katze, bevor er sie verzehrt. Den Igel, der zu sei- ner Lieblingsnahrung gehört, zwingt er sich aufzurollen, indem er ihn mit seinem stinkenden Harne bespritzt. Besonders stellt er den Bienen, Hummeln, Wespen und Hornissen nach, deren Nester er auf- sucht und zerstört, um den Honig und die Larven auszufressen. Häufig 189 wird ei" hierbei (liireh die vielen Stiche, die ihm beigebracht werden, in die Fkicht gejagt. Doch sncht er die lästigen Thiere mit seinem Schwänze abzuwehren, und durch Reiben an Bäumen und Steinen oder durch Wälzen auf der Erde zu erdrücken, um sie durch fortgesetzte Besuche endlieh zu nöthigen, das Nest zu verlassen. Ist er dadurch der Mehrzahl derselben los geworden, so scharrt er gemächlich die Nester aus, frisst Honig und Larven und schleppt den Rest derselben mit dem Wachse fort. Überhaupt raubt der gemeine Fuchs mehr durch List als durch Gewalt und sein Verstand kommt ihm hierbei mehr zu Statten, als die Kraft und Gewandtheit seines Körpers. Im vollkommenen Einklänge mit seiner List und Schlauheit, worin er fast alle anderen Thiere übertrifft, steht aber auch seine ausserordentliche Vorsicht, Überlegimg und Furchtsamkeit. Seine Sicherheit gilt ihm über Alles, daher Aven'det er auch seine Mittel immer nur zur rechten Zeit und bei rechter Gelegenheit an. Durch diese ihm angeborene Vorsicht ist sein Leben auch mehr gesichert, als das Leben anderer Raubthiere. Er vermeidet sorgfältig eine Heerde anzufallen und weicht den Schafen ebenso wie den Hunden aus. Niemals raubt er auch in der Nähe seines Aufenthaltes oder wohl gar auf seinem eige- nen Baue. Ist ihm eine Beute verdächtig, so untersucht er sie vorerst genau und entschliesst sich eher sie zu verlassen, als sich irgend einer Gefahr hinzugeben. Aus diesem Grunde unterlässt er auch todte Körper von Thieren wegzuschleppen und entschliesst sich nur ungerne nach einem ihm gelegten Köder zu schnappen. Glaubt er sich aber sicher, so verwandelt sich seine ihm sonst eigenthümliche Furcht in Frechheit. Langsam und vorsichtig schleicht er sich an die Hühnerhöfe, wohin ihn das Geschrei der Hühner, Gänse oder Enten lockt, springt über die Zäune oder zwängt sich durch eine Spalte der Umzäunung oder selbst des Stalles durch, um dort Alles zu würgen was er findet. Mit grösster Schnelligkeit macht er sich mit einem Theile seiner Beute davon, welche er entweder in seinen Bau trägt oder anderwärts unter Gesträuch, Gras, Laub und Moos vergräbt, oder wohl gar in die Erde verscharrt und mit Laub und Moos überdeckt. Bald darauf kehrt er wieder an den Ort seiner Verwüstung zurück, um einen wei- teren Theil seiner Beute abzuholen, die er auf dieselbe Weise, aber innuer an einer anderen Stelle verbirgt. Diess wiederholt er 3 — 4 mal, bis ihn der Tag übereilt oder er durch Geräusch im Hause abgehalten wird , weitere Versuche zu wagen. Hat er Alles 190 aber in Siclierheit gebracht, dann fängt er erst an es theilweise zu verzehren und holt sich die vergrabenen Reste, wenn er sie benöthiget. In sein(Mii Bane und gewöhnh'cli auch vor demselben findet man auch fast inuner die Knochenreste der getödteten Thiere. Wenn sich ihm Gelegenheit bietet, tödtet er immer mehr als er verzehren kann. Er ist daher ebenso grausam als gefrässig und frisst Alles ohne Unter- schied mit gleicher Gier. Sein Lauf ist schnell, schneller noch als der des Wolfes; auch ist er ijn Stande selbst ziemlich weite Sätze zu machen. Während des Laufes trägt er stets den Sclnvanz gerade nach rückwärts gestreckt, während er beim Gehen denselben auf der Erde schleppt. Wenn er ruht oder auf Raub lauert , liegt er mit nach vorne und rückwärts von sich gestreckten Beinen auf dem Bauche. Sonst sitzt er aber auch auf dem Hintertheile wie der Hund und ist während des Schlafes zusammengerollt, ebenso wie dieser. Sein Schlaf ist fest, und nur wenn er schläft ist es möglich, sich ihm zu nähern, ohne dass er es bemerkt. Seine Stimme lässt der gemeine Fuchs, wenn er erwachsen ist, nur vor dem Eintritte von stürmischen Gewittern, bei grosser Kälte oder zur Zeit der Paarung hören. Junge Füchse hingegen schreien, Avenn sie hungerig sind. Die gewöhnliche Stimme des Fuchses besteht in einem kurzen, klaffenden Gebelle, welches mit einem stärkeren und höheren Laute endiget, der dem Geschrei der Pfauen nicht unähnhch ist. Je nach der Empfindung ist das Geschrei des Fuchses aber auch verschieden. So stösst er ein trauriges Geheul oder knurrende Töne aus, wenn er böse ist oder sich in Gefahr befindet. Nur wenn er von der Kugel getroffen wird, stösst er einen Schmerzlaut aus : bei jeder anderen Verwundung lässt er keinen Laut vernehmen. Zur Zeit des Winters, besonders bei Schnee und Frost, schreit er fast beständig; dagegen schweigt er während des ganzen Sommers, wo er auch zu hären beginnt. Des grossen Schadens wegen, welchen der Fuchs sowohl unter dem Wilde, als unter dem wilden und zahmen Geflügel anrichtet, das er in Menge tödtet und dem er überaus verderblich ist, suclit man ihn so viel wie möglich zu vertilgen. In der Regel jagt man ihn mittelst Dachshunden aus seinem Baue und fängt ihn mit Netzen, die man um die Ausgangs- röhren desselben stellt. Bisweilen kann man ihn aber auch ohne Hund aus seinem Baue treiben, wenn man Wasser in hinreichender Menge in denselben giesst. Flüchtet er sich, wenn mehrere Hunde in den Bau gelassen werden, aber in den Kessel, wo ihm kein Ausweg zur 191 Flucht mehr ühi'ig hleiht, so miiss er ausgegraben werden, wo er dann entweder von den Hunden todt gebissen, oder vom Jäger mit einer eisernen Zange gefasst nnd todt gesclilagen wird. Zur Zeit des Winters, wenn man seinen Aufenthalt durch seine Fälirte im Schnee aufgespürt oder seine Wechsel im Gehölze, die er regelmässig hält, entdeckt hat, schiesst man ihn auch, indem man ihn durch Hunde treibt. Im Frühjahre hingegen wird meist bei Gelegenheit der Schnepfenjagd auch auf ihn Jagd gemacht. Bei alten Füchsinnen gelingt es bisweilen mit Vorsicht, sie abzulauschen, wenn sie ihre Jungen auf den Raub führen. Am bequemsten ist es, ihn mittelst Schlageisen zu fangen, zu welchen man ihn nicht sowohl durch den Köder, den man an den- selben anbringt und der für den schlauen Fuchs immer höchst bedenk- lich ist, lockt, sondern viel leichter durch eine dahingeschleppte gebratene Katze. Nicht selten vergehen aber mehrere Tage, elie sich der Fuchs entschliesst, einen solchen Köder anzunehmen, insbesondere wenn ihm auch der Geruch desselben fremd ist. Häufig geschieht es aber, dass er den Köder von der Falle frisst, ohne sich zu fangen. Hat er sich aber nur mit einem Fusse oder mit dem Schwänze in dem Schlageisen gefangen, so beisst er sich denselben ab und ergreift, wenn auch verstümmelt, die Flucht. In manchen Gegenden wird er auch mit Breclmuss -Würsten vergiftet. Wird der Fuchs im Freien von einem Hunde verfolgt, so vertraut er keinesweges ganz seiner Schnellig- keit im Laufe, sondern sucht listig den Hund dadurch zu ermüden, dass er seinen Weg durch Gesträuche und über unwegsame Stellen nimmt. Ist es ihm möglich einen Baum zu erreichen, so springt er mit einem Satze hinauf, um dem Hunde zu entgehen. Seinen gewöhnlichen Zufluchtsort nimmt er aber in seinem Baue. Sieht er sich stark im Gedränge der Hunde oder des Jägers, so vertheidiget er sich hart- näckig und muthig mit seinem Gebisse, lässt sich aber mit einem Stocke todt schlagen ohne zu klagen. Sein Biss ist oft gefährlich, und es ist nicht selten schwer, sich vor demselben durch Stöcke oder Eisenstangen zu bewahren. Die Ranzzeit , m' eiche bei den meisten Füchsen erst im zweiten, bisweilen aber auch schon so wie beim Hunde im ersten Jahre eintritt, fällt auf das Ende Februars. Die Dauer der Tragzeit beträgt 60 Tage oder auch 9 Wochen, und zu Ende des April oder Anfangs Mai wirft das Weibchen gewöhnlich 3 — 6 , aber auch bisweilen sogar selbst bis 9 bhnde Junge, die 10 — 14 Tage Iflind bleiben. Die trächtige Füchsinn verlässt selten ihren Bau, wo 192 sie in eiiier inei.st frisch angelegten Kamuior ihren Jungen ein Lager aus Moos und Haaren bereitet. Die Jungen \verden von der Mutter durch einige ^^^K'hen in ihrem Baue gesäugt, wohin sie ihnen später auch allerk'i Getlügel zur Nahrung bringt. Kelirt sie von ihrem Aus- fhige zu den Jungen zurück, so umkreiset sie aus Vorsicht immer mehrmals den Bau, bevor sie sich hineinwagt. Wittert sie Gefahr, oder bemerkt sie dass die Jungen während ihrer Abwesenheit beun- ruhiget wurden, so trägt sie sie im Maule, indem sie dieselben am Halse fasst, an einen anderen Ort, und sucht sich einen neuen Wohnsitz. Köimen die Jungen aber schon laufen, so führt sie sie in so lange mit sich herum, bis sie selbst ihre Nahrung zu suchen im Stande sind. Das Geschäft den Jungen Nahrung herbeizuschleppen versieht aber auch nicht selten, ebenso wie die Mutter, das Männchen. Die Jungen liegen meist zur Zeit, wenn die Alten nach Nahrung ausgegangen sind, vor dem Baue um sich zu sonnen und spielen mit einander oder nut der lebenden Beute, die ihnen von ihren Altern gebracht wurde, bis sie dieselbe endlieh in Stücke zerreissen und verzehren, wobei jedes seinen Theil knurrend gegen das andere vertheidiget. Die jungen Füchse sind anfangs plump, dick und wollig, wie junge Hunde, von dunkel aschgrauer Farbe und färben sich erst nach und nach weisslich- gelb. Im dritten Monate ziehen sie schon mit den Alten in das Feld, treiben sich munter umher und üben sich im Fangen von Feldmäusen und Heuschrecken, von denen sie die ersteren häufig in die Luft schnellen und wieder mit dem Maule auffangen. Im Herbste, wo sie die Alten verlassen, zerstreuen sie sich und graben oder suchen sich ihre eigenen Baue. Der Fuchs braucht 15 Monate zur Vollendung sei- nes Wachsthums und erreicht gewöhnlich ein Alter von 13 — 14 Jahren. Man kann den Fuchs zwar zähmen, aber niemals vollkommen; denn selbst wenn er jung eingefangen und aufgezogen worden ist, behält er seine ihm eigenthümliche Tücke und Furchtsamkeit, und versucht es häufig selbst gegen seinen Pfleger von seinem Gebisse Gebrauch zu machen. Aus diesem Grunde feilt man auch den in der Gefangen- schaft gehaltenen Füchsen gewöhnlich die Zähne ab, um sich vor der Gefährlichkeit ihres Bisses zu schützen. Die Gefangenschaft erträgt er übrigens nur sehr ungerne, indem er jede Gelegenheit benützt, aus derselben zu entkommen. Mit bewunderungswürdiger Geschicklich- keit versteht er sich aus dem Halsbande herauszuziehen und dadurch der Kette zu entledigen, die ihn gefangen hält. Der äusserst widrige 193 Geruch, den der Fuchs verhreitct, macht ihu aher auch seihst in der Gefangenschaft lästig. Dieser Geruch rührt theils von seinem Harne und seinen Excrementen, theils von einer eigenthümlichen, öligen Feuchtigkeit her, welche aus einer besonderen Drüse ausschwitzt, die auf der Oberseite des Schwanzes bei 21/3 Zoll von seiner Wurzel ent- fernt liegt, und welche, wenn auch an und für sich wohlriechend, mit dem Gestanke des Unrathes gemischt, die Widrigkeit des Geruches der Excremente nur vermehrt. Diese Drüse ist bei den Jägern allgemein unter demNamenViole bekannt, und wegen der Ähnlichkeit des Geruches, welchen die aus derselben ausschwitzende Feuchtigkeit mit dem eines Veilchens hat, mit dieser Benennung belegt worden. Wenn der Fuchs verwundet worden, so beisst er nach dieser Drüse und leckt sich dann die Wunde. Es scheint daher, dass er jene ölige Feuchtigkeit, welche er aus derselben presst, als Heilmittel gegen seine Wunde benützt. Die wesentlichsten Krankheiten, denen der Fuchs ausgesetzt ist, sind die Räude und die Wuth. Mit dem zahmen Hunde verträgt sich der Fuchs bald in der Gefangenschaft, und man kennt manche, wenn auch nicht häufige Beispiele selbst von fruchtbaren Bastardirungen beider Arten. Vorzüglich aus diesem Grunde haben einige Naturforscher auch den Fuchs für den Stammvater des zahmen Hundes , gewiss aber nur mit Unrecht gehalten. Der grösste Nutzen, welchen wir vom Fuchse ziehen, besteht in seinem Felle, das jedoch, wie von den allermeisten Raubthieren, nur im Winter brauchbar ist und ein sehr gesuchtes und auch geschätztes Pelzwerk liefert. Die schönsten Felle kommen aus Kamtschatka, und werden wegen ihrer lebhaft rothen Färbung von den dortigen Bewohnern Ognaenki oder feurige Felle genannt. Über- haupt sind aber alle Felle, welche aus den nördlichen und östlichen Gegenden von Sibirien kommen, schöner in der Färbung und Behaa- rung, und daher auch geschätzter als jene, welche aus den südlicheren Gegenden jenes Landes stammen, und vollends jene aus Europa. Das Fleisch des Fuchses ist keinesweges so schlecht als das des Wolfes und wird nicht blos von Hunden , sondern hie und da auch selbst von ärmeren Menschen gegessen, insbesondere zur Zeit des Herbstes, wo sich der Fuchs vorzugsweise mit Trauben gefüttert und wohl gemästet hat. Sonst ist der Fuchs aber auch noch durch die Vertilgung von Maulwürfen, Feldmäusen und Mäusen dem Haushalte des Menschen nützlich. Fett und Lungen galten einst als Heilmittel, so wie das warme Blut. So listig der Fuchs auch ist und so viele Erzählungen (Natiirg-eschichte.) 13 194 von seinen Streichen sich bewähren, so hat man ihm doch Manches auch nur angedichtet. So ist es blos eine reine Erdichtung, dass er sich auf Fahrwege hinlege, die Zunge ausstrecke und todt stelle, um die Krähen, welche ihn für ein Aas betrachten sollen, hinwegzu- schnappen. Ebenso unwahr ist es, dass er seinen Schwanz in die Waldbäche hänge, um Krebse damit heraus zu ziehen, und vollends, dass er sich der Flöhe dadurch zu befreien suche, dass er mit einem Büschel Moos im Maule rücklings in's Wasser gehe, und wenn sich die Flöhe alle in's Moos geflüchtet hätten, dasselbe fallen lasse und entlaufe. In früherer Zeit, wo man noch mehr Gefallen an grausamen Spielereien hatte, pflegte man lebendig eingefangene Füchse auf starken grossen Tüchern oder Netzen so lange in die Luft zu schnel- len und wieder aufzufangen, bis sie ihr Leben endeten. Dieses grau- same Vergnügen, welches aligemein unter dem Namen „Fuchsprellen" bekannt war, ist in unseren Zeiten der vorgeschrittenen Gesittung gewichen. Als eigenthümliche, constante Abänderungen des Fuchses, welche grösstentheils durch klimatische Verbreitung bedingt sind, müssen betrachtet werden: der Brandfuchs (V. vulgaris Alope.v), der Kreuz- fuchs {V. vulgaris cruciger) und der südliche Fuchs (V. vulgaris meridioiialis) . Der Brandfuchs, welcher mehr den gebirgigen Gegen- den angehört und minder häufig ist, ist etwas kleiner und von gelb- brauner, stark mit Schwarz gemengter Färbung. Die Hinterschenkel sind mehr weiss, und schwarz überflogen ; Brust und Bauch dunkelaschgrau, beinahe schwarz , mit Ausnahme der hell aschgrauen Weichen. Der weisse Streifen an den Vorderbeinen ist sehr undeutlich, und diese sind eben so Avie die Hinterbeine mehr schwarz gefärbt. Der Schwanz ist oben dunkelbraun, unten weissgrau, allenthalben mit Schwarz über- laufen, und endiget in eine schwarze Spitze, mit Avenigen milchweissen Haaren. Sein Fell ist minder geachtet. Der Kreuzfuchs, welcher vor- züglich den nördlicheren Gegenden angehört und insbesondere in Lappland und Sibirien häufiger gefunden wird, unterscheidet sich von der rothen Stammart durch eine schwarze , über den Schultern gekreuzte Längsbinde auf dem Rücken. Der südliche Fuchs endlich, Avelcher in Dalmatien, der Krim, am Kaukasus und in Nord -Afrika getrofl'en wird, ist auf dem Rücken rolh, an den Seiten fahlgelblich. Die Aussenseite der Beine ist riUhiichfahl , an der Vorderseite jedoch vom Fussgelenke bis zu den Zehenspitzen schwarz, Avelche Farbe an 195 den Vorderbeinen noch über das Handgelenk hinanfreieht. Die ganze Unterseite sammt den Lippen, die Innenseite der Ober- und Unter- schenkel und der Arme, mit Ausnahme eines fahh'othen Längsstreifens, sind weiss, mit sehr vereinzehit stehenden, schwarzen Haaren. Die Ohren sind an der Aussenseite schwarz, und der Schwanz endiget in eine weisse Spitze. Bei der afrikanischen Varietät des südlichen Fuchses ist das Roth des Körpers völlig verblasst, so dass der gelbe Ton vorherrscht und die ganze Färbung fahlgelb erscheint. Nur ein Streifen zwischen dem Auge und den Schnurren, der sich noch um die Augengegend herumzieht, ist rostroth. Die ganze Unterseite, die Lippen und die Innenseite der Beine ist weiss; doch haben die meisten Haare unterhalb der Mitte einen schwarzen Ring. An den Vorderfüssen läuft ein schwarzer, bis zu den Zehen herabreichender Längsstreifen. Der Schwanz ist noch blasser als der Rumpf gefärbt, jedoch mit mehr schwarzen Haaren untermengt und amEnde gelbhchweiss. Die Aussen- seite der Ohren ist schwarzbraun. Der Fuchs, welcher Süd- und Mittel -Italien, Sardinien und Sicilien bewohnt, und bis nach Piemont hinaufreicht, ist eine andere Art. 3. Gattung. Hyänenhund (Lycaon). Die Gliedmassen sind fast von gleicher Länge. In der After- gegend ist keine Drüsentasche vorhanden. Die Vorderfüsse sowohl als die Hinterfüsse sind vierzehig. Die zwei hintersten Backenzähne im Ober- und Unterkiefer sind höckerig. Der Schwanz ist mittellang, und nicht sehr buschig. Die Pupille ist rund. Der Hyänenhaud (Lycaon picfus). (Fig. 42.) Der Hyänenhund, welcher, bevor man ihn näher kannte, zu den Hyänen gerechnet wurde, bildet gleichsam einen Übergang von diesen zu den Hunden und steht als Bindeglied in der Mitte zwischen die- sen beiden Gattungen. Er ist von der Grösse eines Wolfes oder Fleischerhundes, und hat in seiner Gestalt grosse Ähnlichkeit mit einem hochbeinigen Hunde. Sein Körperbau ist gross, schlank, eben- massig und leicht; seine Gliedmassen sind hoch, stark und musculös. Der Kopf ist gross und dick, die Schnauze gestreckt, stumpf und breit, und Kiefer und Zähne sind stark. Die Ohren sind gross, sehr lang und aufrechtstehend. Die Zunge ist glatt, der Schwanz dünn, 13» 196 massig lang, uiitl roiclit ungofälir bis zum Fersengelenke. Die Behaa- rung ist dünn, kurz und glatt, insbesondere am Unterleibe und an den Gliedmassen. Der Schwanz ist in seiner letzten Hälfte etwas buschig. Die Ohren sind an ihrer Aussenseite und grösstentheils auch an der Innenseite behaart, nur an ihrem Grunde befindet sich ein nackter Flecken. Wollhaare fehlen fast gänzlich und finden sich nur am Halse und dem Schwänze. Zu gewissen Jahreszeiten, und zwar zur Zeit des Harens, so wie im Alter, erscheint die Haut fast gänzlich nackt. Der Hyänenhund ist eines der buntesten unter allen Säugethieren und durch eine dreifache Färbung ausgezeichnet, welche aus Weiss, Schwarz und Ockergelb besteht und in Gestalt scharf gesonderter Flecken auftritt. Diese Flecken haben nur am Kopfe und Nacken eine gewisse Beständigkeit, während sie am übrigen Körper sehr veränderlich sind. Bei jenen, welche oberhalb des Äquators vor- kommen, ist die weisse Farbe vorherrschend und kann als Grundfarbe angenommen werden ; bei jenen hingegen, welche unter dem Äquator leben, tritt die schwarze an ihre Stelle. Die Flecken sind unregel- mässig und zahlreich, bald grösser, bald kleiner, von sehr verschie- dener Gestalt, und oft über den ganzen Leib vertheilt, wobei die weissen und ockerfarbenen immer schwarz gesäumt erscheinen. Das Gesicht ist von der Schnauzenspitze bis zu den Augen schwarz, und ein schwarzer Längsstreifen zieht sich von da zwischen den Augen und Ohren längs des Scheitels, Hinterkopfes und Oberhalses fort, welche Körpertheile hell ockerfarben sind. Die Ohren sind schwarz, und nur an ihrer Wurzel und dem Bande der Innenseite lichtgelblich. Der Schwanz ist von der Wurzel an bis gegen seine Mitte ockerfarben, dann schwarz, und in seiner grösseren Endhälfte weiss. Die Krallen sind dunkel hornfarben ; die Iris ist braun, und die Körperhaut ist dünn und schwarz. Die Länge des Körpers beträgt 3 Fuss 3 Zoll, jene des Schwanzes 1 Fuss 33/4 Zoll, die Höhe am Widerrist 1 Fuss 10 Zoll. Die Heimath des Hyänenhundes ist Süd- und Central -Afrika, wo er eine sehr weite Verbreitung sowohl gegen Westen als gegen Osten hat und selbst über den Äquator hinaufreicht. Er findet sich sowohl am Vorgebirge der guten Hoffnung und in Congo, wie in Mozambique, Nubien, insbesondere der Wüste Korti, und in Kordofan. Steppen und wüste Gegenden sind sein Aufenthalt, wo er nie allein, sondern stets gesellig in zahlreichen, aus 30 — 40 Stücken bestehenden Biideln lebt. In früheren Zeiten war er allenthalben häufig, während er dermalen am 197 Cap der guten Hoffnung nur noch in den entfernteren Theilen der Colonie, insbesondere zwischen dem Ky Gariep und Klaarwaater in grösserer Menge getroffen wird, obgleich er sich auch jetzt noch zuweilen selbst der Capstadt nähert. Seine Lebensweise hat manche Ähnlichkeit mit der des Wolfes, wiewohl sie in einigen Beziehungen von derselben abweicht und sich mehr der des Hundes nähert. So wie der Wolf, hat auch der Hyänenhund einen angeborenen Hass gegen alle übrigen Thiere, verfolgt sie und jagt ihnen nach. Zu grossen Rudeln vereinigt, unternimmt er diese Nachstellungen häufiger bei Tage, als zur Zeit des Abends und der Nacht, und weiss sich mit grosser List sowohl harmloser, als selbst auch reissender Thiere zu bemächtigen. Insbe- sondere sind es kleinere Antilopen, junge Strausse und andere kleinere Thiere, denen er meist in der Nähe von Brunnen, im Hinterhalte lie- gend, auflauert. Er ist so schnell, dass ihm nur wenige Thiere durch die Flucht entgehen können. Sein Widerwille gegen reissende Thiere ist so gross, dass er selbst Löwen, Panther und Leoparden anfällt, welche er, ungeachtet ihrer grossen Überlegenheit an Kraft, durch die Menge, zu welcher er vereiniget ist, überwältiget und niederreisst. Er hält sich so lange in einer Gegend auf, bis sie von anderen Thieren frei geworden ist, und zieht dann in eine andere, um daselbst seine Jagden fortzusetzen. Auf diese Weise verscheucht er auch die wilden Thiere und es wird behauptet, dass, wo sich der Hyänenhund befindet, sich kein Reisender im Walde vor einem anderen reissenden Thiere zu fürchten habe. DenYiehheerden fügt er indess nicht selten grossen Schaden zu, daher er auch in Süd -Afrika als eine wahre Landplage betrachtet und weit mehr gefürchtet w ird, als die zahlreich dort vor- kommenden übrigen Raubthiere. Besonders fürchtet man am Cap die grossen Verheerungen, welche er unter den Schaf heerden anrichtet, wenn er in ganzen Rudeln unter denselben einfällt und es den Hirten nicht gelingt, diese furchtbaren Räuber schnell genug zu verjagen. Häufig reisst eine solche wilde Horde 60 — 70, ja selbst bis 100 Stücke Schafe nieder, beisst ihnen den Bauch auf, frisst die Eingeweide und entflieht. Die auf diese Weise ausgeweideten Thiere lassen sie, weil sie meist von denselben vertrieben werden, gewöhnlieh zurück, welche dann die Ansiedler nach Hause schaffen, oder schleppen sie auch, wenn noch Zeit dazu vorhanden, theilweise mit sich fort, um sie später unter sich zu vertheilen. Nicht selten laufen sie aber auch mit ihrer Beute geradezu in die Dörfer der Hottentotten und selbst in die Häuser der 198 Europäer in den Ansiedelungen am Cap, ja sogar bis in die Nähe der Capstadt, wo ihnen häufig ihr Raub abgenommen und zu eigenem Gebrauche verwendet wird. Ebenso soll auch der Löwe bisweilen dem Hyänenhunde seine Beute zu entreissen wissen. Selbst grosse Rudeln wagen es niemals, Rinderheerden offen und bei Tage anzugreifen ; dagegen wissen sie einzelne Stücke, wenn sie zur Nachtzeit schlafen, zu beschleichen und beissen denselben die Schwänze mit einem Bisse an der Wurzel ab. In Gegenden, wo er minder reichlich Nahrung findet, wie in Nubien und Kordofan, greift der Hyänenhund, wenn er hungerig ist, auch selbst den Menschen an, und ist desshalb daselbst auch von den Arabern gefürchtet. Dagegen ist in anderen Gegen- den, wie in Congo und am Cap, wo zahlreiche Viehheerden gehalten werden, der Mensch vor seinen Anfällen sicher, und die dortigen Bewohner behaupten daher, dass er dem Menschen nicht nur nichts zu Leide thue, sondern demselben sogar zugethan sein soll. Sie lassen ihn desshalb auch ungescheut in ihre Dörfer und selbst in ihre Höfe kommen, wenn sie nur ihr Yieh vor ihm gehörig ver- sorgt haben, obgleich er bei seinen Besuchen den Colonisten nicht selten auch die aufbewahrten Eier stiehlt. Bei seinen Überfällen ist er eben so kühn als schlau, daher es auch schwer ist ihn zu schiessen. Seine Stimme besteht in einem Gebelle, ähnlich dem des Hundes. Er ist überaus wild und legt seine ihm angeborene Wildheit auch in der Gefangenschaft nicht ab, wo er sich stets trotzig und verrätherisch zeigt. Die Colonisten am Cap der guten Hoffnung haben es öfters versucht, zufällig aufgefundene junge Thiere gross zu ziehen und zu zähmen. Alle Bemühungen waren aber fruchtlos; denn bei zugenommenem Alter wurden sie so wild, bissig und gefährlich, dass man genöthiget war sie zu tödten. Der Hyänenhund wird von den Einwohnern von Nubien und Kordofan Simir, und von den Bewohnern von Congo Mebbia genannt. Am Cap der guten Hoffnung ist er nur unter dem Namen wilder Hund bekannt. In keinem Lande wird sein Fleisch gegessen und selbst die Araber haben einen Abscheu vor demselben, obgleich sie das Fleisch fast von allen übrigen Thieren, ohne Unterschied, geniessen. Einige wenige Naturforscher haben die Vermuthung ausgesprochen, dass der Hyäuen- hund die Stammart unseres gefleckten Hühnerhundes sein könnte, eine Vermuthung, welche nicht nur jeder Begründung, sondern selbst auch jeder Wahrscheinlichkeit entbehrt. 199 4. Gattung'. Hyäne (Hijaena). Die vorderen Gliedmassen sind länger als die hinteren und der Rücken daher abschüssig. In der Aftergegend befindet sich zwischen dem After und dem Schwänze eine Drüsentasche. Die Vorderfüsse sowohl als die Hinterfüsse sind vierzehig. Der hinterste Zahn im Oberkiefer ist allein nur höckerig. Der Schwanz ist kurz, und nicht sehr buschig. Über die Firste des Rückens läuft eine aufrichtbare Mähne. Die gestreifte Hyäne (Hyaena striata). (Fig. 43.) Die gestreifte Hyäne, welche sich mehr durch ihr widriges Aussehen, als die ihr wirklich zukommenden Eigenschaften den Ruf von Grausamkeit zugezogen hat, ist keineswegs so furchtbar als man sie bisher ausgegeben hatte. Sie ist von der Grösse eines Fleischer- hundes, und zeigt einen eigenthümlichen Ausdruck von Feigheit, Trägheit und Hinterlist. Ihr Kopf ist dick, die Stirne breit, die Schnauze kurz, dick, fast walzig, nach vorne etwas ausgeschweift, und stumpf. Die Ohren sind gross, aufrechtstehend und spitz, die Augen klein, mehr nach vorne stehend als beim Hunde, und mit einer länglichen Pupille versehen. Der Hals ist kurz und dick, der Leib zusammengedrückt, stark und gedrungen, am Widerriste weit höher als am Kreuze, wodurch der Hintertheil stark abfällt und der ganze Rücken abschüssig erscheint. Die Reine sind hoch und die Hinterbeine, welche keineswegs viel kürzer als die Vorderbeine sind, erscheinen nur dadurch bedeutend kürzer, weil sie am Fersengelenke stark nach einwärts gebogen sind und sich gegenseitig an dieser Stelle berüh- ren, daher sie wie eingeknickt erscheinen. Die Krallen sind kurz und spitz, aber stark; der Schwanz ist kurz, bis zum Fersengelenke reichend, und M'ird herabhängend getragen. Der Leib ist mit langen Haaren bedeckt, Gesicht und Reine aber sind nur kurz behaart. Die Rehaarung ist struppig, rauh und borstenartig, und über Hals und Rücken zieht sich längs der Firste eine aus fast spannlangen Haaren bestellende Mähne , welche das Thier willkürlich empor richten oder sträuben kann. Der Schwanz ist mit langen Haaren besetzt und erscheint dadurch etwas buschig. Die Ohren sind fast nackt. Die Zunge ist in der Mitte und an der Spitze rauh, wie bei den Katzen. Die 200 Grundfarbe ist schmutzig wcisslicligrau, bisweilen in's Gelbliche oder Röthliclic fallend, und unregelmässige schwärzliche oder auch ab- wechselnd bräunliche und schwärzliche Querstreifen ziehen sich längs der Seiten des Leibes hinab, und laufen auch quer über die Beine und bisweilen auch über den Schwanz, der jedoch meistens nur einfarbig erscheint. Die Haare der Hals- und Rückenmähne endigen in schwärz- liche Spitzen. Die Schnauze ist schwarzbraun oder schwarz; die Ohren sind braun. Die Iris ist dunkel röthlichgelb und die funkelnden Augen leuchten hellgrün im Dunkeln. Die Länge des Körpers beträgt 3 Fuss 1 Zoll, jene des Schwanzes 6 Zoll, die Höhe am Widerrist 1 Fuss 6 Zoll. Der Aufenthalt der gestreiften Hyäne dehnt sich über einen grossen Theil des nördlichen Afrika und des ' westlichen Asien aus. In Nord-Afrika reicht sie von der Küste des Mittelmeeres durch Marokko, die ganze Berberei und Ägypten, bis nach Kordofan, Dongola und Abyssinien; in West-Asien vom süd- lichen Rande des Kaukasus, namentlich der Provinz Talysch, bis in die waldigen und gebirgigen Districte von Ghilan und Mazanderan und in das Altai-Gebirge, die ihre nördlichste Begrenzung ausmachen, und zieht sich von da südlich über ganz Vorder-Asien , durch die Levante, Syrien, Arabien und Persien, bis nach Vorder-Indien, wo sie selbst noch in Dekan ziemlich häufig zu treffen ist. Sie lebt in Gebirgsklüften und Höhlen, die sie sich selbst in die Erde gräbt, meist in den entlegensten Gegenden an der Grenze der Wüsten, oder in tieferen Thälern; auch sucht sie sich bisweilen im zerrissenen Sandboden der Flüsse, wie selbst noch im Delta des Nils ihre Schlupfwinkel auf. Selten ist sie fast nirgends und wird in manchen Gegenden, wie insbesondere in Abyssinien, in ungeheuerer Menge getroffen. Ungeachtet der Häufigkeit ihres Vorkommens lebt sie aber immer nur einsam und einzeln. Sie ist ein wahres Nachtthier, das sich während des Tages in seinen Höhlen, in Ruinen und unter den Trümmern verfallener Gebäude, oder zwischen öden und dunklen Felsen verbirgt, und erst beim Eintritte der Dunkelheit sein Lager verlässt, um die Nacht hindurch auf Raub herumzuschleichen. Ihre Nahrung besteht meist in Schafen, Ziegen, Hunden, Eseln und Gazellen, auch in Hausvögeln, seltener in Pferden und Rindern, vor- züglich aber in Aas , das sie jeder anderen Nahrung vorzieht. Doch verschmäht sie auch Wurzeln und die jungen Sprösslinge der Palmen nicht und geniesst, wenn sich ihr Gelegenheit bietet, auch Talg und 201 Thierfelle. Von lebenden Thieren greift sie in der Regel nur schwache und wehrlose an, am liebsten Lämmer und zahmes Geflügel; doch wagt sie sich auch bisweilen an grössere Heerden und reisst gewöhn- lich das Vieh nieder, das in weiterer Entfernung weidet. Um Aas aufzusuchen schleicht sie sich des Nachts in die Dörfer und selbst in Städte, in deren menschenleeren Strassen sie unbeirrt die nach orientalischer Sitte am Boden zerstreut umherliegenden faulen Reste geschlachteter Thiere aufsucht, ja selbst den mit dem Blute derselben getränkten Strassenkoth frisst, und eingegrabenes Aas aus der Erde scharrt. Sie folgt den Karawanen auf ihren Zügen durch die Wüste nach, um Alles was in Folge von Hitze, Durst und Erschöpfung fällt, nach und nach gemeinschaftlich mit den Geiern zu verzehren, und findet sich auch auf verlassenen Schlachtfeldern zu gleichem Zwecke ein. Ihr Hang nach faulen thierischen Körpern ist so gross, dass sie ebenso wie der Schakal selbst menschliche Leichen aus den Gräbern scharrt. Sie dringt daher nicht selten in die Kirchhöfe ein, ins- besondere wenn diese, so wie diess bei den Beduinen der Fall ist, nicht von Mauern umgeben sind. Doch ereignet es sich auch bisweilen, dass sie selbst von Mauern umschlossene Leichenhöfe besucht, indem sie sich unter der Mauer einen Weg in der Erde durchgräbt. Gelingt es ihr zur Nachtzeit in Bauernhöfe oder Häuser einzudringen, so stiehlt sie Talg oder Thierfelle, wenn sie deren habhaft werden kann und ihr kein besserer Raub zu Gebote steht. Überhaupt raubt und stiehlt sie aber nur zur Nachtzeit. Die gestreifte Hyäne ist überaus gefrässig und frisst mit grösster Gier und Hast. Was sie einmal gefasst, lässt sie nicht mehr los, selbst wenn sie noch so sehr geschlagen oder misshandelt wird. Ungeachtet dieses Heisshungers kann sie aber auch lange fasten. Den Menschen flieht sie und greift ihn nur dann an, wenn sie durch Hunger dazu gezwungen ist oder von ihm gereizt wird ; denn nur der Hunger macht sie kühn. Gelingt es ihr dann in einsame menschliche Wohnungen einzudringen, so beschleicht sie den Menschen im Schlafe und überfällt Kinder sowohl als Erwachsene, wenn es ihr an einem anderen Raube gebricht. Ihre Kraft ist bedeutend und sie ist im Stande mit Leichtigkeit selbst den stärksten Hund zu gewältigen. Ihre Hauptkraft liegt in den starken Muskeln ihrer Kiefer und des Halses, die ihr gestatten, selbst einen menschlichen Leichnam im Rachen fortzuschleppen. Mit grösster Leichtigkeit vermag sie mit ihren kräftigen Zähnen selbst die stärksten 202 Knochen zu zermalmen und was sie damit erfasst so fest zu halten, dass es fast unmöglich ist, es ihr wieder zu entreissen. Ungeachtet dieser Stärke aber und ihrer Raubsucht ist die gestreifte Hyäne feig, scheu und flüchtig, und keineswegs so grausam als man vorgibt. Sie wird daher in ihrer Heimath von den Eingeborenen auch nicht sehr gefürchtet, da sie meist nur Heerden, und selbst die nur mit Vorsicht angreift. Wird sie aber angegriffen, so vertheidiget sie sich mit Hart- näckigkeit und Muth. Auf diese Weise gelingt es ihr selbst den Löwen zu verscheuchen. Ebenso verwandelt sich ihre Feigheit auch in Kühn- heit, wenn sie der Hunger quält. Dann kommt sie in jenen Gegenden wo sie häufig ist, oft heerdenweise in die Dörfer, überspringt die dornigen, bisweilen bis sechs Fuss hohen Umzäunungen der Bauern- höfe und raubt was ihr unterkommt, ohne irgend einen Widerstand zu fürchten. Überhaupt bleibt es immer gefährlich, selbst in Städten, welche die gestreifte Hyäne zur Nachtzeit meist in grösserer Menge besucht, sich über die Strasse zu wagen, weniger aus Furcht ihr zum Opfer zu fallen, da sie fast immer hinreichende und willkommenere Nahrung daselbst findet, als aus wohlbegründeter Besorgniss, von ihr gebissen zu werden. Wegen des Schadens, den sie unter den Haus- thieren anrichtet, wird ihr häufig nachgestellt und gewöhnlich wird sie mit der Kugel geschossen. Doch fängt man sie auch lebend. In Dongola wird sie mittelst Schlingen gefangen und die Neger bedienen sich hierbei eines Sackes, den sie ihr vorwerfen und in den sie sich so verbeisst, dass man sie mit demselben schleppen kann Avohin man will. Die syrischen Bauern verstecken sich in die Höhlen der Hyäne und erwarten ihre Ankunft, indem sie sich den Kopf mit ihren Kleidern überdecken, um sich vor ihren Bissen zu schützen. Kommt sie herbei, so werfen sie ihr die Kleider über den Kopf, legen ihr einen Strick um die Beine und schleppen sie dann fort, was sie, nach der Ver- sicherung derselben, sich ohne Widerstand gefallen lassen soll. Wird sie plötzlich überrascht, so kann man sie selbst an den Ohren fassen und gewältigen, wie diess bisweilen in Abyssinien geschieht. Der Gang der gestreiften Hyäne ist wegen der eigenthümlichen Bildung der Hinterbeine schleppend, lahm und hinkend; doch läuft sie einen raschen Trab und schneller als ein Schwein. Hierbei trägt sie den Kopf gesenkt und krünnnt den Rücken; auch gestattet ihr die Steifheit ihres Halses nicht, den Kopf nach rückwärts zu wenden. Rn- Geschrei, welches sie zur Nachtzeit häufig ertönen lässt, besteht in einem 203 eigenthümliclien, höchst widrigen leisen, heiseren und hochtönenden, fast lachenden Geheule. Aus der zwischen dem Schwänze und dem After hefindlichen, als eine Querfalte erscheinenden Drüsentasche sondert sich eine schmierige , höchst ühelriechende Substanz ab, welche Ursache jenes überaus widrigen Geruches ist, den die gestreifte Hyäne verbreitet. Das Weibchen hat immer nur wenige, höchstens vier Junge, zu denen es keine besondere Liebe zu haben scheint, indem es sie nicht zu vertheidigen sucht, sondern, wenn es überfallen wird, flieht und dieselben zurücklässt. Die Jungen haben eine dichte, feine, aschgraue Behaarung, mit einem schwärzlichen Streifen auf der Firste des Rückens, von welchem jederseits fünf eben so gefärbte Querstreifen nach den Seiten zu verlaufen, und zwischen denen sich auch einige schwärzliche, zerstreut stehende Flecken befinden. Jung eingefangen, lässt sich die gestreifte Hyäne sehr leicht zähmen, ist gutmüthig, lernt ihren Pfleger kennen und wird so folgsam wie der zahme Hund. Sie erkennt die Stimme ihres Herrn, folgt seinem Rufe, freut sich seiner Liebkosungen und erkennt ihn noch selbst nach langer Trennung. Alter gefangen, gelingt es aber nur selten, ihr einen höheren Grad von Zähmung abzuzwingen. Meist bleibt sie wild und fast unbändig, zeigt sich grimmig und wüthend, wenn sie einen fremden Menschen gewahr wird, und ins- besondere wenn sie gereizt wird. Die Gefangenschaft erträgt sie gut und dauernd, indem man sie Aaerzehn Jahre und darüber erhalten kann. Im Alter wird sie meistens staarblind ; auch scheint sie überhaupt nicht älter zu werden als der zahme Hund. Täglich S — 6 Pfund Fleisch, gemischt mit Knochen , reichen aus , sie lange am Leben und bei Gesundheit zu erhalten. Auch kann man sie an Brod gewohnen. Merk- würdig ist, dass die gestreifte Hyäne, welche doch ein wahres Nacht- thier ist, im Zustande der Gefangenschaft ihre Lebensweise ändert und zur Nachtzeit schläft, während sie den Tag über in ihrem Käfige stets umhergeht. Die Römer lernten die gestreifte Hyäne spät erst kennen, und Gordian Ul. war der erste und auch der einzige römische Kaiser, welcher sie bei seinen Spielen dem Volke zeigte. Wenn der Schaden, welchen dieses Thier unter den Hausthieren anrichtet, auch beträchtlich ist, so ist es andererseits für die Bewohner des Orients doch' auch wieder von Nutzen, indem es die Strassen gemeinschaftlich mit dem Schakale vom Aase reiniget, das der Orientale wegzuschafi'en sich nicht die Mühe gibt und das ohne diese Thiere, bei der Schnelligkeit, 204 mit der dieFäulniss unter der drückenden Hitze jenes Himmelsstriches um sich greift, die Luft verpesten und höchst gefährliche Krankheiten herbeiführen würde. Das Fett der gestreiften Hyäne wird von den Arabern gerne gegessen und auch das übelriechende Fleisch von den- selben in Ägypten als Arzneimittel gebraucht. Es gibt wenige Thiere, deren Geschichte mit mehr Fabeln und abenteuerlichen Sagen aus- geschmückt worden wäre, als jene der gestreiften Hyäne, und selbst die Alten schon haben viele Fabeln von ihr erzählt. So glaubte man, dass sie die Stimme des Menschen nachahme um ihn zu locken, dass Hunde blos durch ihren Schatten Stimme und Sinne verlieren, dass sie beide Geschlechter in sich vereinige und zeitweise auch das Geschlecht ändere , wozu offenbar die Aftertasche Veranlassung gegeben hat, und dergleichen mehr. Selbst jetzt noch besteht unter den Arabern die Sage, dass man vom Genüsse ihres Gehirnes rasend werde, und sie vergraben daher auch ihren Kopf, weil sie in dem Wahne leben, dass er von schlechten Menschen zur Zauberei ver- wendet werden könne. Eben so unwahr und übertrieben sind aber auch die vielen Erzählungen von ihrer grossen Grausamkeit und Raub- gier. In der Berberei heisst die gestreifte Hyäne Dubbah, in Syrien Tsuba, in Persien Kastaar, was soviel als sclnveinartiger Fuchs bedeutet, und in Indien Turrus. 2, Familie. Katzen (Fehs). Die vorderen Backenzähne sind schneidig, die hintersten höckerig. Der Reisszahn ist schneidig. Die Krallen sind zurückziehbar. Die Katzen finden sich in allen Theilen von Europa, Asien, Afrika und Amerika. Sie bewohnen theils ebene, theils gebirgige Gegenden, und manche selbst das Hochgebirge, wo sie bisweilen noch in beträcht- lichen Höhen getroffen werden. Vorzüglich sind es Vi^älder, die ihnen zum Aufenthalte dienen, oft aber auch freie, offene, mit Gesträuche bewachsene Wüsten, felsige Gegenden und die schilfreichen Ufer von Flüssen, Bächen und Sümpfen. Manchen der kleineren Arten dienen aber auch Felsspalten, hohle Bäume, verlassene unterirdische Baue und Uferlöcher zu ihrem Aufenthalte. Die meisten jedoch leben nur in Wildnissen und an entlegenen, einsamen Orten, während nur sehr wenige auch in bevölkerteren Gegenden wohnen. Die Lebensweise 20S fast aller Arten ist mehr eine nächtliche, da sie bei Tage meist in ihren Verstecken verborgen sind, und erst des Abends auf Raub aus- ziehen und oft die ganze Nacht undierstreifen. Nur wenige gehen auch während des Tages dem Raube nach. Die Mehrzahl hat auch kein bestimmtes Lager und wählt den nächstbesten sicheren Ort zu ihrem Obdache. Alle führen ein ungeselliges Leben und werden meist nur einzeln, oder nur zu gewissen Zeiten paarweise getroffen. Ihre Hauptnahrung bestellt im Fleische und im Rlute von Säugethieren und Vögeln. Wenige nur verzehren nebstbei auch Amphibien und deren Eier, und selbst Fische. Vielen der grösseren Arten ist Menschenfleisch am liebsten. Einige gehen auch auf Aas und graben selbst Leichen aus der Erde. Fast alle lauern ihrer Beute auf, oder wissen dieselbe zu beschleichen ; nur eine geringe Zahl überlässt es mehr dem Zufalle Beute zu erlangen, und spürt nur dann den Thieren nach um sie zu überfallen, wenn sie der Hunger dazu zwingt. Alle stürzen auf ihren Raub mit einem oder mehreren Sätzen, und die meisten stehen von fer- nerer Verfolgung ab, wenn der Sprung misslingt. Die grösseren Arten scheuen selbst nicht weidende Heerden und fallen sogar grosse Haus- thiere an. Bei argem Hunger besuchen sie auch menschliche Ansiede- lungen , um daselbst zu rauben. Die meisten der grossen Arten sind selbst dem Menschen höchst gefährlich, obgleich sie denselben fliehen und in der Regel nur bei Hunger anfallen, ausser wenn sie schon ein- mal Menschenfleisch gekostet. Fast sämmtliche Arten , mit nur sehr wenigen Ausnahmen, sind äusserst schnell, gewandt und behende, überaus rasch in ihren Bewegungen, und können auch sehr gut klettern; denn nur wenige der grossen Arten sind nicht im Stande Bäume zu erklettern. Manche Arten gehen auch gerne in's Wasser und sind gute Schwimmer. Ihr Lauf ist schnell und ausdauernd, und sie vermögen durchgehends oft sehr weite Sprünge und Sätze zu machen. Beim Gehen treten sie nur mit den Zehen auf. Die grossen Arten sind ausserordentlich kräftig und stark, so dass sie im Stande sind, selbst ein grösseres Thier mit einem Schlage ihrer Tatze zu Boden zu strecken und es ohne Mühe oft durch weite Strecken im Rachen mit sich fortzuschleppen. Alle haben ein sehr scharfes Gehör, das ihnen ihre Beute, so wie die drohende Gefahr schon aus weiter Ferne verräth, und einige auch ein sehr scharfes Gesicht. Fast alle haben die Eigenschaft, dass ihre Augen im Dunkeln leuchten. Die meisten sind durch ihre ungeheuere Blutgier und ihre Mordlust, und viele 206 der grösseren Arten auch diircli ihre Grausamkeit ausgezeichnet. Im Allgemeinen sind sie wild, tückisch, misstrauisch , A'orsichtig, scheu, furchtsam und feig, und nur dann mutliig und kühn , wenn sie durch Hunger genüthiget, oder durch unausweichliche Gefahr dazu gezwungen werden. Manche Arten sind aber auch sanfter, und minder muthig und grausam. Der drohenden Gefahr suchen sie fast durchgehends durch die Flucht zu entgehen, vertheidigen sich aber mit grösstem Muthe und mit Beharrlichkeit bei einem Angriffe sowohl mit ihrem Gebisse als mit ihren Krallen. Manche zeigen sich aber auch selbst in der Gefahr dreist und kühn. Die Zahl der Jungen beträgt zwischen 1 — 6, und bei wenigen Arten bis- weilen selbst sogar bis 12. Bei gewissen Arten kommen die Jungen blind, bei anderen sehend zur Welt. Sie werden in der Begel nur von der Mutter allein, und zwar mit Liebe und Sorgfalt gepflegt, geschützt und vertheidiget. Nur bei wenigen Arten thellt auch das Männchen diese Sorgfalt mit dem Weibchen. Alle Arten lassen sich, wenn sie jung eingefangen werden, mehr oder weniger zäh- men, und manche, selbst von den grösseren Arten, werden so zahm, dass sie nicht nur ihren Pfleger kennen, sondern ihm auch folgen und gehorchen wie ein Hund. Viele zeigen sich sogar anhäng- lich und dankbar, obgleich sie niemals die ihnen angeborene Falsch- heit gänzlich ablegen. Bei zunehmendem Alter werden sie aber meist mürrisch und wild. Manche Arten lassen sich selbst zu Kunst- stücken und einige sogar zur Jagd abrichten. Insbesondere sind es die kleineren Arten, welche oft einen ausserordentlichen Grad von Zahmheit erlangen, und sich gutmüthig und höchst zutraulich erweisen. Einige wenige Arten sind selbst schon seit einem sehr geraumen Zeit- räume in die Zahl unserer Hausthiere aufgenommen worden. Von den meisten wird das Fell als Pelzwerk benützt und von einigen auch die Haut zu Leder verarbeitet. Hie und da wird auch das Fleisch gewisser Arten gegessen. 1. Gattung. Löwe (Leo). Der Schwanz ist lang, und endiget in eine Quaste. Die Krallen sind vollkommen zurückziehbar. Die Ohren sind nicht mit Haarbüscheln versehen. Kopf und Hals sind beim Männchen von einer herabhän- genden Mähne umgeben. Die Pupille ist rund. Die Vorderfüsse sind fünfzehig, die Hinterfüsse vierzehig. 207 Der Berberei-Löwe (Leo barhanis). (Das Männchen Fig. 44, das Weibchen Fig. 45.) Der Berberei-Löwe ist seit den ältesten Zeiten eines der bekann- testen Thiere. Sein Muth, seine Kühnheit nnd Kraft, haben schon im grauen Alterthunie die Aufmerksamkeit der Menschen auf ihn als ein mächtiges Raubthier gelenkt. Von jeher galt er nicht nur für tapfer, heldenmüthig und stark, sondern man pries auch seinen Edelsinn und seine Grossmuth, obgleich sich diese später als sehr übertrieben bewiesen. Diese Eigenschaften waren es, welche im Vereine mit seinem majestätischen, eine gewaltige Kraft verrathenden Ansehen, seinem Ernste und seiner Ruhe, ihm unter dem Volke den Namen König der Thiere zuzogen. Der Berberei-Löwe ist das stärkste, muthigste und berühmteste Raubthier , das grösste unter den katzen- artigen, und stärker, muthiger und wilder als die übrigen Arten von Löwen. In seiner Gestalt spiegelt sich der Ausdruck unbezwinglicher Kraft, des Selbstvertrauens und des sicheren Sieges im Kampfe. Seinen Kopf fast immer hoch emporhaltend und nur selten nach vor- wärts gestreckt, verbindet er mit einem majestätischen Blicke, eine würdevolle, Achtung gebietende Haltung. Insbesondere ist es das Männchen, welchem seine Mähne ein stolzes, würdevolles Ansehen verleiht. Der Kopf ist dick, fast viereckig, und verlängert sich in eine breite, stumpfe, mit langen Schnurren besetzte Schnauze. Die Ohren sind abgerundet, die Pupille des Auges ist rund. Der Vorderleib ist viel stärker als der Hinterleib, indem die Brust breit ist, die Weichen schlank sind. Beim Männchen sind der Rücken, die Seiten, die Beine, der Schwanz bis zu seiner Quaste, und das Gesicht mit kurzen Haaren bedeckt; Kopf und Hals sind von einer ungeheueren, dichten Mähne umgeben, die aus langen, schlichten, in Flechten herabfallenden Haaren besteht, M^elche vorne bis zurHandwm'zel herabreichen, und hinten fast bis zur Hälfte des Rückens und der Seiten , wo sich die ganze Mähne ziemlich gerade abschneidet. Der Unterleih ist ebenfalls seiner ganzen Länge und Breite nach mit einer langen, schlichten, dichten Mähne besetzt, welche bis gegen die Seiten reicht. An den Ellenbogen und dem Vordertheile der Schenkel stehen lange Haarbüschel. Der lange Schwanz endiget in einen kurzen, hornartigen Stachel, der allen Löwen eigen ist, leicht abfällt, und von einer flockigen Quaste bedeckt wird. Die Farbe der mit kurzen Haaren bedeckten Körpertheile ist lebhaft 208 rötliliehgeih, seltener fahlbraun, was aus einem Gemische von theils fahlen Haaren mit schwarzen Spitzen, theils völlig schwarzen Haaren entsteht. Die grosse Kopf- und Halsmähne ist fahl, mit rostschwarzen Haaren untermengt, die insbesondere an den hinteren Seitentheilen der Mähne reichlicher erscheinen, und in schönen schwarzen und fahlen Flechten herabfallen. Von derselben, aus Schwarz und Fahl gemischten Farbe sind auch die Bauchmähne, die Haarbüschel an den Ellenbogen und Schenkeln, und die Schwanzquaste. Die Körperlänge des erwachsenen Löwen beträgt 5 Fuss 6 Zoll, die Länge des Schwanzes 2 Fuss 6 Zoll, die Höhe am Widerrist 2 Fuss 8 Zoll. Die neugeborenen Löwen haben anfangs herabhängende Ohren, die sich erst nach dem zweiten Monate völlig aufrichten, und weder eine Mähne noch eine Schwanzquaste, die erst nach dem dritten Jahre zum Vorscheine kommen. Sie sind mit wolligen, graulichen Haaren bedeckt, am Kopfe und den Beinen schwarz getleckt, an den Seiten, über dem Bücken und dem Schwänze mit zahlreichen, kleinen schwarzen Quer- streifen gebändert, und mit einer schwarzen Längslinie auf der Firste des Bückens versehen. Schon im ersten Jahre nehmen diese schwarzen Flecken und Streifen eine rostgelbe Färbung an und verschwinden im zweiten Jahre, wo sich auch allmählich die Grundfarbe ändert, gänzHch. Die Länge der neugeborenen Löwen beträgt von der Schnauze bis zur Schwanzspitze 1 Fuss bis 1 Fuss 2 Zoll. Die ursprüngliche Hei- math des Berberei -Löwen hat sich über das ganze nördliche Afrika erstreckt, und er war eben so häufig in Ägypten und der Berberei, wie in Fez und Marokko zu treffen. Erst bei Zunahme der Bevöl- kerung und der Cultur, welche dem Menschen wirksamere Mittel zur Gewältigung der reissenden Thiere in die Hand gelegt, ist er von seinem ursprünglichen Wohnorte immer mehr und mehr gegen die südlicher gelegenen Wüsten verdrängt und auch dort schon ziemlich selten gemacht worden. So ist er in Ägypten bereits gänzlich vertilgt, und auch in Algier, wo er noch vor der Besitznahme durch die Franzosen ziemlich häufig war, durch die zahlreichen Nachstellungen geübter Jäger weiter nach Süden verdrängt worden. Die Löwen, welche im hohen Alterthumc Macedonieii und Thessalien in Griechen- land bewohnten, scheinen einer anderen Art, nämlich jener ange- hört zu haben, welche heut zu Tage noch in Persien getroffen wird. Der Berberei-Löwe bewohnt sowohl Gebirge als Ebenen, wo ihm theils Wälder, theils die freie offene Wüste, die nur stellenweise 209 einen höheren Pflanzenwiichs darbietet, zum Aufenthalte dienen, und hält sich am liebsten in der Nähe von kleinen Sümpfen und Gewässern auf. Er lebt einzeln und nur von der Brunstzeit angefangen bis zu einem gewissen Alter seiner Jungen paarweise mit seinem Weibchen. Zu dieser Zeit scharrt er sich an einem geschützten Orte eine flache Vertiefung in den Boden , die ihm als Lager dient. Sonst hat er aber kein bestimmtes Lager und schläft überall, wo er sich sicher glaubt. Seine Gewohnheiten und Sitten sind im Wesentlichen die der Katzen, obgleich sein Betragen in mancher Hinsicht bedeutend von dem der Katzen abv/eicht. Im Allgemeinen ist auch seine Lebensart mehr eine nächtliche, denn den Tag über hält er sich meist verborgen und schläft in seinen Verstecken, während er des Abends auf Raub aus- zieht und oft die ganze Nacht nach Beute sucht, die vorzüglich in Antilopen, Affen und Wildschweinen besteht. Sein schauerliches Gebrüll, das oft die ganze Nacht hindurch ertönt, besteht in einem anhaltenden, tiefen und dumpfen, rollenden Geschreie, das weithin schallt und selbst in beträchtlicher Entfernung gehört werden kann. Das Brüllen ist bei ihm jedoch durchaus kein Zeichen seiner Wuth, denn gewöhnlich erfolgt es nach zu sich genommenem Prasse oder auch bei ungestümem Wetter, und wenn einer zu brüllen anfängt, folgen die übrigen, die sich in seiner Nähe befinden, nach, und zwar sowohl Männchen als Weibchen. Zur Zeit der nächtlichen Gewitter, die er besonders gerne benützt, um sorglos seine Streifungen zu beginnen, mengt sich sein weithin tönendes Gebrüll in schauerlicher Weise mit dem Rollen des Donners, und verbreitet Furcht und Schrecken unter dem geängstigten Wilde, das kaum Muth hat, das Lager zu verlassen. Es ist schwer die Richtung zu erkennen, von woher das Gebrüll erschallt, daher wissen die erschreckten Thiere auch nicht wohin sie ihre Flucht richten sollen und laufen unentschlossen im Dunkel nach allen Richtungen hin und her, wobei sie nicht selten geradezu dem Rachen ihres Feindes entgegen eilen. Gewöhnlich überlässt er es dem Zufalle, dass er ihm Beute schalTt, denn er gehört zu den trägstenRaub- thieren und gibt sich nur dann Mühe Thieren nachzuspüren, wenn er sehr vom Hunger gequält wird, und nur dann fällt er sie gewaltsam an. Er ist durchaus nicht so blutdürstig wie die meisten grossen Katzen-Arten und findet an zwecklosem Mord auch nicht Gefallen, denn er tödtet nur um seinen Hunger zu stillen. Doch ist er hinterlistig und macht selten einen offenen Angriff. Bei Tage , wenn er selbst angreifen will , naht (Naturgfisrhichtp.) 14 210 er sieh langsam und spähend seiner Beute und schleicht sich auch listig seihst an einen mächtigen Gegner heran, um, wenn er ihm nahe genug gekommen ist, ihn mit einem Satze zu überfallen. Gewöhnlich aber lauert er in einem Verstecke in der Nähe des Wassers , wohin die Antilopen und andere Thiere zur Tränke konnnen und hält sich unter Schilf und höherem Gebüsche verborgen, um im günstigen Augenblicke plötzlich auf sein Opfer herzufallen, oder sich mittelst eines Sprunges auf das arglos vorüberziehende Thier zu werfen. Gelingt es ihm nicht, seine Beute nach wenigen Sprüngen zu erha- schen, so lässt er gewöhnlich von ihrer weiteren Verfolgung ab und zieht sich langsamen Schrittes zurück. Mit einem Schlage seiner Tatze ist er im Stande selbst grössere Thiere zu Boden zu werfen. Wenn er auf seine Beute losstürzt, versetzt er ihr zuerst einen Schlag und stösst schnaubend einen heftigen Schrei aus, bevor er sie mit den Zähnen und Krallen zerfleischt. Selten verzehrt er sie sogleich an Ort und Stelle, sondern schleppt sie mit Staunen erregendem Kraftaufwande im Rachen fort in ein entlegenes, oft über eine Stunde weit entferntes Versteck. Seine Stärke ist ausserordentlich, denn ohne Mühe schleppt er Kälber, Antilopen, Wildschweine, ja selbst Kühe und Ochsen eine weite Strecke fort. Ein glaubwürdiger Reisender berichtet, dass er einen Löwen mit einer Kuh im Rachen selbst einen Graben übersetzen sah, und berittene Jäger hatten die Spur eines jungen Löwen tiinf Stunden lang verfolgt, welcher ein zweijähriges Kalb in Eile davon trug, und mit seiner Beute nur an zwei bis drei Stellen angehalten haben konnte, um auf kurze Zeit zu ruhen. Bis- weilen, wenn er grossen Hunger hat und sich Gelegenheit bietet, besucht er auch einzelne Ansiedelungen und holt sich ein Stück Vieh aus den Umzäunungen der Heerde. Überfällt er bei Tage eine Heerde Kühe mit ihren Kälbern, so wird er entweder von ihnen vertrieben oder todtgestossen. Seinen Raub verzehrt er in der Regel nur des Nachts und Morgens und verfällt gesättiget sogleich in tiefen Schlaf. So grimmig er auch ist znr Zeit des Hungers oder wemi er eben frisst, so mild ist er, wenn er gesättiget ist. Fast alle Hausthiere wittern den Löwen, auch wenn er sich nicht durch sein Gebrüll verräth, und zeigen sich ängstlich; nur der Hahn allein bleibt ruhig. Ochsen und Pferde bemerken ihn schon in weiter Ferne und geben sogleich ihren grossen Schrecken zu erkennen. Wenn sie liegen, stehen sie plötzlich auf und geben unverkennbare Zeichen ihrer Unruhe und Beängstigung. 211 Die Ochsen brüllen mit gebrochener Stimme, nnd die Pferde stampfen mit den Hufen in den Boden und drehen sich im Kreise. Sind sie aber eben im Zuge begriffen, so geben sie ihre Angst durch tiefes Athmen zu erkennen, ziehen langsam nur den Wagen und legen sich zeitweise auch auf die Erde nieder. Beim Reiten achtet das Pferd nicht mehr auf die Lenkung des Zügels, sondern reisst aus oder wirft auch selbst den Reiter ab, um schneller zu entfliehen. Folgt dann wirklich der Löwe nach, so verfolgt er nur die Spur des Pferdes und lässt den Reiter liegen, indem er schnell an ihm vorübereilt, ohne dabei ihn zu bemerken. Schafe drängen sich bei Annäherung eines Löwen, so wie sie ihn nur in der Ferne wittern, dicht an einander und blocken ängst- lich, und auch die Hunde werden unruhig, wagen sich nicht von der Stelle, sondern suchen Zuflucht bei dem Menschen, an den sie sich anschmiegen und dem sie schmeicheln, wobei sie sich manchmal völlig still verhalten, bisweilen aber auch in ein dumpfes, trauriges Geheul ausbrechen. Selbst beiniAfTen hat man es beobachtet, dass er die Nähe eines Löwen verspürt, indem er seine Angst durch Zittern deutlich zu erkennen gibt. Den Menschen, vorzüglich aber Kinder, fällt der Löwe nur äusserst selten an und nur dann, wenn er sehr hungerig ist oder von ihm gereizt wird, insbesondere aber wenn er schon einmal Menschenfleisch genossen hat. Es wird behauptet, dass der Löwe, welcher mit dem Menschenfleische schon bekannt geworden ist, das Fleisch der Thiere nicht mehr liebe. Gewiss ist aber, dass er es anderem Fleische vor- ziehe, und dann erst nach dem Pferdefleische, und zuletzt nach dem der Schafe greife, das er weniger als das der anderen Thiere liebt, und daher auch nur selten Schafe raubt. Unter den Eingeborenen und Ansiedlern herrscht der Glaube , dass Neger und Araber mehr seinen Angriffen ausgesetzt seien, als der Weisse. Auch wird von ihnen behauptet, dass der Löwe, während er alle von ihm angefallenen Thiere augenblicklich tödtet, den Menschen, den er überwältiget und unter sich in seinen Krallen hat, nicht allsogleich morde, wenn er sich ruhig verhält, sondern ihm erst später, und zwar unter fürchterlichem Gebrülle, den tödtlichen Schlag mit seiner Tatze auf die Brust versetzt. Nach Aussage der Jäger greift der Löwe kein Thier und keinen Menschen, vorausgesetzt, dass sie nicht vor ihm fliehen, an, ohne sich vorher in einer Entfernung von 10 Schritten niedergelegt und seinen Sprung abgemessen zu haben. Wenn ein unbewaffneter Mensch einem Löwen begegnet, so ist Muth und Geistesgegenwart das einzige 14- 212 sichere Rettungsmittel. Wer entflieht, ist unrettbar verloren, es sei denn, dass es dem Fliehenden gelingt, sich schnell genug auf einen hohen Baum zu flüchten, wohin der Löwe ihn zwar durch einen Sprung verfolgt, dort aber bei einem genügenden Vorsprunge ihn nicht erreichen kann, indem er nicht im Stande ist, ihm nachzuklettern. Doch bleibt diess immer sehr gefährlich, da der Löwe den Baum durch lange Zeit bewacht und oft 24 Stunden unter demselben liegen bleibt, bevor er ihn verlässt. Wer aber beim Zusammentretfen mit einem Löwen ruhig stehen bleibt, den greift er auch nicht au, und selbst wenn er sich schon zum Sprunge niedersetzt, so wagt er nicht ihn aus- zuführen, wenn man ilim unbeweglich in^s Auge sieht. Hat er den leichten Kampf mit einem Menschen nicht schon einmal versucht, so flösst ihm die Gestalt desselben eher Furcht und Misstrauen in seine eigene Kraft, als Muth und Selbstvertrauen ein, und eine ruhige Haltung des Körpers verstärkt diesen Eindruck mit jedem Augenblicke, der nur dann eine Störung erleidet, wenn man durcli unbedachtsame Bewe- gung die eigene Furcht verräth oder ihn zur Vertheidigung aufreizt. Bei ruhiger Haltung erhebt sich der besonnene Löwe aber langsam, indem er vorerst die Gefahr abwiegt, und weicht unter beständigem Umsehen einige Schritte zurück, legt sich dann wieder, und entfernt sich abermals in grösseren Zwischenräumen, bis er endlich, wenn er sich völlig sicher glaubt, vollends die Flucht ergreift. In dieser Eigen- thümlichkeit liegt der Beweis, dass sich der Löwe vor dem Menschen eben so fürchte, wie dieser sich vor ihm. Man kennt ein Beispiel, dass sich ein Löwe selbst bis an die Wohnung eines Colonisten wagte und sich am hellen Tage sogar vor die offene Hausthür legte, obgleich die Frau des Hauses innerhalb des Einganges sass und ihre Kinder sich in ihren Schooss geflüchtet hatten, ohne dass ihr der Löwe etwas zu Leide gethan hätte, da sie sich ruhig verhielt. Es gilt allgemein die Sage, dass sich der Löwe vor dem Feuer fürchte, daher auch die Bei- senden, um ihn ferne zu halten, bei Nachtzeit grosse Feuer anzuzünden pflegen. Doch ist diess keinesweges immer ein sicheres Mittel den Löwen zu entfernen; denn man hat Beispiele, dass er, obwohl er das Feuer in der Begel fürchtet, bei übergrossem Hunger doch schon Men- schen selbst vom Feuer weggeholt und ganz in der Nähe aufgefressen hat. Auch durch den Peitschen-Knall ist man im Stande in der Regel den Löwen zu verscheuchen, obgleich es auch zuweilen nicht gelingt. Doch wird dieses Mittel von den Einwohnern gewöhnlich angewendet. 213 wenn sie des Nachts, um der Hitze auszuweichen, fahren. Ist der Löwe hungerig, so ist er besonders grimmig und gibt seinen Grimm durch Sträuben seiner Mähne und das Wedehi mit dem Schwänze zu erkennen, den er sich hierbei liäufig auf den Rücken schlägt. Begegnet man einem Löwen, der nicht mit dem Schwänze wedelt, so kann man überzeugt sein, dass er sich sattgefressen hat, und dann ist er so leicht zu verscheuchen, dass ein Wurf mit einem Steine oder einem Stücke Holz genügt, ihn von seinem Lager zu vertreiben. In der Berberei, wo er die Übermacht des Menschen bereits hinreichend kennen gelernt hat, soll er so kirre geworden sein, dass er sich von Weibern, ja selbst von Kindern, sogar mit Stockschlägen vertreiben lässt. Der Gang des Löwen ist gesetzt und würdevoll, sein Lauf dagegen schnell. Auch ist er im Stande, sehr weite Sprünge zu machen und dieselben mehrmals nach einander zu wiederholen; daher lässt sich auch erklären, dass er das beste Pferd an Schnelligkeit übertrilTt, so lange es nicht weite Strecken gilt, denn bei längerer Dauer würde er der Müdigkeit erliegen. Wenn man auch zugeben muss, dass die Entfernung eines solchen Sprunges 2 Klafter und vielleicht auch noch etwas darüber betragen könne, so erscheinen doch die Angaben jener Berichterstatter übertrieben, welche behaupten, der Löwe sei im Stande SOFuss weite Sprünge zu machen. Wie bei den meisten katzenartigen Thieren, so leuchten auch beim Löwen die Augen im Dunkeln und verrathen nicht selten seine Nähe zur Zeit der Nacht. Die Löwinn wirft im Frühjahre nach einer Tragzeit von 108 Tagen bis 16 Wochen 1 — 6, gewöhnlich aber nur 2 — 3 Junge, die von der Grösse halbwüchsiger Katzen oder der Länge eines Fusses sind, und mit offenen Augen geboren werden. Meist wählt sie hierzu einen sumpfigen oder in der Nähe des Wassers gelegenen Ort, wohin die Thiere, die ihr zur Beute dienen, zur Tränke kommen müssen, so dass sie nicht von ihren Jungen sich weit zu entfernen nöthig hat. Der Löwe, welcher unter allen katzenartigen Thieren fast allein nur Anhänglich- keit zu seinem Weibchen, mit dem er in grösster Eintracht lebt, und auch zu seinen Jungen zeigt, schützt beide nicht nur allein gegen Feinde, sondern hilft auch, so lange die Jungen der mütterlichen Pflege noch bedürfen, Nahrung herbeizuschleppen. Die Löwinn zeigt für sie die grösste Sorgfalt, eben so wie die Hauskatze für ihre Jungen, und behandelt sie mit der grössten Zärtlichkeit. So lange die Jungen sau- gen, was gewöhnlich einen Zeitraum von 6 Monaten umfasst, und wäh- rend der ganzen Dauer der Erziehung, die sie ihnen gibt, ist sie weit 'ei4 grimmigei' und viel mehr zu fürchten uls zu jeder anderen Zeit. Nur äusserst selten, und blos nur um zu trinken, Aerlässt sie sie auf kurze Zeit, und dami ist es der Löwe, der sie bewacht und schützt, und im Falle der Gefahr gemeinschaftlich mit seinem Weihchen mit höchster Wuth vertheidiget. Die neugeborenen Löwen sind in der ersten Zeit Yollkonmicn unbehülflich und vermögen erst im zweiten Monate zu gehen. Sie miauen wie die Katzen und erreichen erst gegen Ende des ersten Jahres die Grösse eines mittelgrussen Hundes. Beide Geschlech- ter gleichen sich anfangs sehr und zwar bis zum dritten Jahre, wo beim Männchen die Mähne hervorzusprossen beginnt. Vollkommen ausgefärbt und erwachsen sind sie erst im sechsten Jahre. Der Löwe ist nicht misstrauisch gegen seines Gleichen und gerne spielt er unter sich. Nur zur Brunstzeit, wo nicht selten 10 — 12 Löwen eine Löwinn verfolgen, geschieht es, dass sie heftig mit einander kämpfen. Der Fang des Löwen und seine Jagd sind immer mit vielen Gefahren verbunden, und noch schwieriger und gefahrvoller ist es, ihm seine Jun- gen zu rauben. Will man lebend seiner habhaft werden, so kann diess nur mitteist gelegter Fallen geschehen. Wird er im Schlafe überrascht und plötzlich aus demselben erweckt, so verliert er seine Besonnen- heit und flieht. Bei der Jagd auf ihn zeigt er sich hingegen furchtlos und ergreift niemals eine eilige Flucht. Bestimmt ihn auch die Menge der Jäger sich vom Platze zu entfernen, so weicht er doch nur langsam und Schritt für Schritt zurück, und wendet sich nur von Zeit zu Zeit um, um seine Verfolger zu beobachten. Hat er inzwischen einen Wald erreicht, so eilt er, weiui er sich nicht mein- gesehen glaubt, mit gröss- ter Hast hindurch, bis er wieder in's Freie gelangt, woselbst er seinen früheren, sclu-ittweisen Gang wieder annimmt. Nur wenn er zu stark verfolgt und ihm zu heftig nachgesetzt wird, beginnt er zu laufen, niemals aber zu springen, und nimmt dabei m ie der Hund, vorgestreckt und gewöhnlicii auch mit hängendem Schwänze, die gerade Bichtung. Nur von der Übermacht gedrängt, leistet er Widerstand, und verthei- diget sich, weim er dazu gezwungen wird, unter dem furchtbarsten Gebrülle und mit unerschütterlichem Muthe, selbst gegen die grösste Überzald. Hierdurch beweiset er wahren und besonnenen Muth und zeigt sich edler als der Tiger, indem er nur dann auf seine Angreifer und Verfolger losgeht oder sich ihnen entgegenstellt, wenn er durch Herausforderung oder Verwundung zum höchsten Zorne gereizt wird. Zwölf starke Hunde reichen hin, einen Löwen bei Tage ohne Hülfe 215 eines Schützen zu bändigen. Sie umzingeln ihn unter heftigem Gebelle, während sich der Löwe stolz und trotzig denselben meist auf einer schwachen Anhöhe entgegensetzt oder stellt, und ungeachtet ihres immer näheren Anrückens und herausfordernden Anbeliens, ruhig sei- nen Posten behauptet. Kommen sie ihm zu sehr in die Nähe, so sucht er sie mit der Tatze abzuwehren. Eine kleine, schnelle Bewegung mit der Tatze, ohne alle Anstrengung, genügt, um in einem Augen- blicke zwei bis drei Hunde todt zur Erde hinzustrecken; doch fallen die übrigen Hunde wuthentbrannt zu gleicher Zeit über den Löwen von rückwärts und den Seiten her, und zerfleischen ihn. Die gewöhn- liche Jagd auf den Löwen wird mit Hülfe mehrerer Flunde, welche keinesweges hierzu besonders abgerichtet sind, doch nur auf ebenem Felde vorgenommen, wozu sich 2 — 3 berittene Jäger vereinigen, um sich gegenseitig Hülfe leisten zu können, wenn ein Schuss verfehlt. Sind sie dem Löwen auf die Spur gekommen, so wird er durch die Hunde aus dem Walde in's Freie gelockt. Bemerkt er die Jäger noch in weiterer Ferne, so versucht er es, denselben durch rasche Flucht noch zu entkommen. Trifft er sie aber schon in seiner Nähe, so ent- fernt er sich langsamen und stolzen Schrittes von denselben, und je mehr er gedrängt und gereizt wird, desto langsamer und bedächtiger schreitet er vorwärts, bis sein Gang nur Schritt für Schritt erfolgt. Hieraufsieht er sich um, hält völlig still, schüttelt seine Mähne und lässt ein kurzes, durchdringendes, drohendes Gebrüll erschallen. Hier- durch zeigt er sich bereit, seine Feinde zu empfangen und den Kampf mit ihnen aufzunehmen. Die Jäger müssen sich nun etwas mehr von ihm entfernen und in gewissen Abständen auf ihren Pferden vor ihm aufstellen. Wer ihm am leichtesten nach dem Herzen oder nach der Brust zielen kann, springt vom Pferde ab und drückt schnell den Schuss gegen den Löwen los, während er den Zaum des Pferdes sich um den Arm geschlungen hat, schwingt sich aber dann unverzüglich auf sein Boss, um mit verhängtem Zügel an seinem Gefährten vorbei- zueilen, der inzwischen in gleicher Weise sein Pferd verlässt, um durch einen zweiten Schuss den Löwen vollends zu tödten. Hat aber auch dieser zweite Schuss ihn noch nicht zu Boden gestreckt und kann er die Beiter noch verfolgen, so kommt die Beihe an den Dritten, der ihm sicher den letzten Best des Lebens nimmt. Doch müssen zur Vorsorge für mögliche, wenn auch nur seltene Fälle, die beiden Jäger, welche zuerst geschossen, während der Flucht ihre 216 Gewehre wieder laden, um, wenn es nöthig wäre, neuerdings zum Schusse bereit zu sein. Häufig wagen es nur zwei Jäger den Löwen aufzusuchen und zu gewältigen, und bisweilen nimmt es sogar ein einziger auf sich, was jedoch immer höchst tollkühn und gefähr- lich ist. Denn wird der Löwe verfehlt, so stürzt er wüthend auf den Schützen los, und erreicht ihn, wenn er auch auf einem guten Pferde flieht, gewöhnlich schon mit einigen Sätzen. Pfeilschnell springt er dem Rosse auf den Rücken und schlägt die Krallen seiner gewaltigen Tatzen dem Reiter in die Schenkel ein, während er mit seinem fürchterlichen Gebisse dessen Arm packt, und der Bedrohte rettungslos ein Opfer fällt, wenn nicht der sichere Scliuss eines Gefährten das Ungethüm auf seinem Leibe tödtet. Nur äusserst selten ereignet es sich auf der Löwenjagd, welche tollkühn ein Einzelner zu unternehmen wagt, dass der Jäger, wenn er seinen Schuss verfehlt, mit seinem Leben und blos nur mit einem heftigen Bisse aus dem Kampfe kommt. Nur wenn dasThier noch jung und unerfahren ist, vermag der Wider- stand, der ihm entgegengestellt wurde, seinen Muth zu kühlen. In früherer Zeit unternahm man die Löwenjagd mit einer grossen Anzahl Schützen, die, nachdem der Löwe durch Hunde auf das offene Feld gelockt war, einen Kreis um ihn schlössen und von allen Seiten auf ihn schössen. Er ist übrigens leichter zu tödten als manches andere Wild; denn wird er in den Bauch getroffen, so stellt sich sogleich Erbrechen bei ihm ein, und er ist unvermögend dann zu laufen, während Büffel und selbst grosse Antilopen, mit einem Schusse durch den Bauch und die Gedärme ungehindert noch die Flucht ergreifen können. Bevor man das Schiessgewehr noch kannte, wurde mit Pfeilen auf ihn geschossen, und er konnte viele solcher Schüsse aushalten, bevor er erlag, wenn sie ihn nur nicht in die Weichen trafen. In ältester Zeit war es schwierig ihn zu fangen, und es geschah diess meist in Gruben. Erst unter Kaiser Claudius wurde durch Zufall ein Mittel aufgefunden, leichter lebend seiner habhaft zu werden. Ein Berber -Hirte warf einem Löwen, der ihn angegriffen hatte , seinen Rock entgegen und dämpfte dadurch des Löwen W^ith. Dieses Mittel, welches bald darauf im römischen Circus nachgeahmet wurde, hatte sich auch daselbst erprobt. Man durfte den Löwen nur einen leichten Mantel über den Kopf werfen, und sie Hessen sich binden ohne sich zu wehren. Zur Zeit der Römer musste der Löwe in Nord-Afrika in ungeheuerer Menge vorhanden gewesen sein. 217 nach der Anzahl derjenigen zu urtheilen, welche sie in ihrem Circus zeigten und die alle aus Nord -Afrika hezogen wurden. Die ersten öffentlichen Lüwenkämpfe zu Rom veranstaltete der Aedile Quintus Scaevola, 9ö Jahre vor Christus. Sulla gab während der Zeit seines Prätoriats ein Kampfspiel mit 100 männlichen Löwen. Bei Einweihung des Theaters des Marcellus wurden 268 Löwen getödtet, und ebenso hatte Pompejus 600 zusammenbringen lassen, welche zu gleichem Zwecke für die Kampfspiele zur Einweihung der Arena bestimmt waren. Bei den Festen, welche Julius Cäsar 46 Jahre vor Christus gab, fanden 400Löwen ihren Tod. Hadrian Hess zu wiederholten Malen lOOStücke auf einmal in seinem Circus tödten , und ebenso Hess Antoninus Pins 100 Löwen auf einmal los. Ein solcher Überfluss von Löwen in den öffentlichen Spielen zu Rom fand bis zur Zeit Marc Aureis Statt, der beim Triumphe über die Marcomanen 100 Löwen mit Pfeilen erschiessen Hess, und selbst noch gegen die Mitte des dritten Jahr- hunderts und nach demselben zeigte Gordian III. 70 zahme Löwen bei seinen Spielen im Circus, und Probus unter einer Unzahl anderer Thiere sogar noch 200. Die Folgen dieser grossen Niederlagen fingen bald an sich bemerklich zu machen, und da man befürchten musste, dass es an diesen so beliebt gewordenen Thieren für die Kampfspiele zu Rom bald fehlen würde, wurde die Löwenjagd in Afrika dem Ein- zelnen verboten. Die Aufhebung dieses Gesetzes unter Honorius zu Ende des vierten Jahrhunderts beschleunigte wieder die Verminderung des berberischen Löwen, der seit dem Gebrauche des Schiesspulvers von der ganzen Küste des Mittelmeeres fast völlig vertrieben wurde. Überhaupt ist er dermalen in Nord-Afrika schon so selten geworden, dass es für ein grosses Geschenk betrachtet wird, wenn ein Dei der Berberei 1 oder 2 Stücke einem europäischen Regenten sendet. Dem- ungeachtet wird er selbst noch iti neuster Zeit bisweilen durch Händler nach Europa gebracht. Der Berberei - Löwe kann wie alle seine Art- verwandten der Herrschaft des Menschen unterworfen werden. Er verträgt die Gefangenschaft, wenn er einmal den Zalmwechsel über- standen hat, sehr gut und hält dieselbe selbst in unserem Klima bei gehöriger Pflege durch eine lange Reihe von Jahren aus. Gewöhnlich werden nur junge Thiere nach Europa gebracht, von denen die mei- sten im Anfange des zweiten Jahres dem Wechsel der Eckzähne erliegen. Jung gefangen, gewohnt er sich bald so sehr an seinen Herrn, dass er demselben wie ein Hund nachfolgt. Lange kann man 218 es indess nicht wagen, ihn frei nmhergehen zu lassen, und ist genüthiget, ihn in einem starken Eisenkäfige zu verwahren. Er gewohnt sieh aucli bahl an seinen Wärter, der ihn pflegt, zeigt Anhänglichkeit an ihn, schmiegt sich an ihn an, beleckt ihm seine Hände, ist dankbar, lernt ihm folgen und iässt sich viel von ihm gefallen. Cl)erliaiipt Iässt er sich bis zu einem liohen Grade zähmen; doch wenn auch sein Charakter minder falsch als bei anderen katzen- artigen Thieren erscheint, so ist doch dieser Zähmung niemals ganz zu trauen. Ein zur unrecliten Zeit angebrachter Scherz, besonders während des Fressens oder bei irgend einer Missstimmung, vermag, wie die Erfahrung durch mehrfache traurige Beispiele schon gelehrt, das schlummernde Selbstbewusstsein seiner Kraft und Stärke plötzlich zu erwecken, und das sonst so geduldige und unterwürfige Thier mit einem Male in ein furchtbares Ungeheuer zu verwandeln. Die Kunst den Löwen zu zähmen war schon den Alten bekannt und bei den- selben weit gediehen. Der erste, welcher einen Löwen zähmte und ihn vor dem Volke mit eigener Hand regierte, war der Cartliager Hanno , der desshalb auch aus seinem Vaterlande vertrieben wurde, da man glaubte, dass derjenige, welcher sich mit der Zähmung eines Löwen abgil)t, auch damit umgehe, sich die Mensclien zu unterwerfen. Später, im Jahre 46 vor Christus, zeigte sich Marcus Antonius nach der pharsalischen Schlacht den Römern in einem Triumphwagen, der von Löwen gezogen Avurde. Wie weit es in neuester Zeit mit der Zähmung des Löwen gebracht wurde, davon hat man sich seit einigen dreissig Jahren allenthalben in Europa bei den öffentlichen Schau- spielen derThierbändiger zu überzeugen Gelegenheit gehabt, und eben diese Schauspiele geben den Beweis, wie gross auch die Gelehrigkeit des Löwen ist, wenn er jung erzogen und hierzu ausgebildet worden ist. In der Gefangenschaft gefällt sich der Löwe auch in der Gesell- schaft anderer Thiere. Insbesondere gewohnt er sich leicht und gerne an junge Hunde, spielt mit seinem Gesellsdiafter und gewinnt ihn so lieb, dass er in grösster Eintracht mit ihm frisst, traurig wird, wenn man ihn entfernt, und sich bei seinem Wiedersehen freut. Aber auch die Hunde gewohnen sich so sehr an den Löwen, dem sie als Gesell- schafler dienen, dass sie ihn vertheidigen, wenn man sich seinem Käfige nähert. Ebenso verträgt sich der männliche Löwe auch mit einer Tigerinn, wenn beide jung zusammen aufgezogen Averden, und man hat schon meln-ere Beispiele, dass sie sich selbst mit einander in 219 Menagerien in Europa bastardirt hatten, obgleich die jungen Bastarde, die theiiweise dem Vater, mehr aber noch der Mutter glichen, nur selten gross gezogen werden konnten und meist schon vor Ausgang des ersten Jahres am Zahnen starben. In der Gef\mgenschaft duldet der Löwe nur eine Lüwinn, und pflanzt sich nicht selten mit derselben fort. Die Jungen werden von der Mutter mit grösster Sorgfalt gepflegt; sie sucht sie vor dem Anblicke der Menschen zu verbergen und trägt sie nicht selten im Maule aus einer Ecke des Käfiges in die andere. Der Löwe hingegen zeigt keine besondere Anhänglichkeit gegen seine Jungen und frisst sie sogar bisweilen auf, wenn er sie in den ersten Tagen bei der Mutter trift't. Während der Nacht schläft der Löwe in der Gefangenschaft und fängt bei Anbruch des Tages zu brüllen an, und ebenso nach dem Fressen. Dieses Gebrüll hält 10 Minuten an, und sind andere Löwen oder Löwinnen in seiner Nähe, so fallen sie in dasselbe ein. Um den Löwen in der Gefangenschaft gesund zu erhalten, ist es nöthig, dass er viel Bewegung mache, und wenn er erwachsen ist, täglich einmal 8 — 10 Pfund Fleisch und 3 Pfund Wasser bekomme. Doch selbst bei der besten Pflege verliert er mit zuneh- mendem Alter viel an seiner Schönheit, und im hohen Alter bekommt er schlechte Zähne und wird auch meistens lahm. Seine Lebens- dauer scheint in der Begel ungefähr 40 Jahre zu betragen, obgleich man einen Fall kennt, dass ein Löwe 70 Jahre in der Gefangenschaft gelebt. Es ist nicht bald ein Thier, von dem man schon seit der ältesten Zeit so viel Albernes und Mährchenhaftes erzählt hat, als vom Löwen. So hat man behauptet, wer auf ihn werfe, den greife er an, und laufe demjenigen, der ihn verfehlt hat, nach, um ihn zu schütteln und dann frei ziehen zu lassen. Kleinere Thiere soll er verachten, Weiber, Kinder und diejenigen verschonen, die sich vor ihm niederwerfen und bittend zu ihm flehen. Alles soll er ganz ver- schlingen und was der Magen nicht zu fassen vermag, mit seinen Kral- len aus dem Rachen ziehen. Er soll sich vor dem Kamme des Hahnes und vor seinem Krähen schrecken, Schweine fliehen und den Lauf der Räder fürchten. Die Löwinn soll nur einmal ein Junges im gan- zen Leben werfen; die Jungen wären unförmliche Fleischklumpen und könnten sich nach zwei Monaten kaum noch rühren, und nach sechs Monaten erst gehen. Seine Arm- und Schenkelknochen seien so hart, dass sie am Stahle Funken geben, und mancherlei der- gleichen Mährchen mehr. Das Fleisch des Löwen, welches einen 220 dem Kalbsfleische ähnlichen Geschmack haben soll, wurde einst von den Arabern gegessen. Sein Fell diente im Alterthume den Helden zur Bekleidung statt des Mantels; jetzt wird es nur hie und da zu Pferdedecken verwendet. Die Haut gilt für schlechter als Kuhhaut und wird blos in manchen Gegenden als Oberleder für Schuhe benützt. Anderen Nutzen gewährt der Löwe keinen. In Senegambien und im Sennaar, am Cap, in Persien und Ost -Indien sind es andere, doch sehr verwandte Arten, welche jene Gegenden bewohnen. 2. Gattung. Katze (Felis). Der Schwanz ist lang oder mittellang, und endiget in keine Quaste. Die Krallen sind vollkommen zurückziehbar. Die Ohren sind nicht mit Haarbüscheln versehen. Eine Mähne fehlt gänzlich. Die Pupille ist rund. Die Vorderfüsse sind fünfzehig, die Hinterfüsse vierzehig. Der Kugaar oder löwentiger (Felis concolor). (Fig. 46.) Der Kuguar, welcher schon seit alter Zeit unter dem Namen Löwe der neuen Welt oder amerikanischer Löwe bekannt ist, ist nach dem Jaguar das grösste unter allen amerikanischen Raubthieren, obgleich er demselben an Grösse wenig nachsteht. Sein Kopf ist rund und klein, fast im Missverhältnisse zur ganzen Grösse, insbesondere beim Weibchen. Der Leib ist schlank, und seine Füsse sind dick und stark. Der Schwanz ist lang, die Pupille rund, das Auge funkelnd. Die Behaarung ist dicht, kurz und weich, am Bauche etwas länger. Über der Oberlippe und den Augen stehen einige lange, steife Borsten- haare. Die gewöhnliche Färbung ist dunkel gelbroth, auf dem Rücken am dunkelsten, wobei die einzelnen Haare in schwarze Spitzen endigen. Der Bauch ist röthlichAveiss, die Innenseite der Gliedmassen und die Brust sind heller gefärbt. Die Kehle, die untere Seite des Unterkie- fers und die Innenseite der Ohren sind weiss; die Aussenseite der Ohren ist schwarz und in der Mitte in's Rölhliche ziehend, l^ber und unter dem Auge steht ein kleiner weisser Flecken, und ein grosser schwarzer Flecken befindet sich unterhalb der Borstenhaare der Ober- lippe. Die Schnurren sind weiss, die Augenborsten schwarz. Ganz junge Thiere ziehen mehr in's Graue und haben am Rücken, an den Seiten und den Schenkeln undeutliche, kaum bemerkbare dunklere 221 Flecken, welche an den Seiten ziemlich gross und entfernt stehend sind, und drei Längsreihen über dem Rücken bilden. Die Weibchen, welche dieselbe Färbung wie die Männchen haben, unterscheiden sich von diesen nur durch den kleineren Kopf und die höchst unbedeutend geringere Grösse. Doch finden sich beim Kuguar bisweilen mancherlei Abweichungen, in der Farbe sowohl als Zeichnung. So fehlen öfters die schwarzen Flecken über der Oberlippe oder die weissen Flecken an den Augenwinkeln, und bei vielen fällt die Farbe der Stirne und des Gesichtes stark in's Grauliche. Im Allgemeinen sind jene, welche in den nördlicheren Gegenden leben mehr gelbroth, während die der südlicheren Gegenden beinahe asch- oder silbergrau sind, was durch eine grosse Anzahl grauer Haare mit schwarzen Spitzen hervorgebracht wird, die den gelbrothen Haaren beigemengt sind. Bei erwachsenen Thieren beträgt die Körperlänge 3Fuss 8 Zoll 4 Linien, die Länge des Schwanzes 2Fuss, die Höhe am Widerrist 2Fuss. Der Kuguar hat eine sehr weite Verbreitung, denn seine Heimath erstreckt sich über ganz Süd-Amerika und reicht von Patagonien und Buenos-Ayres durch Peru, Chili, Paraguay und ganz Brasilien, bis nach Mexiko und in die ver- einigten Staaten von Nord-Amerika, wo er bis nach Canada streift. In Süd-Amerika sind es mehr die kühleren Berggegenden, die ihm zum Aufenthalte dienen, als die heissen waldigen Ebenen, und obwohl er zuweilen auch in baumlosen Gegenden getroffen wird, so sind es doch eigentlich die grossen Wälder, die seinen Aufenthaltsort bilden, und insbesondere die Waldsäume, wo er sich am liebsten aufhält und immer einzeln, und blos zur Brunstzeit paarweise lebt. In Patagonien, den Pampas von Buenos-Ayres, sowie in den Cordilleras von Chili, Peru und Quito, und den höheren Gebirgen von Brasilien ist er strichweise sehr häufig, in Paraguay aber seltener als der Jaguar und von den Portugiesen fast gänzlich vertilgt. Auch in den nordamerikanischen Staaten wird er jetzt nur selten mehr getroffen. Er hat weder ein Lager, noch einen bestimmten Aufenthaltsort, schläft den Tag über im dichtesten Gebüsche, wo er sich verbirgt, oder im Grase bald dort bald da, und geht des Nachts mehrere Stunden weit auf Raub aus, der auf alle wehrlosen kleineren Säugethiere und insbesondere auf Aguti's, Paka^s, Coati's, Pecari's, Schafe und Affen gerichtet ist. Er ist sehr behende und erklettert, wenn auch nicht so geschickt und schnell wie andere Arten dieser Gattung, doch leicht und gewandt die Bäume, und stellt seiner Beute auch auf denselben nach. Es ist schwer, ihn im 222 freien Zustande zu beobachten, da er ein sehr scharfes Gehör besitzt, das ihn vor jeder herannahenden Gefahr warnt, wobei er schnell entflieht. Wie alle Katzen - Arten , sucht auch er seine Beute zu erschleichen, doch verfolgt er sie auch, wenn er sie verfehlt, gegen die Gewohnheit anderer Arten, in weiten Sprüngen. Meist lauert er auf niederen Baumästen, die er durch einen Sprung erreicht, und stürzt sich von dort plötzlich, schnaubend auf das Wild herab, das arg- los an ihm vorüberzieht. Capuziner-AiTcn, welche seinen Verfolgungen besonders ausgesetzt sind, schwingen sich bei seiner Annäherung unter krächzendem Geschreie mit der ihnen eigenen Behendigkeit von Ast zu Ast und Baum zu Baum, um ihrem Feinde zu entkommen, und ver- rathen auf dieser Flucht durch ihre kläglichen Töne, sowie durch das stete Entfallen ihrer Excremente ihre Furcht. In Aveiten Sprüngen von 15 — 20 Fuss setzt ihnen der Kuguar gierig von einem Baume zum anderen nach und schlüpft mit unglaublicher Gewandtheit durch die dicht mit Schlingpflanzen verstrickten Äste, wobei er sich über dieselben hinauswagt, bis sie sich niederbeugen, um von da einen sicheren Sprung auf den Ast des nächststehenden Baumes zu machen. Seine Streifzüge reichen weit, und obgleich er gut schwimmen kann, geht er nicht leicht über einen Fluss, sondern sucht auf Umwegen über Bäume auf das entgegengesetzte Ufer zu gelangen. Seine Mord- lust ist grösser als die aller übrigen amerikanischen Raubthiere, denn er tödtet mehr als er verzehren kann. Daher ist er auch in der Nähe von Viehheerden besonders zu fürchten und weit mehr noch als der Jaguar. Häufig zieht er auch in die Nähe bewohnterer Gegenden, wo ihm reichliche Nahrung geboten ist und richtet, insbesondere in den weiten, kälter gelegenen Pampa's, wo eine Bewachung der herum- streifenden Heerden kaum möglich ist, unter denselben oft furchtbare Verwüstungen an. Er ist im Stande, in einer einzigen Nacht bis- weilen 50 Schafe zu erwürgen. Seine Blutgier ist ungeheuer. In dem Magen eines Kuguars, der erlegt wurde nachdem er 18 Schafe in einer Nacht gemordet hatte, denen er allen nur die Kehle aufriss ohne irgend etwas von ihrem Fleisch zu verzehren, fand man keine Spur von Fleisch, während er strotzend vom Blute vollgefüllt war. Es ist eine eigen Ihümliclie Gewohidioit dieses Thieres, sich den Magen übermässig mit Blut anzufüllen und sich nie Aveit vom Schauplatze seiner Verheerungen zu entfernen, sondern sich sogleich dem Schlafe zu überlassen, und gleichsam vom Blute berauscht, mitten unter den 223 Opfern seines Blutdurstes und seiner Mordlust einzuschlafen. In der Regel schleppt er nichts von seiner Beute fort, und nur äusserst selten, wenn er keinen neuen Rauh bekommt, geschieht es, dass er einige Stücke holt und mit sich zieht, die er an einem unzugänglichen Orte unter Gras verbirgt, um sich dieselben als Vorrath zu bewahren. Faules Fleisch berührt er nie. Grössere Thiere, wie Pferde, Maulesel und Rinder, greift er nicht leicht an, und wagt sich blos über Rehe, Kälber, Fohlen und Schafe. Er ist furchtsam und feig, fällt den Menschen niemals, auch nicht im Schlafe an, sondern weicht ihm aus und flieht ihn, wie er ihn nur ansichtig wird, und ebenso die ihn verfolgenden Hunde. Überhaupt sucht er gewöhnlich sein Heil in der Flucht, die er immer in der Richtung nach dem Walde nimmt, und zeigt nur Muth in der äussersten Noth. Ein englischer Reisender, der blos mit einer Vogelflinte bewaffnet, auf den Pampas wilden Enten auf dem Boden kriechend in die Nähe zu kommen suchte, und Kopf und Körper in das gewöhnliche Volkskleid, den Poncho, eingehüllt hatte, vernahm plötzlich ein kurzes Gebrüll und fühlte sich in demselben Augenblicke auch berührt. Als er schnell die Decke von sich abschüttelte, sah er zu seiner grossen Überraschung einen Kuguar auf Armeslänge vor sich, der eben so erstaunt ihn durch einige Secunden unbeweglich betrachtete, dann langsam auf zehn Schritte zurückwich, nochmals stehen blieb und sich endlich entfernte, hi den Cordilleras, wo die Reisenden nicht selten des Nachts seine Stimme vernehmen und ihn sogar bisweilen in nicht sehr weiter Ferne sehen, haben sie zwar nichts von seinen Angriff'en für sich selbst zu fürchten, müssen aber stets mit Vorsicht ihre Maulthiere bewachen, um sie vor einem mög- lichen Überfalle zu schützen. Vereinzeinten Ansiedlern wird der Kuguar sehr lästig, nicht wegen Angriffen auf Menschen, die er fürchtet und denen er behutsam ausweicht, sondern wegen seiner Überfälle und Beraubung der Heerden. Die Jagd auf ihn ist bei gehöriger Vorsicht fast gefahrlos, denn es fehlt ihm an Muth und Entschlossenheit, sich zur Wehre zu setzen oder zu vertheidigen. Nur durch den Schmerz der Wunden, wenn er fehl getroffen, kann er verleitet werden, den Jäger anzugreifen und dann ist er, wenn auch nicht so gefährlich Avie der Jaguar, doch immer noch ein fürch- terlicher Feind. Im Walde ist es schwer ihn zu erreichen , indem er sich sogleich vor den Hunden kletternd auf die Bäume flüchtet, und mit der grössten Schnelligkeit von einem zu dem anderen springt. Nur 224 im ersten Schlafe, welcher jedesmal erfolgt, wenn er sieh satt gefressen hat, ist es leicht, ihn mit Hunden 7ai überraschen. Dann vertheidiget er sich aber gegen dieselben mit eben so viel Muth, als er sonst Furcht vor ihnen zeigt und bringt denselben häufig, insbe- sondere mit seinen Krallen, tödtliche Wunden bei. Sind die Hunde aber gross und geübt, so erliegt er ihnen meistens, während der Jäger dem von allen Seiten hart bedrängten Thiere mit seiner Lanze einen Stich versetzt, oder ihm eine Kugel durch den Kopf oder Leib jagt. Die Gauchos, jene halbwilden Bewohner der La Plata-Staaten, verwegene und kräftige Stämme und zugleich die besten Reiter, finden ein besonderes Vergnügen in seiner Jagd. Sie hetzen ihn auf offenem Felde mit grossen Hunden und tödten ihn während dieses Kampfes entweder mit ihren Bolas oder Wurfkugeln, oder werfen ihm, indem sie ihn auf ihren flüchtigen Pferden einholen, mit grosser Sicherheit und selten fehlend, ihre Lassos oder Schlingen um den Hals, um ihn dann im Galope zu Tode zu schleifen oder zu erdrosseln. In Nord-Amerika wird er gewöhnlich durch Hunde auf einen Baum gejagt und dort angeschossen; doch muss er häufig mehrere Kugeln in den Leib bekommen, bevor er sein Leben endet. Auch fängt man ihn in Schlagfallen. In Süd-Amerika herrscht in vielen Gegenden unter den Verwaltern der Meiereien die Gewohnheit, die Köpfe der erlegten Kuguare als Siegeszeichen und Denkmale ihrer Wachsamkeit auf die Pfähle ihrer Zäune aufzustecken. Das Weibchen wirft ungefähr im Mai nach dreimonatlicher Tragzeit 2 — 3 Junge ins hohe Gras oder in einen hohlen Baum, ohne sich viel um sie zu bekünnnern. Es ist nicht schwer, den Kuguar zu zähmen, insbesondere wenn er jung gefangen wird. Er lernt bald seinen Herrn erkennen und ihm gehorchen, und obgleich er wenig Gelehrigkeit besitzt, so wird er doch so folgsam wie ein Hund und so vollständig zahm, dass man ihn zum Hausthier machen könnte, wenn es möglich wäre, ihm seine Raublust abzuge- wöhnen, die er stets am zahmen Geflügel zu befriedigen sucht. Dem Federvieh ist er höchst gefährlich und insbesondere stellt er den Hühnern nach, wobei er mit dem Schwänze wie eine Katze wedelt. Im zahmen Zustande mordet er weit eher wenn er Durst hat, als wenn er reichlich mit Wasser versehen wird. Mit Hunden und Katzen ver- trägt er sich sehr gut und gaukelt mit ihnen herum. Wenn er völlig frei umhergeht, schmiegt er sich nach Katzenart an seinen Wärter an, beleckt seine Hände und legt sich zu seinen Füssen, oder folgt ihm 225 nach gleichwie ein Hund. Springt er auch zuweilen über eine Mauer, die den Hofrauni umgürtet in dem er sich befindet, so kehrt er selbst zurück. Überhaupt spielt er gerne mit Menschen und beleckt sie. Wird er gestreichelt, so drückt er sein Wohlgefallen durch schnur- rende Töne aus, die dem Spinnen der Katzen ähnlich sind. Seine Furcht gibt er durch Schnauben, seinen Unwillen durch murrende Töne zu erkennen. Brüllen hört man ihn nie. Kleine Dinge, insbe- sondere Pomeranzen, stösst er von sich fort und fängt sie wieder mit den Pfoten, so wie eine Hauskatze. Wenn ihm bei genügendem Futter Fleisch erübriget, so verbirgt er es in Stroh, oder bedeckt es, wenn ihm dieses mangelt, mit Sand, wäscht es aber aus, bevor er es geniesst. Unangenehm wird er in der Gefangenschaft nur dadurch, dass er sich bei Annäherung seines Herrn gewöhnlich versteckt, dann unver- sehens auf ihn losspringt und ihn erschreckt. Auch gebraucht er, wenn auch nur spielend, gleichwie die Katze, seine Krallen und Zähne oft auf sehr empfindliche Art. Die Gefangenschaft hält er sehr gut und dauernd, selbst in unserem Klima aus, daher er auch häufig nacli Europa gebracht wird, woselbst er sogar schon zu mancherlei Kunst- stücken von Thierbändigern abgerichtet worden ist. Seit alten Zeiten her besteht unter den nordamerikanischen Landleuten mancherlei Aberglaube von ihm. So glauben sie selbst noch jetzt, dass er die Töne weinender Kinder oder den Ruf eines Jägers nachzuahmen verstehe, und auf diese Weise arglose und unwissende Menschen zu verlocken strebe. Sein Fleisch wird in Süd -Amerika nicht hlos von Indianern, sondern selbst von Spaniern gerne gegessen, und galt in früherer Zeit auch bei vielen Pflanzern in Carolina für einen Lecker- bissen. Es soll weiss sein und wie Kalbfleisch schmecken. Sein Fell, welches zwar weniger Werth hat als das des Jaguar, wird in Süd- Amerika zu Pferdedecken benützt und fast in allen Wohnungen ange- troffen. In Peru wird er Puma genannt, in Chili Pagi, und Guazu-ara in Paraguay. Bei den Gauchos in den La Plata-Staaten heisst er Leon, Miztli in Mexico, und Panther in Nord-Amerika. Der Tiger oder Königstiger (Felis Tigris). (Fig. 47.) Der Tiger ist nicht blos das furchtbarste unter den katzenartigen Thieren, sondern erwiesenerniassen unter allen Raubthieren, da er den Löwen bei weitem, und selbst den Jaguar an Gewandtheit, W ildheit (Naturgeschichte.) 13 226 und Grausamkeit nocli übortrifTt, und dadurch den Thieren sowohl als auch dem Menschen weit gefährlicher wird. Unruhiger, unternehmen- der und unersättlicher als der Löwe, ist er weit mehr zu fürchten als dieser, da er hei gleicher Stärke weit tückischer und grausamer ist. Auch zieht er sich nicht so wie der Löwe aus den bevölkerten Gegenden zurück und weicht der Gefahr, die ihn zu vernichten droht, mit Klug- heit aus, sondern sucht gerade bewohntere Gegenden, die ihm sichere Beute bieten auf, und stellt sich dreist und kühn der Gefahr entgegen ; wodurch es ihm fast immer gelingt, ein wehrloses Opfer zu erhaschen. So gierig er aber auch nach Blut ist, so hat man doch seine Grausam- keit und seinen Blutdurst häufig übertrieben und in zu grellen Farben geschildert; denn dass er immer nach Blut lechze, unablässig würge, ohne gerade derBeute zu bedürfen, das Schlachtopfer lebend verzehre und sich im unersättlichen Bhitdurste gefalle, ist erwiesenermassen ebenso Übertreibung, als die Behauptung von seiner Unempfäng- lichkeit gegen gute Behandlung und seiner Unzähmbarkeit. Die Gestalt des Tigers ist schlank und kräftig und er erreicht an Grösse und Kraft den Löwen. Sein Körper ist jedoch mehr verlängert, schlanker und gestreckter, und sein Kopf kürzer und runder als der des Löwen. Der Schwanz ist lang. Die Behaarung ist kurz und glatt, und nur an den Backen befindet sich ein Bart von langen, abstehenden Haaren, der bis hinter die Ohren reicht. Bei den aus nördlicheren Ländern abstammenden Tigern ist die Behaarung hingegen länger und weit reichlicher, insbesondere am Schwänze, der dadurch die Dicke eines Armes erhält, während er bei jenen aus südlicheren Gegenden weit dünner ist. Die Grundfarbe des Felles ist auf der Oberseite hell rothgelb, auf der Unterseite, der Innenseite der Glied- massen, dem Unterkiefer, den Lippen und am tmteren Theile der Backen aber weiss. Vom Bücken aus ziehen sich weit auseinander- stehende, unregelmässige schwarze Querstreifen in schiefer Bichtung über die Seiten tlieils zur Brust, thcils zum Bauche herab, auf wel- chem sie quer überlaufen. Am Kopfe und den Ilinterschenkeln sind sie schmäler, breiter aber am Schwänze, den sie ringartig umgeben. Die Schnurren sind weiss, die Nase ist uugefleckt, und die Iris gelblichbraun. Die Jungen sind ebenso gezeichnet wie die Alten, nur etwas heller gefärbt. Bei Neugeborenen ist das Weiss mit Grau, das Schwarz mit Braun gemischt und das Rothgelb dunkler. Hin- sichtlich dei- Intensität der Gruudfai'be und der Zahl uiul Bichtung 227 der Streifen, gibt es aber aucb unter den alten Tbieren manche Abänderungen. Am seltensten ist die weisse Abänderung mit nebeligen Seitenstreifen, die nur bei einer gewissen Beleuchtung sichtbar sind. Die gewöhnliche Körperlänge eines erwachsenen Thieres ist 5 Fuss 1 Zoll, die Länge des Schwanzes 2 Fuss 3 1/3 Zoll, die Höhe am Widerrist 2 Fuss 6 Zoll, doch werden sie zuweilen auch noch grösser angetroffen. Die ausschliessliche Heimath des Tigers ist Asien, wo er eine überaus weite Verbreitung findet, denn er ist nicht blos auf die heissen Länder beschränkt, sondern steigt auch ziemlich weit in die gemässigte Zone empor. Seine westlichste Grenze ist der Südrand des östlichen Kaukasus, seine östlichste der grosse Ocean, während Java und Sumatra die Südgrenze und das südliche Sibirien die Nordgrenze desselben bilden. Sein Hauptsitz aber ist Ost-Indien und zwar sowohl Vorder- als Hinter -Indien, wo er in früheren Zeiten allenthalben zu treffen war und selbst jetzt noch an den allermeisten Punkten vorkommt, und ebenso auch Java und Sumatra. Von Ost-Indien aus erstreckt er sich durch Thibet, Persien und die ganze Steppe zwischen Indien, China und Sibirien, bis zum Ararat im Westen von Armenien. Gegen Westen breitet er sich weit über das im Süden von Kabul gelegene Soliman- Gebirge aus, und findet sich in der waldreichen und bergigen Provinz Mazanderan am Südrande des Kaspischen Sees, von wo er auch auf die Westküste hinübergeht und bis in die Nähe von Lenkoran streift. Manche verscheuchte kommen selbst bis an die Ufer des Kur, doch bilden die Ebenen der Provinz Talysch überhaupt seine äusserste westliche Grenze. Von Mazanderan reicht er um die Südspitze des Aral-Sees südlich in die Bucharei, und zieht sich von dort gegen Nordost an den Saisan-See in die Songarei, von wo aus er Streifzüge gegen Norden in die kirgisische Steppe und bis in das südliche Sibi- rien unternimmt. Hier findet er sich zuweilen zwischen den Flüssen Irtisch und Ischim bis Kolywan im Altai, bis Barnaul am Oby und selbst bis Irkutsk an der Lena. Ostwärts reicht er vom Baikal-See durch die Mandschurei bis nach Korea an die Meeresküste, und geht durch die Provinzen Yun-nan und Fok-ien im Süden von China, bis an den waldigen und schilfigen Fuss der Bandgebirge der hohen Mongolei und in die W^aldregion der Vorgebirge des Himalaya, wo er noch bei Sirmore, Hurdwar und Kemanne getroffen wird. Das höhere Mongolen- land scheint er nicht zu besuchen, und ebensowenig findet er sich in den waldlosen und dürren Ebenen von Afghanistan und Iran. Im 15» 228 Kaukasus selbst, ist er gleichfalls uiclit zu trelTen, und fehlt auch, mit Ausnahme von Java und Sumatra, auf den übrigen Inseln des indischen Archipels. Die Alten betrachteten Hyrcanien, eine an den Kaspischen See stossende Provinz des altpersischen Reiches, für die eigentliche Heimath des Tigers, und hielten die Tiger jener Gegend für weit furchtbarer, als die aus anderen Gegenden. Sein Aufenthalt sind theils die grossen Wälder, der Ebenen sowohl als der Gebirge, auf denen er bis zu einer gewissen Höhe hinaufsteigt, ohne jedoch jemals die heerdenreichen Alpenweiden zu berühren, theils die schilfreichen Ufer der Flüsse, wo er gewöhnlich in der Nähe menschlicher Woh- nungen getroffen Avird. Er ist ungesellig, lebt den grössten Theil des Jahres einzeln, und nur zur Brunstzeit mit seinem Weibchen zusammen, oder, wenn dasselbe Junge bat, wenigstens in seiner Nähe. Seine Bewegungen sind ungemein rasch und gewandt, und ungeachtet seiner Grösse vermag er auch sehr gut Bäume zu erklettern. In seinen Sitten kommt er im Allgemeinen mit anderen Katzen überein, nur sind sie bei ihm im Verhältnisse zu seiner Grösse gesteigert. Er ist kein eigentliches Nachtthier, sondern streift zu allen Zeiten umher, um seinen Raub zu suchen, obgleich er in der Regel sich erst vor Sonnen- untergang besonders auf die Lauer legt. Gewöhnlich hält er sich im Gebüsche an den Flussufern verborgen, wo ihm insbesondere die unge- heueren schilfartigen Bambusgebüsche, welche die Flussufer beklei- den, zum Verstecke dienen. Hier lauert er den Thieren auf, wenn sie zur Tränke kommen, und selbst dem Menschen. Wie eine Katze beschleicht er schlangenartig seine Beute, stürzt pfeilschnell und in wenigen Sätzen auf sein Schlachtopfer, dem er seine Krallen mit solcher Kraft in den Nacken schlägt, dass das stärkste Thier zu Boden stürzt. Mit einem einzigen Hiebe seiner Tatze reisst er ihm den Bauch auf, steckt den Kopf in den zerrissenen Körper, saugt gierig das Blut, und schleppt ihn sodann in den nahen Wald an einen sicheren Ort, um sich dort an dem Fleische zu sättigen. Mit grösster Leichtig- keit trägt er seine Beute, die er so schnell hascht, dass an eine Ver- theidigung nicht zu denken ist, fast laufend im Rachen mit sich fort. Seine Stärke ist so gross, dass er ohne Anstrengung ein Pferd, einen Ochsen, ja selbst einen Bülfel, im raschen Laufe mit sich schleppt. Ebensowenig als andere Katzen-Arten verfolgt der Tiger seine Beute, wenn er sie im Sprunge verfeiilt. Gelingt es ihm nicht, sie zu erha- schen, so zieht er sich brüllend zurück, läuft eine Strecke im Walde 229 umlier, und stellt sich dann neuerdings wieder auf die Lauer. Das Selbstgefühl seiner Kraft eiitl)ehrend, stürzt er sich auf alle, auch selbst auf schwächere Thiere los, und wird auch von allen Thieren gefürchtet. Ansser demElephanten und Nashorne kann ihm keiuThier widerstehen, und selbst diese müssen schon eine gewisse Grösse erreicht haben; denn ibre Jungen frisst er, wo er sie nur bekommen kann. An den Elephanten und das Nashorn, wenn sie alt sind, wagt sich der Tiger im freien Zustande aber nicht, obgleich sich beide fürchten, wenn sie sich begegnen. Pferde und wilde Esel, denen er durch einen unvermutheten Sprung aus seinem Scbiifverstecke beson- ders gefährlich ist, sind die einzigen Thiere, welche ihm durch ihren schnellen Lauf bisweilen zu entkommen vermögen. Die furchtbaren Niederlagen und Verheerungen, die der Tiger sowohl unter Thieren als Menschen anrichtet, erregen unter den Bewohnern seiner Heimath allgemeine Furcht und ungeheueren Schrecken. In jenen Theilen, wo er noch in Menge ist, wird er zu einer wahren Landplage. Er ist nicht nur ein furchtbarer Nachbar einsamer Dörfer und der Schrecken ihrer armen, wehrlosen Bewohner, die er in Menge würgt, sondern auch ein höchst gefährlicher Feind für Beisende, da er die Com- munication im Lande im höchsten Grade unsicher macht. In seinen Angriffen ist er so verwegen, dass er oft Pferde und Ochsen vom Wagen, Kameele von ihren Führern, ja selbst einzelne Menschen aus einer ganzen Truppe marschirender Soldaten, und bei Hunger sogar aus der Mitte eines Beiterhaufens holt. In einsamen Dörfern, wo der Schilf nicht selten dicht bis an die Hütten reicht, ist es etwas Gewöhnliches, dass sich der Tiger Kinder aus den Häusern holt. Er schont nicht nur allein den Menschen nicht, sondern zieht ihn anderer Beute vor, indem er ihm mehr nachstellt als Büffeln, Hirschen und Schweinen, die seine gewöhnliche Nahrung sind. Man sieht ihn selten früher als in dem Augenblicke, wo ein Ausweichen vor seinem Anfalle nicht mehr möglich ist. Daher werden oft einzelne Beisende durch plötzlich her- vorstürzende Tiger aus der Mitte ihrer Begleiter geraubt. Er ist so schnell und so stark, dass er ohne Schwierigkeit den Beiter vom raschen Pferde reisst, und ihn mit grösster Schnelligkeit in seinem Bachen in das Dickicht schleppt, wohin er sich selbst durch das dich- teste Bohrgebüsche einen sicheren Weg zu bahnen weiss. So holte ein Tiger beim Marsche einer englischen Beitertruppe einen Soldaten vom Pferde und eilte so schnell mit ihm davon, dass es den übrigen 230 Reitern nicht möglich war, ilni einzuholen und zu erreichen. Ein anderer wagte sich an einen Engländer, der in einem Sattelsluhle auf einem Elephanten sass, indem er dem Elephanten auf den Hucken sprang, seine Beute erfasste, zur Erde schleuderte und mit ihr sogleich entfloh. Seine Begleiter hatten zwar alle ihre Gewehre auf das fliehende Thier gerichtet, wagten aber nicht zu schiessen, da sie befürchteten, den Unglücklichen selbst zu treffen, sondern zogen vor, ihn seinem traurigen Schicksale zu überlassen. Wirklich geschah diess auch zu seinem Glücke. Durch den hohen Sturz vom Elephanten seiner Besinnung anfänglich beraul)t, erwachte er später, im Gesichte und an den Händen von den Dornbüschen des Dickichts, durch welches er geschleppt wurde, zerfleischt, auf dem Rücken des davon eilenden Tigers. Seine gefährliche Lage erkennend, hatte er Geistesgegenwart genug, eine in seinem Gürtel steckende Pistole, wenn gleich mit grosser Anstrengung, herauszuziehen und sie während des Laufes auf den Kopf des Tigers abzuschiessen. Der Schuss ging aber fehl, und der ergrimmte Tiger biss nur noch tiefer in seine Beute ein und beschleunigte in raschen Sprüngen seinen Lauf. Der Unglückliche, welcher durch den Schmerz abermals seine Besinnung auf kurze Zeit verlor, raffte bei seinem nach einigen Minuten erfolgten Erwachen, seine letzten Kräfte zusammen, um noch einen zweiten, wenn auch letzten Versuch zu wagen, sich aus dem Rachen des Ungeheuers zu erretten. Er fasste die zweite Pistole, die er in seinem Gürtel hatte, und schoss sie auf das Schulterblatt des Tigers ab. Glücklicherweise hatte er ihn in's Herz getroffen, so dass er bald todt zur Erde stürzte. Seine Freunde, die ihm nachgeeilet waren, hatten ihn neben dem todten Tiger besinnungslos getroffen. Durch unausgesetzte, sorgfältige Pflege gelang es, ihm das Leben zu retten und von seinen tödtlichen Wunden Genesung zu verschaffen. Nur ein lahmes Bein ist ihm zur Erinnerung an jenen merkwürdigen, höchst gewagten, zweifelhaften Kampf geblieben. Es ist diess einer jener nur äusserst selten vorkom- menden Fälle, dass ein Mensch sich aus den Krallen des Tigers retten konnte. Überhaupt ist diess nur durch einen Zufall oder besondere Gegenwart des Geistes möglich. Es sind Beispiele bekannt, dass besondere Zufälle, die den Tiger unerwartet treffen, ihn bisweilen erschrecken und zur Flucht bewegen können. Ein Engländer, welcher durch einen zufälligen Sturz von einem Elephanten auf einen Tiger fiel, hatte denselben durch diesen unvennuthoten Sturz dergestalt 231 erschreckt, dass er sogleich entfloh. Auch wird hehauptet, dass man den Tiger, ebenso wie den Löwen, durch starres und entschlossenes Ansehen zu verscheuchen vermöge. Auch hiervon ist ein Beispiel bekannt; denn ein Officier, welcher unbewaffnet einem Tiger begeg- nete, brachte es durch ein muthiges, wenn gleich stundenlange fort- gesetztes Anstarren dahin, den Tiger, weicher lange nicht von der Stelle weichen wollte, endlich doch zur Flucht zu bewegen. Allerdings ist dieses Beispiel aber nicht massgebend, da es sehr leicht möglich gewesen sein konnte, dass der Tiger satt gefressen war. Denn ist er einmal satt, wozu er jedenfalls die Hälfte eines Menschen nöthig hat, so zeigt er sich feig, flieht den Menschen, und sucht sich einen sicheren stillen Ort, um daselbst ungestört der Buhe pflegen und verdauen zu können. Ein Jäger, der beim Verfolgen eines Hasen in einen Busch gerieth, traf daselbst plötzlich zu seinem grossen Schrecken einen Tiger, der eben vom Schlafe erwacht war und ihm mit grimmigem Blicke entgegenstarrte. Von Furcht und Entsetzen ergriffen, sprang er bei diesem schauerlichen Anblicke zurück; der Tiger aber erhob sich langsam von seinem Lager und entfernte sich, indem er deutlich seinen Umvillen zu erkennen gab. Buhigen Schrittes und ohne irgend Jeman- den zu beschädigen, ging er an mehreren Dienern jenes Jägers vor- über, die zumTheile eben mit dem Bepacken ihrer Pferde beschäftiget waren. Als sie das Gebüsch betraten, wo der Tiger versteckt gelegen hatte, fanden sie einen halb aufgezehrten Ochsen, an dem sich der Tiger früher gesättiget hatte. Bei Gelegenheit einer anderen Jagd wurde auf einen Tiger geschossen, den man im Dickichte für einen Eber hielt. Auch dieser zog sich zurück, ohne irgend Jemanden etwas zu Leide zu thun, und auch an dieser Stelle fand man im Gebüsche ein halb aufgezehrtes Wildschwein. Gewiss ist es, dass der Tiger das Feuer fürchtet und dass er Lärm und Getöse scheut. Feuer und Geschrei sind oft die einzigen Mittel, um sich des Nachts den Tiger fern zu halten. Beisende beobachten auch stets die Vorsicht, zur Nacht- zeit grosse Feuer anzuzünden. In Gegenden, wo Tiger häufig sind, würde ohne die Furcht, die er vor Feuer und Getöse hat, kaum irgend eine Communication im Lande möglich sein, da man den grössten Theil des Jahres hindurch, der grossen Hitze wegen blos zur Nacht- zeit reisen kann, und in ganz Indien die Posten nur durch Fussgänger befördert werden. Die beiden Boten, welche das Felleisen des Nachts durch die Wälder zu ti'agen haben, würden ohne ein Geleite von 232 zwei Lanzenträgern und ein bis zwei lärmsehlagenden Trommlern niemals sicher sein, und ausserdem sind sie noch genöthiget, an den gefährlielisten Stellen aus Vorsicht noch einige Fackelträger mitzu- nehmen. Ungeachtet dieser Vorsichtsmassregeln werden aber doch bisweilen in Gegenden, wo Tiger in sehr grosser Anzahl hausen, durch ihre räuberischen llierfälle die Postverbindungen gänzlich unterbro- chen. Monate lang lauern sie oft an einer bestimmten Stelle und fangen bisweilen täglich einen Menschen, von denen, die an solchen Orten vorüberziehen. An den beschwerlichen Übergängen desGumeah- Stromes in Guzurate hat man erlebt, dass binnen 14 Tagen fast immer die Postenträger von den Tigern weggeschnappt und in einer Nacht drei Schildwachen von ihnen aufgefressen wurden. Dass in diesen Gegenden bei Militärzügen unzählige Nachzügler ihre Beute werden, ist eine bekannte Thatsache. Wird der Tiger sein* vom Hunger gequält, so hält ihn auch das Feuer nicht ab , sich sein auserkorenes Opfer ganz in der Nähe desselben wegzuholen. Ein trauriges Beispiel von der Wahrheit dieser Behauptung gibt das unglückliche Schicksal eines Engländers, der sich in Gesellschaft seiner Jagdgenossen, im Schatten eines Gebüsches um ein Feuer gelagert hatte. Kaum hatten sie sich der Ruhe überlassen, als sie plötzlich das donnernde Gebrüll eines Tigers vernahmen, der in demselben Augenblicke aber auch schon den Engländer erfasst hatte und mit sich davon schleppte. Alle übrigen schössen ihre Gewehre nach dem fliehenden Thiere ab, zu welchem sich jetzt auch dieTigerinn gesellt hatte. Glücklicherweise war er gut getrofl'en und den Kugeln erlegen, während die Tigerinn die Flucht ergriff. Nach wenigen Minuten kam der unglückliche, aus den Krallen des Unthiers gerettete Engländer, vom Blute triefend, zu seinen Genossen zurück. Doch kaum hatten sie sich, um der noch nahen Tigerinn zu entgehen, in einen Kahn geflüchtet, als diese in vollster Wuth erschien, um gleichfalls einen Angriff auf sie zu versuchen. Obgleich sie den Kahn nicht selbst verfolgte, so blieb sie doch so lange am Ufer stehen , bis sie das Fahrzeug aus den Augen verlor. Die Wunden, welche jener Unglückliche bei diesem Raube erhielt, waren aber so bedeutend, dass jede ärztliche Hülfe fruclitlos blieb und er schon nach 24 Stunden sein Leben endete. Aber auch das Wasser hält den Tiger nicht immer ab, sich seiner ausersehenen Beute zu bemächtigen, denn ein glaubwürdiger Reisender berichtet, dass er Augenzeuge war, wie ein Tiger sich in's Wasser stürzte und auf 233 seinen Kahn zuschwamm, um einen seiner Diener herauszureissen. Rei- sende können überhaupt nicht sorgfältig genug sein, um den Anfällen des Tigers zu entgehen. Auch selbst mit Waffen versehen und in grösse- rer Geseilschaft, bleibt es immer höchst gefährlich, sich vor oder nach Sonnenuntergang in Rohrwälder, oder in weite, mit Schilf, baumartigen Gräsern und dichtem Buschwerke verwachsene Flächen oder die soge- nannten Jungles zu begeben, da diess die eigentliche Zeit ist, in der der Tiger auf der Lauer liegt. Des Nachts geschieht es nicht leicht, dass er unversehens den Menschen überfällt, da er sich meist schon früher durch sein Gebrüll verräth. Dieses starke, wie haub-haub tönende Gebrüll, welches weithin erschallt und nur wenig schwächer ist als das des Löwen, hält gewöhnlich 4 — 5 Minuten an, und erfolgt meist des Nachts, und wenn er vollkommen gesättiget ist. AmGerathensten ist es für den Reisenden in solchen Gegenden, wo der Tiger noch in beträchtlicher Anzahl hauset, wie namentlich in Süd-Indien und Guzurate, sich sorg- fältig ein Nachtlager in einer sicheren Ortschaft aufzusuchen. So wild und verwegen der Tiger aber ist, wenn es sich um das Überfallen einer Beute handelt, so wenig Muth zeigt er bei Gefahr, denn vor- sichtig sucht er sie zu vermeiden und dem Kampfe auszuweichen. Wird er stark von Menschen und Hunden verfolgt, so ergreift er, beinahe feig, die Flucht. Dagegen wird er zu einem furchtbaren Gegner, wenn ihn der Hunger dazu zwingt, oder wenn ihn eine bren- nende Wunde oder überhaupt Verzweiflung seinerBesonnenheit beraubt und dieselbe in tollkühne Wuth verwandelt. In früherer Zeit haben die chinesischen Kaiser ausserhalb der grossen Mauer in der Mand- schurei grossartige Tigerjagden abgehalten, und heut zu Tage gehört die Tigerjagd in Indien zu den beliebtesten Vergnügungen, obgleich sie immer mit nicht geringen Gefahren verbunden ist und traurige Beispiele keinesweges zu den Seltenheiten gehören. Die gewöhnliche Art, den Tiger zu jagen, geschieht mit gut abgerichteten Elephanten. Sie ist auch weit sicherer als mit Pferden, die sich nur selten so abrichten lassen, dass sie sich in die Nähe des Tigers lenken lassen und ihrer Scheu und Flüchtigkeit wegen zu einer solchen Jagd meist untauglich sind. Haben die Jäger ihre Elephanten bestiegen, so stören sie den Tiger aus seinem Lager auf und suchen ihn auf seiner Flucht durch einen sicheren Schuss zu tödten. Misslingt aber der Schuss, oder wird der Tiger nur verwundet, so sind sie selbst auf ihren Ele- phanten der höchsten Gefahr preisgegeben; da dieser, auf s Äusserste 234 getrieben, dem Elephanten gewöhnlieh auf die Schulter springt, um den Mensehen zu erreichen, und der Elephant die Lage des Jägers dann doppelt gefährlich macht, da er theils aus Schmerz, theils aus Sehreck jeden Gehorsam seinem Herrn verweigert. Die indischen Fürsten stellen zu ihrer Belustigung grossartige Treibjagden an, bei welchen gewöhnlich 20,000, ja selbst bis 60,000 Mann Soldaten, theils Reiterei, theils Fussvolk aufgeboten werden, um das Revier der Tiger mit hohen starken Netzen zu umstellen. Innerhalb derselben werden auf Bäumen und hohen Gestellen eigene Schiesshäuser errichtet, das dürre Gras und das Gestrippe wird in Brand gesteckt, und sämmt- liche Treiber scheuchen die Tiger unter heftigem Trommeln und Geschrei schiessend in die Garne , wo sie sodann entweder von den Schiesshäussern aus oder von den Elephanten herab erlegt werden. Bei solchen Jagden greift der geängstigte Tiger gewöhnlich den Ele- phanten an, indem er auf die Schützen hinaufzuspringen sucht, von diesen aber mit Lanzen und Flintenschüssen empfangen wird. Die Kosacken am Irtisch tödten ihn bisweilen in den kirgisischen Steppen mit Lanzen auf ihren Pferden. Die gewöhnliche Art, auf welche ihm in Ost-Indien nachgestellt wird, besteht darin, dass man die Stelle zu erforschen sucht, wo er den Rest seines Raubes versteckt hält. Ist diese bekannt, so wird in seiner Abwesenheit in grösster Eile ein Schiesshaus in der Nähe derselben errichtet und aus diesem auf ihn gefeuert, wenn er zu seinem Rauhe zurückkehrt. Ausser der Jagd wird er aber auch durch gelegte Selbstschüsse getödtet oder in tiefen Fall- gruben gefangen. Eine besondere Art ihn zu fangen ist im nördlichen Theile von Ost-Indien üblich, wo man Blätter, die mit einer Art von Vogelleim bestrichen sind, auf seinen Wechsel streut. Tritt der Tiger darauf, so bleiben die Blätter an ihm kleben, und im Bestreben, sie von sich zu entfernen, bewegt er sich immer heftiger und bedeckt sich immer mehr und mehr mit Blättern. Zuletzt wird er so wüthend, dass er anfängt sich zu wälzen, wodurch er sich Nase, Augen und Ohren verklebt und in ein heftiges Gebrüll ausbricht, auf welches die Eingeborenen sodann herbeistürzen und das zur Flucht, wie zu jeder Vertheidigung imfähige Thier mit Leichtigkeit erschiessen oder auch wohl erstechen können. Ungeachtet der schon seit einer sehr langen Reihe von Jahren unablässig fortgesetzten Verfolgungen, scheint die Zahl der Tiger aber in Indien, wo seine Erhaltung sowohl als seine Vermehrunor durch die Eiccenthümlichkeit der Vegetation besonders 235 begünstiget ist, kaum merkbar abzuiiebmcn. Indess verdanken mancbe Gegenden die fast vollständige Ausrottung dieser wabren Plage der ost-indiscben Läudereien mebr dem Bestreben der ost-indiscben Compagnie, welcbe besondere Prämien auf die Vertilgung des Tigers ausgesetzt hat, und dem persönlicben Mutbe einzelner Europäer, als den kostspieligen Treibjagden der indischen Fürsten. Es gibt Jäger, welche in wenigen Jahren mehrere Hunderte erschossen haben. Durch den unerschütterlichen Muth eines Deutschen, der mit seinem immer sicheren Schusse oft in einem einzigen Tage fünf Tiger erlegte , ist die Insel Cossimbazar gänzlich von diesem Ungeheuer befreit Avorden. Ein anderer Privatmann soll 360 Tiger eigenhändig erlegt haben. Die meisten Früchte haben aber die Preise getragen, welcbe die Regie- rung von Bengalen mit zehn Rupien für jeden Tigerkopf bezahlt. Das Capital, welches sie hierauf verwendete und wovon schon vor 51 Jahren 30,000 Pfund Sterling verausgabt waren, hat sich wie wenig andere verinteressirt, da der Tiger in den Gegenden, wo sich die Mehrzahl englischer Niederlassungen befindet und ernstlich seine Ausrottung betrieben wurde, fast gänzlich schon vertilgt ist. Aus dem bevölkerten Koromandel ist er gleichfalls ganz verschwunden und ebenso in den oberen Gegenden des Gangeslandes, an der Gabelung des Ganges um Cossimbazar, wo er ehemals sehr zahlreich war, und in Duab zwischen dem Dschumna und dem Ganges. Dagegen ist er in einem grossen Theile von Hindostan und Bengalen, in dem menschen- leeren und durch langwierige Kriege verwilderten Dekan, in den schilfreichen und bewaldeten Sunderbunds der Gangesmündungen, in den Wäldern von Gondwana und den kleinen Ortschaften der Gonds, die keine Feuergewehre besitzen, sowie in den östlich vom Ganges- Delta liegenden Waldungen Sylhets und Dschittagongs, und in einem Theile von Guzurate noch eine beklagenswerthe Landplage, indem er daselbst noch immer die Obergewalt über die Menschen behauptet und jährlich eine grosse Anzahl derselben seine Beute wird. Viele Büssende, die, dem Geheisse ihrer Religion folgend, am Ganges ihre Waschungen vornehmen, werden von Tigern zerrissen. Besonders traurig sind aber die Bewohner des südlichen Theiles von Indien, namentlich jene von Mysore und Malabar daran. Bei dem gänzlichen Mangel an Feuergewehren haben sie kein anderes Schutzmittel, als Feuerbrände und unzureichende Dornhecken um ihre Hütten. Am meisten hatten die Tiger durch die verheerenden Kriege Hyder Ali's 236 überliand genommen ; denn ganze Ortschaften wurden von Menschen verhissen und sind zum Lager der Tiger geworden. Aus einem Dorfe bei Seringapatam , dessen Verschanzungen Hyder Ali zerstört hatte, sind während der zwei letzten Regierungsjahre dieses Tyrannen 80 Bewohner aus ihren Hütten weggeschleppt worden. Eben so haben in einem anderen kleinen Districte von Ost -Indien in einem einzigen Jaln-e 84 Personen ihr Lehen durch Tiger verloren, und es ist leicht zu erklären, wie nahe an den Bambuswäldern stehende Dörfer durch Tiger gänzlich entvölkert und verlassen sind. Wie zahlreich sie übri- gens selbst jetzt noch inVorder-Indien sind, geht daraus hervor, dass erst vor 25 Jahren in der einzigen Provinz Khandesch in Dekan, in dem kurzen Zeiträume von vier Jahren 1032 Stücke erlegt wurden, wie diess durch amtliche Erhebungen bewiesen ist. Weit häufiger aber noch als in Vorder-Indien, ist er in Hinter-Indien und am häufig- sten in Siam und Birma, insbesondere in den Rolirwäldern und Sun- derbunds des Irawaddi. Aber auch in Java und vollends in Sumatra wird er für die Eingeborenen zu einer furchtbaren Geissei. Auf Sumatra werden regelmässig ganze Dörfer von ihm entvölkert, da die Einwohner aus religiösen Vorurtheilen und in der Überzeugung, dass die Tiger nur die Hüllen verstorbener Menschen sind, es nicht wagen sie zu tödten. In Ost -Indien besteht die Sitte, an dem Orte, wo ein Mensch von einem Tiger getödtet worden ist, eine hohe Stange mit einem farbigen Tuche als Warnungszeichen aufzupflanzen und daneben eine Hütte zu errichten, in welcher sich die Reisenden zum Gebete versammeln. Ereignet es sich, dass an derselben Stelle zum zweiten Male ein Mensch dem Tiger als Opfer fällt, so wird er für einen Sünder und sein Tod als ein Gottesgericht betrachtet. In Cochinchina wird dieses Ungethüm sogar selbst göttlicli verehrt, und in Siam hatten noch vor nahe 60 Jahren zur Ermittelung des Schul- digen besondere Tigerproben stattgefunden, die noch weit schlimmer waren als die Feuerproben anderer barbarischen Völker. Wenn zwei gleich Verdächtige einem Tiger vorgeworfen wurden, galt der für schul- dig, den er zerriss und frass. Die Wunden, die der Tiger schlägt und die oft bis auf 5 Zoll tief in das Fleisch eindringen, sind in der Regel tödtlich, wenn auch das Opfer seines Blutdurstes ihm entrissen wird. Der Volksglaube der eingeborenen Indier hält die Wunden von Tiger- krallen für giftig. Das Tiger -Weibchen wirft nach 14— 16wochent- licher Tragzeit oder nach 100 Tagen und einigen darüber, 2 — 3 Junge, 237 die halb so gross als eine Hauskatze sind, an einem unzugänglichen Orte zwischen Bambus oder Schilf. Obgleich sie die Jungen mit grosser Liebe pflegt und bewacht, so streift sie doch gerade zu jener Zeit weit umher, und es gelingt dann bisweilen ihr die Jungen zu rauben. Findet sie aber die Spur der Räuber, so verfolgt sie diese bis in ihre Wohnungen. Das Männchen hingegen kümmert sich in der Regel, nach Art der anderen Katzen, wenig um die Jungen und frisst sie zuweilen sogar auf. Doch sind auch Beispiele bekannt, dass selbst das Männchen sich die Wiederauffindung der geraubten Jungen angelegen sein Hess. Zwei junge Tiger, welche der Mutter geraubt wurden und sich im Besitze eines englischen Capitäns befanden, heulten so heftig, dass die Alten herbeigelockt wurden, welche das Geschrei ihrer Jungen mit dem fürchterlichsten Geheule beantworteten. Aus Besorg- niss vor einem Überfalle, Hess er die Jungen frei und bemerkte am folgenden Morgen, dass sie die Alten geholt und in das nahe Gebüsch gebracht liatten. Zur Zeit, wenn die Tigerinn Junge hat, ist sie für vorüberziehende Reisende besonders gefährlich. In dem Engpasse von Kutkumsandy hatte sich eine Tigerinn mit ihren beiden Jungen gelagert, die täglich 1 — 2 Menschen würgte. Nachdem sie bereits nahe an 12 Postboten zerrissen hatte, war jede Verbindung der Prä- sidentschaft mit den oberen Provinzen aufgehoben. Man sah sich daher genöthiget einen Preis auf sie zu setzen, ohne dass es jedoch gelang ihrer habhaft zu werden. Ein reicher Engländer, welcher den- selben Weg berührte und sich in einem Palankin von 8 Personen tragen Hess, stiess gleichfalls mit jener Tigerinn zusammen. Als die Träger sie schon in der Ferne bemerkten, widersetzten sie sich dem Befehle ihres Herrn den Weg weiter zu verfolgen. Da dieser jedoch darauf bestand, so ergriffen sie die Flucht und Hessen ihn allein. Glücklicherweise hatte aber auch er sich noch rechtzeitig durch die Flucht gerettet. Sie setzte auf derselben Stelle ihre Räubereien so lange fort, bis auf einer Treibjagd, welche der Raja veranstaltet hatte, auf sie geschossen wurde. Obgleich sie der Schuss auch nicht getroffen hatte, so war sie doch verscheucht und hatte für sich und ihre Jungen einen anderen Platz gewählt. Den alten Römern ist der Tiger unbe- kannt geblieben bis zu den Zeiten Varro's. Als ihnen aber Indien zugänglicher wurde und sie ihr Reich bis zu den Parthern ausdehnten, wurde er in grösserer Menge herbeigeführt und aus Indien, Armenien und Hyrcanien nach Rom gebracht, niemals aber in so grosser Anzahl 238 wie der Löwe. Die indischen Fürsten schickten den Römern durch ihre Gesandten nebst andern Geschenken auch Tiger, die das Volk früher nicht gesehen hatte. Überhaupt gehörten die Tiger aber anfangs zu den seltensten Thieren, welche dem römischen Volke bei besonde- ren grossen Festlichkeiten gezeigt wurden. Später kamen sie aber öfter nach Rom und zwar unter Titus, Domitian und Antoninus Pius. Gordian HI. besass deren 10, und Avitus liess 5 in einem Schauspiele tödten, was nie vorher gesehen wurde. In neuerer und neuester Zeit wird er sehr häufig nach Europa gebracht. In der Jugend kann er auch gezähmt werden , und er ist nicht schwerer zu zähmen als der Löwe. Beispiele davon kennt man nicht blos aus der neueren, sondern selbst schon aus der ältesten Zeit. Scaurus zeigte unter den Consuln Tubero und Fabius Maximus schon im eilften Jahre vor Christus den ersten gezähmten Tiger in einem Käfige zu Rom. Claudius soll vier zahme Tiger zu gleicher Zeit besessen haben. Elagabalus spannte zwei vor seinen Wagen, auf dem er selbst, mit den Attributen des Bachus versehen, sich dem herabgekommenen Volke zeigte, und Aurelian liess vor dem Triumphe nn't der Zenobia 4 Tiger, eine Giraffe und Elenn- thiere, nebst vielen anderen Thieren einhergehen. In neuester Zeit hat man es sehr weit in der Zähmung des Tigers gebracht und häufig sieht man Thierbändiger zu ihm selbst in den Käfig gehen. Er zeigt nicht blos Zuneigung zu seinem Wärter und erwiedert Liebkosungen von bekannten Personen, wenn auch immer nur in zweideutiger Weise, sondern gestattet seinem Wärter auch zu ihm zu gehen, ihn anzu- fassen, zu schlagen, ja selbst den Kopf in seinen Rachen zu stecken. Er gehorcht auf jedes Wort, legt sich auf Befehl in eine Ecke seines Käfigs und springt auch über einen Stock oder wohl gar durch einen Reif. Doch ungeachtet dieser Äusserungen von Zahmheit ist ihm doch niemals ganz zu trauen. Ein jung aufgezogener, der in Batavia aus seinem Käfige entkonnuen und entflohen war, tödtete sogleich ein Pferd, obgleich er täglich an Menschen gCMohnt war, und musste, um ferneres Unglück zu verhüten, erschossen werden. Von anderen sind dagegen wieder Beispiele bekannt, dass sie sich nicht blos ihrer Wohl- thäter erinnerten, sondern sich sogar dankbar gegen dieselben bezeigten. Ein junger Tiger, welcher vor 61 Jahren als ein Geschenk für den König von England nach London gebracht und während der Seereise von dem Schilfszinnnermanne gepflegt wurde, hatte von demselben, da er ihm ein Stück Fleisch gestohlen, eine Züchtigung erhalten. 239 die er geduklig wie ein Hund ertrug. Als er ihn zwei Jahre später wieder sah, erkannte er ihn sogleich und gah seine Freude sichtlich zu erkennen. Sein alter Pfleger besuchte ihn sogar in seinem Käfige und wurde mit Liebkosungen von dem Tiger empfangen, der, ohne die geringste Tücke zu zeigen, ihm gleich einer Hauskatze dankbar schmeichelte und sich so an ihn andrängte, dass er Mühe hatte, sich von demselben loszumachen , nachdem er nahe an 3 Stunden bei ihm zugebracht hatte. Auch an Hunde gewohnt sich der Tiger sein- bald in der Gefangenschaft und zeigt seinen Unmuth , wenn man ihn von seinem Gesellschafter trennt. Eben so kennt man Beispiele, dass sich Tiger gegen Hunde in der Gefangenschaft selbst grossmüthig bezeigten. EineTigerinn, welche von ihrem Besitzer nur mit herrenlosen Hunden gefüttert wurde, hatte alle, die ihr vorgeworfen wurden, bis auf einen zerrissen, der sich verzweifelt zur Wehre stellte, ihr die Nase blutig biss und sich hierdurch ihre Achtung, und bald auch ihre Liebe gewann , so dass sie in kurzer Zeit Freunde wurden. Im Käfige hatte man eine kleine ÖlTnung angebracht, durch welche der Hund aus und eingehen konnte. Hatte man es versucht, sie in Abwesenheit ihres Gefährten zu reizen, indem man ihr einen fremden Hund vor das Gitter ihres Käfiges hielt und warf ihr dann statt diesem ihren Liebling vor, so war nicht nur allein ihre Wuth sogleich gedämpft, sondern sie sprang freudig auf ihn los und liebkoste ihn noch mehr als früher. Alt gefangene Tiger Averden niemals völlig zahm. Sie gehorchen nur aus Furcht, Avenn ihnen der Wärter mit der Peitsche droht und stehen höchstens auf oder legen sich nieder, wenn er es von ihnen verlangt; denn nur mit Grimm und Ungeduld ertragen sie die Gefangenschaft. Für ältere Thiere sind täglich 10 Pfund Fleisch und 6 Pfund Wasser erforderlich, um sie in der Gefangenschaft dauernd zu erhalten. Wird ihnen das Futter vorgeworfen, so stürzen sie sich unter fürchterlichem Gebrülle wie wüthend auf das Fleisch. Sind sie gesättiget, so verhalten sie sich ruhig und schlafen durch geraume Zeit. Nur wenn sie aufgereizt oder erschreckt werden, gerathen sie in Zorn. In der grössten Wildheit kann der Tiger aber durch barsches Anrufen mit kräftiger Stimme, oder leichtes Bespritzen mit Wasser besänftiget werden. Ein kurzes, scharfes Geschrei ist ein Zeichen seiner Drohung; ein eigenthümliches Schnauben durch plötzliches Ausstossen der Luft, drückt sein Wohl- gefallen und seine Freundlichkeit aus. Bisweilen pflanzt sich der Tiger selbst in unserem Klima in der Gefangenschaft fort und es ist nicht 240 schwer, die Jungen aufzuziehen. Auch kennt man Beispiele, dass sich Tigerinnen in der Gefangenschaft mit dem Löwen hastardirt hal)en. Bei guter Pflege kann man den Tiger auch ziendich huige in der Gefangenschaft erhalten. In seiner Wilüniss hat er keinen anderen Feind, als den Menschen. Die einzigen Thiere, welche ihm an Kraft überlegen sind, sind der Elephant und das Nashorn; doch wird er von denselben niemals aus freiem Antriebe angegrifl'en. Dass das Nashorn ein Freund des Tigers sei, ist eine Fabel. In Ost-Indien wurden in früheren Zeiten öfters von den Fürsten zu ihrer Belustigung Kämpfe zwischen Tigern und Elephanten veranstaltet. Der Tiger wurde hierbei jedoch meistens von dem Elephanten besiegt, indem er ihn mit seinem Rüssel packte und in die Höhe schleuderte. Gelang es aber dem Tiger, den Elephanten am Rüssel fest zu fassen, was sich jedoch nur selten ereignete, so war der Elephant verloren. Um die Elephanten hierbei möglichst zu schonen, wurde ihnen eine Art von Panzer auf den Kopf gelegt. Ein Augenzeuge eines solchen Kampfes, welcher vor nahe 170 Jahren in Siam stattgefunden, erzählt, dass in eine Umzäunung von Pallisaden, welche den Kampfplatz bildete, drei Elephanten eingeführt wurden, denen ein Tiger, an zwei Seilen fest- gehalten, entgegengestellt wurde. Ein Elephant hatte demselben sogleich einige Schläge mit dem Rüssel auf den Rücken versetzt, so dass der Tiger zusammenstürzte und wie todt an der Stelle liegen blieb. Als man ihn aber von den Seilen losgebunden hatte, sprang er plötzlich auf, stiess ein heftiges Gebrüll aus und wollte sich eben auf den Rüssel des Elephanten stürzen, als dieser denselben sogleich hoch empor hob und dem Tiger einen so gewaltigen Stoss mit seinen Hau- zähnen versetzte, dass er einen hohen Satz machte und keinen weiteren Angriff mehr wagte. Dicht an den Pallisaden laufend, suchte er sich zu flüchten, indem er einen buhen Sprung gegen die Zuschauer hinauf versuchte, als man alle drei Elephanten gegen ihn trieb, die ihm nun solche Schläge mit ihren Rüsseln versetzten, dass er abermals regungslos am Boden liegen blieb, und als er sich ei'holte, sich ruhig von den Elephanten entfernte. Er würde auch sicher von ihnen getödtet worden sein, wenn man den Kampf nicht beendiget hätte. Aber auch in Paris wurde zu Ende des 17. Jahrhunderts, zu Ehren der Anwesenheit eines persischen Gesandten, ein ähnliches Schauspiel gegeben, wobei der Tiger von dem Elephanten getödtet wurde. Der Nutzen, welchen der Tiger gewährt, ist fast ohne allen 241 Werth, wenn man den ungeheueren Sehaden berücksichtiget, welchen er dem Menschen zufügt. Sein Fell, welches weit weniger geschätzt ist, als das Pantherfell, wird in Europa zu Pferde-, Sattel- oder Schlittendecken und in China zu Polstern verwendet. In neuerer Zeit ist es aber in Europa fast ganz ausser Gebrauch gekommen. Mehr ist es bei den Kirgisen geschätzt, die es als Köcherdecke benützen und gewöhnlich ein Fell mit einem Pferde bezahlen. Die meisten Felle, welche auf die russischen Märkte kommen, stammen aus der Bucharei und werden auch aus Georgien gebracht. Die Javaner bezeichnen den Tiger mit dem Namen König des Waldes, weil er die Herrschaft über die anderen Thiere führt. Hieraus mag wohl der bei uns übliche Name Königstiger entstanden sein. Der Jagaar (Felis Onga). (Fig. 48.) Der Jaguar ist das grösste und gefürchtetste unter allen Raub- thieren von Amerika. Weit grösser als der Leopard und Panther, erreicht er fast die Grösse des Tigers, Er ist den Reisenden schon in der ersten Zeit der Eroberung von Süd-Amerika bekannt geworden und hat sowohl durch seine Kraft, Grösse und Schönheit, als durch seine Kühnheit und Grausamkeit ihre Aufmerksamkeit erregt. Unter allen Katzen- Arten ist er auch am schönsten gezeichnet. Seine Gestalt zeigt mehr den Ausdruck von Kraft als von Gewandtheit, indem sein Körper sowohl als seine Gliedmassen bei weitem stärker sind als beim Leopard und Panther. Sein Kopf ist gross und rund, die Schnauze stumpf, der Schwanz mittellang, und nur von halber Körperlänge, so dass er, wenn das Thier steht, gerade den Boden berührt. Das Fell ist dicht mit kurzen, straffen und weichen Haaren besetzt, welche im Inneren des Ohres und auf der Unterseite des Körpers etwas länger sind. Die Grundfarbe ist auf der oberen und äusseren Fläche des Körpers gewöhnlich röthlichgelb, auf der Unter- und Innenseite, so wie auf der inneren Seite der Ohren und auf der Schnauze weiss. Der ganze Körper ist theils mit kleineren, vollen schwarzen Flecken besetzt, theils mit grösseren, welche aus ring- förmig gestellten, kleinen schwarzen Flecken gebildet sind, im Inneren die Grundfarbe und in der Mitte meist einen oder zwei schwarze Punkte oder sogenannte Augentlecken zeigen. Die kleineren, vollen (Naturgeschichte.) 16 242 schwarzen Flecken finden sich besonders am Kopfe, dem Halse, den Gliedmassen, der unteren Seite des Körpers und am Schwänze. Auf dem weissen Grunde sind sie sparsamer, aber grösser und unregelmässiger; an der Innenseite der Beine bilden sie oft Querstreifen und über die Brust sind sie auch häufig riemenförmig gereiht. Die geringelten Flecken stehen auf dem Nacken, den Schultern und den Seiten des Rumpfes sparsam vertheilt. Sie sind gross, 2 — 3 Zoll im Durch- messer und bilden jederseits 4 — 5 unregelmässige Längsreihen. Auf der Mittellinie des Rückens fliessen diese Flecken in einen unregel- mässigen, mehr oder minder zusammenhängenden Streifen zusammen, der bisweilen aus einzelnen, bis auf 5 Zoll in die Länge gezogenen Stücken besteht und auf dem Kreuze gewöhnlich in zwei Äste getheilt ist. Am Mundwinkel befindet sieh jederseits ein schwarzer Flecken und auch die Hiuterseite der Ohren ist schwarz, mit einem weissen oder gelblichen Punkte in der Mitte. Der Schwanz ist auf seiner Oberseite von der Grundfarbe des Rückens, unten weiss, mit grossen, vollen schwarzen Flecken besetzt, die im unteren Drittel 2 — 3 voll- ständige Ringe bilden, und an seiner Spitze ringsum schwarz. Das Weibchen ist gewöhnlich von blasserer Färbung und hat auch weniger ringförmige Flecken am Halse und auf den Schultern, dagegen sind diese Flecken an den Seiten zwar kleiner, aber zahlreicher als beim Männchen. Der Jaguar unterliegt sehr vielen Abweichungen und zwar sowohl in Bezug auf seine Grundfarbe, als auf die Grösse und Anord- nung der schwarzen Flecken seines Felles. Bisweilen sind selbst die beiden Körperseiten nicht einmal einander gleich. Eine der seltensten Abänderungen ist jene, welche ohne alle schwarze Zeichnung, einfarbig graulichweiss erscheint, und wo die Stellen der sonst gewöhnlichen schwarzen Flecken nur durch eine dunklere Schattirung angedeutet sind. Man kann sie als einen Albino oder Kakerlak betrachten. Bei anderen Abänderungen, wo die schwarzen Flecken vorhanden sind, geht die Grundfarbe vomWeisslichgelben zum Gelben, Gelblichrothen, Röthlichbraunen, Rothbraunen, ja selbst zum Kastanienbraunen und bis zum völlig Schwarzen über. Diese zwei letzteren Farben sind die allerseltensten, doch fehlen keiner derselben, auch nicht der völlig schwarzen die dunkleren Flecken, die, wenn auch bei dieser letzteren schwer, doch immer zu erkennen sind, wenn die Lichtstrahlen in gewissen Winkeln auf das Fell einfallen. So erkennt man sie stets, wenn man dasThier von der Seite aus betrachtet, während sie bei der 243 Ansicht von vorne vollständig verschwinden. Die gewöhnliche Körper- länge des erwachsenen Thieres beträgt 4 Fuss 7 Zoll, die Länge des Schwanzes 2 Fuss 2 Zoll, die Höhe am Widerrist 2 Fuss 6 Zoll. Die Hei- math des Jaguars hat eine sehr weite Ausdehnung, denn sie reicht von Buenos-Ayi*es und Paraguay durch ganz Brasilien und Guyana, bis nach Mexiko und in den südwesthchenTheil der vereinigten Staaten vonNord- Amerika, und berührt auch einen Theil von Peru ostwärts der Anden. Am häufigsten ist er im gemässigten Theile von Süd-Amerika längs der Ströme Panama, Paraguay und Uruguay, am seltensten hingegen in den vereinigten Staaten, wo er durch die Zunahme der Bevölkerung immer mehr und mehr verdrängt wird. Obgleich er in Süd-Amerika nicht selten ist, so war er doch in früheren Zeiten noch bei weitem häufiger und eines der gewöhnlichsten Baubthiere, da sonst jährlich an 2000 Stücke getödtet wurden, deren Felle grösstentheils nach Europa kamen. Gegenwärtig bewohnt er nur noch die abgelegensten und unzugäng- lichsten heissen und ebenen Waldsäume, nahe an Sümpfen gelegener Wälder, die bewaldeten Ufer der Ströme und Flüsse und das Sumpf- land, welches dicht mit mehr als 6 Fuss hohem Schilfe und Grase bewachsen ist. Wasserarme Gegenden vermeidet er und hält sich am liebsten in der Nähe grosser Ströme auf. Auf oflenem Felde und im Inneren der Urwälder zeigt er sich nur auf dem Durchzuge von einer Gegend in die andere. Er lebt einsam und nur zur Brunstzeit paar- weise, hat kein bestimmtes Lager und gräbt auch keine Höhlen. Wo ihn die Sonnenhitze überrascht, legt er sicli in den Schilf oder ver- birgt sich im Dickichte des Waldes, zuweilen aber auch in eine Höhle oder tiefe Felsspalte. Im offenen Felde sind es die Höhlen verwilderter Hunde, die ihm bisweilen als Zufluchtsstätte dienen. Dagegen hat er einen festen Wohnbezirk, den er zum Mittelpunkte seiner Streifzüge macht und nur gezwungen mit einem anderen Aufenthaltsorte ver- tauscht. Er erklettert mit Leichtigkeit und grosser Behendigkeit die Bäume, geht gerne in's Wasser und schwimmt sehr gut. Hierbei befolgt er stets eine vollkommen gerade Richtung und ist im Stande, ohne zu ermüden, selbst Ströme zu durchschwimmen, deren Breite IVa Stunde beträgt. Hat er das entgegengesetzte Ufer erreicht, so sieht er sich nach allen Seiten um, und schüttelt zuerst den Körper, dann jede einzelne seiner Tatzen, um sich von der grössten Nässe zu befreien. Sein Gang ist bedächtig, sein Lauf hingegen ausserordent- lich schnell , wenngleich nicht anhaltend , so dass er mit einem guten 16" 244 Pferde leicht einzuholen ist. Des Nachts lässt er häufig sein lautes Geschrei ertönen, das weithin gehört wird und mit einer fünf bis sechsmaligen Wiederholung der Sylbe hu verglichen werden kann. Zur Brunstzeit und während der heftigen nächtlichen Gewitter in der Regenzeit der Tropenländer ertönt sein schreckliches Gebrüll besonders laut und häufig und bewirkt im Vereine mit den gleich- zeitig ertönenden, tiefen und dröhnenden Lauten der grossen Alli- gatoren, einen eigenthümlich schauerlichen Eindruck. Seine Lebens- weise ist vielmehr eine nächtliche, denn den Tag über schläft er in seinen Verstecken verborgen. Nur in der Morgen- und Abend- dämmerung und bei mond- oder sternhellen Nächten tritt er seine Raubzüge an, niemals aber bei finsterer Nacht. Er ist eben so muthig als grausam, fast eben so gefährlich als der Tiger und steht an Stärke und Furchtbarkeit diesem allein nur nach. Er raubt alle Säugethiere, deren er nur habhaft werden kann, sowohl grössere als kleinere, und keines ist vor seinem Angriffe sicher; weder Pferde, Maulthiere und Esel, noch Stiere, Kühe und Kälber, und selbst nicht Schafe und Hunde. Auch Hirsche, Rehe und Schweine fällt er an, jagt Fischottern, Capybaren, Paka's, Aguti's und Meerschweinen nach und verfolgt sogar Katzen, Affen, Ratten und selbst Stachel- schweine. Im Schilfe beschleicht er die grösseren Sumpfvögel, stellt im Walde und auf den Sandbänken auch den Land- und Wasserschild- kröten, ja selbst ihren Eiern nach, und weiss sehr gewandt sogar Fische aus dem Wasser zu ziehen. Im W^asser erhascht er seine Beute eben so gut als auf dem Lande. Seine Hauptjagd richtet er auf die verwilderten Pferde der Pampa's, auf Hirsche, Maulthiere und beson- ders junges Hornvieh. Es ist den Jägern nichts seltenes , den Jaguar auf seinen Jagden, insbesondere längs des Paraguay-Stromes zu beobachten. Mit langsamem leisem Schritte schleicht er sich dahin, um Capybaren, Paka's und Fischottern nachzustellen. Hat er eines dieser Thiere erblickt, so nähert er sich demselben mit unglaublicher Umsicht und Geduld. Wie eine Schlange windet er sich auf dem Boden hin, hält dann wieder einige Minuten still, indem er die Stelle, wo sich seine Beute befindet, genau betrachtet, und macht oft weite Umwege, um derselben von einer anderen Seite beizukonnnen, wo er weniger bemerkt zu werden glaubt, ist es ihm gelungen, sich unge- sehen dem Thiere zu nahen, so springt er plötzlich in einem, selten nur in zwei Sätzen auf dasselbe hin , reisst ihm den Hals auf und 24Ö trägt das noch im Todeskampfe sich sträubende Thier im Rachen in das Dickicht. Hat er seine Beute verfehlt, so zieht er ruhig und wie beschämt von dannen. Kann er sich nicht durch Heranschleiclien dem Thiere nähern, so legt er sich auf die Lauer und versteckt sich an den Stellen, wo es zur Tränke geht. Niemals lauert er aber den Thieren, obgleich er sehr gut klettern kann, auf Bäumen auf. Dagegen ver- säumt er nicht, selbst die höchsten Bäume geräuschlos zu erklettern, um die daselbst zu ganzen Gesellschaften vereinigten Affen im Schlafe zu überfallen, die zur Nachtzeit äusserst furchtsam und hülflos, in ein heftiges Geschrei ausbrechen und keinen Muth haben, sich durch die Flucht zu retten. Den Viehheerden fügt er grossen Schaden zu. An Stiere und Ochsen wagt er sich nur selten und blos nur in der Noth, da diese Thiere muthig auf ihn eindringen und ihn verscheuchen. Wird eine ganze Heerde von ihm überfallen, so flüchten die Kühe mit ihren Kälbern aus dem Walde blos in's offene Feld und nur die Stiere und Ochsen bleiben kampflustig in der Nähe ihres Feindes, indem sie unter fortwährendem Gebrülle mit ihren Hörnern und Füssen unter sich die Erde aufwerfen. Es ist ein Mährchen, dass sich die Stiere beim Überfalle einer Heerde in einen Kreis stellen und Kühe und Kälber in ihre Mitte nehmen, um sie zu schützen. Wahr ist es hingegen, dass die Kühe ihre Kälber mit Muth vertheidigen, wobei sie aber immer schwer verwundet werden. Pferde und Maulthiere überwältiget er leichter, wenn sie sich den Wäldern nähern. Die Pferde suchen sich durch schnelle Flucht zu retten und blos Hengste sollen es versuchen, sich durch Schlagen und Beissen zu vertheidigen, wenn sie nicht schon durch den ersten Sprung des Jaguars zu Boden geworfen wurden. Maulthiere hingegen werden schon durch den blossen Anblick des- selben so erschreckt, dass sie ohne Bewegung stehen bleiben, oder wohl gar zu Boden stürzen, bevor sie noch von ihm überfallen worden sind. Hat der Jaguar seine Beute in einiger Entfernung vom Walde erhascht und gewältiget, so schleppt er sie, wenn sie auch noch so schwer ist, dem Gebüsche zu. Ein glaubwürdiger Reisender berichtet, dass ein Jaguar, welcher ein Pferd getödtet hatte, aber von demselben durch Reisende verscheucht wurde, bald wieder zurückgekehrt sei, und das getödtete Pferd, nachdem er es mit seinen Zähnen über einen gepflügten Acker bei 60 Schritte weit bis an's Ufer eines breiten, tiefen Flusses gezogen hatte, schwimmend an das entgegengesetzte Ufer brachte und von da in den nahen Wald geschleppt habe. Auch 246 hat man schon mehrmals beobachtet, wie ein Jaguar von zwei zusammcngekuppelten Pferden oder Maulthieren eines getödtet hatte und das todte Thier trotz des Sträubens des lebenden, eine weite Strecke Weges fortschleppte. Von grossen Thieren tödtet er nie mehr als ein Stück, weil er mehr das Fleisch als das Blut der Thiere liebt. Grösseren reisst er den Hals auf, frisst sich an ihnen satt und schläft dann, höchstens eine Viertelstunde weit davon entfernt, im Walde, um des Morgens oder Abends zum zweitenmale davon zu zehren. Den Rest überlässt er den Geiern, denn mehr als zweimal frisst kein Jaguar von einem getödteten Thiere und Aas berührt er nie. Kleinere Thiere tödtet er durch einen Biss in den Nacken und zehrt sie sogleich mit Haut und Knochen auf. Es ist durchaus unwahr, dass er grossen Thieren mit seinen Pfoten das Genick umdrehe. In den Wäldern findet man nicht selten die Schalen grosser Landschildkröten, die von Jaguaren gänzlich ausgefressen wurden, wobei sie sich nur ihrer Krallen zum Herausholen des Fleisches bedient haben konnten. Des Nachts schleicht er auch auf den Sandbänken grosser Flüsse umher, um die scharfhörenden Wasserschildkröten zu ergreifen, wenn sie vor- sichtig an's Land steigen, oder gräbt ihre auf dem Lande verborgenen Eiei' aus und lauert auch auf die auskriechenden Jungen. Eigenthüm- lich, doch ähnlich der Gewohnheit unserer Hauskatzen, ist die Art und Weise, wie er Fische aus dem Wasser fängt. Zusammengekauert sitzt er an einem Vorsprunge des Ufers oder steht wohl auch in einer Untiefe, wo das Wasser einen schnelleren Lauf hat und sich gewöhn- lich ein Raubfisch, meist eine Dorade aufliält. Unverwandt richtet er seinen Blick auf das Wasser, indem er sich hin und wieder vorwärts beugt, um in die Tiefe des Wassers sehen zu können. Oft schon nach einer Viertelstunde macht er plötzlich mit seiner Pfote einen Schlag in*s Wasser und wirft gleichzeitig einen grossen Fisch an's Ufer, den er auch sogleich verzehrt. Dass er die Fische durch seine Speichel- tropfen anlocke, die er in's Wasser fallen lassen soll, und dadurch fange, dass er mit dem Schwänze auf das Wasser schlägt, ist erwie- senermassen eine Fabel. Doch unterliegt es keinem Zweifel, dass er auf allen seinen Raubzügen nur durch sein scharfes Gehör, nicht aber durch den Geruch geleitet wird, der, wie bei allen Katzen-Arten, schwach ist. Aber nicht nur allein den Thieren, sondern auch dem Menschen ist er höchst gefährlich, wenngleich auch nicht in so hohem Grade, wie der Tiger. In den Einöden und Wildnissen scheut er den 247 Menschen und nimmt, wenn er mehrere bemerkt, die Flucht, oder betrachtet sie höchstens neugierig aus der Ferne. Den ruhig stehen- bleibenden oder bewalTneten Menschen sieht er eine Zeit lang an, weiclit dann scheu und listig /.urück und ergreift, wenn er sich ungesehen glaubt, die Flucht. Trifft er aber unvermuthet mit dem Menschen zusammen, so wird er, zumTlieile wohl aus Schrecken, so sehr in Wuth versetzt, dass er, alle Vorsicht vergessend, plötzlich auf ihn stürzt und ihn zu Boden reisst. Der Überfallene ist dann uiu'cttbar verloren, wenn ihm Waffen und zugleich auch jene Kaltblütigkeit fehlen, die in solchen Fällen wohl nur den Indianern eigen ist. In der Nähe der Flüsse und in bewohnteren Gegenden verliert der Jaguar aber diese Scheu und greift selbst den Menschen an. Hat er einmal Menschen- fleisch gekostet, so ist er besonders für den Menschen furchtbar und stellt sogar demselben nach. Das Fleisch des Menschen zieht er allem anderen vor und missachtet jede sonstige Nahrung. Ein solcher Jaguar verfolgt die Spur eines ihm vorangegangenen Menschen oft mehrere Meilen weit, bis er ihn erreicht und dann auch gleich zerfleischt. Häufig stellt er auch den Schiffern nach und wagt sich selbst auf angebundene Fahrzeuge. Es wird von den Eingeborenen behauptet, dass , wenn ein Mensch mit einem Jaguar unversehens zusammentrifft, er denselben, so wie diess auch beim Löwen der Fall ist, durch starres unverwandtes Ansehen oder lautes Zurufen zurückschrecken und verscheuchen könne. Doch scheint es, dass diess nur bei solchen Thieren geschehen könne, die entweder noch nie Menschenfleisch gekostet oder sich kurz vorher satt gefressen haben. Denn sind sie satt, so fallen sie ungereizt nie den Menschen an. Eben so herrscht auch in allen Gegenden, wo sich der Jaguar findet, der feste Glaube, dass er, so wie der Löwe, den Neger oder Indianer dem Weissen vorziehe. Wahrscheinhch ist es die starke Ausdünstung dieser Men- schen, die lockend auf ihn wirkt. Wenn ein Weisser die Nacht an einem gefährlichen Orte unter freiem Himmel zubringen muss, hält er sich daher für vollkommen sicher, wenn Neger oder Indianer seine Begleiter sind. Dieser Glaube steht so fest in jenen Ländern, dass es sprichwörtlich geworden ist, der Jaguar tödte von schlafenden Beisenden zuerst den Hund, dann den Neger, den Indianer, und zuletzt den Spanier. In bewohnten Gegenden scheut er den Menschen so Avenig, dass er sich des Nachts den Hütten nähert und die gewöhnlich schlecht verwahrten Hausthiere tödtet und davonschleppt. Meistens ist es dabei 248 auf Hunde abgesehen. Ist er einmal in der Gegend eines Indianer-Dorfes heimisch geworden, da es ihm stets sichere Beute verschafft, so ist es schwer, ihn zu vertreiben. Manche Höfe müssen daher mit Palli- saden umgeben werden und es darf dort Niemand wagen , sich des Nachts ins Freie zu begeben. VorzügHch ist es das jährliche Anschwellen der Flüsse, bisweilen aber auch häufiges Jagen oder Mangel an hinreichender Nahrung, die ihn zwingen, seinen gewöhn- lichen Aufenthaltsort zu verlassen und in bewohntere Gegenden zu ziehen. Es ist dann nichts Seltenes , einen Jaguar in einem Dorfe oder auch selbst mitten in einer am hohen Ufer gelegenen Stadt zu sehen, und es hat sich schon ereignet, dass ein Jaguar zu Santa Fe bei hohem Wasserstande einen Geistlichen, als er eben die Frühmesse lesen wollte, selbst unter der Thür der Sacristei zerrissen hat. In Paraguay, wo die Schiffer die Gewohnheit haben, bei widrigem Winde ihre Mahlzeit am Ufer zu halten, werden sie nicht selten von ihm heim- gesucht. Meist läuft dieser Besuch jedoch nicht blutig ab, indem sich die Schiffer bei dem geringsten Geräusche schon in ihre Kähne flüchten und der Jaguar, der keineswegs das Feuer fürchtet und sich durch dasselbe auch nicht, wie man behauptete, verscheuchen lässt, sich mit dem gebratenen Fleische begnügt, das er sich vom Feuer holt. Die schwarze Abart, welche vorzüglich am Rande der Urwälder des Amazonenstromes, vom Fusse der Anden bis zum atlantischen Meere vorkommt, und auch grösser ist und stärkere Glieder hat als der gewöhnliche Jaguar, gilt bei den Einwohnern für besonders grimmig und gefährlich. Wie sehr der Jaguar dem Menschenfleische nachstelle, geht aus einem Berichte eines höchst glaubwürdigen Reisenden hervor, dem zu Folge ein Jaguar, als man ihn von einem Leichname verscheucht und diesen über einen Fluss in ein Dorf gebracht hatte, wo er in der Kirche begraben wurde, dem Kahne einige Stunden weit gefolgt sein musste, um in die Kirche ein- zulu'echen und den Leichnam durch eine Maueröffuung fortzu- schleppen; denn am dritten Tage fand man das Grab aufgewühlt und leer. Der Jaguar wird allenthalben, wo er nur immer vorkommt, mehr des Schadens wegen gejagt, den er anrichtet, als wegen seiner Haut. In vielen Gegenden geschieht es aber auch blos aus besonderer Jagdlust oder um Unerschrockenheit zu zeigen. Denn obgleich schon viele Jäger unter den Klauen dieses Thieres ihr Leben auf eine fürchterliche Weise endeten, so finden sich doch noch immer welche. 249 die in der Überwindung der damit verbundenen Scbwierigkeiten und Gefahren hinreichende Anreizung finden , um sich aufs Neue diesem Wagnisse auszusetzen; und wirkHch gibt es Personen, bei denen die Jagd auf Jaguare ebenso zur Leidenschaft erwächst, wie die Genisen- jagd beim Bewohner der europäischen Alpen. In allen einsamen Niederlassungen der heissen Waldregion von Paraguay, Brasilien, Peru und Columbien, hört man vielfache Erzählungen von den furchtbaren Kämpfen, welche mancher Jäger siegreich, doch kaum jemals ohne schwere Verwundungen, gegen den Jaguar bestanden hat; denn angegriffen, vertheidigt sich der Jaguar aufs Äusserste. Die ver- wegenste Art ihn zu erlegen ist folgende. Der Jäger umwickelt seinen linken Arm mit einem Schaffelle und bewaffnet sich mit einem zwei Fuss langen, zweischneidigen Messer oder Dolche. In solcher Weise ausgerüstet, sucht er mit zwei guten Hunden den Jaguar auf, der nicht ansteht, sogleich bei seinem Zusammentreffen mit den Hunden sich denselben kühn entgegenzustellen. Mit Vorsicht naht sich ihm der Jäger und reizt ihn mit Worten und Geberden, bis er plötzlich in einem oder zwei Sätzen auf ihn losspringt, sich wie ein Bär auf den Hinter- beinen aufrichtet und unter heftigem Gebrülle seinen fürchterlichen, einen heissen, verpestenden Athem verbreitenden Rachen offen ihm entgegenstellt. In diesem schaudererregenden Augenblicke hält ihm der Jäger seinen linken, mit dem Schaffelle umhüllten Arm kräftig gegen die Vorderpfoten entgegen und stösst ihm, während er mit seinem Körper gegen die rechte Seite auszuweichen sucht, mit voller Kraft den langen Dolch in die linke Seite seines Leibes. Durch diesen Stoss, welcher den getroffenen Jaguar aus dem Gleichgewichte bringt, stürzt er zu Boden, worauf sodann die Hunde muthig über ihn herfallen. War die Wunde jedoch nicht tödtlich, so richtet sich das Thier blitz- schnell wieder auf, macht sich von den Hunden los und stürzt mit neuer und verstärkter Wuth auf seinen Gegner, der ihn durch einen zweiten Stich zu Boden wirft. Eine so tollkühne Weise, den Jaguar zu tödten, ist nur den kaltblütigen Indianern eigen. Es lebte in Vajada ein Indianer, der über 100 Jaguare auf solche Art erlegte, bis er endlich doch einmal in diesem höchst gefährlichen Kampfe als Opfer fiel. Ja es gibt sogar verwegene Indianer, die es wagen, den Jaguar blos mit der Keule anzugreifen. Auch diese schützen sich den linken Arm mit einem Schaffelle und führen in dem Augenblicke , wo sich das angegriffene Thier in die Höhe richtet, einen gewaltigen 250 Schlai>' mit ihrer Keule aufsein Kreuz, wobei sie ihm das Rückgrat zerbrechen, so ilass er nicht mehr sich zu erheben im Stande ist. Einige Schläge mit der Keule auf die Nasenwurzel machen dann schnell seinem Lehen ein Ende. Die in Paraguay gewöhnliche, noch mit der geringsten Gefahr verbundene Art ihn zu jagen, ist folgende. Ein sicherer Schütze geht in Begleitung zweier Männer, von denen einer mit einer Lanze, der andere mit einer langen, zweizackigen Gabel bewaffnet ist, nebst 6 — 10 guten Hunden, um den Jaguar in seiner Einsamkeit aufzusuchen. Treffen sie auf einen, der schon einmal diese Jagd kenneu gelernt, so reisst er aus und nimmt die Flucht. Ist diess aber nicht der Fall, so stellt er sich ihnen zur Wehre oder klettert auf einen Baum. Widersetzt er sich den Hunden , so stellen sich diese in einen Kreis um ihn her, und stossen ihr Gebell gegen ihn aus. Nur sehr starke und beherzte Hunde greifen ihn auch an, sind aber fast immer ein Opfer ihres gewaltigen Gegners, der ihnen mit Leichtigkeit das Rückgrat zerbricht oder ihnen auch den Bauch aufreisst. Nach den Berichten glaubwürdiger Beobachter sind 20 der besten Doggen nicht im Stande, einen erwachsenen Jaguar zu gewäl- tigen. Der Jäger, welcher sich schon beim ersten Anblicke des Jaguars in die Mitte zwischen seine beiden Begleiter gestellt hatte, sucht dem ergrimmten Thiere nun einen Schuss durch den Kopf oder durch die Brust zu jagen. Hat dieser getroffen, so stürzen die Hunde über ihn her, drücken ihn zu Boden und helfen seine völlige Niederlage zu vollenden. Hat der Schuss jedoch das Thier verfehlt oder auch nur leicht verwundet, so springt es, durch den Knall und Schmerz noch mehr ergrimmt, unter fürchterlichem Gebrülle auf den Schützen los. Doch in dem Augenblicke, als es sich aufrichtet, hält ihm der eine der Begleiter seine lange Gabel vor, während ihm der andere mit der Lanze einen Stich in die Brust versetzt, dieselbe aber sogleich wieder aus der Wunde zurückzieht, um sich zu einem zweiten Stosse zu bereiten. Denn immer richtet sich der niedergestossene Jaguar mit der grössten Schnelligkeit wieder auf und stürzt sich neuerdings auf seine Gegner, die ihn so lange in gleicher Weise zu verwunden bemüht sind , bis er endlich erschöpft zu Boden stürzt und daselbst von den Hunden festgehalten wird. Während er sich noch gegen seine Gegner vertheidiget, suchen ihn die Hunde uiederzureissen, indem sie ihn am Schwänze fassen, und nur sehr starke Hunde wagen es auch ihn von der Seite anzugreifen. Bei dieser Art, den Jaguar zu jagen. 251 miiss man sich aber hüten, den Lanzenstich von vorne beizubringen, da seine Brust hier keilförmig, und seine blos durch lockeres Zell- gewebe mit den Muskeln verbundene Haut sehr vcrschiel)bar und beweglich ist. Denn leicht kann es geschehen, dass die eiserne Lanze nur zwischen der Haut und den Rippen durchglitscht, ohne ihn tödtlich zu verwunden. Auch ist es bischst gefährlich, das gestürzte Thier mit der Lanze an den Boden festzuheften, indem es so viele Kraft besitzt, dass, wenn es auch durchbohrt, es den Lanzenschaft mit einem ein- zigen Schlage entzwei zu brechen vermag. Ist dann kein zweiter Lanzenträger da, so laufen alle drei Personen Gefahr, von ihm in fürchterlicher Weise verwundet oder wohl gar getödtet zu werden. Auffallend ist es, dass der Jaguar, obgleich ihm die Hunde wenig oder gar nichts anhaben können, sich doch öfters vor ihnen fürchtet und auf einen Baum flüchtet. Ist diess der Fall, so hat der Jäger einen sicheren Schuss. Verfehlt er ihn aber, oder hat er ihn nur leicht verwundet, so wird er unverzüghch von ihm angefallen; denn bhtzschnell und brüllend stürzt er vom Baume auf den Schützen los, und wird in diesem Augenblicke von seinen Begleitern mit ihren Waffen dann empfangen. Am gefährlichsten ist es , den Jaguar zur Brunstzeit zu jagen, wo er paarweise mit seinem Weibchen lebt, oder sich wenigstens nie sehr weit von demselben entfernt. Denn obgleich sie nie mit einander gemeinschaftlich rauben, so helfen sie sich doch gegenseitig zur Zeit der Gefahr. So wurde ein Jäger von einem männlichen Jaguar in demselben Augenblicke zerrissen, als er sein Weibchen zusammenstiess. Eine andere Weise ihn zu jagen besteht darin, dass man ihm, wenn er auf einen Baum geklettert ist, eine Schlinge um den Hals wirft oder dieselbe mittelst einer Gabel anlegt. Ist diess geschehen, so wird sie an den Bauchriemen eines Pferdes befestiget, der Jaguar mit Gewalt vom Baume herabgerissen und aufs offene Feld geschleift, wo ihm dann neue Schlingen um die Beine geworfen werden, die ebenfalls an Pferden befestiget sind. Auf diese Weise wird der Jaguar erdrosselt, indem die Reiter ihre Schlingen in entgegensetzter Richtung anziehen. Die Indianer tödten ihn auch mit kleinen, aus Blasröhren getriebenen, stark vergifteten Pfeilen. Obgleich er dieselben nicht achtet, indem sie bei ihrem Eindringen kaum einen stärkeren Schmerz bewirken als ein Dornstich, so findet er doch durch dieselben schon nach Verlauf einer Viertelstunde den Tod. Wie gefährlich es aber sei, einzeln den Jaguar anzugreifen, beweiset 252 folgender Fall, welcher zugleich als ein merkwürdiges Beispiel dient, was ein Indianer auszuhaltin vermag. Es hatte einer dieser verwegenen Kämpfer einen Jaguar hegegnet, seine Lanze nach ihm geworfen und ihn verfehlt. Pfeilschnell stürzte er sich in den Paraguay-Strom, um dem grimmigen Thiere durch Schwimmen zu entkommen. Doch im selben Augenblicke dieses Sprunges hatte ihm der Jaguar auch schon seine Tatze auf den Kopf gesetzt und die Haut vom ganzen Obcrlheile desselben herabgerissen, dass sie wie ein Lappen am Nacken herabhing. Ungeachtet dieser furchtbaren Verwundung durch- schwamm der Indianer aber dennoch den breiten Strom. Die Wunden, die der Jaguar schlagt, sind immer höchst gefährlich, und zwar nicht blos ihrer Grösse wegen. Weder seine Zähne noch seine Krallen sind sehr scharf, daher bei jeder Verwundung Quetschung und Zerreissung stattfinden muss, deren gewöhnliche Folge in dem heissen Klima Starr- krampf ist. Auch wenn er schwimmt, ist es mit grosser Gefahr ver- bunden, ihn zu tödten. Denn M'ie er angegriffen oder wohl gar verwundet wird, greift er sogleich, ohne Kolben- und Ruderschläge zu scheuen, den Nachen an. Nur selten läuft ein solcher Angriff glücklich ab. Als drei fremde Schiffer, trotz der Warnung eines Ein- wohners von Paraguay, einen eben über den Strom schwimmenden Jaguar angreifen wollten und ihm auf ^ — ß Fuss in die Nähe kamen, schössen sie eine Flinte gegen ihn ab, hatten ihn aber unglücklicher- weise nur verwundet. Schnell ergriff er den Rand des Kahnes und kletterte unbeschadet aller Schläge, die sie ihm mit ihren Rudern und dem Flintenkolben beizubringen suchten , in denselben hinein. Den Schiffern blieb nun keine andere Wahl als sich in's Wasser zu stürzen und zu versuchen, sich durch Schwimmen zu retten, was ihnen auch gelang. Denn der Jaguar blieb , ohne sich zu rühren, ruhig im Kahne sitzen und liess sich so lange stromabwärts treiben, bis er sich zufällig von einem zweiten Kahne verfolgt sah, worauf auch er sich gleichfalls in's Wasser stürzte und bald das nahe Ufer erreichte. In manchen Gegenden fängt man den Jaguar auch in Fallen. Zur Brunstzeit, welche beim Beginne der trockenen Jahres- zeit im August und September eintritt, suchen sich die sonst getrennt lebenden Geschlechter auf, um während dieser Zeit paarweise und nicht sehr weit von einander entfernt zu leben. Sie lassen dann öfters als sonst ihr Gebrüll vernehmen, das wohl eine halbe Stunde im Umkreise vernommen wird. Nach 3 bis SVsmonatlicher Tragzeit 253 wirft (las Weibchen 1 — 3 Junge in"s Dickicht oder unter Baum- wurzehi, die nach einigen Bericliten blind, nach anderen mit geöfTneten Augen geboren werden sollen, und vertheidiget sie auch im Falle der Noth mit Muth. Nimmt man der Mutter während ihrer Abwesenheit die Jungen, so irrt sie unter heftigem Gebrülle in der ganzen Gegend umher, um sie zu suchen. Im siebenten Monate schon haben sie die- selbe Färbung wie die Alten. Die Jungen werden öfters aufgezogen und lassen sich auch bis zu einem gewissen Grade zähmen. Man wählt zu diesem Behufe ganz junge Thiere, die noch an der Mutter saugen, und nährt sie mit Milch und gekochtem Fleische. Rohes Fleisch macht sie bald bösartig und wild. In ihrer ersten Jugend zeigen sie sieh höchst possierlich und sehr zahm und lassen sogar Kinder auf sich reiten. Sie spielen gerne, insbesondere mit Kugeln, erkennen ihren Wärter, den sie zuweilen sogar aufsuchen, und beweisen ihm bei seinem Wiedersehen ihre Freude. Diese grosse Zahmheit währt indess nicht lange, denn wie die Milchzähne gewechselt werden, was im ersten Jahre schon geschieht, werden sie misstrauisch und tückisch, und es ist ihnen dann auch nicht zu trauen, denn Grossmuth und Erkenntlichkeit bleiben dem Jaguar fremd. Später legt man ihnen ein Halsband an und bindet sie an einen Pfahl in einem freien Hofraume, da sie, in einem Käfige eingeschlossen, einen zu heftigen Geruch ver- breiten. Aber schon vor dem dritten Jahre beginnen sie ihre Kraft zu fühlen und dieselbe zum Schaden ihres Herrn auch zu gebrauchen. Sie schlagen dann bisweilen ihren eigenen Wärter mit einer Tatze so zu Boden, dass er sich kaum wieder zu erholen vermag. Sind auch ihre Eck- und Vorderzähne abgefeilt und ihre Krallen beschnitten, so besitzen sie doch noch Kraft genug, grosses Unheil anzurichten. Ein sehr geachteter Beobachter sah einen solchen zahmen und verstümmel- ten, seiner Hauptwaffen beraubten Jaguar, auf den die Kinder des Hauses sich zu setzen pflegten, seine sonst geliebte Wärterinn, eine junge 10jährige Negermn, in einem Anfalle von böser Laune mit einem Schlage seiner Tatze in den Nacken zu Boden werfen und über sie herfallen. Obwohl man ihm das Kind, das eben mit ihm gespielt hatte, sogleich entriss, so hatte er demselben doch schon einen Arm mit seinen, wenn auch fast zahnlosen Kinnladen zerquetscht, und es währte mehrere Stunden, bis dieNegerinn sich von der Gewalt des Schlages wieder erholen konnte. Bei zunehmendem Alter wird er immer böser und unbändiger, daher er dann nur in wohlverwahrten 254 Käßgeii gehalten werden kann, meistens aber todt geschlagen wird. Die Gefangenschaft erträgt er übrigens auch in unserem Klima ziemlich lange, und man hat Beispiele, dass er sich während derselben sogar in Europa fortgepfhuizt habe. Um ihn gesund zu erhalten, muss er aber viel und öfters Wasser bekommen, dass er leckend wie alle Katzen-Arten zu sich nimmt. Obgleich er jede Gattung Fleisch geniesst, verschmäht er doch das von seiner eigenen Art. Zahm legt er sich, so wie die Katzen, auch in die Nähe des Feuers. Seine Hauptfeinde sind die grossen Alligatoren, mit denen er in beständigem Kampfe lebt und denen er immer auch unterliegt, wenn der Kampf im Wasser geführt wird. Er sucht daher, so oft er einen Strom oderFluss durch- schwimmen Avill, diese Thiere durch sein heftiges Gebrüll, das er jedesmal am Ufer ausstösst, zu verscheuchen. Trifft er mit ihnen aber am Lande zusammen, so greift er sie an und reisst ihnen den Bauch auf. Dass der Jaguar aber den Tamandua fürchte, wie von den Ein- geborenen behauptet wird, ist eine Fabel. Die Indianer haben vom Jaguar, eben so wie die Europäer vom Wolfe, den Aberglauben, dass jene, welche aus der Nähe der Dörfer nicht zu vertreiben sind und die Bewohner derselben stets mit ihren Überfällen bedrohen, die Hüllen verstorbener, lasterhafter Menschen seien. In manchen Gegenden wird das Fleisch des Jaguars von den Indianern gegessen, insbesondere von den Botokuden. Manche sollen auch sein Fett geniessen, obgleich es so heftig riecht, dass man Füchse und Meerschweine, ja selbst Pferde aus einer Gegend verscheuchen kann, wenn man Baumstämme mit demselben bestreicht. Sein Fell, welches insbesondere in früheren Zeiten einen bedeutenden Handelsartikel ausmachte und vorzüglich nach Spanien versendet wurde, hat in vielen Gegenden von Brasilien jetzt noch einen Werth, während es in anderen, namentlich in Para- guay und Peru fast werthlos ist. Es wird theils zu Mänteln und Tapeten, vorzugsweise aber zu Sattel- und Fussdecken verwendet. Im Pelzwaarenhandel ist es unter dem Namen grosser Panther oder Pantherfell bekannt, während das Fell des wahren Panthers gewöhn- lich mit der Benennung Tigerfell bezeichnet wird. Im spanischen Amerika werden manche Theile des Jaguars auch als Arzneimittel angewendet; so sein Fett gegen Wurmkrankheiten und seine gebrann- ten Krallen als Mittel gegen Zahnschmerz. In Brasilien heisst er Jaguarä, in Paraguay Jaguar-ete. Die Portugiesen bezeichnen ihn mit der Benennung On^a pintada. 255 Der Leopard (Felis LeopardusJ. (Fig. 49.) Der Leopard gehört zu den kleineren Arten unter den grossen gefleckten Katzen und ist zunächst mit dem sowohl in Nord- und Central -Afrika, wie auch im südwestlichen Asien vorkommenden Panther und dem langschwänzigen Panther der Sunda-Inseln verwandt, von denen er, insbesondere aber von dem ersteren, nur sehr schwer zu unterscheiden ist. So leicht es auch ist, diese drei nahe mit ein- ander verwandten Arten vom amerikanischen Jaguar zu unterscheiden, der schon durch eine bedeutendere Grösse, seinen kräftigen, unter- setzten Körper , die viel stärkeren und kürzeren Gliedmassen , seinen grossen, kurzen Kopf und einen viel kürzeren und dickeren Schwanz deutlich von ihnen geschieden ist, so schwer ist es, die Unterschiede aufzufinden, um jene drei, der alten Welt angehörigen Arten scharf und bestimmt von einander zu sondern. Der Leopard und der eigent- liche Panther haben aber einen weit kürzeren Schwanz als der sundaische Panther, indem er bei den beiden ersteren, zurückgelegt, nur bis an die Schultern, bei diesem hingegen bis zur Schnauzenspitze reicht. Auch hat der sundaische Panther eine gewölbtere Stirne, eine minder stumpfe Schnauze, eine silbergraue Iris und eine viel dunklere, intensiv rost- oder ockergelbe Grundfarbe des Rückens und der Seiten, sowie auch viel kleinere und dichter an einander gereihte Augenflecken, als die beiden anderen Arten. Leopard und Panther sind aber überaus schwer von einander zu unterscheiden. Der Leopard ist etwas kleiner als der Panther, sein Leib ist schlanker, seine Füsse sind kürzer, die Grundfarbe des Rückens und der Seiten ist etwas dunkler, und die Augenflecken sind gedrängter und zahlreicher, und auch kleiner als beim Panther. Der Leopard ist eine der schönsten und zierlichsten unter den grossen gefleckten Katzen-Arten. Sein Kopf ist klein und rund, die Stirne nicht besonders stark gewölbt, die Schnauze stumpf. Die Ohren sind sehr kurz. Der Leib ist schmächtig und gestreckt, der Schwanz lang, dünn, bis zu den Schultern reichend, und die Behaarung reichlich, aber kurz. Die Grundfarbe des Obertheiles des Körpers ist ein intensives Fahlgelb, das an den Seiten blasser wird und allmählich in die weisse Farbe übergeht, welche die ganze Unter- seite und die Innenseite der Gliedmassen überzieht. Auf dem Kopfe, dem Nacken, den Beinen, längs des Rückgrats und auf dem Unterleibe 256 stehen kleine, zahlreiche, volle schwarze Flecken, welche auf dem Kopfe am kleinsten, auf dem Unterleibe hingegen am grössten sind. Längs des Rückgrats, wo die Mehrzahl derselben in die Länge gezogen ist, bilden sie gewöhidich zwei Reihen, ohne jedoch in ein- ander zusammenzufliessen. An den Seiten, auf den Schultern, den Schenkeln und dem Obertheile des Schwanzes stehen ring- oder rosettenartige Flecken , die aus 3 — 4 Punktflecken gebildet sind, welche ringartig einen Hof umgeben, der fast immer lebhafter als der übrige Grund gefärbt ist und keinen schwarzen Punktflecken in seiner Mitte hat. Diese Rosettenflecken sind klein, ziemlich dicht an einander gedrängt und bilden an den Seiten gewöhnlich 10 Quer- reihen. Auf der Unterseite des Halses bildet eine dicht an einander stehende Reihe voller schwarzer Flecken eine Art von Binde, vor der sich noch eine zweite, aber kleinere solche Binde befindet. Einige ähn- liche Querbinden stehen auch nach Oben an der Innenseite der Glied- massen. Der Schwanz ist dem grössten Theile seiner Länge nach mit ringförmigen Flecken besetzt, die gegen das Ende zu voll werden und 3 — 4, durch schmale Zwischenräume getrennte Halbringe bilden. Die Spitze des Schwanzes ist oben schwarz, unten weiss. Die Ohren sind am Grunde ihrer Aussenseite schwarz , an den Spitzen gelblich, die Mundwinkel schwarz gesäumt, und auf vier schwarzen Linien der Oberlippe stehen die meistens weissen Schnurren. Die Iris ist gelblichgrau. Die Länge des Körpers beträgt beim erwachsenen Tliiere 3Fuss li/oZoll, die des Schwanzes 2Fuss 3 Zoll, die Höhe am Widerrist 2 Fuss 1 Zoll. Das Vaterland des Leopards ist nur das süd- liche und westliche Afrika, wo er sowohl im Caplande, wie in Congo, Guinea und Senegambien getroffen wird. Er lebt melir in Wäldern als auf offenen Ebenen und erklettert mit grosser Behendigkeit die Bäume, theils um Gefahren zu entgehen, tlieils um Affen und Vögel zu verfolgen, die grossentheils seine Nahrung ausmachen. Ausserdem verfolgt er aber auch kleinere Antilopen, Ziegen und Schafe. Grössere Säugethiere greift er nicht an und äusserst selten auch den Menschen, den er fürchtet, und zwar nur wenn ihn der äusserste Hunger dazu zwingt, oder wenn er von ihm gereizt wird. Schon wegen seiner bedeutend geringeren Grösse ist er bei weitem nicht so gefährlich wie der Löwe, Tiger und der Jaguar. In seinen Sitten und Gewohn- heiten kommt er in den Hauptpunkten mit den übrigen grossen Katzen- Arten überein. So wie diese lauert auch er des Abends auf seine Beute 257 oder sucht sie zur Nachtzeit zu verfolgeu. Unversehens weiss er sie zu beschleichen und stürzt sich aus seinen Verstecken plötzlich auf sie her. Am Cap fürchten die Bewohner den Leopard mehr noch als den Löwen, da dieser sich meist durch sein Gebrüll verräth, wäh- rend der Leopard still herbeischleicht und sich durch einen plötzlichen Sprung schneller seiner Beute bemächtiget, als man seine Annäherung gewahrt. Mehrere Hunde und bisweilen selbst ein einzelner, sind indess im Stande den Muth des Leopards einzuschüchtern. Ein Rei- sender, welcher mit seinem Hunde einer Gazelle nachjagte, bemerkte, dass sein Hund plötzlich vor einem Gebüsche stehen blieb und heftig zu bellen anfing. In der Meinung, die Gazelle habe sich in dem Gebüsche versteckt, drang er in dasselbe ein um sie herauszujagen, als ihm plötzlich ein Leopard grinnnig entgegenstarrte. Erschrocken zog er sich langsam zurück, ohne dass der Leopard auch nur den Versuch gemacht hätte, ihn zu verfolgen; denn so sehr war er durch das Bellen des Hundes eingeschüchtert, dass er das Gebüsch, in welchem er versteckt war, gar nicht verliess. Die Hunde gehen jedoch in der Regel nicht gerne auf ihn los, sondern bleiben meist in einiger Entfernung von ihm stehen, um ihn entweder durch ihr Gebell aus einem Gebüsche zu verscheuchen oder in demselben fest zu bannen. Auf einen Leopard, der seit einiger Zeit jede Nacht ein Stück Vieh aus einer Heerde geholt hatte, wurde Jagd gemacht, nachdem er noch die Nacht vorher ein Schaf in das nahe Gebüsch geschleppt hatte. Es war eine offene Gegend, die nur hie und da mit einigen Büschen und Hecken besetzt war. Kaum hatte man nach stundenlangem Suchen das halbverzehrte Schaf in einem Gestrippe aufgefunden, als bald darauf die 18 Hunde, welche einer eben so grossen Zahl von Schützen als Begleiter dienten , plötzlich auf einen grossen Busch losstürzten , vor demselben Halt machten und heftig zu bellen und zu heulen anfingen, ohne sich jedoch in denselben hinein zu wagen. Die Schützen stellten sich in einer Entfernung von 50 Schritten vor diesem Gebüsche auf und schössen , nachdem der Leoiiard nicht zu bewegen war, seinen Aufenthalt zu verlassen und die Hunde bei jeder seiner Bewegungen nur zurückschreckten, auf geradewohl in das Buschwerk hinein. Plötzlich sprang der Leopard aus seinem Verstecke seitwärts von den Hunden hervor, um sich in einem anderen nahen Busche zu verbergen, wohin ihm auch die Hunde folgten, die aber, so wie früher, nicht einzudringen wagten. Die Mehrzahl der Schützen hatte inzwischen (Naturgeschichte.) 17 258 die Flucht genommen und nur zwei setzten das Feuern lange Zeit noch in das Buschwerk fort, obgleich der Leopard schon auf den dritten Schuss in seinem neuen Verstecke verwundet wurde. Da es nicht gelingen wollte, ihn hier zu tödten, so bestieg einer der beiden Schützen sein Pferd, ritt an die Rückseite des Busches und brachte dem von der entgegengesetzten Seite durch die Hunde geängstigten Thiere von hieraus einen tödtlichen Schuss bei. Einzelne Hunde werden indess bisweilen unvermuthet vom Leopard überfallen. So tödtete einer einen Hund, während er an einen Fluss zur Tränke ging, Hess ihn aber liegen , um ihn erst später abzuholen. Als man diess gewahrte, sandte man sogleich eine ganze Budel Ihmde in den nahen Wald, welche auch bald den Leopard herausscheuchten, der auch hier von den ihn erwartenden Schützen getödtet wurde. Man jagt den Leopard seines schönen Felles wegen und fängt ihn auch in Fallen, hi Süd-Afrika werden die gewöhnlichen Hofhunde der Bauern dazu verwendet und er ist leicht zum Schusse zu bekommen, wenn er von 6 — 8 guten Hunden gehetzt und in die Enge getrieben wird. Im Walde , wo er sich auf Bäume flüchten kann , ist es schwerer ihn zu schiessen, da er sich mit ungeheuerer Schnelligkeit zwischen den dicht verwachsenen Ästen zu verbergen weiss. Obgleich er Pferde niemals angreift, so haben diese dennoch meistens grosse Scheu vor ihm. Wie sie ihn nur in ihrer Nähe wittern, ergreifen sie gewöhidich auch sogleich die Flucht und eilen scheu über Sümpfe , Gräben und Felsen, ohne dem Zügel zu gehorchen. Gereizt oder vom äussersten Hunger gedrängt, kann der Leopard aber auch selbst dem Menschen sehr gefährlich werden; denn in diesem Falle stürzt er blind auf ihn los, ohne sich zu kümmern, ob er siegen oder unterliegen wird. So wurde ein Bewohner der Capstadt auf einem Ausflüge in das Land plötzlich von einem Leopard überfallen, der unversehens auf ihn sprang, ihm seine Krallen in den Kopf einschlug und mit seinem Radien nach dem Halse fuhr, um ihm an dieser Stelle einen Biss bei- zubringen. Tapfer wehrte sich der Überfallene und rang mit ihm, so dass beide zu Boden fielen. Durcli diesen Kampf fast erschöpft, raffte er alle seine Kräfte zusammen, um dem grimmigen Thiere mit der einen Hand den Kopf an den Boden festzudrücken, während er mit der anderen ein Messer aus seiner Tasche zog und ihm die Kehle durchsclmitt. Glücklich hatte er sich zwar gerettet, aber es währte lange, bis seine Wunden auch geheilet waren. Ein Leopard, welcher 2S9 in einer Bergschlucht gefangen und der, nachdem man ihm vorsichtig von ohen herab Schlingen um die Füsse und um den Hals gelegt hatte, in einen Hof geschafft wurde , wo er mit einer Kette an einen Pfahl gebunden, sich frei bewegen konnte, riss sich von derselben los und stürzte allsogleich auch auf die Menschen, die sich in seiner Umgebung befanden, her. Ohne Zweifel hätte er grosses Unheil unter denselben angerichtet, wenn nicht mehrere starke Hunde herbeigeeilt wären, die ihn packten und nach einem viertelstündigen Kampfe auch todt- bissen, wobei jedoch zwei Hunde ein Opfer seiner Krallen und seines Gebisses wurden. Den Alten, welche den Panther aus Nord -Afrika und dem südwestlichen Asien sehr gut kannten, scheint der Leopard hingegen gänzlich unbekannt gewesen zu sein; denn alle in den alten Schriftstellern vorkommenden Stellen, welche von verschiedenen Gelehrten auf den Leopard bezogen wurden, scheinen vielmehr auf eine andere grosse gefleckte Katzen-Art, nämlich den asiatischen Irbis hinzudeuten. In neuerer Zeit wird der Leopard ziemlich häufig nach Europa gebracht und hält auch die Gefangenschaft in unserem Klima bei gehöriger Pflege dauernd aus. Jung eingefangen, ist es nicht schwer ihn zu zähmen, und selbst ältere Thiere nehmen einen gewissen Grad von Zähmung an, obgleich sie immer tückisch sind und man ihnen daher nie völlig trauen darf. In ihrem Blicke sowohl als auch in ihrem Gange liegt eine eigenthümliche Falschheit. Die Bewegungen des Leopards sind, obgleich sie Kraft verrathen, leicht und zierlich und machen ihn, im Vereine mit der schönen Zeichnung seines Felles, beliebter, als andere grosse Katzen- Arten. In der Gefangenschaft zeigt er sich gutmüthig und geduldig, empfängt gerne Liebkosungen von bekannten Personen und schnurrt dabei wie eine Katze. Sein Wohlgefallen gibt er dadurch zu erkennen, dass er sich mit grosser Geschmeidigkeit in schlangenartigen Windungen an dem Gitter seines Käfiges reibt oder sich an seinen Wärter anzuschmiegen sucht. Bei besonders guter Laune springt er mit solcher Geschwindigkeit in seinem Käfige umher, dass es schwer ist, ihn hierbei mit dem Auge zu verfolgen. Mit Hunden gewohnt er sich bald zusammen und gewinnt sie auch so lieb, dass er nicht eher frisst, als bis sein Gesellschafter gesättiget ist. In Europa hat er sich auch in der Gefangenschaft schon mehrmals fortgepflanzt. Die Tragzeit währt 9 Wochen und die Zahl der Jungen, welche blind zur Welt kommen und bei denen sich die Augenlieder erst am zehnten Tage öffnen, beträgt 3 bis 5. Sehr 17» 2GÜ schwer ist es aber, die Jungen aufzuziehen, denn die meisten sterben in Folge des Zahnens. Das Fleisch desLeopards, welches als schmack- haftgeschildert wird, wird in manchen Gegenden von den Eingeborenen gegessen. Sein schönes Fell, das sehr geschätzt wird und selbst am Cap noch vor nahe fünfzig Jahren mit 1 Thaler für das Stück bezahlt wurde, bildete namentlich in früherer Zeit einen ziemlich bedeutenden Handelsartikel und ist jetzt noch im Handel unter dem Namen Tiger- fell ziemlich gesucht und geschätzt. Es wird theils als Pelzwerk, theils zu Mantelüberwürfen , vorzüglich aber zu Pferde-, Sattel- und Fussdecken verwendet. Die Pantherkatze oder der Ozelot (Felis pardalis). (Fig. SO.) Die Pantherkatze oder der Ozelot ist hinsichtlich der Zeichnung, welche einige Ähnlichkeit mit der des Jaguars hat, eine der schönsten Katzen-Arten. Sie ist beinahe von der Grösse des gemeinen Luchses. Ihr Körper ist schlank, die Beine sind ziemHch hoch, die Ohren kurz, breit und abgerundet. Die Pupille ist beinahe rund, der Schwanz mittel- lang, von massiger Dicke, gegen die Spitze zu etwas verdünnt, von halber Körperlänge, und ziemlich weit über das Fersengelenk reichend, ohne jedoch den Boden zu berühren. Die Grundfarbe ist auf der Oberseite bräunlichgrau oder in'silöthlichgelbe fallend, auf der Unterseite weiss. Von den Augen zieht sich jederseits ein schwarzer Längsstreifen zu den Ohren, und zwei schwarze Querstreifen, von denen der obere am äusseren Augenwinkel beginnt, verlaufen über die Wangen. Die Ohren sind auf der Aussenseite schwarz und mit einem weissen Flecken versehen. Die Stirne ist mit kleinen schwarzen Punkten besetzt. Am Unterhalse befinden sich zwei unvollständige, schwarze Querbinden und über den Nacken verlaufen 4 Längsbinden, welche zwischen den Ohren entspringen, in der Mitte fahl und an den Rändern schwarz gesäumt sind. Zwischen den beiden mittleren dieser Bänder zieht sich ein schmaler schwarzer Längsstrich. Längs des ganzen Rückgrats Hegt eine Reihe langer, schmaler schwarzer Flecken, die sich mehr oder weniger mit einander vereinigen und zu Streifen zusammen- fliessen, und unterhalb derselben eine Reihe grösserer schwarzer Flecken. Auf diese folgen jederseits 4 bis 5 etwas gekrümmte Längs- reilien breiter, bandförmiger Flecken, die von den Schultern bis zum Hintertheile verlaufen, lebhafter als die Grundfarbe, von einem 201 schwarzen Saume umgeben und häufig in ihrer Mitte schwarz punktirt sind. Die mittlere dieser Binden erstreckt sich ohne Unterbrechung von den Schultern bis zu den Schenkeln, während die über und unter ihr befindlichen Reihen durch Zwischenräume in langgedehnte Stücke getheilt sind. Unterleib und Füsse sind mit schwarzen, vollen Flecken besetzt und ebenso der Schwanz , auf welchem jedoch die Flecken gegen das Ende zu an Grösse zunehmen. Die Körperlänge beträgt 3 Fuss, die Länge des Schwanzes 1 Fuss 3 Zoll, die Höhe am Wider- rist ebenfalls 1 Fuss 3 Zoll. Das Weibchen unterscheidet sich vom Männchen durch schwächere Färbung der Flecken und kreisförmig gestellte Punkte auf den Schultern und dem Kreuze. Farbe und Zeich- nung unterliegen übrigens bei der Pantherkatze, je nach den verschie- denen Ländern, in denen sie vorkommt, mancherlei Abänderungen. Ihr Verbreitungsbezirk hat eine ziemlich weite Ausdehnung und erstreckt sich über ganz Mittel-Amerika, einerseits über Guiana bis in das nördliche Brasilien, andererseits bis Mexico und Texas und den südlichen Theil der vereinigten Staaten, namentlich Louisiana und Arkansas. Ihr Aufenthalt ist mehr auf die entfernteren Wälder beschränkt, obgleich sie auch nicht selten selbst in der Nähe von Ortschaften getrofien wird ; doch zeigt sie sich nie auf freiem Felde, sondern hält sich immer nur in Wäldern auf. Sie ist keinesweges selten und in manchen Gegenden sogar gemein. Ihre Lebensweise ist eine nächtliche, denn bei Tage liegt sie im dichtesten, unzugäng- lichsten Gebüsche verborgen, während sie zur Nachtzeit auf Raub ausgeht und bisweilen sogar bei finsteren, stürmischen Nächten die an Waldsäumen gelegenen Bauernhöfe besucht, um daselbst von Hunden unbemerkt zu würgen. Bei mondhellen Nächten hingegen wagt sie sich niemals aus ihren Wäldern. Sie lebt paarweise, hat kein bestimmtes Lager, und streift in weiten, oft stundenlangen Strecken umher, um ihre Nahrung aufzusuchen, die in Vögeln und kleineren Säugethieren besteht. Selbst Katzen und kleinere Hunde fällt sie an, wenn es ihr an anderer Nahrung gebricht. Doch ist ihr Blutdurst weit geringer als bei den meisten grösseren Katzen-Arten, denn sie tödtet nie mehr Thiere, als sie zu ihrer Sättigung bedarf und keineswegs aus blosser Lust. Sie kann sehr gut klettern und steigt häufig in den Baumkronen umher, um Vögel zu erhaschen oder legt sich platt auf stärkere Aste nieder, um daselbst auf Raub zu lauern. Diess mag zur Sage Veran- lassung gegeben haben, dass sie sich todt stelle, um dadurch die 262 scheuen Affen zu überlisten und dieselben, wenn sie in ihre Nähe gekommen, plötzlich zu überfallen. Die Pantherkatze ist äusserst scheu und flüchtig und spürt den Jäger hei mondhellen Nächten , noch ehe er ihre Nähe gewahr wird. In grösster Eile flieht sie vor den Hunden und dem Jäger auf die Bäume , die sie mit Leichtigkeit und grosser Behendigkeit erklettert, und versteckt sich im (lichtesten Laube der Baumkronen. Doch gelingt es zuweilen, sie zum Schusse zu bekom- men, da das Leuchten ihrer Augen sie verräth. In der Hegel wird sie im Walde in einem mit einer Fallthüre versehenen Käfige lebendig gefangen, in welchem man ihr in einer besonderen Abtheilung ein lebendes Huhn als Lockspeise vorsetzt. Auf diese Weise gelingt es, eine ziemlich bedeutende Zahl in einer verhältnissmässig kurzen Zeit zu fangen. Gelingt es einer, späterhin sich aus der Gefangenschaft zu befreien, so geht sie ein zweites, ja selbst ein drittes Mal in dieselbe Falle , denn ihre Begierde nach einem Huhn ist so gross , dass sie darüber die schon erprobte Gefahr gänzlich vergisst. Eben so kehrt sie auch bei ihren Besuchen in den Bauernhöfen in einer und derselben Nacht oft sechsmal zurück, um ein Huhn zu stehlen, mit dem sie jederzeit auf einen Baum flüchtet, um es daselbst gesichert und in Ruhe zu verzehren. In der Gefangenschaft wird sie sehr leicht zahm, und jung eingefangen nimmt sie sogar einen ausserordentlichen Grad von Zahmheit an, so dass man sie selbst frei im Hause herumlaufen lassen kann, ohne irgend etwas von ihr zu gefährden, mit Ausnahme des ihr nicht abzugewöhnenden Hanges, dem zahmen Geflügel und insbesondere den Hühnern nachzustellen. Denn konunt sie in die Nähe des Hausgeflügels, so beisst sie Alles todt. In ihren Sitten kommt sie ganz mit der Hauskatze überein und beträgt sich auf dieselbe Weise. Ihre Bewegungen sind angenehm und zierlich; auch spielt sie gerne, so wie die Hauskatze und schnurrt ebenso wie diese, um ihr Wohl- behagen auszudrücken. Sie ist im Allgemeinen sanft und nur zuweilen katzenartig boshaft. Jung aufgezogen , zeigt sie niemals Falschheit gegen ihren Wärter. Bemerkenswerth ist ihre grosse Reinlichkeit und die eigenthümliche Gewohidieit, ihren Unrath immer im Wasser abzusetzen. Sie schläft in der Regel den ganzen Tag in zusammen- gerollter Stellung. Legt man ihr Stroh vor ihren Käfig, so zieht sie es mit den Pfoten hinein, zerbeisst es zu kleinen Stücken und bereitet sich darauf ihr Lager. Zur Nachtzeit streift sie umher, und lässt man sie bei Tage in's Freie, so versteckt sie sich in einem Winkel, um zu 263 schlafen. Wird sie in ihrem Schhife gestört iiiul in ihrem Verstecke üherrascht, so eilt sie in ihren Käfig zurück. Ist sie an einem Stricke angebunden, so versucht sie niemals sich durch Zernagen desselben zu befreien. In der Gefangenscliaft frisst sie täglicli 3 Pfund Fleisch. In Ermangelung desselben verzehrt sie aber auch Schlangen, Eidechsen, Frösche und Kröten, obgleich sie sich, insbesondere auf die letzteren, häufig erbricht, abmagert und stirbt. Auf Katzenfieisch bekommt sie meist die Räude. Werden mehrere zusammen gehalten, so werden sie zwar böse, wenn eine der anderen in die Nähe kommt, zanken sich sonst aber nicht unter sich , sondern hauen sich höchstens etwas mit den Tatzen. Grössere Hunde fürchten sie und wagen sich nicht an sie; wohl aber an kleinere und an Katzen, die sie im Genicke fassen und tödten; doch stehen sie sich gegenseitig niemals im Streite bei. Die Gefangenschaft hält die Pantherkatze gut und dauernd aus und wird selbst in ihrem Vaterlande hie und da bisweilen in Häusern gehalten , obgleicli man sie ihrer Raubsucht wegen daselbst nicht frei umhergehen lässt. Ihre Vermehrung ist geringe, da sie jährlich nur zwei Junge hat. Der Schaden, den sie anrichtet, beschränkt sich ütst lediglich nur auf das zahme Geflügel; dagegen ist sie wegen ihres schönen Felles, das sowohl als Pelzwerk, wie zu Überzügen von Taschen, und in ihrer Heimath vorzugsweise zu Regenkapseln für Flintenschlösser benützt wird, sehr geschätzt und gesucht. Ihr Fleisch, das übrigens eben so wie das Fleisch der Hauskatze einen unangeneh- men Geruch hat, wird hie und da von den Eingeborenen sowohl als auch von den Negern gegessen. Der Name, welchen die Pantherkatze bei den Eingeborenen in Mexico führt, ist Flac-Ocelotl. In Süd- Amerika wird sie durch eine andere, verwandte Art, nämlich den Chibiguazu oder Mbaracaya ersetzt. Der Serval (Felis Serval). (Fig. Sl.) Der Serval ist durch seine schmächtige Gestalt und seine verhältnissmässig ziemlich hohen Beine eine der ausgezeichnetsten Arten aus der Familie der Katzen und hat im Allgemeinen einige Ähnlichkeit mit dem Luchse, von dem er sich hauptsächlich durch den Mangel von Ohrbüscheln und den längeren Schwanz unterscheidet. Sein Kopf ist keinesweges so rund , wie bei den meisten übrigen Katzen- Arten, sondern vielmehr verlängert und etwas zusammengedrückt. 264 Seine Ohren sind ziemlich gross und zugespitzt und stossen an ihrem Grunde heinahe zusammen. Der Schwanz ist mittelhmg, kaum von lialher Leiheslänge, und reicht nur his zum Fersen- oder Hacken- gelenke, ohne dasselhe jedoch zu üherragen. Die Pupille ist rund, die Behaarung dicht und rauh, und eher lang als kurz. Die Grundfarbe ist oben hell fahlgelb, bisweilen in's Graue oder Röthliehe fallend, und wechselt je nach dem Alter und dem Vaterlande, daher sie bald dunkler, bald heller erscheint. Unten und auf der Innenseite der Gliedmassen ist sie rein weiss. Längs des Scheitels und Oberhalses A'erlaufen vier schmale, schwarze Längsbinden, die am Widerrist breiter sind, oberhalb der Schultern geschlängelt nach rück- und abwärts ziehen und am ersten Drittel des Rumpfes endigen. Zwischen den beiden innersten Halsstreifen befinden sich drei bis vier andere Längsstreifen von gleichfalls schwarzer Farbe, welche sich am Wider- rist einschieben und mit Unterbrechung meist bis zum Schwänze erstrecken. Die übrigen Theile des Leibes und die Beine sind mit grossen, vollen schwarzen Flecken besetzt, die an den Vorderarmen und Unterschenkeln, indem sie zusammenfliessen, einige Querbinden bilden. Die Wangen sind mit kleinen, schwarzen punktförmigen Flecken bedeckt. Von ihnen zieht sich ein schwarzes Band um die Kehle und eine oder mehrere schmale, schwarze Binden umgeben auch die Unterseite des Halses. Der Schwanz ist auf seiner Oberseite mit 7 — 8 schwarzen Ringen versehen, welche auf der Unterseite unter- brochen sind und nur selten vollständig zusammenfliessen. Das Ende des Schwanzes ist schwarz. Die Körperlänge eines völlig erwachsenen Thieres beträgt 2 Fuss 11 Zoll, die Länge des Schwanzes 1 Fuss 1 y. Zoll , die Höhe am Widerrist 1 Fuss 8 Zoll. Doch gibt es auch erwachsene, deren Länge nur wenig über zwei Fuss beträgt. Die Ileimath des Serval ist Süd-Afrika, wo er an der Westküste durch Congo und Sierra Leone bis Senegambien, und an der Ostküste bis Mozambique reicht. Am Cap ist er ziemlich häufig, doch ist er aus den älteren Niederlassungen in der Nähe der Capstadt schon seit langer Zeit vertriel>en. Er hält sich meistens im Gebüsche, auf den heissen, mit dünnem Gesträuche besetzten Ebenen auf, wird aber auch bisweilen, wenn gleich minder häufig, in den waldigen Bergen im Inneren des Landes getroffen. Seine Nahrung besteht in Hasen, Springhasen, jungen Gazellen und Antilopen, denen er stark nachstellt ; doch ist er auch überall ein gefährlicher Nachbar der Meierhöfe, indem 265 er des Nachts in schlecht verwahrte Hiihnerhöfe und die Umzäunungen der Schafheerden einfällt, und unter dem Geflügel sowohl als seihst auch unter Lämmern grosse Verheerungen anrichtet. Den Tag über hält er sich verborgen und erschleicht seinen Raub mit der den Katzen-Arten eigenthümlichen Schlauheit und List. Durch seine ver- steckte Lebensart bei Tage kommt er dem Jäger auch nur selten zu Gesichte; dagegen wird er aber um desto häufiger in Fallen gefangen. In der Gefangenschaft, die er gut erträgt, wird er leicht und sehr bald zahm. Sein Betragen hat im Allgemeinen grosse Ähnlichkeit mit dem der Hauskatze, Er ist, wenn er gut behandelt wird, weder unbändig noch bösartig, hat grosse Neigung zum Spielen mit dem Menschen und zeigt sich dankbar gegen seinen Pfleger, dem er folgt. Er lässt sich sehr gerne streicheln, schmiegt sich an seinen Wärter an, streift an seinen Kleidern und schnurrt dabei ebenso wie die Hauskatze. So wie diese spielt er auch mit seinem eigenen Schwänze, und kann sich stundenlang mit zugeworfenen Kugeln und dergleichen Gegenständen beschäftigen. Überhaupt scheint er sich in seiner grossen Beweglich- keit und Geschmeidigkeit zu gefallen, indem er ohne irgend eine Auf- forderung, aus eigenem Antriebe die sonderbarsten Possen und Sprünge ausführt. Das Futter, womit man ihn in der Gefangenschaft erhält, ist rohes Fleisch. In Europa gehört er in den Menagerien keinesweges zu den besonderen Seltenheiten, indem er schon oft und vielfach gezeigt wurde. Sein Fell, von welchem jährlich eine grosse Anzahl vom Cap aus in den Handel kommt, wird als Pelzwerk benützt und ist in Europa unter dem Namen afrikanische Tigerkatze bekannt. 3. Gattung'. Hinz (Catus). Der Schwanz ist mittellang, und endiget in keine Quaste. Die Krallen sind vollkommen zurückziebbar. Die Ohren sind nicht mit Haarbüscheln versehen. Eine Mähne fehlt gänzlich. Die Pupille ist senkrecht elliptisch. Die Vorderfüsse sind fünfzehig, die Hinterfüsse vierzehig. Die Wildkatze oder der wilde Hinz (Catus ferus). (Fig. S2.) Die Wildkatze hat seit lange her für die Stammart unserer Haus- katze gegolten, bis genauere Beobachtungen und Untersuchungen diese Annahme als vollständig unrichtig erwiesen. Sie ist bedeutend grösser 266 und kräftig(M- als die Hauskatze, ihr Kopf und Leih sind kürzer und dicker, ihr Schwanz ist inerkhch kürzer und während er hei der Hauskatze schhink und gec^en die Spitze zu alhnählicli verdünnt ist, erscheint er hei der Wiklkatze durehoängio- gleich dick, dicht und stark behaart, und am Ende gleichsam wie ahgehauen. Sie ist ungefähr von der Grösse eines Fuchses und um ein Drittel grösser als die Haus- katze. Ihr Kopf ist oben nur wenig abgeplattet, ihre Behaarung sehr lang und weich. Die Gnnulfarbe ist bei den Männchen grau, bisweilen schwarzgrau, bei den Weibchen hingegen gelblich, indem jedes einzelne Haar zwei weissliche oder gelbliche, und zwei hellere oder dunklere, schwärzliche Ringe trägt. Von der Stirne ziehen sich zwischen den Ohren vier parallele, schwarze Streifen, von denen sich die beiden äusseren am Halse verlieren, während sich die beiden mittleren auf dem Rücken fortsetzen, wo sie sich bisweilen voneinander entfernen oder absetzen, um sich jedoch bald wieder zu vereinigen und einen Mittelstreifen zu bilden , der längs des Rückgrats und über die Oberseite des Schwanzes läuft. Von diesem Mittelstreifen gehen zu beiden Seiten viele, jedoch nicht sehr deutliche Querstreifen ab, welche etwas dunkler als die Grundfarbe sind und nach dem Bauche hinabziehen. Der Bauch ist gelblich, mit einigen schwarzen Flecken; die Beine sind mit wenigen schwarzen Querstreifen gezeichnet und gegen die Pfoten zu gelber. Die Innenseite der Hinterbeine ist gelb- lich und ungefleckt. Der Schwanz ist auf seiner Unterseite gelblich und gleichmässig geringelt. Die ersteren Ringe sind braunschwarz und blasser und reichen nicht ganz um den Schwanz herum; die folgenden sind dunkler, und die drei letzten, sowie die Schwanzspitze schwarz. Bei den Weibchen sind die Flecken und Streifen öfters sehr verwischt und fallen mehr in's Rosthräunliche, während sie bei den Männchen stark ausgeprägt und schwarz sind. Der Umfang des Mundes ist weiss, die Lippen, die Nase und die Fusssohlen sind schwarz, und die Schnurren weisslich. Auf der Kehle, der Brust und zwischen den Hinterbeinen befindet sich ein weisser Flecken, und Kehl- uiul Brust- flcckcn fliessen beinahe zusammen. Auch hinter den Ohren befinden sich zuweilen zwei gelbliche Flecken. Erwachsene Thiere haben in der Regel eine Körperlänge von 2 Fuss 5 Zoll, und die Länge ihres Schwanzes beträgt 1 Fuss. Sie haben am Widerrist eine Höhe von 14 Zoll und ihr Gewicht erreicht 16 Pfund. Doch gibt es auch einzelne Exemplare, die selbst 3 Fuss lang werden. Als Heimath der Wildkatze 267 kann mau das gemässigte Europa und das angrenzende Asien bezeichnen. In Europa ist sie noch fast allenthalben, mit Ausnahme von Schweden, Norwegen und Russhmd, zu trelTeu. Von den Pyrenäen geht sie einer- seits durch Frankreich, England, Deutschhuul, Böhmen, Osterreicli, Polen, andererseits durch die Schweiz, Tirol, Steiermark, Kärnthen, Krain, Dalmatien, Kroatien und Ungarn. Im Kaukasus reicht sie von seinen Vorgebirgen nordwärts bis zum Kuma, südwärts bis in die Provinzen des Kaspischen Sees. In England ist sie selten, häufiger noch in Schottland und Irland ; auch in Deutschland ist sie nicht gemein, indem ihr sehr nachgestellt Avird, wodurch sie in vielen Gegenden bereits gänzlich ausgerottet worden ist. Am häufigsten findet sie sich noch im südösthchen Europa und im Kaukasus, und sie musste einst sogar noch bei den Kalmücken heimisch gewesen sein, weil dieselben in früherer Zeit Felle von ihr nach Tomsk zum Ver- kaufe brachten. Ungeachtet ihr, als ein höchst schädliches Raubthier allenthalben nachgestellt wird, so ist sie dennoch, wenn auch bedeu- tend vermindert, noch ziemlich weit verbreitet. Dichte, grosse, weit ausgedehnte Wälder, insbesondere aber dunkle Nadel-, vorzüglich Tannenwälder, die sie dem Laubholze vorzieht, bilden ihren Aufent- halt, wo sie theils in Felsspalten und hohlen Bäumen, theils in ver- lassenen Dachs- und Fuchsbauen wohnt und sich zur Zeit des Winters auch im Schilfe und in Uferlöchern birgt. Sie lebt einzeln oder paar- weise und ist fast allenthalben in Europa schon so selten geworden, dass es sich nur sehr selten ereignet sie zu sehen. Ihre Lebensweise ist eine mehr nächtliche und stimmt vollkommen mit der der Hauskatze überein. Sie ist sehr geschickt im Klettern, ersteigt mit Leichtigkeit die Bäume und drückt sich mit dem Leibe fest au einen dicken Ast, so dass es bei ihrer dunklen Färbung schwer ist, sie zu erkennen. Ihre Nahrung besteht nicht blos in Mäusen, Maulwürfen und allen jagdbaren Vögeln, sondern auch in Kaninchen, Hasen, Reh- und selbst Hirschkälbern, ja sogar bisweilen in Fischen. Mit der den Katzen eigenen List beschleicht sie die Vögel in ihrem Neste . den Hasen in seinem Lager und lauert den Kaninchen an den Mündungen ihrer Baue auf. Mit grosser Geschicklichkeit weiss sie Mäuse, Maulwürfe und selbst Fische zu fangen, und richtet vorzüglich unter den Wald- und Feldhühnern, unter Wasservögeln, Hasen und jungen Rehen grossen Schaden an. Gelingt es ihr in ein Fasangehege zu gelangen, so vermag sie in kurzer Zeit alle Fasanen eines ganzen Bezirkes zu 268 vernichten. Überhaupt ist sie im Verhältnisse zu ilirer geringen Grösse ein arges, von den Jägern sehr gefürchtetes Raubthier, M^elches unter dem kleineren Wilde grossen Schaden anzurichten im Stande ist. Im Winter besucht sie zuweilen auch die Dörfer, um Hühner, Tauben und anderes Federvieh zu rauben. Die Wildkatze ist vor- sichtig, scheu und furchtsam und flüchtet sich bei der geringsten Gefahr in eine Höhle, oder m enn keine in der Nähe zu finden ist, oder sie aus einer solchen bereits vertrieben wurde, auf einen Baum. Dem Menschen weicht sie aus, achtet aber seine Übermacht nicht, wenn sie durch einen Schuss blos verwundet worden ist, indem sie sich in blinder Wuth auf ihn herabstürzt und ihm mit Gebiss und Krallen starke Verwundungen beibringt. Wenn man sie schiessen will, ist daher grosse Vorsicht zu gebrauchen, um sie gut zu treffen; da sie im entgegengesetzten Falle Jäger und Hunde übel zurichten kann. Insbesondere wehrt sie sich aber heftig gegen den Angriff der Hunde. Um den Balg zu schonen wird sie häufig auch in Fallen und Schlag- eisen gefangen, deren Teller mit Katzenmünze oder Baldrianwurzel eingerieben wird. Das besondere Wohlgefallen , welches sie an dem Gerüche jener Pflanzen findet, lockt sie leichter in die Falle, in die sie sonst nur selten geht. Die Zeit der Paarung fällt in den Februar, der Wurf in den April, da die Tragzeit 9 Wochen währt. Das Weib- chen wirft 4 — 6 blinde Junge entweder in einen hohlen Baum oder in eine Felskluft, oder auch in einen verlassenen Dachs- oder Fuchsbau. Wenn sie nicht mehr saugen, werden sie von der Mutter sorgfältig mit Vögeln, Mäusen und Maulwürfen versehen. In kurzer Zeit sind die Jungen aber schon im Stande Bäume zu erklettern, auf denen sie sich spielen, fast beständig aufhalten und bei herannahender Gefahr durch Andrücken an die Äste zu bergen suchen. Die Gefangenschaft hält sie sehr gut aus; doch wird sie selten, selbst wenn sie jung eiiigefangeu worden ist, vollständig zahm. Ihr Fell liefert ein gutes Pelzwerk, das zwar warm, aber nicht sehr dauerhaft ist. Die meisten Felle kommen aus Spanien, Frankreich, Polen und vom Kaukasus. Letzloi-c sind die besten und geschätztesten und werden durch Russ- land zu ims gebracht. Das Fleisch der Wildkatze wird hie und da in Asien gegessen und gilt daselbst für wohlschmeckend und gesund. Ihr reichliches Fett, welches übrigens einen unangenehmen, durchdrin- genden Geruch hat, kann geschmolzen statt ()l zum Brennen benützt werden. In früherer Zeit hat mau demselben heilende Wirkungen bei 2G9 Gichtleiden, Verrenkungen und Anschwellungen der Gelenke zuge- schrieben. Zuweilen ereignet es sich, dass Hauskatzen, welche zur Sommerszeit in die Wälder ziehen, sich mit der Wildkatze paaren. Die Hauskatze oder der zahme Hinz (Catus domesticus). (Fig. S3.) Die Kennzeichen, wodurch sich die Hauskatze von der Wildkatze unterscheidet, bestehen nicht nur allein in der geringeren Grösse, dem minder kräftigen Baue und dem längeren und nicht so dicken Kopfe und Leibe, sondern auch in dem weit längeren und schlankeren, gegen das Ende zu allmählich verdüimten Schwänze und in der weit stärkeren Abplattung des Kopfes. Die Hauskatze ist um ein Drittel kleiner als die Wildkatze; doch ist ihre Grösse sowohl als auch die Färbung, Feinheit und Länge ihres Haares sehr verschieden, je nach den verschiedenen Abarten, welche man bisher von ihr kennt. Bei einer erwachsenen Hauskatze beträgt die Körperlänge 1 Fuss 6 Zoll, die Länge des Schwanzes 1 Fuss und die Höhe am Widerrist 10 Zoll. Als Hausthier hat sie eine sehr weite Verbreitung und findet sich, mit Ausnahme der kältesten Länder, wie Lappland, Grönland u. s. w., überall, wo Menschen einen festen W^olmsitz haben. Heut zu Tage ist sie in Asien, Amerika und selbst Australien ebenso verbreitet wie in Europa und Afrika. Sie bildet in allen civilisirten Ländern die einzige, im höheren Grade gezähmte und vom Menschen zu seinem beständi- gen Gesellschafter gewählte Katzen-Art. Zuweilen entläuft sie zur Zeit des Sommers und nimmt in Wäldern ihren Aufenthalt, woselbst sie sich sogar nicht selten fortpflanzt. Doch kehrt sie bei Eintritt des Winters wieder in ihre frühere Wohnung zurück, die sie instinct- mässig aufsucht, und bringt auch ihre Jungen, wenn sie noch nicht gross gezogen waren, mit, die sie während jener Zeit in den Wäldern geheckt hatte. Insbesondere findet man in Bussland solche entlaufene, oder wenn man sie so nennen darf, verwilderte Hauskatzen zur wär- meren Jahreszeit in den Wäldern. Die Kälte des Winters erträgt sie im Freien nicht, und diess allein schon beweiset, dass sie nicht von der Wildkatze abstammen könne , sondern ursprünglich wärmeren Gegenden angehört haben müsse. Aber auch die wesentlichen Unter- schiede im Baue und den Körperverhältnissen, die bei beiden Arten beständig sind, lassen die Annahme ihrer Abstammung von der Wild- katze nicht zu. Diese Verschiedenheiten sind so gross, dass es mehr 270 als gewagt erscheinen müsste, dieselben nur als Folge veränderter Lebensverhältnisse zu betrachten. Aber auch historische Gründe sprechen gegen diese Annahme; denn vor dem 10. Jahrhundert war die Hauskatze im nördlichen Europa und mindestens in England noch gar nicht bekannt. Die Gesetzsammlung für Wales enthält ein Statut des Ho well Dha, welcher im Jahre 948 starb, sowohl über dieWerth- bestimmung der Hauskatzen, als auch über die Strafen, welche auf Misshandlung, Verstümmelung oder Tüdtung derselben gesetzt waren. Wer auf den fürstlichen Kornböden eine Hauskatze stahl oder tödtete, musste sie mit einem Schafe sanrnit dem Lamme bezahlen oder so viel Weizen als Ersatz dafür geben, als erforderlich war, um die Katze, wenn sie an dem Schwänze so aufgehängt war, dass sie mit der Nase den Boden berührte, vollständig zu bedecken. Man ersieht hieraus, dass man zu jener Zeit noch einen ziemlich hohen W^erth auf dieses Hausthier legte, und diess kann als ein Beweis gelten, dass man dieses Thier damals für eine neue und wichtige Erwerbimg betrachtete. Wäre die Hauskatze nur ein Abkönunling der Wildkatze gewesen, so hätte man zu jener Zeit, wo die Wildkatze in den Wäldern Englands noch in Menge zu treffen war, leicht junge Wildkatzen einfangen und zähmen können und würde sicher keinen so hohen Werth auf die Hauskatze gelegt haben. Da die Hauskatze übrigens nicht zu den ursprünglichen Hausthieren gehört, so ist es wenigstens in Bezug auf gewisse Varietäten, unter denen sie auftritt, möglich, mit grosser Wahrscheinlichkeit ihre Stammart zu ermitteln. Alle über diesen Punkt angestellten Nachforschungen deuten daraufhin, dass man die- selbe in Ägypten suchen müsse. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass von diesem Lande ihre Domesticirung ausgegangen ist. In Ägypten war die Hauskatze seit den ältesten Zeiten ein geheiligtes Thier; man trifft sie daher nicht nur auf den Monumenten der alten Ägyptier allenthalben abgebildet, sondern iindet sie auch häuOg unter den ein- balsamirten Mumien in den Gräbern. Im angrenzenden Kordofan und Nubien lebt jetzt noch in den felsigen, dichtbuschigen Gegenden eine Katzen-Art, die unter allen bis jetzt bekannten Arten dieser Gattung die grösste Ähnlichkeit mit gew issen Varietäten unserer Hauskatze hat, so dass es mehr als wahrscheinlich ist, diese als Stammart derselben betrachten zu dürfen. Für diese Annahme sprechen sowohl Gestalt und Körperverhältnisse, als selbst auch Färbung, die diese Katzen- Art manchen Varietäten unserer Hauskatze bedeutend nähert. Diese, auch 271 jetzt noch wild a urkomniende Katzen-Art, ist die Falbkatze (Catus manicidatus), welche unserer Hauskatze auch an Grösse gleich kommt. Sie ist oben mehr oder weniger fahlgelblich, röthlicher auf dem Hin- terkopfe und der Rückentirste, und zum Thcile mit einer feinen schwarzen Sprenkelung gezeichnet. Die Seiten sind heller gefärbt, der Bauch ist weisslich. Am Rumpfe bemerkt man dunklere, schmale verwaschene Querbinden, die an den Beinen deutlicher hervortreten, am Oberkopfe und dem Nacken acht dunklere, schmale Längsbinden. Der Schwanz ist ohen fahlgelb , unten weiss , mit drei schwarzen Ringen umgeben und endiget in eine schwarze Spitze. Die Körper- länge beträgt 1 Fuss 8 Zoll, jene des Schwanzes 9 Zoll, die Höhe am Widerrist 9 Zoll. Mumien und Abbildungen auf den Denkmälern in Theben stimmen vorzüglich mit dieser Katzen-Art überein und scheinen zu beweisen, dass sie es war, welche bei den alten Ägyptiern als Hausthier gehalten wurde. Von Ägypten scheint sie nach Arabien und Syrien, und später über Griechenland oder Italien nach dem westlichen und nördlichen Europa verbreitet worden zu sein, sowie sie in neuerer Zeit mit den Europäern allenthalben hingewandert ist. In Süd-Amerika, namentlich in Paraguay, wo sie seit fast 300 Jahren eingeführt ist, hat das Klima einen eigenthüm liehen Einfluss auf sie ausgeübt. Die bedeutende Veränderung, welche die Hauskatze in Süd-Amerika erlitten hat, kann nur dem Einflüsse des Klimas zugeschrieben werden, da eine Vermischung derselben mit später aus Europa eingeführten nie, oder nur selten stattgefunden haben mag. Die südamerikanische Hauskatze unterscheidet sich von unserer durch dünn stehende, knapp anliegende, glänzende Haare, die am Schwänze noch kürzer als am Leibe sind und denselben dadurch ein fast kahles Aussehen geben. Sie ist auch wenigstens um ein Viertel kleiner und schmächtiger als unsere Hauskatze. Ihre Färbung ist, sowie bei unserer, sehr verschie- den. Am häufigsten kommt sie von aschgrauer Farbe mit graulich- schwarzen Zeichnungen vor. Sie führt ein sehr unabhängiges Leben, indem sie tagelang in Wäldern und auf Feldern umherstreift, dort ihre Beute sucht und beinahe nur bei schlechtem W^etter in die menschlichen Wohnungen zurückkehrt. Dalier sind auch alle Haus- katzen in Paraguay menschenscheu und räuberisch und selbst die sorgfältigst gepflegten verwildern mit dem Alter. Ungeachtet dieses Hanges zur Unabhängigkeit , sind sie aber auch selbst in diesem warmen Lande nicht in den wilden Zustand übergegangen. Obgleich 272 sie häufig auch den ganzen Sommer über im Freien zubringen und selbst im Freien hecken , so kehren sie doch mit dem Eintritte der Regenzeit wieder zu den Wolmungen der Mensclien zurück und bringen daim meistens auch ihre Jungen mit. Ist diess nicht der Fall, was übrigens nur selten geschieht , so geht die ganze Zucht über Winter zu Grunde. Auch die Alten können den Winter nicht im Freien über- stehen, wie diess die ehemals bewohnt gewesenen, nun aber verlassenen Gegenden bezeugen, in denen man keine Spur mehr von Hauskatzen findet. Es gilt diess abermals für einen Beweis, dass die Hauskatze aus einem noch wärmeren Himmelsstriche stamme. Die Hauskatze ist sehr geschickt im Klettern. Ihr Gang ist still, mit eingezogenen Krallen. Sie sitzt auf dem Hintertheile, wie der Hund , schläft zusam- mengerollt auf der Seite liegend und nur in der Sonne mit aus- gestreckten Beinen. Ihr Schlaf ist sehr leise und kurz, ihr Gehör sehr fein. Sie besitzt ein äusserst zähes Leben und fällt nicht selten von Dächern, selbst von ansehnhcher Höhe herab, ohne sich einen Schaden zuzufügen. Sie sucht hierbei immer auf die Beine aufzufallen, was ihr meistens auch dadurch gelingt, dass sie während des Falles den Leib zusammenkrümmt und den Schwanz in die Höhe hält. Ihre Lieblings- nahrung besteht in Mäusen und kleinen Vögeln, die sie entweder aus den Nestern holt, oder bisweilen auch durch einen Sprung erfasst. Unbemerkt und geräuschlos sehleicht sie langsam und an den Boden gedrückt nach ihrer Beute, wedelt mit dem Schwänze und springt plötz- lich auf sie hin, um sie mit ihren Krallen zu erhaschen. Manche Haus- katzen fangen aber auch Fische, doch sind diese nur äusserst selten. In Häusern, wo sie gefüttert werden, geniessen sie auch menschliche Kost, gekochtes Fleisch, Gemüse, Brod u. s.w. Am liebsten trinken sie Milch, die sie nur lecken und niclit so wie die Hunde schlappen. Ihre Augen sind gegen das Tageslicht höchst empfindlich und ihre Pupille zieht sich bei Sonnenschein so zusammen, dass sie nur als eine schmale Längsspalte erscheint. Desto mehr aber erweitert sie sich im Dunkeln, wo die Augen dann auch leuchten, daher sie auch zur Nachtzeit den Raub leicht zu erkennen vermögen. Überhaupt ist ihr Gesicht weit schärfer als ihr Geruch, welcher ihnen auch zur Aufspürung ihrer Beute kaum oder wenig nützlich ist. Wie alle Katzen-Arten, so ist auch die Hauskatze ein äusserst reinliches Thier. Dabei ist sie aber auch zart und empfindlich und liebt noch erträgt weder Nässe oder Kälte. Fast immer, insbesondere aber zur warmen Zeit, sprüht das Fell, 273 wenn es gestrichen wird, elektrische Funken. Ohgleich die Hauskatze zu unseren Hausthieren gehört, so ist sie doch weder Unterthan noch Begleiter des Menschen. Ihre Anhänglichkeit an die Wohnung, in welcher sie erzogen wurde, ist grösser, als an den Menschen, der sie pflegt. Es sind nur wenige Beispiele hekannt, dass s'e dem Menschen besonders zugethan und treu gewesen wäre. Man suclit diess daher abzuleiten, weil der Mensch ihrer angeborenen Falschheit, die sie niemals ablegt, Misshandlung und Verfolgung entgegenstellt und weil die meisten Thiere in ihrem Betragen sich nach der Beliandlung richten, die ihnen von Seite des Menschen wird. Verlässt eine Menschen-Familie das Haus, in welchem sie eine Katze gehalten, so zieht sie in der Regel nicht mit, sondern bleibt in dem alten Hause, an welches sie durcli die Gewohnheit gebunden, zurück, ohne ihren früheren Pfleger zu vermissen; denn in kurzer Zeit gewohnt sie sich an die neuen Bewohner, die sie übrigens eben so, wie die früheren, kaum kennen lernt und nur berücksichtiget , weil sie ihr Futter von ihnen empfängt. Ihre Anhänglichkeit an das Haus, welches ihr zur Wohnung dient, ist so gross, dass sie es selbst aus weiter Entfernung aufzusuchen sich bestrebt, wenn sie gewaltsam aus demselben entfernt wurde. Man kennt Beispiele , dass Hauskatzen , welclie auf eine Ent- fernung von 2 — 3 Stunden fortgetragen wurden, um ihrer los zu werden, sich bald darauf wieder in ihrer alten Wohnung eingefunden hatten. Selbst bei der sorgfältigsten Pflege erreicht die Hauskatze nicht im Entferntesten den hohen Grad der Zähnnmg wie der Hund. Sie begleitet ihren Herrn niemals so wie dieser, sondern streicht nur im Hause, auf den Däciiern und im Felde umher, um Vögel und Mäuse aufzusuchen oder mit ihres Gleichen zu spielen. Doch selbst dieses Spielen endet meistens mit einem Kampfe, indem sie sich zuletzt in der Regel gegenseitig mit den Tatzen hauen. Die Hauskatze folgt zwar nicht selten auf den Ruf; doch kommt sie nur, um Futter zu erhalten, oder Schmeicheleien zu empfangen, die bisweilen jedoch auch mit Beissen und Kratzen erwiedert werden. Ihr Wohlgefallen gibt sie durch Anschmiegen und Schnurren zu erkennen ; doch ehe man es versieht, schlägt sie mit der Tatze und entflieht. Das Schnurren oder sogenannte Spinnen wird durch feine Falten bewirkt, welche sich am Kehlkopfe befinden. Eine besondere Eigenthümlichkeit der Hauskatzen ist ihre grosse Genäschigkeit und Falschheit; insbesondere treten aber im Alter nebst der letzteren auch Misstrauen und Menschenscheu scharf bei ihnen (Naturgeschichte.) 18 274 hervor. Siebesitzen einen ungewöhnlichen Hang zum Stehlen, und holen nicht selten Tauben aus dem Schlage und selbst das kochende Fleisch aus den Töpfen, obgleich sie sieh hierbei auch immer verbrennen. Eben so gross ist auch ihre fast unwiderstehliche Vorliebe, die sie für manche stark riechende, ätherische Öle enthaltende Kräuter haben, wie Katzenmünze, Baldrian und insbesondere Katzenkraut. Treffen sie auf eine solche Pflanze, welche sie schon aus der Ferne durch ihren Geruch anlockt, so wälzen sie sich auf derselben mit sichtlichem Vergnügen, scharren sie mit ihren Pfoten aus und zerstören sie, indem sie sie zerbeissen, so gut es eben mit ihren zur Fleischnaln'ung bestimmten Zähnen geht. Vom Baldrian graben sie sogar die Wurzel aus und werden heftig aufgereizt, wenn man ihnen dieselbe vorhält oder vorwirft. Dagegen verabscheuen sie den Geruch der Garten- Raute, der ihnen in hohem Grade zuwider ist. Gegenstände , die man mit den frischen Blättern dieser Pflanze reibt, meiden sie auf lange Zeit. Unter allen Thieren ist keines , mit dem sie so sehr in steter Feindschaft leben, als mit dem Hunde. Wie die Hauskatze einen Hund erblickt, krümmt sie ihren Rücken, schnaubt ihn an und sucht ihn mit den Krallen in die Augen zu schlagen, wodurch es ihr gelingt, selbst den grössten Hund aus ihrer Nähe zu verscheuchen. Dagegen hat man bei säugenden Katzen, insbesondere wenn sie alle ihre Jungen ver- loren hatten, selten zwar, aber doch zuweilen den höchst merk- würdigen Fall beobachtet, dass sie nicht nur ihnen völlig fremde Thiere, sondern selbst solche, mit denen sie fast beständig im Kriege leben, statt ihrer verlorenen Jungen, förmlich angenommen haben. In England hat sich der Fall ereignet, dass eine Hauskatze, welche drei Junge hatte , von denen man ihr nur eines Hess , statt der beiden verlorenen, eine Maus zu sich genommen hatte. Man bemerkte eines Abends, wie eine Maus zu ihr hinlief, und sich an ihren Leib anschmiegte, so wie es säugende Kätzchen zu thun pflegen. Man konnte zwar nicht mit Bestimmtheit erkennen, ob die Maus, welche erwachsen zu sein schien, wirklich Milch an ihr gesogen habe, und zwar aus dem Grunde, weil man vermeiden wollte, sie zu stören. Nachdem die Maus ziemlich lange bei der Katze geblieben, kehrte sie in ihren Schlupf- winkel zu einem Schranke zurück. Diese Besuche haben sich noch öfters und z^ar in Gegenwart vieler Personen wiederholt, welche Augenzeugen jenes sonderbaren Falles waren. Auch schien die Katze nicht nur allein die Maus zu erwarten, sondern Hess auch bei ihrem 275 Erscheinen jedesmal die eigenthümliehen , schnuiTenden Bewill- koninunigslaute vernehmen, welche sie gewöhnh'ch von sich zu gehen pflegt, wenn sie von ihren Jungen gesucht wird. In der That schien die Maus auch wirklich an der Katze zu saugen, doch war sie dahei 30 vorsichtig und wachsam, dass sie allsogleich entfloh, wenn man es versuchte, die Hand nach ihr auszustrecken, um sie zu fangen. Kehrte die Katze aus dem Freien in die Stube zurück, so lockte sie die Maus durch ihren gewohnten Ruf sogleich zu sich. Die wechselseitige Anhänglichkeit heider Thiere , so verschieden auch ihre Natur war, konnte von Niemanden, der sie sah, verkannt werden. Unglücklicher- weise wurde die Maus von einer fremden Katze, die in die Stuhe kam, als sie auf sie hinlief, indem sie sie für ihre Freundinn hielt, gefangen und getödtet. Die Pflegemutter gab ihre Traurigkeit über diesen Verlust auf die verschiedenartigste Weise zu erkennen, suchte die Vermisste, indem sie miauend das ganze Haus umschlich, und zeigte durch längere Zeit viele Unruhe. Bei diesem seltenen Falle ist noch zu bemerken, dass jene Katze eine gute Mausfängerinn war und andere Mäuse nn't grosser Gier verzehrte. Englische Naturforscher haben ähnliche Beispiele beobachtet, wo junge Ratten, Kaninchen und Eicli- liörnchen an Hauskatzen gesogen hatten, die ihrer Jungen beraubt wurden. So nützlich auch die Hauskatze in Häusern ist, um Mäuse und bisweilen auch Ratten zu vertreiben, so sehr schadet sie der Jagd, indem sie, wenn sie in"s Freie gelangt, auch junge Hasen fängt. Um ihr Herumstreifen in Wäldern und auf Feldern zu verhindern, besteht in manchen Ländern die Gewohnheit, ihr die Ohren abzustutzen oder aufzuschlitzen. Der Schmerz, welchen ihr das an die Ohren schlagende Gras verursacht und das unangenehme , für sie unerträgliche Gefühl, welches Thau und Regen hervorbringen, wenn sie in das offene Ohr dringen, ist hinreichend, sie von solchen Ausflügen zurückzuhalten. Zum Vergnügen wird die Hauskatze nur sehr selten gehalten, und noch seltener hält man mehrere zugleich, da sie durch ihren Harn die Gemächer verpesten und mit ihren Krallen die Einrichtungsstücke zerreissen. Der Hauptzweck, wesshalb man sie in Häusern hält, liegt in ihrer Bestimmung, Mäuse wegzufangen und bisweilen selbst auch Ratten, an welche jedoch nicht alle Katzen gehen; und diess ist auch der grösste Nutzen, den uns die Hauskatze verschafft. Schon die Anwesenheit einer Katze in einem Hause ist hinreichend, die Mäuse aus demselben zu vertreiben. Dieses Geschäft betreiben sie jedoch 18* 276 nur solange mit Erfolg, als sie darauf hingewiesen sind, sich den grössten Theil ihrer Nahrung seihst aufzusuchen, Hauskatzen, die gut gefüttert werden, sind bald verwohnt und kümmern sieh dann wenig um die Mäuse. Sie fangen sie dann hlos zu ihrem eigenen Vergnügen und um mit ihnen zu spielen, wobei sie auch viele Geschicklichkeit zeigen und gewöhnlich die gefangene Maus in die Stube tragen, um Zeugensehaft ihrer Thätigkeit zu geben. So nothwendig die Haus- katzen, insbesondere in Dorfwohnungen, sind, so gefährlich werden sie auch bisweilen. Denn obgleich sie besser als Fallen und selbst als die noch weit gefährlicheren Gifte wirken, so sollte man sie doch weder in Wohnstuben, noch weniger aber in Schlafstuben, insbesondere bei Kindern dulden. Man kennt manche höchst traurige, wenn auch zum Glücke nicht häutig vorkommende Beispiele, dass sie schlafende Kinder, insbesondere Säuglinge, auf die sie sich, indem sie Wärme suchten, quer über das Gesicht legten, erstickten, ihnen die Augen auskratzten, sie jämmerlich zerfleischten und dadurch sogar getödtet haben. Aber auch durch die Gewohnheit, dass sie sich gerne auf den Herd legen und bisweilen selbst glühende Kohlen in Stroh und Heu verschleppen, können sie für den Menschen höchst gefährlich werden. Eine ihrer gewöhnlichen Krankheiten, die sich zuweilen selbst über ganze Länder erstreckt, ist die sogenannte Katzensucht, wobei sie sich beständig erbrechen , traurig werden und am Zehrfieber zu Grunde gehen. Die fürchterlichste, zugleich aber auch seltenste Krankheit der Ihmskatzen ist die Tollheit oder Wuth, in welcher sie eben so wie die mit diesem schrecklichen Leiden befallenen Hunde Alles zu beissen versuchen und durch ihren Biss jenes Leiden auf den Gebissenen übertragen. Diese Krankheit hat man vorzüglich an Haus- katzen beobachtet, welche in Feldern und Wäldern umherziehen und zwar immer, wenn man dieselbe Krankheit gleichzeitig auch an Füchsen wahrgenommen hatte, so dass man es für wahrscheinlich hält, dass solche Katzen von tollen Füchsen gebissen und dadurch von demselben Übel befallen wurden. Merkwürdig ist der gewissen Men- sclien angeborene, eigenthümliche Widerwille und Abscheu gegen Katzen und insbesondere gegen ihr Schnurren. Die Paarung der Hauskatze erfolgt gewöhnlich zweimal im Jahre, und zwar das erste Mal zwischen E^nde Februar und März und das zweite Mal zu Anfang des Juni. In der Regel findet dieselbe auf den Dächern Statt, wobei sie vorzüglich zur Nachtzeit ein höchst unangenehmes, lästiges Geheul 2TT erschallen lassen. Die Tragzeit währt gewöhnlich 58 Tage, hisweilen ahcr auch noch mehr , daher der erste Wurf zwischen dem Ende des April und Mai , der zweite im Anfange des August erfolgt. Die Zahl der Jungen, Avelche hlind geboren werden und erst am neunten Tage sehen, kann zwischen 3 — 12 betragen; die gewöhnliche Zahl ist aber 5 — 6. Die Mutter wirft sie immer an einem verborgenen Orte, meist in Heu oder nicht gebrauchte Betten. Sieht sie sich in ihrem Lager gestört, so trägt sie die Jungen im Munde an einen anderen sicheren Ort. Nicht selten werden sie aber vom eigenen Vater auf- gefressen. Achtzehn Monate sind zur Erlangung ihres vollständigen Wachsthums erforderlich. Das Alter, welches eine Hauskatze erreichen kaim, beträgt 12 — lö Jahre. Zur Zucht werden in der Regel diejeni- gen verwendet, welche im Mai geworfen wurden. So allgemein bekannt die Hauskatze auch bei den alten Ägyptern war, so ist sie doch den alten Griechen und Römern nur wenig bekannt geworden, so wie sie auch von diesen durchaus noch nicht als Hausthier benützt worden ist; denn zur Vertilgung von Mäusen wurden von jenen Völkern nur gezähmte Wiesel angewendet. Ihre Zähmung in Europa reicht keines- weges in das früheste Alterthum zurück, wie es denn überhaupt wahr- scheinlich ist, dass sie erst zur Zeit des Mittelalters nach Europa förmlich verpflanzt wurde. Im 11. und 12. Jahrhunderte selbst gehörte die Hauskatze in unserem Welttheile noch zu den Seltenheiten und wurde, insbesondere wenn sie als eine gute Mausfängerinn bekannt war, theuer bezahlt. Heut zu Tage ist sie in Europa in jeder Stadt, in jedem Dorfe zu finden. In ungeheuerer Zahl wird sie in London gehalten und während daselbst die Zahl der Hauskatzen zwei Millionen weit noch übersteigt, ist sie in Petersburg auch jetzt noch selten. Das Fell der Hauskatze, insbesondere das einfarbige schwarze oder weisse, Avird häufig bei uns als Pelzwerk benützt. Die Abweichungen, denen die Hauskatze unterUegt, sind bei weitem niclit so bedeutend, wie beim zahmen Hunde, und beruhen grösstentheils nur auf einer Verschiedenheit in der Behaarung und der Farbenzeichnung. Doch herrscht über die Abstammung der ver- schiedenen Racen noch sehr viel Dunkel. Es gibt kurzhaarige Haus- katzen in Deutschland von weissgrauer Farbe und mit einer Zeich- nung, ähnlich der der nubischen Fahlkatze, und diese sowohl als die ägyptischen Hauskatzen dürften von derselben abstammen. Als Abweichungen, welche durch die Cultur hervorgebracht wurden. 278 könnte man die einfarbigen schwarzen und weissen, so wie die bunt- scheckigen betrachten. Zu diesen letzteren gehört auch jene Abart, welche unter dem Namen spanische Katze fCatus domesticus hispa- nicus) bekannt ist und welche sowohl durch ihr kurzes, weiches Haar, als die entweder einfache rothgelbe, meist aber dreifache Färbung aus Rothgelb, Schwarz und Weiss ausgezeichnet ist. Merkwürdig ist, dass diese dreifache Färbung fast ausschliesslich nur dem Weibchen zukommt und bei Männchen nur äusserst selten vorkommt, da fast immer eine oder die andere dieser Farben denselben fehlt. Eine andere Abart, und zwar jene, welche in Deutschland am häufigsten getroffen wird, ist die sogenannte Cyper- Katze (Catus domesticus striatus). Sie kommt in ihrer Farbe und Zeichnung noch am meisten mit der Wildkatze überein und ist vielleicht durch Bastardirung mit der Wildkatze entstanden, was um so wahrscheinlicher ist, als gerade diese Abänderung es ist, welche am leichtesten wieder verwildert. Sie ist von hell gelblichgrauer Farbe, mit schwarzen Längsstreifen auf dem Rücken, und gekrümmten Streifen an den Seiten und den Schen- keln. Über die Stirne und Wangen ziehen sich einige schwarze Längsstreifen, und der Schwanz ist von mehreren schwarzen Ringen umgeben und endiget in eine schwarze Spitze. Lippen und Fusssohlen sind schwarz. Eine dritte Abart bildet die Karthäuser -Katze (Catus domesticus coerideus), welche sich durch langes, weiches, fast wolliges Haar und einfarbige dunkel bläulich -aschgraue Färbung des Felles auszeichnet, und eine vierte die Angora-Katze (Catus domesti- cus angorensis) mit langem seidenartigen Haare, vorzüglich um den Hals, unter dem Bauche und am Schwänze, von bald rein weisser, bald gelblicher oder graulicher, selten gemischter Färbung, mit fleisch- farbenen Lippen und Sohlen, Avelche aus Angora in Syrien stammt. Diese letztere Abart weicht in ihren Sitten am meisten von der gemeinen Hauskatze ab, ist träge, schläferig und unreinlich und stammt wahrscheinlich von der Steppenkatze oder dem Manul (Felis Manul) ab , welcher in den steilen Felsgebirgen der tatarischen und mongoli- schen Steppen zu Hause ist. Ein Bastard von ihr ist vielleicht die Karthäuser-Katze, die aber auch grosse Ähnlichkeit mit der Khorassan- Katze aus Persien hat, die wahrscheinlich denselben Ursprung mit ihr hat. Zu den minder bekannten Varietäten der Hauskatze gehören die kumanische Katze aus dem Kaukasus, die rothe Tobolsker-Katze aus Sibirien, die rothe und graublaue Katze vom Cap der guten Hoffnung, 279 die chinesische Katze aus China, mit seidenartigem Haare und langen hängenden Ohren wie der Dachshund, die malay'sche Katze vom indi- schen Archipel und von Madagaskar, mit gedrehtem Schwänze und knotigen Haarbüscheln an demselben , die kurzschwänzige Katze aus Japan, die ungeschwänzte ausCornwall und von der Insel Man, und die nackte Katze , welche hie und da in Europa und insbesondere in Böhmen getroffen wird. Manche dieser Varietäten sind Avahrscheinlich Bastarde, und die chinesische Katze insbesondere vielleicht sogar ein Bastard mit einer fremden Gattung, wie denn auch von einigen sehr geachteten Naturforschern behauptet worden ist, dass sich die Haus- katze selbst mit dem Hausmarder bastardirt, und die Jungen grosse Ähnlichkeit in Farbe und Zeichnung mit dem Hausmarder haben. 4. Gattung. Gepard (Cynailurus). Der Schwanz ist lang, und endiget in keine Quaste. Die Krallen sind unvollkommen zurückziehbar. Die Ohren sind nicht mit Haarbüscheln versehen. Im Nacken befindet sich eine aufrechtslehende Mähne. Die Pupille ist rund. DieVorderfüsse sind fünfzehig, die Hinterfüsse vierzehig. Der afrikanische Gepard oder Jagd -Leopard (Cynailurus gtittatus). (Fig.S4.) Der afrikanische Gepard weicht durch seine schlanke, hoch- beinige Gestalt am meisten von den grossen gefleckten Katzen ab. An Grösse gleicht er dem Leopard. Der Kopf ist kurz und rund, der Leib schlank, der Schwanz lang und dünn; die Füsse sind dünn und hoch, die Ohren breit und gerundet. Die Beliaarung ist kurz. Auf dem Nacken und am Anfange des Widerristes befindet sich eine kurze Mähne von gröberen und längeren Haaren. Die Pupille ist rund, die Zunge rauh. Die Farbe des Oberkopfes von der Stirne an, so wie des Oberhalses und Rückens ist licht fahlröthlich, was an den Seiten und Gliedmassen in's ficht Gelbfichweise übergeht. Die Innen- seite der Gliedmassen ist heller, die Unterseite des Körpers ganz weiss. Die ganze Ober- und Aussenseite ist mit einer grossen Anzahl nahe an einander stehender, schwarzer Flecken besetzt, die, von einem fahlen Hofe umgeben , auf dem Rumpfe nach hinten und unten meist in eine Spitze auslaufen, an den Beinen hingegen rund sind. Auf der Stirne sind diese Flecken am kleinsten. Die schmale, weisse Mitte der Unterseite des Körpers ist ungefleckt, nur auf der Mitte des Vorderhalses 280 befinden sich einige sehr kleine schwarze Flecken und eben so ist auch die Innenseite der Beine mit einigen solchen Flecken besetzt. Die Schnauze ist auf der Oberseite gelblichweiss, auf der Unterseite rein weiss. Ein schwarzer Streifen zieht sich vom inneren Augenwinkel gegen den Mundwinkel nach vorwärts gekrümmt herab, und einige fahle kloine Flecken und inibestinnnte Querlinien stehen auf dem Obertheile der Wangen. Die Ohren sind aussen in der unteren Hälfte schwarz, in der oberen graulich , innen sind sie mit längeren weissen Haaren besetzt. Der Schwanz ist oben fahlgelblich, unten weiss und mit schwarzen Flecken übersäet , die gegen die Spitze zu immer grösser werden und endlich zusammenfliessen, so dass sie anfangs Halbringe und zuletzt 5 — 6 vollkommene Ringe bilden. Die Spitze des Schwanzes ist weiss. Die Länge des Körpers beträgt 3Fuss 2 Zoll, die des Schwanzes 2 Fuss, die Höhe am Widerrist 2 Fuss. Die Heimath des afrikanischen Gepards ist über einen grossen Theil von Mittel- und Süd-Afrika ausgebreitet und erstreckt sich von Nubien und Abyssinien bis nach Senegambien und gegen das Cap der guten Hoffnung. Im Caplande ist er selten und überhaupt streift er nur bisweilen bis Port Natal und in das Land der Kaffcrn. Einsame, hügelige und bergige Gegenden, ins- besondere Wälder und Gebüsche sind sein Aufenthalt , wo er theils Affen, theils Gazellen nachjagt, die seine Nahrung bilden. Erbeschleicht dieselben nach Art der Katzen, erfasst sie in weiten Sätzen und tödtet sie mit Hülfe seines Gebisses und seiner Tatzen. Sein Lauf ist schnell und anhaltend, und mit Leichtigkeit erklettert er die Bäume. Er besitzt eine ziemlich grosse Stärke, doch ist er bei weitem nicht so wild und auch nicht so furchtlos als andere der grösseren Arten aus der Familie der Katzen, denn er besitzt weder ihren Muth noch ihre Leidenschaftlichkeit und Grausamkeit. Überhaupt ist er weit sanfter und lässt sich jung ein- gefangen auch leicht zähmen, da er sich bald an den Menschen gewohnt. In Abyssinien wird er von den Eingeborenen zur Jagd abgerichtet, ohne jedoch die Zahmheit und Folgsamkeit eines Hundes zu erreichen. Er wird gewöhnlich so abgerichtet, dass er hinter dem Reiter auf die Croupe des Pferdes zu sitzen kommt, der ihn an einer Kette oder Leine, die ihm um den Hals gelegt oder an einem beson- deren Halsbande befestiget wird, festhält, während seine Augen mit einer Kappe verhüllt sind. Seine ausschliessliche Verwendung ist auf die Gazellenjagd beschränkt. Erblickt der Jäger eine Gazelle, so nimmt er ihm schnell die Kappe ab , löst die Kette oder Leine los und 281 zeigt auf dieselbe hin, worauf der Gepard sogleicli vom Pferde springt, sieh völlig platt auf den Boden legt und ganz langsam wie eine Katze auf dem Bauche in entgegengesetzter Biehtung in die Nähe derselben schleicht, wobei er sich so viel wie möglich hinter Gebüsche oder Felsstücken zu verbergen sucht. Hat er das Thier bis auf eine Ent- fernung von 60 Schritten ungefähr erreicht, so fährt er plötzlich in weiten Sprüngen auf dasselbe los und hat es gewöhnlich schon in 3 — 4 schnellen Sätzen im Nacken oder an der Kehle auch erfasst. Hierauf entfernt er sich mit seiner Beute, die er eine ziemliche Strecke mit sich schleppt, versetzt der gewältigten Gazelle einen Schlag mit seiner Tatze, würgt sie und trinkt das Blut aus der geöffneten Kehle. Vorsichtig nähert sich ihm nun der Jäger, zieht ihm die Kappe über die Augen , legt ihm die Kette oder Leine an und führt ihn auf das Pferd zurück, wohin er ihn mit dem, in einem Gefässe aufgefangenen Blute der Gazelle lockt, und bei Anlangung auf seinem früheren Platze, durch Überlassung eines Stückes von einem ihrer Beine zufrieden stellt. Misslingt ihm aber der Sprung und verfehlt er seine Beute, so kehrt er, ohne sie weiter zu verfolgen, knurrend auf das Pferd zurück und ist für diesen Tag nicht weiter mehr zu brauchen. Doch ereignet sich diess nur selten, da die Gazellen, insbesondere wenn mehrere beisammen sind, sich so plötzlich überrascht fühlen, dass sie nur selten zu entfliehen suchen. Den rohen Einwohnern von Süd-Afrika ist seine Verwendbarkeit zur Jagd bisher noch fremd geblieben. Im Zustande der Gefangenschaft zeigt er sich gutmüthig und zutraulich. Er kennt seinen Wärter, lässt sich gerne schmeicheln und spielt auch gerne mit Kindern und mit Hunden, eben so Avie die Katzen. Man kann ihn ungescheut frei in einer Umzäunung umhergehen lassen, wenn er schon jung gezähmet wurde und braucht ihn nicht in geschlossenen Käfigen zu bewahren. Er schnurrt wie die Katzen, schlägt auch mit den Tatzen und zieht das Fleisch, das ihm gereicht wird, mit denselben zu sich. Überhaupt gibt er seine Zufriedenheit und sein Wohlbehagen durch Schnurren zu erkennen. Missbehagen hingegen, insbesondere wenn er Hunger oder Kälte fühlt, oder Verlangen nach etwas hat, drückt er durch einen kurzen, scharfen Schrei aus, der dem Miauen der Katzen ähnlich ist. Sein Fell, welches selbst in seinem Vaterlande nicht sehr häufig ist, wird von den Eingeborenen als Auszeichnung getragen und bildet einen Gegenstand des Handels. In Europa wird es als Pelzwerk verwendet. 282 3. Gattung. Luchs (Lynx). Der Schwanz ist mittellaiif^, kurz oder sehr kurz, und endiget in keine Quaste. Die Krallen sind vollkommen zurückziehbar. Die Ohren sind mit Haarbüscheln versehen. Eine Mähne fehlt gänzlich. Die Pupille ist senkrecht elliptisch. Die Vorderfüsse sind fünfzehig, die Hinterfüsse vierzehig. Der gemeine Luchs (Lynx vulgaris). (Fig. 55.) Der gemeine Luchs ist die bekannteste unter den drei in Europa vorkommenden Luchs-Arten, und als ein sehr schädliches Raubthier schon seit alten Zeiten her verfolgt. Er ist fast noch einmal so gross als die Wildkatze. Sein Kopf ist etwas länger als bei dieser und auch die Augen sind höher gestellt, wodurch die Schnauze ein gestreckteres Aussehen erhält. Die Beine sind höher und stärker und die Pfoten dicker als bei der Wildkatze. Der Schwanz ist cylindrisch, kurz, und von derselben Länge wie der Kopf Die Behaarung ist reichlich und besteht aus ziemlich langen, weichen Haaren. Das Gesicht hingegen ist kurz behaart, doch zieht sich ein starker Backenbart aus langen weichen Haaren, der unterhalb der Ohren beginnt, bis an das Kinn herab. Die Ohren sind ziemlich lang und spitz, und endigen in einen pinselförmigen Büschel von nicht ganz 2 Zoll langen, dichtgestellten, aufgerichteten Haaren. Die dicke Oberlippe ist mit mehreren Reihen langer, steifer Schnurren besetzt. Die Grundfarbe der Ober- und Aussenseite des Körpers ist im Sommer lebhaft rostroth, insbesondere auf den Schultern und den Gliedmassen und geht an den Seiten in's Weissliche über; jene der ganzen Unterseite hingegen, vom Kinne angefangen, rein weiss, und zieht sich auch an der Innenseite der Beine als ein schmaler Streifen herab. Auf den Vorderbeinen und eben so auch auf den Hinterbeinen , bis etwas unter die Ferse herab, stehen kleine, rundliche, deutlich sichtbare Flecken von braun- oder sclnvarzrother Farbe zerstreut, während sie an den Seiten des Körpers von rostrother Färbung sind und nur sehr undeutlich hervortreten. Um die Mitte des Unterhalses legen sich einige verwischte, röthliche Streifen herum, und auf dem Bauche und der Innenseite der Vorder- arme befinden sich einige grössere, rundliche, aber verwischte schwärzliche Flecken. Die ganze Oberseite des Halses und Rückens 283 ist einfarbig und ohne alle Flecken und Zeichnung, und eben so sind auch die Hinterbeine, mit Ausnahme ihres obersten Theiles und die Pfoten ungefleckt. Der Oberkopf bis zur Nasenspitze ist von der Farbe des Rückens, nur etwas blasser. Der Augenkreis, der ganze Unter- kiefer und die Oberlippe sind weiss, und nur die letztere ist am Ursprünge der Schnurren mit kleinen, rostschwarzen Flecken besetzt. Über die oberen Theile der Wangen verlaufen einige gekrümmte dunkle Streifen, unter denen sich einige Punktflecken befinden; der unterste Theil der Wangen aber ist weiss. Die langen Wangenhaare des Backenbartes sind nach hinten unten weiss , oben hingegen blass rostroth und schwärzlich gemengt und endigen meist in eine weisse Spitze. Die Schnurren sind theils weiss , theils braun mit weissen, oder weiss mit braunen Spitzen. Die Aussenseite der Ohren ist an der Wurzel röthlich und in der Mitte graulich; die Spitze und der lange Pinsel sind schwarz, der Rand jedoch fahlröthlich. Die Innen- seite der Ohren ist mit langen, weissen Haaren besetzt. Der Schwanz ist in den oberen drei Fünfteln von der Farbe des Rückens, mit einigen undeutlichen , etwas dunkleren Wellenlinien , in den letztern zwei Fünfteln aber schwarz. Die Krallen sind weisslich. Im Winter ist die Grundfarbe der Ober- und Aussenseite röthlichgrau und die Flecken, welche sich an den verschiedenen Theilen des Körpers befinden, sind rostbraun. Das Weibchen unterscheidet sich vom Männchen durch röthere Färbung und noch undeutlichere Flecken. Die neugeborenen Jungen sind weisslich. Es zeigen sich auch mancherlei Abänderungen in der Färbung und Intensität der Zeichnung, je nach der Örtlichkeit des Vorkommens und des Klimas , ja selbst bisweilen sogar an Indivi- duen eines u"nd desselben Ortes. Bei vollkommen erwachsenen Thieren beträgt die Körperlänge 3 Fuss 5% Zoll, die Länge des Schwanzes 6 Zoll 8 Linien , die Höhe am Widerrist 1 Fuss 9 Zoll. Das Gewicht kann an 60 Pfund betragen. Der gemeine Luchs gehört den nördlichen und gemässigten Gegenden von Europa, in Asien aber nur Sibirien an. In früherer Zeit war er über einen sehr grossen Theil von Europa in ziemlicher Anzahl verbreitet. Später aber wurde er mit der Zunahme der Cultur aus vielen Gegenden verdrängt und ist dermalen aus mehreren Ländern gänzlich ausgerottet. So war er zur Zeit der Römer selbst in Frankreich ziemlich gemein und eines der gewöhn- lichsten Raubthiere, während er sich gegenwärtig nur noch in den Pyrenäen und da selbst ziemHch selten findet. Aus England ist er 284 schon seit Jahrhuiidcrton gänzlich ansc^erottct. Dermalen ist er nur im Norden noch besonders häufig, während er in Mittel-Europa sehr selten ist und sich daselbst nur noch in den südlicheren Hochgebirgen findet. Als seine jetzige Ileimath kann man vorzüglich Sibirien, Russ- land , Polen und das südliche Schweden l)ezeichnen, von wo er sich bis an den südlichen Fuss der Alpen und bis zu den Karpathen aus- breitet. In Galizien, Ungarn, Schlesien, Böhmen ist er minder häufig und noch seltener in Österreich, Steiermark und Krain, ja selbst auch im südlichen Baiern, in Tirol und in der Schweiz. Nur zur Zeit des Winters, wo er, eben so wie der Wolf, bisweilen viele Tagereisen wandert, ereignet es sich, dass er aus dem Osten selbst bis nach Deutschland konunt, wo er ebenfalls fast ausgerottet ist und von wo er gegen den Sommer zu, wenn er inzwischen nicht geschossen wird, was übrigens fast gewöhnlich gescliieht, in seine frühere Heimath wieder zurückkehrt. Er hält sich nur in grossen, dichten, dunklen Gebirgswäldern , in öden , felsigen Gegenden auf, wo er Klüfte und Höhlen sich zu seinem Obdache wählt, und theils in Felsenhöhlen, theils im Schilfe und hohen Grase in der Nähe von Gebirgsbächen, paarweise mit seinem Weibchen lebt. Im Winter dienen ihm auch verlassene Bergwerks-Stollen, Fuchs- und Dachsbaue zu seinem Auf- enthalte. Bei Tage sitzt er in einsamen Gegenden, wo er sich sicher glaubt, auf Felsenspitzen oder abgestumpften Baumstämmen, um sich zu sonnen. Doch ist er auch im Stande Bäume zu erklettern, wenn sie schief gestellt sind und ihm hinlängliche Rauhigkeiten darbieten, um feste Anhaltspunkte zu gewinnen. Nicht selten liegt er daher auch auf einem dicken Aste, wie eine Wildkatze, so zwischen Zweigen ver- borgen, dass man ihn nur schwer bemerkt. Gewöhnlich erklettert er die Bäume nur, wenn er mit seinem Weibchen spielt. Seine Beweg- lichkeit ist gross und sein Geruch schärfer als bei anderen katzen- artigen Thieren. Besonders scharf ist aber sein Gesicht, daher es auch seit alten Zeiten her zum Sprichworte geworden. Seine Stimme ist scharftönend und nicht unähnlich dem Geheule eines Hundes. Seine Stärke ist so gross, dass er im Stande ist, nicht nur Rehe, sondern selbst junge Hirsche, Renn- und Elennthiere anzufallen. Diese Thiere sind es auch, denen er am meisten Schaden zufügt, da sie seine Lieb- lingsnahrung bilden, und in Bezug auf das Edelwild ist er das verderb- lichste Raubtbier des Nordens, da die Verwüstungen, welche er in Gegenden, wo er häufiger ist, unter demselben anrichtet, noch grösser 285 sind, als die des Wolfes. Vorzüglich stellt er deiiiselhen des Abends und Morgens in der Dämmerung nach und weiss mit grosser Schlau- heit die Orte auszuspähen, wo das Wild seine Gänge oder Wechsel hat. Gewöhnlich lauert er unter dem Winde an den Wechseln, ent- weder auf dem niederen Strünke eines Baumes, oder hinter einem Busche, oder im Geröhre und hohen Grase auf dem Bauche liegend. Kommt ein Wild hinreichend nahe an ihn heran, so stürzt er plötzlich in 3 — 4 ungeheueren, 12 — 14Fuss weiten Sätzen auf dasselbe los, fasst es, sich fest einbeissend, im Genicke, hält sich mit seinen tief eingeschlagenen Krallen an dem Rücken fest, und beisst mit seinen scharfen Zähnen die Schlagadern und Sehnen des Halses durch, so dass das Thier nach wenigen Minuten todt zur Erde stürzt. Verfehlt er seinen Raub, so verfolgt er ihn nicht weiter, sondern legt sich abermals auf die Lauer oder schleicht still an den Wildwechseln umher, um eine andere Beute aufzusuchen. Ist es ihm aber gelungen, ein Wild zu erhaschen, so saugt er ihm entweder, wenn er sich sicher glaubt, an Ort und Stelle das Blut aus und frisst 2 — 3 Pfund von den edleren Eingeweiden oder auch vom Kopfe, Halse, den Weichen, Schultern und den Keulen, als den schmackhaftesten Theilen, zu seiner Sättigung, oder schleppt den ganzen Raub vorerst an einen sicheren Ort. Den Rest bedeckt er entweder mit Laub und Reisig oder ver- scharrt ihn in die Erde. Bringt ihm der nächste Tag nicht frische Beute, so sucht er das Vergrabene auf. Doch nur bei grösstem Mangel und in den härtesten Wintermonaten rührt er es auch noch nach dem dritten Tage an. Daher folgen ihm auch gerne die kleineren Raubthiere, wie Füchse, Marder und dergleichen nach, da sie gewöhn- lich noch etwas von seinem Raube bekommen. Findet er kein Edel- wild, so begnügt er sich mit Hasen, Auer-, Birk- und Haselhühnern, denen er früher den Pelz und die Federn rupft, bevor er sie verzehrt, und wobei er sorgfältig vermeidet, sich mit dem Blute zu beschmutzen. Im Nothfalle fängt er auch Eichhörnchen, Wiesel, Marder und Wild- katzen, ja sogar Mäuse, die er katzenartig beschleicht und erhascht, sowie selbst Vögel von den Bäumen, wohin er auch manche der klei- neren Thiere, wenn ihn der Hunger dazu treibt, verfolgt. In Gebirgs- gegenden, wo Heerden weiden, wagt er sich zur Nachtzeit mitten unter dieselben und reisst oft in einer Nacht mehrere Ziegen, Schafe und Kälber nieder. Er ist höchst blutdürstig und würgt, wenn sich ihm Gelegenheit bietet, mehr als er verzehren kann. Man kennt Beispiele, 286 dass er in kurzer Zeit in einer Alpenheerde 30 — 40 Stücke kleines Vieh getödtet, ja selbst in einer einzigen Nacht über 30 Schafe nie- dergerissen habe. Auch wird beliauptet, dass er im Winter selbst so dreist sei, in einsamen Walddörfern Ställe zu untergraben, um das kleinere Hausvieh zu erwürgen. Dass er sich an Wildschweine wage, und diese sich dadurch von ihm zu entledigen suchen, dass sie mit ihm durch dichtes Gebüsche rennen, wodurch es ihnen bisweilen gelingt, ihn von ihrem Rücken abzustreifen, bedarf noch sehr einerBestätigung. Eben so zweifelhaft ist auch die Behauptung , dass er sich von einem Baume herab auf das vorüberzieliende Wild, ja selbst auf Menschen stürze. Des grossen Schadens wegen, den der Luchs überhaupt, insbesondere aber unter dem Edelwilde anrichtet, wird ihm sehr von den Jägern nachgestellt. Sein Aufenthalt wird durch Hunde auf- gespürt und mit Tüchern, Wolfs- oder Uehgarnen umstellt. Wird er von den Treiboin durch Geschrei und Lärm aufgescheucht, so lässt er sich entweder in die aufgestellten Netze treiben, oder flüchtet sich, vvemi ihm die Hunde zu sehr in die Nähe kommen, auf einen Baum, auf welcliem er dann leicht geschossen werden kann. Seine Jagd ist jedoch, wenn er nicht gut getroflen wird und nicht sogleich todt vom Baume zur Erde stürzt, für die Hunde und selbst für den Jäger weit gefährlicher noch, als die der Wildkatze, da er auf sie losstürzt und sie mit seinen Krallen sowohl als Zähnen oft fürciiterlich verwundet. Gewöhnlich werden auch die Hunde, die auf ihn gehetzt werden, grässlich von ihm zugerichtet; wie denn auch überhaupt die Wunden seiner Krallen und Zähne nur langsam und oft schwer zu heilen sind. Ihn mit der Flinte beschleichen zu wollen, ist fruchtlos, da sein scharfes Gesicht ihm mit grösster Siclierheit die Annäherung des Jägers entdeckt. In manchen Gegenden wird er auch in Fallen und wohl überdeckten Schlageisen gefangen, die man an jenen Orten auf- richtet, wo er den Rest eines Raubes vergraben hat. Dass er sich durch den nachgeahmten Ruf von Drosseln und Hasen locken lasse, hat keine Bestätigung gefunden. Die Tragzeit des Luchses beträgt etwas über 2'/2 Monat und zwischen dem Anfange des April und Mai wirft das W^eibchen 2 — 3, selten aber 4 blinde Junge, am liebsten in eine Feiskliift, oder in einer aufgefundenen oder auch selbst gegra- benen Höhle, bisweilen aber auch unter dichtem, mit Moos und Heide bewachsenen Gebüsche, auf einem mit Laub und Moos ausgelegten Lager. Die Jungen, welche 9 Tage hindurch blind sind, spielen bald 287 vor ihrem Lager wie junge Katzen und leruen von der Mutter, die sie sorgfältig bewacht, Vögel rauben und todten. Das Lebousalter des Luchses soll an IS Jahre betragen. Alt eingefangeu, lässt sich der Luchs nicht zähmen, jung hingegen wird er so zahm, als irgend ein anderes der grösseren Raubthiero. Man kennt sogar Beispiele, dass er sich in der Gefangenschaft, die er übrigens sehr gut erträgt, doch nicht sehr dauernd aushält, auch mit anderen Thieren, ja selbst mit dem Huhue befreundet. In manchen nördlichen Gegenden wird sein Fleisch gegessen und für wohlschmeckend gehalten. Sein Fell wird häufig als Pelzwerk verwendet und bildet einen bedeutenden Handels- artikel des Nordens. Es ist weich und glänzend und hat den einzigen Nachtheil, dass seine Haare spröde sind und leicht bei längerem Gebrauche springen. Doch ist es keineswegs so geschätzt, wie das Fell anderer Luchsarten , namentlicli der nordamerikanischen Luchse, vmd insbesondere auch des russischen oder Silberluchses. Die meisten Felle werden aus Polen, Schweden und Russland bezogen, und erscheinen in grosser Anzahl auf den Märkten; doch haben sie je nach der Gegend, woher sie kommen, sowie auch nach der Jahreszeit, aus der sie stammen, sehr verschiedenen Werth. In Rom wurde der Luchs schon unter Pompejus und zwar zuerst aus Gallien oder dem heutigen Frankreich gezeigt. Die Alten haben mancherlei von ihm gefabelt; und zwar dass er durch eine Mauer durchzusehen vermöge, sein Harn zu einem kostbaren Steine erhärte, den sie mit dem Namen Lynkur bezeichneten, und dergleichen mehr. 3. Familie. Zibetlikatzen oder Viverreu (Viverrae.) Die vorderen Backenzähne sind schneidig, die hintersten höckerig. Der Reisszahn ist meistens schneidig, nur äusserst selten höckerig. Die Krallen sind zurückziehbar. Die Heimath der Zibethkatzen oder Viverreu ist fast ausschliess- lich auf Asien und Afrika beschränkt. Nur eine einzige Gattung findet sich auch im südlichen Theile von Nord-Amerika, während eine Art auch in den Süden von Europa herüberreicht. Manche wohnen in unfruchtbaren, meist hoch gelegenen trocke- nen, bald sandigen, bald felsigen Gegenden, zwischen Räumen und Gebüschen, manche nur an feuchten, mit Buschwerk bewachsenen Orten, in der Nähe von Flüssen, und sehr viele auch in Wäldern oder 288 in buschigen Gebirgsgegenden, bisweilen in der Nähe von Quellen und Bächen oder auch von menschlichen Ansiedelungen. Tlieils sind es Felsspalten und Klüfte, theils hohle Bäume und Erdlöeher, welche ilmen zum Aufenthalte dienen. Nur sehr wenige Arten gehen auch auf kurze Zeit in's Wasser. Die meisten führen eine vollkommen nächtliche, manche aber auch nur eine halhnächtliche Lebensweise, da die Mehrzahl den ganzen oder \\enigstens den grössten Theil des Tages schlafend in ihrem Verstecke zubringt, und erst des Abends oder zur Zeit der Nacht auf Raub ausgeht, während die bei weitem geringere Zahl auch den Tag theilweise zu ihren Raubzügen benützt. Die Hauptnahrung fast der allermeisten Arten jjestebt in kleineren Säugethieren, in Vögeln und ihren Eiern. Viele nähren sich nebstbei aber auch von Reptilien und deren Eiern, und einige im Nothfalle selbst von bisecten, Früchten und Wurzeln. Nur bei einer verhältniss- mässig geringen Zahl sind es vorzüglich Früchte, welche ihre Haupt- nahrung ausmachen. Manche sind sehr lebhaft und behende in ihren Bewegungen, und diese treten beim Gehen nur mit den Zehen auf; andere hingegen haben einen trägen, langsamen und schwerfälligen Gang, und treten dabei mit der ganzen Sohle auf. Sehr viele können auch vortrefflich klettern und besteigen mit Leichtigkeit die Bäume. Eine einzige Art, welche nördlicher reicht, hält zur Zeit des Winters in jenen Gegenden eine Art von Winterschlaf, indem sie sich während der ganzen Dauer der kälteren Zeit in ihren Scldupfwinkeln verborgen hält. Alle verbreiten einen ziemlich starken Moschusgeruch, und manche sondern in einer l)esonderen Drüsentasche eine fette, schmie- rige, wohlriechende Substanz ab, welche sehr stark nach Moschus riecht und unter dem Namen Zibeth bekannt ist. Ihre Stimme besteht theils in einem heiseren oder dumpfen Kmirren, theils in einem scharfen, eintönigen Pfeifen. Während des Schlafes liegen sie zusammengerollt und manche selbst zu einer Kugel geballt. Die Zahl ihrer Jungen beträgt zwischen 1 — 6. Im Allgemeinen sind sie wild und bissig, dabei aber auch furchtsam und scheu, und eben so vorsichtig als misstrauisch. Jung gefangen, lassen sich die meisten sehr leicht zäh- men, und viele von ihnen erreichen einen hoheu Grad von Zahmheit. Die meisten zeigen sich dann gutmüthig und sanft, und einige werden sogar zutraulich, kennen ihren Herrn und folgen ihm so wie der Hund. Die Gefangenschaft halten sie in der Regel gut und selbst dauernd aus. Gewisse Arten werden in vielen Gegenden in grösserer Menge 289 zahm gehalten und einige sogar als llausthiere zum Fangen von Mäusen und Ratten benützt. Die allermeisten richten unter dem zahmen Haus- geflügel und sehr viele auch in den Pflanzungen grossen Schaden an, und nur von wenigen wird das Fell als Pelzwerk benützt. Eine einzige Art wurde auch im hohen Alterthume von deuÄgyptiern göttlich verehrt. 1. Gattung. Zibethkatze (Viverra). Der Leib ist gestreckt und schlank. In der Aftergegend befindet sich zwischen dem After und deuGeschlechtstheilen eine tiefe Drüsen- tasche, und zwei besondere Absonderungsdrüsen münden am Rande des Afters. Die Zehen sind lang und frei, die Krallen nur halb zurück- ziehbar. Das Auftreten findet auf den Zehen Statt. Im Ober- und Unterkiefer befinden sich jederseits 6 Rackenzähne. Die Vorderfüsse sowohl als die Hinterfüsse sind fünfzehig. Die Sohlen sind ganz behaart. Die Ohren sind nicht sehr gross. Der Schwanz ist schlaff", lang, oder mittellang. Die Pupille ist rund. Die Civette oder afrikanische Zibethkatze (Viverra Cwetta). (Fig. 56.) Die Civette , welche von der Grösse eines mittelgrossen Hundes ist, hat fast ein katzenartiges Aussehen und hält in ihrer Gestalt das Mittel zwisclien einem Marder und einer Katze. Der Kopf ist breit, die Schnauze etwas gewölbt und stumpfspitzig. Die Ohren sind kurz, und stumpf zugespitzt. Die Augen sind schief gestellt, haben eine auch bei Tage runde Pupille, und die Zunge ist rauh. Der Leib ist gestreckt, doch nicht besonders schmächtig, der Schwanz mittellang, von halber Körperlänge, und gegen das Ende verdünnt. Die Reine sind ziemlich nieder, die Zehen mit nur halb zurückziehbaren Krallen ver- sehen, und die Sohlen ganz behaart. Zwischen dem After und den Geschlechtstheilen befindet sicli eine tiefe Drüsentasche, welche eine sehr stark nach Moschus riechende, fette, schmierige Substanz abson- dert, die eben so M'ie jene, Avelche von der echten oder asiatischen Zibethkatze stammt, unter dem Namen Zibeth bekannt ist. Die Rehaa- rung ist dicht, grob und locker, doch nicht besonders lang, mit Aus- nahme des Rauches, wo sie länger ist, und einer ziemlich langen, aufrichtbaren Mähne, welche sich über die ganze Firste des Halses und Rückens zieht und selbst noch auf den Schwanz fortsetzt. Die (Naturgeschichte.) !•' 290 Ohren sind dicht hehaarl. Die Gnuulfarhe des Leibes ist aschgrau, bisweilen in's Gelbliche fallend, was aus einer Mischung von weiss- lichenund bräunlichen Ihtaren mit schwärzlicher Spitze hervorgebracht wird. Auf dem Rücken befinden sich zahlreiche, rundliche und eckige schwarzbraune Flecken, von verschiedener Gestalt und Grösse, welche auf den Hinterschenkeln unterbrochene Querstreifen bilden , auf den Seiten des Körpers aber bald der Länge, bald der Quere nach an ein- ander gereihet sind. Die Rückcnmähne ist schwarzbraun. Der Bauch ist heller als der Obertheil des Körpers und die schwarzen Flecken auf demselben sind minder deutlich begrenzt. Die Schultergegend ist mit kleinen schwarzbraunen Flecken besetzt, die sich gegen die Vorder- beine hinab zu Querstreifen zusammenziehen. Die Beine sind am LTnterfusse schwarzbraun, die Krallen bräunlich. Der Schwanz ist von 6 — 7 schwärzlichen Ringen umgeben, die auf der Ober- und Unter- seite zusammenfliessen, und endiget in eine schwarzbraune Spitze. An jeder Seite des Halses befindet sich ein beinahe viereckiger, schräge gestellter grosser weisser Flecken, der oben und hinten durch eine schmale schwarzbraune Binde begrenzt und von einem gleichfalls schwarzbraunen Streifen, der hinter den Ohren beginnt und gegen die Schulter breiter wird, in zwei ungleiche Theile getheilt wird. Die Nasenkuppe ist schwarz, die Schnauze an der Spitze weiss und in der Mitte vor den Augen hellbraun. Die Stirne und die Ohrengegend sind gelblichgrau und braun gemischt, das Genicke hinter den Ohren ist heller gefärbt. Unter jedem Auge befindet sich ein grosser schwarz- brauner Flecken, der sich vorwärts gegen die weisse Schnauzenspitze und rückwärts über die Backen zur Kehle abwärts zieht, die ganze Kehle einnimmt und daselbst einen sehr grossen, fast dreieckigen Flecken bildet. Die oberen Schnurren sind schwarzbraun, die unteren, so wie die einzelne Backenborste, weissgrau mit schwarzbraunen Spitzen. Die Iris ist bräunlich. Der Körper erreicht eine Länge von 2 Fuss 3 Zoll, der Schwanz von 1 Fuss ly^ Zoll; die Höhe am Wider- rist beträgt 1 1 y^ Zoll. Die Heimath der Civette ist Afrika, und ihr eigentliches Vaterland Ober- und Nieder-Guinea, obgleich sie heut zu Tage fast allenthalben in Afrika getrofTen wird, indem man sie des Zibeths wegen, der von ihr gewonnen wird, allmählich immer weiter und weiter verbreitet hat. So trifft man sie namentlich in grosser Menge in Abyssinien, Nubien und Ägypten, wo sie aber eben so wenig wild vorkommt als am Cap der guten Hoffnung, und nur als Hausthier 291 gehalten wird. Sie bewohnt trockene , sandige und unfruchtbare felsige, hoch gelegene Gegenden, die mit Bäumen und Sträuchern bewachsen sind, und führt eine nächtliche Lebensweise. Den Tag bringt sie schlafend zu und geht erst des Abends auf Raub aus , um kleine Säugethiere und Vögel zu rauben und die letzteren in ihren Nestern zu beschleichen, wo sie die Jungen würgt und die aufgefun- denen Eier verzehrt. Sie kann sehr gut und sehr behende klettern und ersteigt daher mit Leichtigkeit die Bäume, um Vogelnester auf- zusuchen. Sie frisst auch Reptilien und soll sich im Nothfalle selbst mit Früchten und Wurzeln begnügen. Man fängt sie in Schlingen und Fallen und hält sie in besonderen Ställen. In der Gefangenschaft, die sie sehr gut erträgt, ist sie äusserst träge, schläft fast den ganzen Tag und ist schwer aus dem Schlafe zu erwecken. Man füttert sie mit Fleisch , besonders mit Geflügel ; Wasser trinkt sie wenig und kann es ziemlich lange Zeit entbehren. Wenn sie jung eingefangen wird, so wird sie auch sehr zahm, obgleich sie ursprünglich wild und bissig, und bei schon vorgeschrittenem Alter nicht leicht zu zähmen ist. Im Zorne hebt sie sich nach Art der Katzen empor, sträubt ihre Mähne und lässt ihre Stimme vernehmen, die in einem heiseren Tone besteht, der einige Ähnlichkeit mit dem Knurren des Hundes hat. Der heftige Moschusgeruch, den sie verbreitet, macht sie aber fast unerträglich; denn beständig ist ihre Drüsentasche mit Zibeth voll gefüllt. Im freien Zustande sucht sie sich desselben zu entledigen, indem sie sich an Bäumen oder Steinen reibt, und selbst gefangen, streift sie denselben an den Stäben ihres Käfigs ab. Sehr gerne beisst sie auch am Holze der Behältnisse , in denen sie gehalten wird , und sucht sich dadurch einen Ausgang aus denselben zu verschalfen. In Abyssinien, Nubien, Darfur, Ägypten und selbst im Inneren von Afrika, wird sie in grosser Menge gehalten, da mit dem Zibeth noch immer häufig Handel getrie- ben wird, und dieser Artikel einen grossen Reichthum der dortigen Bewohner ausmacht. Vorzüglich war es in früherer Zeit die Stadt Euphras in Abyssinien, die den Hauptsitz des Zibethhandels bildete, und manche Kaufleute daselbst hielten nicht weniger als 300 Stücke dieses Thieres, um eine hinreichende Ausbeute an Zibeth zu gewinnen, der nicht blos als ein wichtiger Artikel der Parfümerie in Handel kam, sondern auch als Arzneimittel verwendet wurde. Aber auch in Lissabon, Neapel, Rom, Mantua, Venedig und Mailand, ja selbst in manchen Städten Deutschlands und vorzüglich in Holland, wurde die Civette in 19« 292 früherer Zeit zu gleichem Zwecke in den Häusern gehalten. Dermalen hat der Zibethhandel aber bedeutend abgenommen , da diese Substanz durch den Moschus fast gänzlich verdrängt wurde. Die Art und Weise, wie man den in der Gefangenschaft gehaltenen Thieren den Ziheth ausnimmt, ist dieselbe, wie bei der echten oder asiatischen Zibethkatze. Der Zibeth der Civette steht jenem der echten Zibethkatze jedoch an Güte nach, und seihst bei der Civette gilt der Zibeth männlicher Thiere für besser als der von Weibchen, obgleich diese jene Substanz in reichUcherer Menge absondern, und daher für den Händler von grösserem Nutzen sind. Die echte oder asiatische Zibethkatze (Viverra Zibefha). (Fig. 57.) Die asiatische Zibethkatze ist von der afrikanischen nicht nur durch die Farbenzeichnung unterschieden, sondern zeigt auch man- cherlei Abweichungen von derselben in Bezug auf die Gestalt. Ihr Kopf ist spitzer, die Ohren sind länger, und der Leib ist schmächtiger als hei dieser, und auch der Schwanz ist etwas länger, und nur kurz behaart. Alle Körperhaare sind von gleicher Länge und bilden auf dem Rücken keine Mähne. Die Grundfarbe ist licht bräuuHchgelb, Über die Mitte des Rückgrats zieht sich ein breiter, schwarzer Streifen, der bis an die Schwanzspitze läuft und daselbst in's Rost- farbene schimmert. Der ganze Oberleib ist mit einer grossen Anzahl dichtstehender, verschiedenartig gestalteter und in Querreihen ver- theilter, dunkelrostbrauner Flecken besetzt, die an den Seiten sehr verwischt, am llintertheile aber bis zum Unterschenkel herab am deut- lichsten begrenzt sind, und von denen jene, welche dem Mittelstreifen des Rückens zunächst stehen, mehr oder weniger zusammenfliessen. Der Kopf ist bräunlich mit Weiss gemengt, an den Wangen am lich- testen, und an der Schnauze dunkelbraun. Ein kleiner Flecken unter den Augen, und die Spitze der Oberlippe sind weiss. Die langen Schnurren sind zum Theile weiss, zum Theile braun; die Aussenseite der Ohren ist braun. Kinn und Kehle sind bräunlich, die Halsseiten und der Unterhals gelblichweiss, die Brust ist bräunlich und der Bauch weisslich. Vier schwarze, regelmässige Längsstreifen laufen über den Nacken, und von den mittleren derselben senkt sich einer, vom Widerrist an von den Schultern herab, und vereiniget sich mit dem der entgegengesetzten Seite tief unten am Halse, wodurch eine Art 293 von Ring gebildet wird. Von den äusseren Längsstreifen des Nackens geht ein anderer Streifen oberlialb dieses Ringes ab, der viel breiter wird, und sieh am Unterhalse, in zwei Streifen getheilt, herumlegt. Ausser diesen Streifen, finden sich gewöhnHch noch zwei besondere Seitenstreifen; doch ändert die Zeichnung dieser Streifen häufig ab. Die Füsse sind rothbraun in's Schwärzliche fallend, und der Schwanz ist mit 9 — 10 rostschwarzen Ringen versehen, die nach oben zusam- menfliessen und den Längsstreifen auf der Mittellinie des Schwanzes bilden, nach unten aber nicht immer vollständig zusammenhängen. Die Spitze des Schwanzes ist schwarz. Die Länge des Körpers beträgt 2Fuss 5 Zoll, die des Schwanzes 1 Fuss 3 Zoll, die Höhe am Widerrist 1 Fuss 9 Linien. Das Vaterland der asiatischen Zibethkatze ist Ost-Indien, wo sie sowohl in Bengalen, Slam und Malabar, wie auch auf Java, Sumatra, den Philippinen und Molukken getroffen wird, und von da durch dieMalayen sehr weit, ja selbst bis nach Arabien verbreitet wurde, da man sie des Zibeths wegen, den sie liefert, gerne zieht. Ihr Wohnort sind die Wälder, deren Bäume sie mit Leichtigkeit erklettert, um Vogelnester zu plündern und Vögel sowohl als Eier zu verzehren, die ihre Haupt- nahrung ausmachen, obgleich sie auch kleinen Säugethieren nachstellt. Ihre Lebensweise ist eine mehr nächtliche, indem sie des Tages häufig schläft und erst des Nachts auf Raub ausgeht. Überhaupt sieht sie bei Tage nicht sehr scharf und zeigt sich, selbst wenn sie wach ist, schläfrig. In ihrer Aftertasche sondert sie eine salbenartige Schmiere von moschusähnlichem, durchdringendem Gerüche ab, welche unter dem Namen echter Zibeth bekannt ist und einst sehr geschätzt war, da sie sowohl als Arzneimittel gegen Krämpfe, wie als Parfümerie-Artikel häufig verwendet wurde, und selbst einen bedeutenden Handels-Artikel bildete, der seither aber durch Ambra und Moschus verdrängt wurde. Heut zu Tage ist diese Substanz blos noch im Oriente als Arzneimittel im Gebrauche, und findet auch in der Parfümerie in Europa nur eine geringere Verwendung. Des Zibeths wegen hat dieses Tliier nach und nach eine sehr weite Verbreitung gewonnen, und wird in sehr vielen Gegenden des Orients häufig zahm gehalten. Auf Amboina kommt die echte Zibethkatze verwildert vor. In der Gefangenschaft füttert man sie in jenen Ländern, theils mit Geflügel, theils mit den stark riechenden Früchten des Durianbaumes, des Brodbaumes und des Pisangs. Auch in der Gefangenschaft zeigt sie in ihrer Lebens- weise Ähnlichkeit mit der der Katzen. Sie zischt wie eine Katze und 294 knurrt so wie ein Hund. Insbesondere geschieht diess, wenn sie gereizt wird, wobei sie die Rüekenhaare sträubt. Sonst verhält sie sieh still. In Ost-Indien wird sie in besonderen Ställen gehalten, die meist ver- bittert sind, da sie im Stande ist, ein Brett in einer Nacht durchzu- beissen. Um den Zibeth zu bekommen, bindet man ihr gewöhnlich einen Strick um den Leib, zieht denselben nach der einen, und den Schwanz nach der entgegengesetzten Seite durch den Käfig, stülpt mit dem Finger die Aftertasche um, und drückt den Zibeth aus den vielen Ausführungsgängen aus, die in jene Tasche münden. Den an den Fingern klebenden Zibeth streift man dann mittelst eines Löffels oder Bambus-Spanes von denselben ab, und bestreicht den Drüsensack mit Milch von Kokosnüssen, um dem Thiere den Schmerz zu stillen, den es bei dieser Operation erlitten. In manchen Gegenden wird diese wohlriechende Materie aber auch mittelst eines kleinen silbernen Löflels aus der Tasche weggenommen. In der Regel geschieht diess zweimal in der Woche, wobei jedesmal ungefähr ein Quentchen Zibeth gewonnen wird. Im frischen Zustande sieht der Zibeth fast wie Eiter aus, ist stets mit Haaren gemengt und riecht so heftig, dass man Üblichkeit von dem Gerüche bekömmt. Um ihn zu reinigen, streicht man ihn auf die Blätter des Betelpfeffers auf, zieht die feinen bei- gemengten Haare aus, spült ihn mit Seewasser ab, wäscht ihn noch- mals mit Citronensaft und lässt ihn dann an der Sonne trocknen, worauf er in Zinn- oder Blechbüchsen verwahrt, und in diesem Zustande auch versendet wird. Die Männchen liefern zwar weniger, aber besseren Zibeth als die Weibchen. Die beste Sorte kommt von Beno, einer der molukkischen Inseln; auch der javanische Zibeth ist besser als der bengalische, welcher meist mit Sand und Öl verunreiniget und ver- fälscht wird. Im freien Zustande, wo dem Thiere die Anhäufung des Zibeths in der Drüsentasche lästig wird, sucht es sich desselben dadurch zu entledigen, dass es den Inhalt durch Andrücken an die Bäume zu entleeren sucht und denselben an den Stämmen abstreift. Auf Sumatra, wo es von den Eingeborenen des Zibeths Mcgen, der dort Tibet oder Dades heisst, gleichfalls zahm gehalten wird, führt es den Namen Tangalum. Die Sage, dass die echte Zibethkatze an den Ufern der Flüsse oft den Schwanz in's Wasser hängen lasse und mit demselben die sich daran hängenden Garneelenkrebse her- ausschleudere und verzehre, scheint in den Bereich der Fabeln zu gehören. 29: 2. Gattung. Genette (Genetta). Der Leib ist gestreckt und schlank. In der Aftergegend befindet sich zwischen dem After und den Gescldechtstheilen eine seichte Drüsentasche, und zwei besondere Absonderungsdrüsen münden am Rande des Afters. Die Zehen siiul lang und frei, die Krallen voll- kommen zurückziehbar. Das Auftreten findet auf den Zehen Statt. Im Ober- und Unterkiefer befinden sich jederseits 6 Backenzähne. Die Vorderfüsse sowohl als die Hinterfüsse sind fünfzehig. Die Sohlen haben einen kahlen Längsstreifen. Die Ohren sind nicht sehr gross. Der Schwanz ist schlalF, lang, oder mittellang. Die Pupille ist länglich. Die gemeioc Genette (Genetta afraj. (Fig. 58.) Die gemeine Genette hat im Allgemeinen viele Ähnlichkeit mit den Zibethkatzen. Sie ist beinahe von der Grösse des Hausmarders, hat einen kleinen, hinten breiten Kopf, und eine ziemlich lange, spitze Schnauze. Die Ohren sind kurz, ziemlich breit und endigen in eine stumpfe Spitze. Die Augen haben eine längliche Pupille, welche bei Tage Avie eine Spalte erscheint. Der Leib ist gestreckt und schmächtig, der Schwanz fast so lang als der Körper. Die Beine sind kurz, die Zehen mit vollkommen zurückziehbaren Krallen bewaßiiet, und die Sohlen nur in der Mitte mit einem kahlen Längsstreifen versehen. Zwischen dem After und den Geschlechtstheilen befindet sich eine sehr seichte, taschenartige Vertiefimg, welche eine fette, schmierige, stark nach Moschus riechende Feuchtigkeit, jedoch nur in geringer Menge, absondert. Die Behaarung ist ziemlich kurz, dicht und glatt. Die Ohren sind innen nur an den Bändern etwas behaart. Die Grund- farbe des ganzen Oberleibes ist bellgrau, in's Gelbliche ziehend. Längs der Seilen des Leibes verlaufen jederseits 4 — 5 Längsreihen verschiedenartig geformter Flecken, bei denen jedoch die längliche Gestalt meist vorherrschend ist. Diese Flecken sind schwarz und nur selten in ihrer Mitte mit Röthlichgelb gemischt, indem daselbst die schwarzen Haare einen mehr oder minder röthlichgelben Ring vor ihrer Spitze haben. Meist sind es die zwei obersten Fleckenreihen, welche diese hellere Färbung in der Mitte haben. Über die Oberseite des Halses ziehen sich vier nicht unterbrochene Längsstreifen, welche in ihrem Verlaufe sehr veränderüch sind und von denen das äussere 296 Paar bald mehr gegen den Unterhals , bald mehr gegen den Oberarm sich hinzieht. Kehle und Unterhals sind lichtgrau , und der Unterleib ist noch heller gefärbt. Die Schnauze ist dunkelbraun, mit einem lich- teren Streifen über dem Nasenrücken. Ein Flecken unter den Augen nnd ein schmälerer, schärfer begrenzter über denselben, so wie die Spitze des Oberkiefers sind weiss. Der Rand der Unterlippe ist braun gesäumt, das Kinn weisslich. An der Aussenseitc der Ohren befindet sich an ihrem Grunde ein dunkelbrauner Flecken. Die Vorderseite der Vorderbeine und die Aussenseite der Hinterbeine sind von der Farbe des Rückens, nur etwas heller. Die Aussen- und Innenseite der Vorder- füsse ist dunkelbraun, und eben so gefärbt ist auch die Hinter- und Innenseite der Hinterbeine, welche nach oben schwarzbraun gefleckt sind und oberhalb des Fersengelenkes einen rings herumlaufenden dunkelbraunen Flecken haben. Der Schwanz ist von acht Paaren, abwechselnd schwarz und weisslich gefärbten Ringen umgeben, von denen die weisslichen auf der Oberseite in's Gelbliche ziehen, und endiget in eine schwarze Spitze. Der Körper erreicht eine Länge von IFuss 8 I/o Zoll, der Schwanz von 1 Fuss 4 Zoll; die Höhe am Widerrist beträgt 5 Zoll. Die Heimath der gemeinen Genette ist die Rerberei in Afrika, während sie in Europa nur in Spanien und zwar vorzugsweise in den Pyrenäen und eben so auch im südlichen Frankreich vorkommt, welches die nördlichste Grenze ihres Verbreitungsbezirkes bildet. Sie hält sich an feuchten Orten in der Nähe von Quellen und Rächen, in bergigen, buschigen Gegenden auf, und wohnt theils in Felsspalten und Klüften, theils in hohlen Räumen. Ihre Lebensweise ist eine vollkommen nächtliche, indem sie den Tag grösstentheils schlafend in ihren Ver- stecken zubringt und erst gegen Abend ibre Lebensthätigkeit beginnt. Ihre Nabrung besteht in kleinen Nagethieren, Vögeln und Eiern. Sie ist flink und behende in ihren Rewegungen, und kann sehr gut und schnell auch Räume erklettern. Den Winter bringt sie in den nörd- licheren Gegenden ihres Verbreitungsbezirkes in ihren Schlupf- winkeln zu, in die sie sich schon beim Eintritte desselben zurück- zieht. Die gemeine Genette ist gutmüthig und sanft, und lässt sich sehr leicht zähmen. In der Gefangenschaft ist sie traurig und träge, verträgt sich sehr gut mit ihres Gleichen, und schläft fast den ganzen Tag, wobei, wenn mehrere beisannnen sind, sie durch einander ver- schlungen liegen. Die Fortpflanzung erfolgt auch in der Gefangen- schaft, und nach den bisherigen Reobachtungen wirft das Weibchen 297 nur ein Junges, obgleich es wahrscheinlich ist, dass die Zahl der Jungen im freien Zustande weit grösser sei. In der Berberei, der Levante und selbst in der Türkei, wird die gemeine Genette nicht selten gleich einer Hauskatze in den Häusern gehalten, um Mäuse und Ratten zu fangen, wozu sie sich sehr gut versteht. Sie ist sehr rein- lich, verbreitet aber einen unangenehmen, ziemlich starken Moschus- geruch. Ihr Fell liefert ein gutes und gesuchtes Pelzwerk, und wird zu Muffen und Verbrämungen verwendet. 3. Gattung-. Manguste f Herpes f es). Der Leib ist gestreckt und schlank. In der Aftergegend befindet sich unmittelbar auf dem After eine Drüsentasche, durch welche sich derselbe öffnet, und zwei besondere Absonderungsdrüsen münden am Rande des Afters. Die Zehen sind lang und durch eine kurze Spann- haut mit einander verbunden, die Krallen nur halb zurückziehbar. Das Auftreten findet auf den Zehen Statt. Im Ober- und Unterkiefer befinden sich jederseits 6 Backenzähne. Die Vorderfüsse sowohl als die Hinterfüsse sind fünfzehig. Die Sohlen sind entweder nackt, oder theilweise behaart. Die Ohren sind klein. Der Schwanz ist schlaff, sehr lang, oder lang. Die Pupille ist länglich. Die Nase ragt nicht weit über die Unterlippe hervor. Der ägyptische Ichneamoa oder die Pharaonsratte (Herpestes Pharaouis) . (Fig. S9.) Dieses schon seit den ältesten Zeiten her berühmt gewordene Thier hat ungefähr die Grösse einer Hauskatze und die Gestalt des Marders. Der Kopf ist gestreckt und schmächtig, und endiget in eine zugespitzte Schnauze mit schwach gewölbtem Nasenrücken. Die Ohren sind kurz, weit und abgerundet, die Augen klein, feurig, mit länglicher Pupille. Die Zunge ist rauh. Der Leib ist langgestreckt, schmächtig und beinahe walzenförmig. Die Beine sind kurz, die Sohlen nackt, die Zehen fast bis zur Hälfte mit kurzen Spannhäuten verbunden, die Krallen halb zurückziehbar. Der Schwanz ist lang, durch die reichliche Behaarung an der Wurzel sehr dick, allmählich in den Körper über- gehend, und endiget in einen pinselartigen Haarbüschel oder eine Art von Quaste. Er Avird vom Thiere gerade ausgestreckt getragen. Die Behaarung ist sehr reichlich, lang, ziemlich rauh und trocken. Die 298 Augengegeiul ist nackt, und der After von einer flachen Tasche umgeben, in deren Mitte er sich öflnet. Die dichten VVollhaare sind rostgelblich, werden aber allenthalben von den bei 3 Zoll langen, rauhen Grannenhaaren überdeckt, die schwarz und gelblichweiss geringelt sind, und in eine fahle Spitze endigen, wodurch eine gelblich- graue mit Schwarz gemischte Färbung entsteht. Am Kopfe und am Rücken waltet mehr die schwarze, an den Seiten und am Bauche mehr die gelbliche Färbung vor. Die Beine und die Schwanzquaste sind dunkel schwarzbraun, bisweilen selbst fast ganz schwarz; doch gibt es auch Abänderungen, bei denen die Beine in's dunkel Rostbraune fallen und Kinn und Kehle mit einem bräunlichen Anfluge überzogen sind, und andere, bei denen die einzelnen Haare aus Schwarz und Weiss geringelt sind, wodurch die Färbung mehr in's Graue fällt. Die Länge des Körpers völlig erwachsener Thiere beträgt 1 Fuss 9 Zoll, die des Schwanzes 1 Fuss 6 Zoll, die Höhe am Widerrist S Zoll. Die Heimath des ägyptischen Ichneumons dehnt sich über das ganze nörd- liche Afrika aus, indem er sowohl in ganz Ägypten, wie auch allent- halben in der Berberei getroffen wird. Sein Aufenthalt ist aber blos auf feuchte Gegenden in der Nähe von Flüssen beschränkt, avo er an buschreichen Orten in Erdhöhlen wohnt, heut zu Tage aber, insbe- sondere in Ägypten, bei weitem nicht mehr so häufig ist als früher. Seine Lebensweise ist eine halbnächtliche, da er nicht immer blos zur Nachtzeit, sondern häufig auch Avährend des Tages seinem Raube nachschleicht. Amphibien, namentlich Frösche, kleinere Schlangen und Eidechsen, so wie deren Eier, insbesondere aber die Eier der Krokodile bilden seine Hauptnahrung, obgleich er auch kleinen Vögeln nachjagt, ihre Eier aus den Nestern raubt und Wieseln, Springmäusen und Mäusen, und im Nothfalle selbst Insecten nachstellt. Er ist äusserst scheu, furchtsam, vorsichtig und misstrauisch, und wagt sich nicht in's freie Feld, sondern schleicht mit grösster Vorsieht immer in Furchen und Vertiefungen, vorzüglich aber in den Wässerungsgräben umher, in welchen er sich leicht verbergen kann, um jeder Verfolgung zu entgehen. Nicht leicht geht er einen Weg, den er nicht schon einmal betreten, oder besucht einen ihm noch fremden Ort. Mit schwankendem, unsicherem Gange, der seine Besorgniss deutlich verräth, schleicht er niedergedrückt und langsam, und immer den Boden beriechend einher, wobei er gleichsam keuchend schnaubt, und fortwährend seine Nasenlöcher bewefft. Kommt er an einen Fluss zur 299 Tränke, so blickt er furchtsam aus einer Erdfurche hervor, kriecht auf dem Bauche weiter, und schreckt fast hei jedem Schritte wieder etwas zurück. Vorsichtig beschnuppert er alle Gegenstände, die er auf seinem Wege trifft, und macht dann plötzlicli einen Sprung in"s Wasser. In gleicher Weise stürzt er auch auf seinen Raub, an den er sich listig und geräuschlos heranschleicht, um ihn mit einem Sprunge zu erhaschen. Stundenlange lauert er oft zur Nachtzeit auf Beute, die er rasch und geschickt zu fangen weiss, wenn sie in seine Nähe kommt. So wenig scharf sein Gesicht ist, so trefflich ist sein Geruch und seine Spur. Trifft er auf Eier, so trinkt er sie alle aus; von Säugethieren und Vögeln saugt er in der Regel nur das Blut und frisst das Gehirn. Beim Gehen tritt er blos mit den Zehenspitzen auf und setzt die Ferse nur dann auf den Boden auf, Avenn er ruhen oder sich auf dem Hintertheile aufrichten will, um sich umherzusehen und zu beobachten, was vor ihm vorgeht, daher es auch schwer ist, ihm nahe zu kommen. Sehr gerne setzt er sich auf kältere Gegenstände und drückt den Hintertheil an dieselben an. Zur Zeit der Überschwem- mungen, Avo er sich in die Dörfer flüchtet, wird er aber auch dem Hausgeflügel höchst gefährlich, da er vorzüglich über Hühner und Tauben herfällt und sich dabei höchst räuberisch, kühn und blutdurstig zeigt. Er tödtet mehr als er verzehren kann und mordet daher auch ohne Noth. Der Nilfuchs und Schakal, welche zur selben Zeit in jene Orte flüchten, sind dann sein grösster Feind. Ausser ihnen hat er aber auch die Nil -Warn -Eidechse noch zum Feinde, die, so wie er selbst, in den Furchen längs der Flüsse umherschnuppert und ihn, bei grösserer Stärke und Behendigkeit, leicht überwältiget. Bisweilen lässt er auch seine Stimme ertönen, die in einem ziemlich scharfen, eintönigen Pfeifen besteht. Seine Bewegungen sind lebhaft und behende, ähnlich denen des Fretts, mit dem er überhaupt in seinen Sitten manche Ähnlichkeit hat. Im Schlafe liegt er stets zusammengerollt auf seinem Lager. Die Zeit der Paarung fällt in den Januar, und die Jungen brauchen zwei Jahre zur Erlangung ihres völligen Wachs- thums. Der ägyptische Ichneumon lässt sich sehr leicht zähmen, und zeigt sich nicht blos sanft, sondern wird auch bald sehr zutraulich gegen seine Umgebung. Er empfängt gerne und erwiedert Schmei- cheleien, lässt mit sich spielen, kennt die Stimme seines Herrn, folgt ihm wie ein Hund, gestattet aber nicht die Beute ihm zu nehmen. Überhaupt wird er bald so zahm, dass man ihn frei im Zimmer halten 300 kann; doch zerbeisst er Alles, was er findet, selbst auch Bücher. Er ist überaus reinlich, hebt beim Harnen ein Hinterbein, so wie der Hund, trinkt das Wasser schlappend und stürzt häufig das Gefäss desselben um, um sich zu l)espritzen. In der Gefangenschaft ist er fast nie in Ruhe, schnuppert allenthalben herum, durchsucht jeden Winkel, jede Kiste, jedes verschlossene Gefäss, und beobachtet mit grosser Auf- merksamkeit auch die Handlungen der Menschen. Wittert er in einem Loche eine Beute, so wendet er Alles an, ihrer habhaft zu werden. Vorzüglich stellt er Mäusen und Ratten nach, und säubert in kurzer Zeit ein ganzes Haus von diesen Thieren. Mit Allem was er bekommt, flüchtet er in einen dunklen Winkel, und vertheidiget seine Beute mit Grunzen und Beissen, selbst wenn er sie nicht fressen kann. Doch verlässt er das Zimmer nur, um Nahrung aufzusuchen und kehrt, wenn er gesättiget, stets wieder zurück. Dabei ist er auch schlau und muthig, geht den Hühnern nach, die er lieber als andere Vögel frisst, tödtet Katzen und Wiesel, und wagt sich selbst an grössere Hunde. Sperrt man mehrere zusammen in einen Käfig, so sträuben sich Anfangs sogar IMännchen und Weibchen, und streiten unter sich. Bei der geringsten Drohung flüchtet das Männchen in einen Winkel, und frisst auch nur, was das Weibchen übrig lässt; doch zur Zeit der Paarung gewinnt das Männchen die Oberherrschaft über seine frühere Herrinn. Dem- ungeachtet bleibt es aber sanft gegen Mensclien, insbesondere die es kennt, und lässt sich sogar willig von seinem Weibchen trennen. Obgleich der ägyptische Ichneumon auch im Zustande der Gefangen- schaft sehr den Hühnern nachstellt, so wird er doch an vielen Orten in Nord-Afrika und insbesondere in Ägypten, als Hausthier gehalten und statt der Hauskatze zur Vertilgung von Ratten und Mäusen benützt, so wie auch von Schlangen und Eidechsen, die sich häufig in die Häuser schleichen und oft in grosser Menge daselbst getroffen werden. In früheren Zeiten war er in Alexandria fast in jedem Hause anzutreffen, wo er, wie ein Hund oder eine Katze, frei gehalten wurde; und die Jungen, welche von den Bauern zu Markte gebracht wurden, fanden überall reichlichen Absatz, und wurden allenthalben gerne gekauft. Bei den alten Ägyptiern war er geheiliget und wurde nicht blos in Tempeln verehrt, sondern auch in jeder Stadt an heiligen Orten einhalsamirt und als Miunie begraben. Nicht selten findet man ihn jetzt noch auf den alten Denkmälern abgebildet. Der Umstand, dass der ägyptische Ichneumon allerdings eine grosse Menge von 301 Krokodil-Eiern verzehrt, und dadurcli der allzugrossen Vermehrung dieses schädlichen, und mit Recht gefürchteten Thieres wesentlich hinderlich wird, mag wohl die Hauptursache sein, welche zu seiner Verehrung bei jenem Volke des grauen Alterthums Veranlassung geboten hat; denn der Nutzen, welchen er dadurch, insbesondere in jener Zeit, wo Ägypten noch von Krokodilen übervölkert war, gestiftet, liegt klar am Tage. Heut zu Tage, wo die Krokodile in Ägypten bei- nahe ihrer Ausrottung entgegen gehen, muss ihn) andere Nahrung seine Lieblingskost ersetzen , und da auch er gegenwärtig in Ägypten bei Weitem seltener geworden ist, als diess in früherer Zeit der Fall war, so scheint es fast, als ob er den Krokodilen in die minder bewohnten Gegenden des oberen Nils nachgezogen wäre. Die grosse Vorliebe, welche die alten Bewohner Ägyptens für dieses Thier gehegt, erklären auch die vielen Fabeln, welche man von ihm erzählte. So behauptete man, dass es einen tödtlichen Hass gegen das Krokodil und seine Eier habe, dass es sich, Avährend das Krokodil mit aufgesperrtem Rachen schläft, mit einem Sprunge in seinen offenen Schlund stürze, und durch den Leih und die Gedärme durchfresse; während es doch gewiss ist, dass es nie wagt, das Krokodil selbst anzufallen, und die Eier des- selben nicht aus Abscheu, sondern aus Lust frisst, die es überhaupt zu Eiern hat. Ehen so wurde auch behauptet, dass es mit aller List und Vorsicht den Schlangen nachjage, sich vorher im Schlamme Avälze, und denselben an der Sonne vorerst trocknen lasse, um gehörig gepanzert und vor Bissen gesichert zu sein, wobei es zugleich seinen über die Schnauze geschlagenen Schwanz als Schild gebrauche. Auch die Sage, dass es ein Zwitter sei, zu welcher die Drüsentasche Veranlassung gegeben, sowie die Behauptung, dass es nicht über sechs Jahre lebe, gehören in den Bereich der Fabeln; denn man kennt Beispiele, dass dieses Thier selbst in der Gefangenschaft, zehn Jahre und darüber ausgehalten habe. Der Name, welchen es bei den Eingeborenen in Ägypten führt, ist Nims. Bei den Europäern in Kairo ist es unter dem Namen Pharaonsratte bekannt. 4. Gattung-. Rollmarder (Paradoxurus), Der Leib ist gestreckt und nicht sehr schlank. In der Aftergegend befindet sich keine Drüsentasche, dagegen aber zwischen dem After und den Geschlechtsthcilen eine kahle Längsfalte, und zwei besondere Absonderungsdrüsen münden am Rande des Afters. Die Zehen sind 302 kurz iiiitl ilurch eine Spaiiiihaut mit einander verbunden, die Krallen nur halb zurückziebbar. Das Auftreten findet auf der ganzen Sohle Statt. Im Ober- und Unterkiefer befinden sich jederseits 6 Backen- zähne. DieVorderfüsse sowohl als die Hinterfüsse sind fünfzehig. Die Sohlen sind theilweise behaart. Der Schwanz ist ein Rollschwanz, lang, oder mittellang. Die Pupille ist länglich. Der gemeine Roll oder Paliiienmardcr (Paradoccurus Typus). (Fig. ÜO.) Der gemeine Roll- oder Palmenmarder kommt in seiner Gestalt zunächst mit den Zibethkatzen überein, und hat auch in Bezug auf die Farbenvertheilung manche Ähnlichkeit mit diesen und den Genetten. Seine Grösse beträgt etwas mehr als jene einer Haus- katze. Die Schnauze ist sehr gestreckt und zugespitzt. Die Ohren sind rundlich, am hinteren Rande eingeschnitten, innen mit kleinen Höckern besetzt und aussen fast ganz nackt. Der Leib ist gestreckt, doch etwas untersetzt, die Füsse sind kurz und kräftig, die Krallen nur halb zurückziebar. Der Schwanz ist lang, ein Rollschwanz und nach unten spiralförmig einrollbar. Die Pupille ist länglich. Die Behaarung besteht aus einem sehr reichlichen, kürzeren Woll- und längeren Grannenhaare. Die Grundfarbe ist im Allgemeinen gelblichschwarz, erscheint aber je nach dem Einfallen des Lichtes verschieden; so zeigt sie sich von der Seite betrachtet, wo man nur die schwarzen Haarspitzen wahrnimmt, mehr schwärzlich, nach der Länge gesehen, mehr gelblich. Drei Längsreihen schwarzer Flecken, welche unterbrochene Längsbinden darstellen, verlaufen zu beiden Seiten des Rückgrats, und ausserdem befinden sich noch einige zer- streut stehende, undeutliche Flecken auf den Schenkeln und den Schultern. Der Kopf ist schwarz, gegen die Schnauze zu aber heller; ein weisser Flecken befindet sich unter dem Auge, und ein anderer über demselben. Vom Augenwinkel zieht sich ein schwarzer Streifen gegen das Ohr. Die Ohren sind aussen schwarz mit weissem Rande, innen fleischfarben mit schwarzem Rande. Die Gliedmassen und die hintere Hälfte des Schwanzes sind schwarz. Der Körper misst IFuss 6 Zoll, und eben so viel auch der Schwanz: die Höhe am Widerrist l)eträgt 7 Zoll. Die Heimath des gemeinen Rollmarders ist die indische Halbinsel, wo er sowohl in Pondichery als Bengalen zu Hause ist. Sein Aufenthalt sind die Wälder, wo er insbesondere in der Nähe von Dörfern ziemlich häufig zu 303 treffen ist. Er nistet in hohlen Stämmen und füttert sein Lager mit Heu aus. Im Klettern zeigt er grosse Fertigkeit, und ist im Stande mit Leich- tigkeit seihst die höchsten Bäume zu hesteigen. Sein Gang hingegen ist langsam, schwerfällig und träge. Seine Lebensweise ist mehr eine nächtliche, da er den Tag über meist verborgen bleibt, und erst zur Nachtzeit seine Thätigkeit beginnt. Er nährt sich vorzugsweise von Früchten, insbesondere von Palmenfrüchten, doch sucht er auch die Vogelnester auf und verzehrt sowohl die Eier als die jungen Vögel. Zuweilen besucht er auch bei seinen nächtlichen Streifereien nahe gelegene Gärten und Pflanzungen, und richtet insbesondere in den Ananas-Pflanzungen grossen Schaden an. Überhaupt ist sein Gelüste nach Früchten aller Art sehr gross, obgleich er reifen, süssen und breiigen Früchten, vor anderen den Vorzug gibt. Hühner greift er nur aus Hunger an, daher ereignet sich, jedoch nur selten, dass er des Nachts in den Gehöften das Geflügel würgt. Jung eingefangen lässt er sich bald zähmen, zeigt aber durchaus keine Erkenntlichkeit gegen seinen Pfleger. Er ist gutmüthig, sanft und reinlich. Gereizt lässt er ein dumpfes Knurren ertönen. In der Gefangenschaft geniesst er Alles, was man ihm reicht. Reis, Bataten, Eier und Fleisch. Auch hier ver- schläft er fast den ganzen Tag, indem er sich zu einer Kugel zusammen- rollt. Erst gegen Abend wird er wach, um zu fressen und zu trinken, worauf er sich wieder niederlegt, um abermals zu schlafen. Seine Bewegungen sind im Zustande der Gefangenschaft eben so langsam und träge, wie im freien Zustande. 4. Familie. Wiesel (Mustelae). Die vorderen Backenzähne sind schneidig, die hintersten höckerig. Der Reisszahn ist schneidig. Die Krallen sind nicht zurückziehbar. Der Aufenthalt der Wiesel erstreckt sich über alle Theile von Europa, Asien, Afrika und Amerika. Sie bewohnen theils Ebenen, theils Gebirge, oder beide zugleich, und einige sehr wenige Arten finden sich nur in beträchtlichen Höhen. Bald sind es Wälder oder felsige Gegenden, die ihnen zum Aufent- halte dienen, bald freie, offene Gegenden, Felder und selbst Gärten. Die meisten halten sich nur auf trockenem Boden auf, während manche die Ufer der Flüsse, Bäche, Teiche und Seen, ja selbst des Meeres bewohnen, und häufig auch in*s Wasser gehen. Während die bei 304 Weitem grössere Zahl nur stille, einsame Orte und Wildnisse zu ihrem Aufenthalte wählt, lieben, viele auch wieder die Nähe menschlicher Wohnungen und schlagen ihren Wohnsitz nicht nur in einzelnen Hütten, sondern auch in Dörfern und selbst Städten auf, wo sie sich theils unter Dächern, theils in Scheunen, Ställen und Kellern, ins- besondere aber in der Nähe von Hühnerställen und Taubenschlägen ihr Lager bereiten. Viele graben sich Löcher und Höhlen in die Erde oder errichten sich grössere unterirdische Baue, die sie bisweilen selbst mitten zwischen Felsen anlegen, oder schlagen auch ihre Woh- nung in den verlassenen Höhlen und Gängen anderer Thiere auf. Viele andere wählen die Spalten und Klüfte der Felsen, altes Gemäuer und hohle Bäume zu ihrem Obdache, oder suchen unter Wurzeln, z^vischen Bäumen, Gebüschen und dichten Hecken, unter aufgehäuftem Reisige, ja selbst in Holz- und Steinhaufen einen Schutz, während manche sogar die verlassenen Nester von Eichhörnchen und Vögeln zu ihrer Lagerstätte wählen. Einige haben einen beständigen Wohnsitz, andere führen ein herumschweifendes Leben oder wechseln ihre Wohnung je nach dem Bedürfnisse. Sehr wenige von denen, welche in nörd- licheren Klimaten leben, bringen den Winter in einem unterbrochenen Winterschlafe zu. Die meisten sind ungesellig und leben einzeln, und nur zur Zeit der Paarung mit ihrem Weibchen zusammen, andere dagegen paarweise oder auch mit mehreren Weibchen, und nur sehr wenige wohnen auch zu kleinen Gesellschaften vereint. Alle führen eine mehr oder minder nächtliche Lebensweise, schlafen den ganzen oder grössten Theil des Tages, und ziehen gewöhnlich erst mit Eintritt der Dämmerung oder zur Zeit der Nacht, und nur sehr selten auch bei Tage auf Raub aus. Die Bewegungen der allermeisten sind ausserordentlich rasch und behende, bei anderen dagegen min- der schnell, und bei einigen sogar langsam, träge, schleppend und schleichend. Manche können nur gehen oder hüpfen, andere aber auch mit grösserer oder geringerer Schnelligkeit klettern, und viele von ihnen selbst die höchsten Bäume ersteigen, und von einem Aste zum anderen springen. Jene, welche ausschliesslich an den Ufern der Gewässer wohnen, sind auch vortreiTliche Schwimmer und können lange Zeit im Wasser aushalten , und sich oft auf sehr beträchtliche Strecken vom festen Lande entfernen. Fast alle treten beim Gehen mit ganzer oder fast mit ganzer Sohle auf, und nur sehr wenige schreiten auf der halben Sohle einher. Ihre Nahrung besteht theils in 305 Tliieren, tlieils in Pflanzen, obgleich die Mehrzahl bh)s thierisehe Nahrung zu sich nimmt. Von Thieren sind es gewöhnlich nur kleinere Säugethiere, Vögel und deren Eier, Amphibien und Insecten, welche den meisten zur Nahrung dienen. Doch gibt es auch einige wenige, welche selbst grössere Säugethiere anfallen, und manche, die auch Schnecken und Würmer, ja selbst Fische, Krebse und Musclieln ver- zehren. Eine sehr geringe Zahl verschmäht selbst nicht das Aas, doch meist nur im äussersten Nothfalle. Alle ziehen aber Blut dem Fleische vor, so wie die allermeisten höchst lüstern nach dem Honig sind. Von Pflanzen sind es Wurzeln, Früchte und Samen, welche vielen von ihnen hauptsächlich zur Nahrung dienen, und nur sehr wenige gemessen nebstbei auch Pilze. Bios die an süssen Gewässern woh- nenden fressen auch Gras und Rinde, und jene, welche den Gestaden des Meeres angehören, Seetange und ähnliche Meerespflanzen. Eine höchst geringe Zahl stellt aber auch der Butter und dem Käse nach. Durch ihre Raubgier richten fast alle dieser Familie angehörigen Thiere, unter dem wilden und zahmen Geflügel grosse Verwüstungen an, und manche auch unter den Fischen. Alle sind furchtsam, miss- trauisch und behutsam, einige dabei aber auch listig. Werden sie verfolgt, so ergreifen sie die Flucht, setzen sich aber angegrifl'en, heftig mit ihrem Gebisse oder auch mit ihren Krallen zur Wehre. Viele haben die Eigenthümlichkeit, eine heftig stinkende Flüssigkeit aus ihren Afterdrüsen ihren Feinden entgegenzuspritzen, und fast alle verbreiten einen widrigen Geruch. Unter ihren Sinnen sind das Gehör und das Gesicht und bei einigen auch der Geruch am schärf- sten ausgebildet. Die Zahl ihrer Jungen beträgt zwischen 2 — 10, die blind zur Welt kommen und gewöhnlich von den Müttern sorgfältig gepflegt, bewacht und vertheidiget werden. Jung eingefangen lassen sich alle Arten zähmen , und viele von ihnen erreichen sogar einen ziemlich hohen Grad von Zahmheit. Sie zeigen sich dann gutmüthig und sanft, lernen ihren Pfleger kennen, und folgen ihm wie eine Katze oder selbst so wie ein Hund. Manche sind sogar gelehrig, abrichtungs- fähig, und werden zur Kaninchenjagd oder auch zum Fischfange ver- wendet. Nur bei zunehmendem Alter werden sie in der Regel wild' und böse. In der Gefangenschaft gewohnen sich die meisten nicht nur an Milch und Brod, sondern selbst auch an gekochte Speisen. Von einigen wird das Fleisch gegessen und das Haar verwendet, und von den allermeisten das Fell als Pelzwerk benützt. Allen aber wird theils (Naturgeschichte.) 30 306 ihres Felles, theils ihrer Räuhereien wegen heftig nachgestellt, um sie zu vertilgen. Nur wenige Arten werden hie und da in manchen Ländern, gleichsam als Hausthiere, zur Vertilgung von Ratten und Mäusen gehalten. 1. Gattung. Dachs (Melen). Der innere Höckeransatz des oheren Reisszahnes steht in der Mitte des Zahnes, In der Aftergegend hefindet sich zwischen dem After und dem Schwänze eine Drüsentasche. Die Krallen der Vorder- füsse sind Scharrkrallen. Das Auftreten findet auf der ganzen Sohle Statt. Die Sohlen sind nackt, die Zehen frei. Der Leib ist ziemlich gestreckt und untersetzt, der Schwanz sehr kurz. Die Schnauze ist ziemlich stark gestreckt und rüsselartig zugespitzt. Vorder- und Hinterfüsse sind fünfzehig. Der gemeine Dachs (Meles Taxus). (Fig. 61.) Der gemeine Dachs ist das unschädlichste unter allen grösseren europäischen Raubthieren. Sein Kopf ist klein, hinten breit, und endiget in eine rüsselförmig zugespitzte, hinter der Nase etwas ein- gebuchtete Schnauze. Die Ohren sind kurz und länglichrund, die Augen klein und tiefliegend, und seine Zunge ist glatt. Der Hals ist kurz und dick und mit dem Hinterhaupte von gleicher Breite. Der Leib ist gedrungen, nach rückwärts an Dicke zunehmend, und der Rücken etwas erhaben. Der Schwanz ist sehr kurz, dick, stumpf, unten platt, und mit ziemlich langen struppigen Haaren besetzt. Die Beine sind gleichfalls sehr kurz und dadurch das Thier ganz nieder gestellt. Sie sind stark und kräftig, insbesondere die Vorderfüsse, deren breite Pfoten mit starken und ziemlicli langen Scbarrkrallen bewaffnet sind. Die Sohlen sind nackt. Die Behaarung ist lang, und deckt sowohl fast gänzlich die Ohren als auch die Beine, so dass der Bauch den Boden zu berühren scheint. Das Haar ist straff, fast borstenartig und glänzend. Zwischen dem Schwänze und dem After befindet sich eine Drüsentasche, welche eine Meissliche, fette, schmie- rige und stinkende Substanz absondert. Der Kopf ist weiss und von der Nase zieht sich jederseits ein schwarzer Streifen, der bald nach seinem Beginne gegen die Lippen zu einen kleinen Hakenstreifen abgibt, durch das Auge, und immer breiler \\ erdend durch das Ohr, 307 um sich im Genicke zu verlieren. Die Lippen, die Nasengegend, die Spitzen der Ohren und der Hals sind gelhlichweiss. Der Rücken ist gelblich- oder weisslichgrau mit Schwarz gemengt, indem jedes einzelne Haar am Grunde gelblich, in der Mitte schwarz und an der Spitze weissgrau ist. Doch waltet die schwarze Farbe im Allgemeinen bei diesem Gemische vor, so dass gleichsam drei schwach und undeut- lich abgegrenzte Längsstreifen über den Rücken zu verlaufen scheinen. Der Schwanz ist von der Farbe des Rückens. Kinn, Kehle, Rrust und Bauch, so wie auch die Füsse sind schM^arzbraun , und nur an den Seiten des Leibes verliert sich diese Farbe allmählich in's Bräunliche, so dass dieselben bei ihrem Übergänge zur Rückenfarbe, eben so wie auch die Seiten des Schwanzes, gleichsam mit einem röthlichen Anfluge überzogen sind. Die Körperlänge beträgt 2 Fuss 81/2 Zoll, die Länge des Schwanzes T'/aZoll, die Höhe am Widerrist 11 Zoll. Das Weibchen unterscheidet sich vom Männchen durch geringere Grösse und Breite, und hellere Färbung, indem das Wollhaar weisslich, und nicht so Avie beim Männchen röthlich ist, und durch das Durchschimmern dieser Farbe die hellere Färbung bewirkt. Zu den selteneren Abarten gehören ganz weisse Dachse, und am seltensten sind jene, welche auf weissem Grunde mit röthlichen und dunkel kastanienbraunen Flecken besetzt sind. Andere minder erhebliche Farbenunterschiede sind auf klimatische Verschiedenheiten begründet. Die Heimath des gemeinen Dachses ist auf Europa, und das nördliche und mittlere Asien beschränkt. In Europa kommt er in allen Ländern, mit Ausnahme der Insel Sardinien vor, und reicht daselbst bis in den mittleren Theil von Schweden. Dagegen zieht er sich in Asien, von Syrien und Natolien durch den Kaukasus, Georgien und Persien, bis nach Japan, und in Sibirien bis zur Lena. Er hält sich unter der Erde, meist in Wäldern, vorzüglich gerne aber in Yorhölzern auf, die nicht ferne von Feldfluren gelegen sind, wird aber auch nicht selten in offenen, trockenen Gegen- den gefunden. Immer sind es aber stille, einsame Orte, die er sich zu seinem Aufenthalte wählt. Hier gräbt er sich mit seinen starken Vorderfüssen mit grosser Leichtigkeit und Schnelligkeit die unter- irdischen Höhlen, die er bewohnt, indem er durch eine rasch auf einander folgende kreuzweise Bewegung derselben, den Boden auf- scharrt und die ausgegrabene Erde hinter sich wirft. Meist legt er seine Baue gegen die Mittagsseite, besonders gerne an Anhöhen an, damit die Eingänge zu denselben lange dem Sonnenscheine ausgesetzt 20* 308 bleiben. Sein Bau hat grosse Ähnlichkeit mit einem Fuchsbaue, nur ist er nicht so weitläufig und mit so vielen Abtheilungen versehen. Er bestellt aus einer geräumigen Höhle oder dem sogenannten Kessel, der 4 bis li Fuss tief unter der Erde liegt und wenigstens mit zwei Ausgängen versehen ist, die aus schräge hinauflaufenden, 20 — 30 Fuss langen Gängen oder Röhren gebildet werden, deren Mündungen oft 30 Schritte weit von einander entfernt liegen. Eine, und zwar die weitere dieser Röhren, dient ihm zum Ein- und Ausgange in seine Höhle, während er die andere, minder geräumige, benützt, wenn er sich vor einem Feinde flüchtet. Bisweilen ist ein solcher Dachsbau aber auch noch mit mehreren Röhren versehen, und in grossen Bauen findet man sogar eigene Röhren, die gerade aufwärts gehen und zur Lüftung dienen. Der gemeine Dachs ist ungesellig und lebt einsam, und nur zur Zeit der Paarung mit seinem Weibchen zusammen. Er ist ein fast vollkommen nächtliches Tliier, das einen grossen Theil seines Lebens in seinem unterirdischen Baue zubringt. Den ganzen Tag über und selbst einen Theil der Nacht, schläft er in seiner Höhle. Erst spät des Abends, wenn es vollkommen dunkel geworden ist, verlässt er seinen Bau, um seiner Nahrung nachzugehen, entfernt sich aber nie weiter, als höchstens auf die kurze Strecke einer halben Stunde Weges, von seiner Wohnung. Er ist höchst misstrauisch und furcht- sam, und wagt sich daher nur selten ins Freie wenn es hell ist. Nur zur Zeit des Sommers, wo er sich im hohen Getreide verbergen kann, versucht er es zuweilen auch vor dem Eintritte des Abends noch am hellen Tage auszugehen. Seine Bewegungen sind langsam und träge, und sein Gang ist schleppend und schleichend. Selbst sein Lauf ist von so geringer Schnelligkeit, dass er nicht nur allein sehr leicht von iiiinden. sondern selbst auch von einem starken Fussgänger eingeholt werden kann. Seine Nahrung besteht im Frühjahre und Sommer vor- züglich aus Wurzeln, insbesondere aus Kümmel-, Tormentili- und IJirkenwurzeln, aus TrüfTeln, Bucbeicheln und Eicheln, die er aus dem alten dürren Laube hervorsucht, aus Hummelhonig, nach dem er in die Erde gräbt, allerlei Insecten, wie Boss- und Maikäfern, Heu- schrecken und dergleichen, ja selbst aus Schnecken und Regen- würmern; im Herbste aus abgefallenem Holz-, Feld- und Gartenobst, wie Äpfeln, Birnen, Pflaiunen u. s.w., aus Trauben, mit denen er sich mästet, wie auch aus Möhren und Rüben. Honig und Trauben sind aber seine Lieblingsnahrung. Ausserdem frisst er aber auch Vogeleier 309 und junge Vögol, die auf der Erde liegen, kleinere Säugethiere, wie Feldmäuse, Mäuse, Maulwürfe, junge Hasen und Kaninchen, ja selbst Eidechsen, Frösche. Nattern, und sogar die giftige Kreuzotter, deren Biss ihm keinen Schaden bringt. Nur äusserst selten stiehlt er auch junge Gänse und Enten, von den Bauernhöfen, die nahe am Walde liegen. Im höchsten Nothfalle. zur Zeit des Winters, geht er auch auf Aas. Wasser ist ihm unentbehrlich, und er trinkt es mit Begierde, indem er die Schnauze in dasselbe taucht und die Kiefer dabei bewegt, als ob er kauen würde. Er frisst nur wenig und trägt auch nur wenig zur Zeit des Herbstes in seinen Bau. Nur wenn Möhrenäcker in der Nähe seines Baues liegen, die er fleissig zu umkreisen pflegt, trägt er in kurzer Zeit die ganze Ernte ein in seine Hohle. Im Spätherbste ist er bereits vollgemästet, wozu die Ruhe, die er den grössten Tlieii seines Lebens hindurch pflegt, wesentlich beiträgt. Zu dieser Zeit hat er ein Gewicht von 30 — 40 Pfund erreicht. Er trägt nun Laub in seine Höhle und bereitet sich ein Lager für den Winter, auf dem er ruht und seinen Winterschlaf hält, der mit dem Eintritte der Kälte/ beginnt. Hier liegt er zusammengerollt auf dem Bauche und steckt den Kopf zwischen die Hinterbeine, wobei er nicht besonders fest und keinesweges auch ununterbrochen schläft. Denn bei nicht anhal- tender Kälte und dem Eintritte gelinder Witterung, Avird er bald aus seinem Schlafe, der nie zu einer völligen Erstarrung wird, geweckt, und geht sogar zuweilen des Nachts, besonders bei Thauwetter und minder kalten Nächten, aus seinem Baue heraus um zu trinken, so wie er denselben auch oft schon im Januar und Februar bei anhaltend warmer Witterung verlässt, um Wurzeln auszugraben, und Buch- eicheln und Eicheln aus dem abgefallenen Laube hervorzusuchen. Beim Eintritte des Frühjahres, wo er wieder seine Lebensthätigkeit beginnt, erscheint er ganz abgemagert. Diess und die Lage, in der er seinen Winterschlaf vollbringt, hat zu der Sage Veranlassung gegeben, dass er während jener Zeit die Schnauze bis an die Augen in seine Drüsentasche stecke, und wenn er nicht völlig schläft, das Fett, welches sich in derselben absondert, allmählich aufsauge. Zu den besonderen Eigenthümlichkeiten des gemeinen Dachses gehört seine Reinlichkeit, und selbst für seine Excremente hat er seitwärts von seinem Kessel, in seinem Baue eine besondere Höhle, in der er dieselben verscharrt. Nicht selten geschieht es, dass er vom Fuchse aus seinem Baue vertrieben und genöthiget wird, sich eine neue 310 Wohnung auszugraben, indem ihm dieser den Eingang mit seinem stinkenden Harne besudelt, und während der Abwesenheit des Dachses seine Behausung in Unordnung bringt. Doch ereignet es sich aber auch zuweilen, dass Fuchs und Dachs nicht nur ganz nalie neben einander ihre Baue angelegt haben, sondern sogar, wie diess insbe- sondere in steinigen Gegenden der Fall ist, dass beide zusammen im Dachsbaue wohnen, wobei der Fuchs jedoch einen besonderen Kessel inne hat, obgleich er durch eine und dieselbe Röhre mit dem Dachse aus- und eingeht. Die Zeit der Paarung findet in der Regel zwischen dem Ende des November und dem Anfange des December Statt, aus- nahmsweise aber auch, insbesondere bei jüngeren Thieren, erst im Februar und März. Zu dieser Zeit trägt das Weibchen Moos, Blätter, Farrenkräuter und langes Gras zwischen den Hinterbeinen an den Ein- gang seines Baues, und schiebt dieselben, wenn es einen genügenden Vorrath zusammengebracht hat, mit angestemmtem Kopfe und den Vorderfüssen durch die Röhre in den Kessel, um für seine Jungen ein weiches Lager zu bereiten. Die Tragzeit währt 10 — 12 Wochen, und im Februar oder zu Anfang März und ausnahmsweise auch im April und Mai, wirft es 3 — 5 blinde Junge. Die Mutter säugt sie und trägt ihnen später so lange Regenwürmer, Insecten, Vogeleier und Wurzeln in den Bau, bis sie sich selbst zu ernähren im Stande sind. Schon nach drei Wochen wagen sie sich in Gesellschaft ihrer Mutter an den Eingang ihrer Wohnung, insbesondere wenn dieselbe an einem sicheren Orte gelegen ist, legen sich mit ihr vor die Röhre, um sich zu sonnen, und spielen mit einander. So bleiben sie bis zum Herbste bei derselben, wo sie sich dann trennen und entweder für sich eigene Baue graben, oder alte verlassene Baue beziehen. Bisweilen geschieht es aber auch, insbesondere wenn der Bau, in dem sie geboren, eine grössere Ausdehnung hat, dass sie denselben auch für sich benützen, und sich darin nur einen besonderen Kessel graben. Daher findet man auch, vorzüglich in beschränkteren Bezirken, mehrere Baue oft dicht neben einander. Im zweiten Jahre sind die Jungen völlig ausgewachsen und zur ferneren Fortpflanzung geeignet. Werden die Dachse jung ein- gefangen, so lassen sie sich sehr leicht aufziehen, da sie sieh mit allem, was die Küche bietet, begnügen. Sie werden auch wirklich ziemlich zahm und jedenfalls weit mehr als die Füchse. Ihren Pfleger lernen sie erkennen und folgen ihm nach so wie der Hund. Auch spielen sie mit kleinen Hunden und mit Katzen, und zeigen sich gegen dieselben 311 sehr verträglich. Mau füttert den Dachs während der Gefangenschaft mit rohem Fleische, Fischen, Eiern, Butter, Käse, Brod, Wurzehi, Möhren, Ruhen, Nüssen, und seihst mit geivochtem Gemüse. Er ver- schafft aher üherhaupt, und insbesondere wenn er älter wird, nur wenig Vergnügen, denn er schläft fast den ganzen Tag, wird schüch- tern, lässt sich nur ungerne anfassen, und droht sogar nicht selten mit seinem starken Gehisse, das jedenfalls zu fürchten ist. Die Wärme liebt er sehr und legt sich, wenn er frei gehalten wird, sogar an's Feuer auf den Herd. Bietet die Örtlichkeit, wo er gehalten wird, ihm die Gelegenheit, so gräbt er sich selbst in der Gefangenschaft eine Höhle. Bei unzureichender Nahrung stellt er den Mäusen nach und soll sogar, wie man behauptet, auf Federvieh und junge Ferkel gehen. Wasser ist ihm auch in der Gefangenschaft das höchste Bedürfniss, und hat er dasselbe durch einige Tage entbehren müssen, so trinkt er dann so viel, dass er sich bisweilen dadurch den Tod zuzieht. Obgleich sich sein Lebensalter auf \2 Jahre erstreckt, so hält er doch die Gefangenschaft nur wenige Jahre aus. In der Regel wird er auch im Alter blind und boshaft. Seine Stimme hat Ähnlichkeit mit dem Grun- zen des Schweines, und nur zur Zeit der Paarung lässt er auch ein heiseres Gebell ertönen. So scharf auch sein Gehör und sein Geruch sind, eben so schwach ist sein Gesicht. Nur in seinem Baue versteckt, ist er im Stande der ihm drohenden Gefahr sich zu widersetzen; denn weder durch die Flucht noch durch Muth ist es ihm möglich sich zu schützen. Es ist daher nicht schwer ihn zu fangen und zu jagen. Man fängt ihn entweder in Falleisen und Schlagfallen, oder in Netzen und Schlingen, indem man ihn durch einen Dachshund aus seinem Baue verjagt. Häufig wird er aber auch, eben so wie der Fuchs, ausge- graben und mit einer Zange erfasst und erschlagen. Hierbei sucht er sich dadurch zu retten, dass er sich eben so schnell als still weiter unter der Erde verscharrt, so dass es oft schwer wird, ihn selbst mit Hülfe der Hunde wieder zu finden. Nur sehr frühzeitig des Morgens kann man ihm auch, wenn er von seinem nächtlichen Streifzuge nach seinem Baue zurückkehrt, auflauern und erschiessen, oder ihn zur Zeit der Nacht auf seinem Ausfluge überraschen, mit Hunden hetzen und erschlagen. Wird er von den Hunden angefallen, so legt er sich auf den Rücken, und vertheidiget sich eben so heftig als muthig mit seinem Gebisse und seinen Krallen so lange, bis er ihrer Übermacht erliegt. Hunde, die ihn angreifen, insbesondere aber Dachshunde, die 312 ihn in seinem Baue in die Enge treiben, verwundet er oft heftig an der Nitse, und hat er sich einmal verbissen, so lässt er auch so leicht nicht los. Der verwundbarste Theil seines Körpers ist die Nase, und ein Schlag auf dieselbe genügt, ihn zu tödten, während er an den übrigen Theilen des Körpers selbst die heftigsten Hiebe erträgt. Sein Fleisch, welches noch süsslicher als Schweinfleisch schmeckt, ist geniessbar und wird an vielen Orten , insbesondere aber in Frank- reich und der Schweiz, gegessen. Sein wasserdichtes, festes, dauer- haftes Fell, welches jedoch nur zur Herbst- und ^^^interzeit brauchbar ist, indem der Dachs f\ist durch den ganzen Sommer hart, wird zu Überzügen von Koffern und Kumeten, so wie zu Jagdtaschen, Ranzen, Fusssäcken u. s. w, verwendet. Aus den langen Haaren, insbesondere jenen des Schwanzes, Averden Bürsten und gröbere Pinsel, vorzüglich Rasirpinsel, verfertiget. Das reichliche Fett des Dachses wird zum Brennen benützt und sell)st auch als Arzneimittel verwendet. Den alten Griechen war der Dachs noch nicht bekannt, und erst die Römer besassen von ihm Kunde. Der Sehaden, welchen der Dachs anrichtet, ist keinesweges ein beträchtlicher, da er sich mehr auf Waldwiesen, Möhren- und Rübenäcker beschränkt, als er sich auf Feldwild und zahmes Geflügel ausdehnt, und der Nutzen, welchen er gewälirt, wiegt den Schaden hinreichend auf. Die wesentlichsten klimatischen Varie- täten des Dachses sind der westasiatische Dachs und der japanische. Der erstere zeichnet sich durch eine weichere und längere Behaarung, reichlicheres Wollhaar, blassere Färbung, und geringere Breite der schwarzen Unterseite aus, der letztere durch geringere Grösse, und etwas dunklere Färbung. Die Annahme vieler Jäger, dass es unter dem gemeinen Dachse zwei verschiedene Formen gebe, von denen sie eine mit dem Namen Hundsdachs, die andere mit dem Namen Schweinsdachs belegen, beruht auf einem schon aus alter Zeit her- rührenden Irrthume. Die Unterschiede, wodurch der Schweinsdachs vom Hundsdachs abweichen soll, sollen in einer stumpferen Nase und der gelblichen Färbung seiner Kehle bestehen, welche beim Hunds- dachse schwarz ist. Findet dieser Unterschied überhaupt Statt, so kann er nur von einem sehr alten Thiere herrühren, denn selbst den eifrigsten Forsehern ist es nicht gelungen, irgend einen Unterschied in dieser Beziehung aufzufinden, welcher die Annahme der Jäger hätte bekräftigen können. Die übrigen Merkmale und Eigenschaften, welche sie ihi'em Schweinsdachse zuschreiben, beruhen noch weit 313 mehr auf Irrthümern und Fabeln, und verdienen um so weniger eine Berücksichtigung, als alle diese Merkmale und Eigenschaften von den Jägern einmal dieser, dann wieder der anderen ihrer vermeintlichen Varietäten zugeschrieben werden. 2. Gattung. Stinkdachs (MydcmsJ. Der innere Höckeransatz des oberen Reisszahnes steht in der Mitte des Zahnes, In der Aftergegend ist keine Drüsentasche vor- handen, dagegen befinden sich neben dem After zwei Absonderungs- drüsen, welche in den Mastdarm münden. Die Krallen derVorderfüssc sind Scharrkrallen. Das Auftreten findet auf der ganzen Sohle Statt. Die Sohlen sind nackt, die Zehen bis zum letzten Gliede mit einander verwachsen. Der Leib ist etwas gestreckt und untersetzt, der Schwanz kurz, bisweilen sehr kurz. Die Schnauze ist stark gestreckt und endiget in einen über die Unterlippe vorragenden, kurzen Rüssel. Vorder- und Hinterfüsse sind fünfzehig. Der Teledu oder javanische Stinkdachs (Mydans melicepsj. (Fig. 62.) Der Teledu ist kleiner als der Dachs und hat in seiner Gestalt einige Ähnlichkeit mit demselben. Sein Körper ist untersetzt, und die sehr kurzen länglichen Ohren sind unter den Haaren versteckt. Die Beine sind nieder und stark, die Krallen der Vorderfüsse Scharrkrallen und noch einmal so lang als die der Hinterfüsse, die Zehen bis zum letz- ten Gliede mit einander verwachsen, die Sohlen nackt. Der Schwanz ist sehr kurz, ein blosser Stummel, mit langen Haaren besetzt. Die Ober- und Aussenseite des Körpers ist dicht, dieUnterseite spärlicher behaart. Das Haar ist grob, am Hinterkopfe aufrecht stehend, am Nacken nach vorwärts gerichtet. Die Zunge ist glatt. Die Farbe besteht in einem dunklen Kastanienbraun auf der Oberseite, und einem lichteren auf der Unterseite. Hinterhaupt und Nacken sind weiss mit einem lichtgelb- lichen Anfluge. Eine Längslinie aus weisslichen Haaren läuft über die Mitte des Rückgrats bis an die Spitze des SchAvanzes, welche gleichfalls weisslich gefärbt ist. Die Länge des Körpers beträgt 1 Fuss 2 Zoll, die des Schwanzes y, Zoll, mit den Haaren 2 Zoll, die Höhe am Widerrist 53/4 Zoll. Die Heimath des Teledu ist Java und Sumatra, wo er stets nur in einer Höhe von mehr als 7000 Fuss über der Meeresfläche getroffen wird. Ergräbt sich Höhlen unter Baumwurzeln in die schwarze 314 Dammerde, die in einen weiten, mehrere Fuss im Durchmesser haltenden und mit glatten Wänden versehenen, kugelrunden Kessel endigen, und mit einem 6 Fuss langen Ausführungsgange versehen sind, der an seiner Mündung mit kleinenZweigen und abgefallenen Baumblättern überdeckt wird. In diesen Höhlen bringt er als ein vollkommen nächtliches Thier den Tag über schlafend zu, und verlässt sie erst des Nachts, um seine Nahrung aufzusuchen, die in Regenwürmern, Insecten und ihren Larven besteht. Seine Bewegungen sind sehr langsam, daher er auch leicht gefangen werden kann, Avie diess denn auch von den Eingeborenen häufig und ohne Furcht geschieht, da sie sein Fleisch gemessen. Das einzige Mittel, welches er zu seiner Vertheidigung benützt, besteht in dem Ausspritzen einer höchst übelriechenden Flüssigkeit aus seinen After- drüsen, die er bei 2 Fuss weit wegzuspritzen vermag. Der Gestank dieser Flüssigkeit soll so heftig sein, dass er ein ganzes Dorf ver- pestet und bei reizbareren Personen selbst Ohnmächten bewirkt. Die Eingeborenen verstehen indess sich dagegen zu schützen, indem sie ihn beim Fangen schnell packen oder mit einem Schlage tödten, und dadurch verhindern, diese Flüssigkeit von sich zu spritzen, wodurch auch das Fleisch vor einem übeln Gerüche bewahrt wird. Jung ein- gefangen, lässt er sich zähmen und versucht dann auch nicht, sich seiner stinkenden Flüssigkeit zu entleeren, obwohl er seine übrigen Sitten beibehält, dieselbe Nahrung nimmt, dieselbe Schläfrigkeit bei Tage zeigt, und eben so wie im freien Zustande Gruben in die Erde gräbt. Er lebt paarweise , und das Weibchen bringt 2 — 3 Junge zur Welt. Da er bei seinen nächtlichen Streifereien oft in die, in der Nähe seiner Wohnorte gelegenen Korn-, Gemüse-, Kartoffel- und Tabak- felder, so wie in die daselbst befindlichen Obstpflanzungen kommt, wo er wie ein Schwein die Erde umwühlt, um seine Nahrung aufzusuchen, so richtet er häufig grossen Schaden in denselben an. Auf Java wird er von den Eingeborenen mit dem Namen Teledu und Telagon oder auch Seng-gung, auf Sumatra mit der Benennung Teleggo bezeichnet. 3. Gattung. Stinkthier (Mephitis). Der innere Höckeransatz des oberen Reisszahnes steht in der Mitte des Zahnes. In der Aftergegend ist keine Drüsentasche vor- handen, dagegen befinden sich neben dem After zwei Absonderungs- drüsen, welche in den Mastdarm münden. Die Krallen derVorderfüsse 315 sind Scharrkrallen. Das Auftreten findet fast auf der ganzen Sohle Statt. Die Sohlen sind entweder ganz oder theilweise behaart, die Zehen fast ganz mit einander verwachsen. Der Leib ist ziemlich gestreckt und nicht sehr schlank, der Schwanz lang, oder mitteiiang. Die Schnauze ist gestrekt und spitzig. Vorder- und Hinterfüsse sind fünfzehig. Die Chinga oder das Hndsonische Stinkthicr (Mephitis Chinfja). (Fig. 63.) Unter der ziemlich grossen Zahl der bisher bekannt gewordenen, meist einander sehr ähnlichen und oft nur schwer zu unterscheidenden Arten von Stinkthieren, ist die Chinga diejenige, welche den Natur- forschern schon am längsten bekannt ist. Sie ist ungefähr von der Grösse einer Hauskatze, hat einen kleinen, hinten breiten Kopf, eine spitze Schnauze mit vorragendem Oberkiefer und nackter Nasenkuppe, kurze, zugerundete Ohren, einen etwas gestreckten, aber mehr gedrungenen als schmächtigen Leib, und einen durch die lange Behaarung ziemlich langen, buschigen Schwanz. Die Beine sind kurz, wodurch das Thier sehr nieder gestellt erscheint, mit halbnackten Sohlen und langen Scharrkrallen an den Vorderfüssen. Die Behaa- rung ist lang, straff und glänzend und erscheint am Schwänze am längsten. Die Gruiul färbe ist schwarz und von der Nase zieht sich ein einfacher, schmaler weisser Streifen zwischen den Augen hin- durch , erweitert sich auf der Stirne zu einem rautenartigen Flecken, und noch mehr auf dem Halse, und geht dann in eine sehr breite, weisse Binde über, welche sich über den Schultern gegen die Mitte des Bückens zu in zwei breite Streifen theilt, die sich entweder schon auf dem Kreuze wieder vereinigen oder, was seltener der Fall ist, an der Wurzel des Schwanzes. Auf dem Halse, den Schultern und an der Aussenseite der Beine befinden sich kleine weisse Flecken und bisweilen sind auch Brust und Bauch mit weissen Flecken besetzt. Über den Schwanz ziehen sich entweder zwei breite, weisse Längsstreifen, oder er erscheint unregelmässig aus Schwarz und Weiss gemischt. Die Krallen sind weisslich. Die Länge des Körpers beträgt 1 Fuss 3 Zoll, jene des Schwanzes 51/3 Zoll, mit den Haaren 71/4 Zoll, die Höhe am Widerrist 5 1/2 Zoll. Das Vaterland der Chinga ist die Hudsonsbai in Nord-Amerika, wo sie sich ziemlich weit gegen Norden verbreitet. Ihr Aufenthalt sind die höher gelegenen kühleren Gegenden, wo sie in 316 den Gehölzen und Wäldern längs der Sandebenen des Saskatehewan- Flusses besonders häufig getroffen wird, und theils in Felsspalten und hohlen Bäumen, theils in Erdhöhlen, die sie sich selbst gräbt, woinit. Die Chinga ist ein nächtliches Thier, welches den Tag über in seinen Schlupfwinkeln schlafend zubringt, und erst beim Eintritte der Dunkel- heit seiner Nahrung nachgeht, welche in kleinen Nagethieren und Vögeln, in Amphibien, meist Fröschen, in Insecten, Würmern, Beeren, Wurzeln, Eiern und Honig besteht. Sie kann weder springen noch gehörig klettern, sondern nur gehen und hüpfen. Beim Gehen tritt sie fast mit ganzer Sohle auf, wölbt den Rücken, trägt den Schwanz, der im ruhenden Zustande nach aufwärts gekehrt ist, nach rückwärts gerichtet, und senkt die Schnauze zum Boden. Sie wühlt gerne in der Erde und bringt den Winter meist in ihrer Höhle liegend zu, ohne jedoch einen Winterschlaf zu halten. Trifft man des Nachts zufällig auf sie, so bleibt sie völlig ruhig, krümmt den Rücken, beugt, wie man behauptet, den Schwanz gegen die Unterseite ihres Leibes, benetzt ihn mit der stinkenden dunkelgelben Flüssigkeit aus ihren Afterdrüsen, und spritzt diesen, die Luft Aerpestenden Saft, indem sie den Schwanz eben so schnell als heftig bewegt, dem ihr Entgegenkommenden auf eine Entfernung von fünf Fuss und darüber zu. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass sie den Schwanz empor richtet und ihren Saft gerade von sich spritzt. Dasselbe geschieht, wenn sie verfolgt oder gereizt wird. Der knoblauchähnliche Gestank, Mclchen diese Flüssigkeit ver- breitet, ist eben so heftig als anhaltend, und wird von Allen, die eine solche Beobachtung zu machen Gelegenheit hatten, als fast erstickend, unerträglich und wahrhaft furchtbar geschildert, indem er Schwindel, Kopfschmerz und Ublichkeit erregt. In den Augen verursacht er das heftigste Brennen und Entzündung, und ist oft höchst gefährlich. Man hat Beispiele, dass Personen dadurch das Gesicht verloren. Mit dieser Waffe vertheidiget sich die Chinga gegen alle ihre Feinde. Der Gestank dieser Flüssigkeit ist bei älteren Thieren und Männchen weit stärker, als bei jüngeren und Weibchen, und am heftigsten zur Zeit der Paarung. Wird man bespritzt, so muss man sicli wenigstens durch eine Stunde lang mit Erde reiben, um diesen Gestank nur einiger- massen zu mildern , denn Waschen mit Wasser ist gänzlich nutzlos. An Kleidungsstücken klebt der Geruch gewöhnlich einen ganzen Monat, und selbst Esswaaren, Brot und Fleisch ziehen diesen Gestank so sehr an, dass sie vollkommen ungeniessbar werden. An dem Orte, 317 MO ein solches Thier getödtet wurde, haftet der Geruch durch mehrere Tage. Die Cliinga ist durchaus nicht scheu und flieht nur, wenn sie verfolgt wird, wobei sie versucht, irgend einen Baum durch mühsames Klettern zu erreichen. Hunde verscheucht sie in der Regel durch ihren stinkenden Driisensaft und trilTt sie der Guss, so reiben sie sich heftig die Schnauze auf der Erde. Gelingt es ihnen, desselben theilweise los zu werden, so verfolgen sie die fliehende Chinga so lange, bis sie sie durch ihre Bisse tödten. Bisweilen geschieht es auch, dass sie sich in Häuser und Keller einschleicht, um junges Geflügel zu würgen und Eier aufzuzehren, oder an dem aufbewahrten Fleische zu naschen. Ihre Augen funkeln im Dunkeln. Das Weibchen wirft ihre Jungen, deren Zahl zwischen 6 und 10 betragt, in eine Erdhöhle, oder in einen hohlen Baum. Sie lassen sich leicht zähmen und folgen, wenn sie vollkommen zahm geworden, auf den Ruf, und dem Menschen nach, wie eine Hauskatze. Hierbei gehen sie anfangs aber immer mit dem Hintertheüe voran und tragen den Schwanz in die Höhe gerichtet. In der Gefangenschaft verbreiten sie durchaus keinen üblen Geruch und verspritzen, auch selbst wenn sie gereizt werden, nichts von ihrem Safte. Nur durch Schlagen oder sehr starke Beängstigung werden sie gezwungen, von ihrem stinkenden Vertheidigungsmittel Gebrauch zu machen. Heu ist ihnen das liebste Lager, in dem sie gegen den Winter, in eine Kugel zusammengerollt, schlafen. Sie sind überaus reinlich, putzen sich nach dem Fressen die Schnauze mit den Vorder- pfoten, und vermeiden jeden Unrath in ihrem dunklen Lager. Man füttert sie mit Fleisch; am liebsten aber fressen sie Vögel, die sie am Kopfe ergreifen und mit den Beinen an die Erde drücken. Sie können lange hungern, verzehren aber oft mehr als sie verdauen können, daher sie sich nicht selten auch erbrechen. Ihre Gier ist aber so gross, dass sie selbst die ausgebrochene Speise wieder verzehren. Sie trinken das Wasser schlappend, und so wenig sie auch davon geniessen, so reichlich lassen sie den Harn von sich, der jedoch durchaus keinen üblen Geruch hat. Den ganzen Tag bringen sie schlafend zu und gehen erst des Abends herum, selbst wenn sie keinen Hunger haben. Die eingeborenen Wilden essen das Fleisch der Chinga, beseitigen aber vorher die stinkenden Drüsen. Es soll wohlschmeckend sein und Ähnlichkeit mit dem Fleische eines Ferkels haben. Das Fell wird von denselben zu Tabaksbeuteln ver- wendet. 318 4. Gattung-. Bandiltis (lihabdogale). Der innere HiJckeransatz des oberen Rcisszahnes steht an der Vorderseite des Zahnes. In der Aftergegend ist keine Drüsentasche vorhanden, dagegen befinden sich neben dem After zwei Absonderungs- drüsen, welche in den Mastdarm münden. Die Krallen der Vorderfüsse sind Scharrkrallcn. Das Auftreten findet auf der halben Sohle Statt. Die Sohlen sind theilweise behaart, die Zehen fast ganz mit einander verwachsen. Der Leib ist ziemlich gestreckt und nicht sehr schlank, der Schwanz lang. Die Schnauze ist gestreckt und spitzig. Vorder- und Hinterfüsse sind fünfzehig. Die afrikanische Zorille oder der gemeine Bandiltis (Rhabdogdle mustelina). (Fig. 64.) Die afrikanische Zorüle hat sowohl in der Gestalt und Färbung, wie auch in ihrer Lebensweise und der Absonderung einer heftig stinkenden Flüssigkeit aus ihren Afterdrüsen, grosse Ähnlichkeit mit den Stinkthieren, mit denen sie früher auch häufig verwechselt wurde. Der Kopf ist am Hinterhaupte breit und endiget in eine etwas rüssel- förmig verlängerte, spitze Schnauze. Die Ohren sind kurz und zuge- rundet. Die Pupille bildet eine Längsspalte, und die Zunge ist mit kleinen, feinen Wärzchen besetzt. Der Leib ist langgestreckt, doch nicht sehr schlank. Die Beine sind kurz, die Sohlen bis zu den Zehen- ballen behaart, und die Krallen an den Yorderfüssen sind stumpfe, starke, und ziemlich lange Scharrkrallen. Der Schwanz ist ziemlich lang, und buschig. Die Behaarung ist dicht, lang und straff. Die Grund- farbe dos ganzen Körpers ist glänzend schwarz. Zwischen den Augen befindet sich ein schmaler, weisser Flecken, und ein ähnlicher steht zwischen Ohr und Auge. Bisweilen fliessen aber diese Flecken zusam- men und bilden auf der Stirne eine breite, weisse Querbinde. Die Lippen sind häufig mit einer schmalen, weissen Einfassung versehen. Über dasilinlerhaupt zieht sich eine zwischen den Ohren ausgebreitete, weisse Querbinde, welche ziemlich gerade abgeschnitten ist, und aus derselben entspringen vier Aveisse Längsbinden , welche über den Rücken verlaufen, sich in der Mitte des J^eibes erweitern und durch drei schwarze Längsstreifen der Grundfarbe, von denen der mittlere am breitesten ist, von einander geschieden werden. Auf den Schenkeln 319 vereinigen sich die beiden weissen Seitenbinden, so dass si(!h auf der Schwanzwurzel jederseits nur ein weisser Streifen fortsetzt. Öfters nehmen die Haare der Seitenbinden hinter den Schultern, in ihrer unteren Hälfte eine gelbe Beimischung an, und bisweilen ist auch die weisse Hinterhauptsbinde durch die schwarzen Längsstreifen unter- brochen, während diese auch oft erst im Nacken beginnen. Die Schwanzhaare sind weiss mit schwarzen Wurzeln, und nur die Schwanzspitze ist bisweilen beinahe oder vollkommen weiss. Der ganze Unterleib ist schwarz, die Krallen sind weisslich. Die Iris ist schwarz- braun. Der Körper misst 1 Fuss 1 Zoll, der Schwanz 9y., Zoll, mit den Haaren 11 Zoll; die Höhe am Widerrist beträgt 4% Zoll. Die afrika- nische Zorille ist über ganz Afrika verbreitet und reicht vom Cap der guten Hoffnung durch Nubien, Sennaar, Abyssinien, Kordofan, Sene- gambien und dieBerberei, bis nach Klein-Asien, welches die Nordgrenze ihres weit ausgedehnten Verbreitungsbezirkes bildet. Es ist indess nicht unwahrscheinlich, dass bei näherer Kenntniss, diese Art in mehrere zer- fallen werde. Ihren Aufenthalt bilden felsige Gegenden, wo sie theils in Felsklüften, theils in selbstgegrabenen Erdlöchern unter Bäumen und Gebüschen wohnt. Ihre Lebensweise ist eine nächtliche, indem sie bei Tage sich in ihren Schlupfwinkeln verborgen hält und erst zur Nachtzeit ihrem Raube nachgeht. Ihre Nahrung besteht in kleinen Säugethieren, vorzüglich Mäusen, in kleineren Vögeln und ihren Eiern, in Amphibien und Insecten. Auch für das Hausgetlügel ist sie sehr gefährlich, indem sie sich nicht selten in Bauernhöfe schleicht und das kleinere Geflügel würgt. Ihre Bewegungen sind nicht sehr behende und eher träge als rasch. Beim Gehen tritt sie mit halber Sohle auf, und da sie nur sehr schwer und mühsam klettern kann, ist sie genöthiget, ihre Nahrung meist am Boden aufzusuchen. Bei Verfolgung spritzt sie eben so, wie die Stinkthiere, ihrem Feinde eine überaus heftig stinkende Flüssigkeit von widrigem, durchdringendem, knoblauchartigem Gerüche aus ihren Afterdrüsen entgegen, welche oft die Luft in weitem Umkreise ver- pestet. Häufig gelingt es ihr, dadurch ihren Verfolger zu verjagen und sich zu sichern. So wie bei den Stinkthieren, so sind es auch bei der afrikanischen Zorille vorzüglich die Männchen und insbesondere zur Zeit der Paarung, welche den heftigsten Geruch zu verbreiten ver- mögen. Sie wird zwar am Cap von einigen holländischen Colonisten in ihren Höfen und Häusern, zur Vertilgung der Ratten und Mäuse gehalten, erreicht aber nie einen höheren Grad von Zähmung. Bei 320 den Arabern lieisst sie Abu afene, bei den Negern in Kordofan Sauele, und in Abyssinien Onkuss. Am Cap ist sie unter dem Namen Muishond bekannt, wäbrend sie in Klein-Asien von den Türken Gheurjen genannt wird. Der Name Zorilla, welcher so viel als Füehschen bedeutet, kommt ihr eigentlich nicht zu, sondern ist von den Si)aniern einem Stinkthiere gegeben worden, das sich im nördlichen Amerika vorfindet und sowohl in Neu-Californien als am oberen Missouri angetrodeu wird. 5. Gattung. Honigdachs (Ratelus). Der imiere Höekeransatz des oberen Reisszahnes steht an der Vorderseite des Zahnes. In der Aftergegend ist keine Drüsentasche vorhanden, dagegen befinden sich neben dem After zwei Absonderungs- drüsen, Avelche in den Mastdarm münden. Die Krallen derVorderfüsse sind Scharrkrallen. Das Auftreten findet auf der ganzen Sohle Statt. Die Sohlen sind nackt, die Zehen frei. Der Leib ist ziemlich gestreckt und untersetzt, der Schwanz kurz. Die Schnauze ist gestreckt und stumpfspitzig. Vorder- und Hinterfüsse sind fünfzehig. Der capische oder Honig-Ratel (Ratelus capensis). (Fig. 63.) Der capische oder Honig-Ratel kommt sowohl in Grösse als Gestalt am meisten mit dem gemeinen Dachse überein. Sein Leib ist plump, sehr breit und flach, doch dabei gestreckt, die Schnauze ver- längert; die Augen sind klein und tiefliegend, mit grosser Pupille, die Ohren sehr kurz, aber weit, und bios durch einen Rand, keinesweges aber durch eine Ohrmuschel äusserlich begrenzt. Die Reine sind kurz und stark, und die vorderen mit langen Scharrkrallen versehen. Die Sohlen sind nackt. Der Schwanz ist kurz, die Zunge etwas rauh. Die Rehaarung ist lang, straft' und rauh. Stirne, Hinterkopf, Nacken, Rücken, Schultern und Schwanz sind aschgrau, Schnauze, Augen- gegend, Wangen, Ohren, Unterhals, Rrust, Rauch, Lenden und Reine schwarzbraun. Reide Farben werden durch einen von den Ohren nach dem Schwänze zu verlaufenden, hellgrauen, zollbreiten Streifen von einander geschieden. Die Iris ist dunkelbraun. Die Länge des Körpers beträgt 2 Fuss 4 Zoll, die des Schwanzes 1 Fuss, die Höhe am Wider- rist Sy^ Zoll. Die Heimath des Honig-Ratels ist sowohl über Süd- als Mittel-Afrika verbreitet, denn er findet sich eben so am Cap der guten 321 HofTniing- Avie in Sudan und Dongola. Er lebt unter der Erde in selbst gegrabenen Höblen, theils in bebauten, tbeils unbebauten Ebenen, und fübrt eine balbnäcbtiicbe Lebensweise. Des Tages geht er nur selten auf Raub aus, desto häufiger aber zur Nachtzeit, wo er Springmäusen, Hasen, Ratten, Mäusen, Vögeln, und selbst Schildkröten nachstellt, die seine Hauptnahrung ausmachen; doch frisst er nebstbei bisAveilen auch Wurzeln. Seine Lieblingsnahrung besteht aber in Honig, nach welchem er sehr lüstern ist. In den unterirdischen Gängen, welche von Stachel- schweinen, Springhasen, Blässmolien und Zorillen gegraben werden, legen in der Regel die wilden Bienen ihre Nester an, wenn sie von den Thieren, die sie früher bcAvohnten, verlassen sind, und eben so in den Erdfurchen, welche das äthiopische Warzenschwein wühlt. Meist ist es der Ruf des Honig-Kukuks, der sich zu gleichem Zwecke an denselben Stellen einfindet, welcher ihm den Ort, wo er Beute findet, verräth. Hat er sich einmal eingefunden, so Avühlt er mit Hülfe seiner langen Scharrkrallen mit besonderer Geschicklichkeit den Honig aus den Waben, ohne sie dadurch merklich zu verletzen, und plündert sie völlig aus. Vergebens umschwärmen ihn die Bienen, um ihn mit ihrem Stachel zu verletzen, denn sein undurchdringliches Fell macht ihn vor jedem Angriffe derselben sicher. Trifft er ein Bienennest auf einem Baume, das er wegen seiner grossen Ungeschicklichkeit im Klettern nicht zu erreichen vermag, so beisst er, nachdem er den Honig einmal gerochen, mit Ingrimm in den Stamm, und zieht unver- richteter Dinge weiter. Diese Bisse, welche der Honig -Ratel in den Stämmen zurücklässt, sind den Hottentotten ein sicheres Zeichen der Anwesenheit eines Bienennestes und erleichtern ihnen die Aufsuchung und Einsammlung des Honigs; daher sie diese Spuren auch mit der- selben Aufmerksamkeit verfolgen, mit welcher sie dem Rufe des Honig- Kukuks lauschen. Wenn die Eingeborenen aber behaupten, dass sich der Honig-Ratel zur Aufsuchung der Nester wilder Bienen des Mittels bediene, sich bei Untergang der Sonne auf die Lauer zu setzen um, indem er eine seiner Vorderpfoten vor die Augen halte, die Richtung auszuspähen, welche die Bienen bei ihrem Heimfluge nehmen, so gehört diess offenbar in den Bereich der Fabeln. Seine Verwüstungen erstrecken sich aber nicht blos auf die Bienenzucht, sondern auch auf das zahme Geflügel; denn nicht selten schleicht er sich des Nachts in die Hühnerhöfe ein und würgt oft in einer Nacht ein Dutzend Hüh- ner und darüber, indem er ihnen den Hals abbeisst und sie in seine (Naturgeschichte.) *il 322 Höhle schleppt. Er ist daher auch für die Hühnerhöfe eines der schädlichsten Thiere. Der Honig-Ratel hat 2 — 3 Weibchen, die er niemals aus dem Auge lässt, und ist besonders wild zur Laufzeit, wo er selbst Menschen anfallt und mit seinen Bissen schwer verwundet. Aber auch zu jeder anderen Zeit ist es gefährlich, ihn lebend packen zu wollen, denn er vertheidiget sich stets heftig mit seinem starken Gebisse. Selbst wenn man ihn dicht am Hinterhaupte im Nacken fasst, ist er im Stande seinen Kopf zurückzubeugen und sich durch heftige Bisse zu rächen. Seine Haut ist so lose an den Leib geheftet und so verschiebbar, dass, wenn er auch von einem Hunde erfasst wird, sie wie ein Sack sich vom Körper trennt; daher es ihm leicht ist, jede Wendung anzunehmen und sich gegen den Hund selbst im vollsten Kampfe noch zu wehren. Dabei ist sie so dick und zähe, dass, wenn er auch von mehreren Hunden überwältiget und todtgebissen fort- geschleppt Avird, keine Bisswunde am Felle zu bemerken ist. Es ist nicht immer leicht, seiner habhaft zu werden, indem diess nur gelingt, wenn man ihn zufällig und plötzlich überrascht, da er im Stande ist, sich in wenigen Minuten selbst in den härtesten Boden zu verscharren. Kommt ihm auf dem Felde oder in der Wüste ein Hund oder ein anderes Thier zufällig in die Nähe, so spritzt er ihnen aus seinen Afterdrüsen eine heftig stinkende Flüssigkeit entgegen und Avieder- holt diess so oft, bis es ihm gelingt, sie dadurch zu verscheuchen. Der Honig-Ratel hat ein sehr zähes Leben und kann nur durch Stiche oder den Schuss, oder durch starke Schläge auf die Schnauze getödtet werden. Jung eingefangen, lässt er sich aber zähmen und ist sogar gelehrig. Er spielt gerne und macht zuweilen auch sogar possierliche Sprünge. Man zieht ihn mit Milch und Brod auf, und gibt ihm erst später Fleisch zu seiner Nahrung. In der Geningenschaft schläft er meist auch des Nachts und liegt dabei zusammengerollt, den Kopf zwischen den Beinen. Der Name, welchen er bei den Eingeborenen in Dongola führt, ist Abu Keem; am Cap der guten Hoffnung wird er von den Colonisten Stinkbinksem genannt. 6. Gattung. Uroii (GaHctis). Der innere Höckeransatz des oberen Reisszahnes steht an der Vorderseite des Zahnes. In der Aftergegend ist keine Drüsentasche vorhanden, dagegen befinden sich neben dem After zwei Absonde- rungsdrüsen, welche am Rande des Afters münden. Die Krallen der 323 Vorderfüsse sind keine Scharrkrallen. Das Auftreten findet auf der halben Sohle Statt. Die Sohlen sind nackt, die Zehen bis zum ersten Gliede durch eine Spannhaut mit einander verbunden. Der Leib ist ziemlich gestreckt und schlank, der Schwanz lang, oder mittellang. Die Schnauze ist kurz und ziemlich stumpf. Vorder- und Hinterfüsse sind fünfzehig. Der Grisou oder gestreifte IJron (Galictis vittata). (Fig. 66.) In der Grösse kommt der Grison fast mit dem Edelmarder überein und eben so auch in seiner Gestalt. Der Leib ist lang und schmächtig, der Schwanz mittellang; die Füsse sind kurz und stark. Der Kopf ist platt, die Schnauze kurz und spitzig, und die Ohren sind klein und kurz. Die Sohlen sind nackt und nur auf der Ferse etwas mit Haaren besetzt, die Zehen auf der Unterseite durch eine kurze Spannhaut bis zum ersten Gliede mit einander verbunden. Die Krallen sind kurz, ziemlich gerade , und die Vorderkrallen nur wenig länger als die hin- teren. Die Zunge ist rauh. Die Behaarung, welche aus dichtem Woll- und ziemlich langem, doch nicht sehr feinem Grannenhaar besteht, ist ziemlich reichlich. Der Schwanz ist an seiner Wurzel stärker behaart und erscheint dadurch an dieser Stelle dicker. Die Schnurren sind nicht sehr lang. Gesicht, Kehle, Unterhals, der ganze Unterleib und auch die Beine, mit Ausnahme der Aussenseite der Schenkel, sind schwarz; alle übrigen Theile des Körpers und der Schwanz schmutzig grau, indem die einzelnen Haare in ihrer unteren Hälfte schwarz, in ihrer oberen gelblichweiss, und auf der Stirne graulichweiss gefärbt sind. Von der Stirne zieht sich eine weisse Binde jederseits bis gegen die Schulter herab. Sohlen und Nasenkuppe sind schwarz. Die Färbung bleibt sich bei beiden Geschlechtern und in allen Altersstufen gleich. Der Körper misst 1 Fuss 6 Zoll, der Schwanz 8 Zoll; die Höhe am Wider- rist beträgt 31/3 Zoll. Die Heimath des Grison ist Süd-Amerika, wo er ostwärts derAndes-Kette von Guiana, durch Brasilien und Paraguay, bis in das nördliche Patagonien verbreitet ist. In Brasilien und Paraguay ist er selten, häufig dagegen in Gross-Choco. Er lebt in hohlen Bäumen, Felsspalten und Erdlöchern, insbesondere in den verlassenen Höhlen der Gürtelthiere,die er sich weiter ausgräbt und zum Wohnorte bereitet. In seinen Sitten kommt er mit den Mardern überein, erklettert mit Leich- tigkeit die Bäume, ist fast eben so gewandt wie diese, und kann sehr gut 21' 324 springen Beim Gehen tritt er vorne mit der ganzen, hinten mit der hal- ben Sohle auf, wobei er den Schwanz wagrecht hält, ohne ihn empor- zurichten. Er geht sowohl bei Tag als Nacht herum, obwohl er häufiger zur Zeit der Nacht umherstreift, um seiner Beute nachzuspüren. Beson- ders schleicht er auf Feldern und Weiden herum, und frisst Alles, was ihm in der Einsamkeit von kleineren Thieren begegnet und sich bewegt; Hasen, Meerschweinchen, Ratten, Mäuse, Vögel, Eidechsen, Schlangen, und selbst Insecten. Doch stellt er ihnen auch eben so auf Bäumen wie auf ebenem Boden nach. Er ist überaus blutgierig und würgt ohne Hunger, so viel er nur erhascht. Nicht selten bricht er in Hühnerställe ein, beisst Hühnern und Truthühnern mit einem Bisse die Köpfe ab und saugt ihnen das Blut aus. Er ist im Stande selbst durch sehr kleine Öffnungen in die Ställe einzudringen, wenn sie nur die Grösse haben, um sich mit dem Kopfe durchzuzwängen. Auch wilden Honig sucht er auf. Gereizt gibt er einen ziemlich starken, doch keines- weges unerträglichen Bisamgeruch von sich, der jedoch nach einigen Stunden wieder vergeht. Im October bringt das Weibchen zwei Junge zur Welt. Der Grison lässt sich zähmen und wird auch ziemlich zahm. Er merkt, wenn man ihn ruft, und spielt mit Jedermann; doch lernt er nicht Personen unterscheiden. Sehr gerne lässt er sich den Rücken streicheln, legt sich um, und erwiedert diese Liebkosungen mit seinen Füssen, oder durch sanftes Beissen in die Finger. Man liebt ihn aber nicht, theils wegen des üblen Geruches, welchen er verbreitet, theils weil er Alles umwirft, wenn er nicht festgebunden ist, und das Geflügel tödtet. Ungeachtet aller Zähmung bleibt er stets gegen Thiere Mild, tödtet aus blosser Mordlust und bewahrt sich den Überfluss höchstens für ein späteres Mahl. Sein Pelz wird verwendet, daher er von den Indianern zu Gross-Choco häufig nach der Insel Assumption zum Ver- kaufe gebracht wird. In Paraguay führt er den Namen Huron oder kleiner Iltis, während er von den Guarani's Yaguape oder niederer Hund genannt wird. Die Spanier nennen ihn Uron oder Wiesel. 7. Gattung'. Marder ßlartes). Der innere Höckeransatz des oberen Reisszahnes steht an der Vorderseite des Zahnes. In der Aftergegend ist keine Drüsentasche vorhanden, dagegen befinden, sich neben dem After zwei Absonde- rungsdrüsen, welche am Rande des Afters münden. Die Krallen der 325 Vorderfüsse sind keine Seharrkralien. Das Auftreten findet fast auf der ganzen Sohle Statt. Die Sohlen sind fast ganz hehaart, die Zehen durch eine kurze Spannhaut mit einander verl)unden. Der Leib ist stark gestreckt und sehr schlank, der Schwanz lang, oder mittellang. Die Schnauze ist kurz und stumpfspitzig. Im Oberkiefer befinden sich jederseits 3, im Unterkiefer 4 Lückenzähne. Der untere Reisszahn hat am hinteren Ende einen kleinen, spitzen Höcker. Vorder- und Hinterfüsse sind fünfzehig. Der Baum- oder Edelmarder (Maries abietum). (Fig. 67.) Der Baummarder ist eines der schädlichsten unter den kleineren europäischen Raubthieren und von der Grösse einer Hauskatze. Sein Kopf ist oben abgeplattet, die Schnauze zugespitzt, und die Nase etwas über die Lippen ragend. Die Augen stehen weit von einander, der Schnauzenspitze näher als den Ohren, und sind etwas schief gestellt; die Ohren sind kurz, breit und zugerundet; die Zunge ist glatt. Der Hals ist verhältnissmässig kurz, von derselben Dicke wie der Kopf und nicht viel dünner als der Leib. Der Leib ist schmächtig und gestreckt, der Rücken gekrümmt, der Schwanz von mittlerer Länge, zottig, und gerade nach rückwärts gerichtet. Die Beine sind nieder, die Vorderfüsse scheinbar länger und stärker als die hinteren, die Zehen fast bis zur Hälfte durch eine kurze Spannhaut mit einander verbunden und mit kurzen Krallen versehen; die Sohlen sind fast ganz behaart, nur die Ballen der Zehenspitzen sind nackt. Die Behaarung ist dicht, weich und glänzend, und unter dem ziemlich langen, etwas steiferen Graimenhaare liegt das weit kürzere und feinere Wollhaar. Die Schnurren bilden auf der Oberlippe 4 Reihen. Ausserdem stehen einige Borstenhaare über dem vorderen und unter dem hinteren Augenwinkel, so wie unter dem Kinne und der Kehle. Der Kopf ist an der Schnauze dunkelbraun, in der Nasengegend fahler, und verfärbt sich gegen die Stirne und Backen zu in's Bräunliche. Ein schmaler, dunkelbrauner Streifen zieht sich unterhalb der Ohren hin, die an der Aussenseite bräunlich, an der Innenseite weiss gefärbt und mit einem weissen Saume versehen sind. Die Kehle und der Unterhals sind bis zwischen die Vorderbeine dottergelb. Die ganze Oberseite ist kasta- nienbraun, doch sind die Wollhaare des Rückens vorne weissgrau, hinten und an den Seiten gelblich gefärbt. Der Bauch ist heller als 326 der Rücken, obgleich fast von derselben Färbung; doch belindet sich zwischen den Hinterbeinen ein röthlichgelber, dunkelbraun gesäumter Flecken, der sich zuweilen durch einen schmutzig gelben, mit Kasta- nienbraun gemischten Streifen bis zur gelben Kehle fortzieht. Beine und Schwanz sind dunkel schwärzlichbraun, welche Farbe am Schwänze gegen das Ende zu an Intensität zunimmt und immer dunkler wird. Bisweilen sind aber auch nur die Vorderfüsse schwärzlich, und Hinter- füsse und Schwanz kastanienbraun, sowie der Rücken. Im Winter ist dieFärbung des Felles dunkler als im Sommer. Die Körperlänge beträgt 1 Fuss 8 Zoll, die des Schwanzes 1 1 Zoll, die Höhe am Widerrist 1 Zoll. Das Weibchen unterscheidet sich vom Männchen durch blassere Fär- bung des Rückens und einen minder deutlichen Flecken zwischen den Hinterbeinen. Bei jungen Thieren sind die Kehle und der Unterhals heller gelb gefärbt. Die Heimath des Baummarders sind die gemässigten Gegenden der nördlichen Hälfte der alten Welt. In Europa findet er sich sowohl in England, Frankreich, Deutschland, Österreich, Ungarn, Italien und Sardinien, so wie in Schweden, Norwegen und Russland, wo er bis zum Ural, dem werchoturischen Gebirge und der isetischen Provinz reicht und sich von der Krimm nach den gilanischen Alpen und dem Kaukasus erstreckt. Ostwärts scheint er in Asien nicht über das altaische Gebirge hinaus zu reichen, obgleich er in den südlicheren Gebirgen ausserlialb der sibirischen Grenzen und namentlich an den Quellen des Jenisei gefunden wird. Sein Aufenthalt sind einsame, dichte, finstere Wälder, vorzüglich in gebirgigen Gegenden, wo er sowohl in Laub- ais Nadelhölzern lebt und sich in hohlen Stämmen aufhält, oder in verlassenen Nestern von Wildtauben, Raben, Raubvögeln und Eich- hörnchen sein Lager aufschlägt, bisweilen aber auch in Felsenritzen eine Zufluchtsstätte findet. Er ist ein nächtliches Thier, welches bei Tage in seinen Verstecken verborgen bleibt und erst zur Nachtzeit auf Raub ausgeht, um Eichhörnchen, Haselmäuse, Billiche, junge Hasen, Mäuse, Feldmäuse und Wasserratten zu verfolgen, Auerhühner, Birkhühner, Haselhühner, Repphühner, Fasanen und andere grössere und kleinere Vögel im Schlafe zu erschleichen oder ihre Nester auf den Bäumen und dem Boden im Walde zu berauben, und Junge und Eier davonzuschlcppen und zu verzehren. Insbesondere sind es Eich- hörnchen, Billiche und Haselmäuse, die seine Licblingsnahrung aus- machen, die er mit unglaublicher Schnelligkeit von einem Baume zum anderen und bis zu den höchsten Ästen so lange verfolgt, bis sie 327 ermüden und sich ihm ergeben müssen. Wasserratten schleicht er nach dem Wasser nach und überfällt junge Hasen schlafend auf ihrem Lager. Kennt er die Stelle, wo er plündern kann, so plündert er auch täglich. Ausser thieriseher Nahrung nimmt er aber auch Beeren, Obst, Hanfsamen und Honig. Besonders liebt er Vogelbeeren und zieht diese selbst der thierischen Nahrung vor. Treffen mehrere Baum- marder auf einen Vogelbeerbaum, der auch noch so voll von Früchten, so vermögen sie in kurzer Zeit ihn derselben gänzlich zu berauben. Um Honig aufzusuchen, spürt er den Hummelnestern und den V^aben wilder Bienen nach; doch wird behauptet, dass durch allzureichlichen Genuss des Honigs sein Fell Flecken bekomme. Im Winter, wo es ihm im Freien an Nahrung mangelt, besucht er bisweilen auch in einsam gelegenen Bauernhöfen Hühnerställe und Taubenhäuser, wo er Alles würgt, was er findet und doch nur ein Stück mit sich nimmt und frisst. Nur aber die höchste Noth an Nahrung gibt ihm Muth, sich menschlichen Wohnungen zu nähern, die er sonst stets sorgsamst flieht. Die Zeit der Paarung fällt zwischen das Ende des Januars und den Anfang Februars. Nach neunwochentlicher Tragzeit wirft das Weibchen mit Ende März oder zu Anfang des April 3 — 4 blinde Jun^e auf einem mit Moos ausgefüllten Lager, meist in einem hohlen Baume, seltener in einem erweiterten Eichhorn- oder Wildtauben- Neste oder in einer Felsenritze. Mit grosser Liebe sorgt es für seine Jungen und raubt, aus Besorgniss, ihr Lager zu verrathen, eben so wie der Fuchs, ferne von demselben. Schon nach sechs Wochen springen die Jungen hurtig und munter auf den Bäumen umher, necken sich urid spielen mit einander. Der Baummarder ist überaus flink in seinen Bewegungen und kann vortrefflich springen und klettern. Er ist aber auch höchst furchtsam, scheu, flüchtig und vorsichtig, und bereitet sich daher immer mehr als eine Wohnung, um dieselbe jedes- mal zu wechseln, so oft er Gefahr verspürt. Werden die Baummarder im Winter auf ihrem Lager überrascht, so verhalten sie sich völlig ruhig und können leicht geschossen werden. Werden sie aber von Hunden auf ebenem Boden aufgestöbert und verfolgt, so flüchten sie sich erst, wenn der Hund in ihre Nähe kommt durch einen Sprung auf einen Baum und legen sich auf einen Ast, um ruhig zuzusehen, wie er unter ihnen vorüberzieht. Erblickt sie dagegen der Jäger und verfolgt sie , so klettern sie mit grösster Schnelligkeit von Ast zu Ast und von Baum zu Baum, bis sie völlig in Sicherheit sind. Ausserdem werden 328 sie aber auch in Fallen gefangen, wodurch das Fell keine Verletzungen erleidet. Das Fell des Baummarders gehört zu den gesuchtesten und geschätztesten Pelzwerken und steht dem kostbaren Zobelfelle am nächsten. Es wird meist zu Mulfen, Palatinen und Verbrämungen verwendet. Auch das Fleisch des Baummarders ist geniessbar und wird insbesondere in Frankreich hie und da gegessen. Jung ein- gefangen, lässt sich der Baummarder sehr leicht zähmen. Er zeigt sich gutmüthig und sanft, ist unormiidlich im Spielen mit Hunden und Katzen, wird nicht leicht böse, wenn man ihn nicht beim Fressen oder Schlafen stört, und ist unter allen zähmbaren Raubthieren eines der angenehmsten und artigsten. Im Schlafe rollt er sich wie ein Hund zusammen und schläft zuweilen den ganzen Tag hindurch. Sein Unrath riecht nach Moschus. In Nord-Amerika wird er durch eine sehr ver- wandte Art ersetzt. Nahe verwandt mit ihm ist auch der Stein- odei* Hausmarder (Maries Folna), welcher, mit Ausnahme von Sardiniea, in eben denselben Ländern und zwar sowohl in Europa als Asien getroffen wird. 8. Gattung. Iltis fPutorius). Der innere Höckeransatz des oberen Reisszahnes steht an der Vorderseite des Zahnes, In der Aftergegend ist keine Drüsentasche vorhanden, dagegen befinden sich neben dem After zwei Absonde- rungsdrüsen, welche am Rande des Afters münden. Die Krallen der Vorderfüsse sind keine Scharrkrallen. Das Auftreten findet fast auf der ganzen Sohle Statt. Die Soblen sind theilweise behaart, die Zehen frei. Der Leib ist stark gestreckt und sehr schlank, der Schwanz mittellang, oder kurz. Die Schnauze ist kurz und stumpfspitzig. Im Oberkiefer befinden sich jederseits 2, im Unterkiefer 3 Lückenzähne. Der untere Reisszahn hat am hinteren Ende keinen Höcker. Vorder- und Hinterfüsse sind fünfzehig. Der gemeine Iltis (Piitorius vulgaris). (Fig. 68.) Der gemeine Iltis ist eben so wie der Stein- und Edelmarder eines der schädlichsten unter den kleineren europäischen Raubthieren, und kommt in seiner Gestalt wie in seinen Sitten zunächst mit den- selben überein. Er ist etwas kleiner als diese und sein dreieckiger, in eine spitze Schnauze endender Kopf ist kürzer und dicker als bei 329 den beiden ihm verwandten Mardern. Die Ohren sind kurz, breit und abgerundet, die Augen ziemlich gross und vorstehend, und die Zunge ist glatt. Sein Hals ist lang und dick, der Leib gestreckt und schlank, mit breitem, stark gekrümmtem Rücken, und der ziemlich kurze Schwanz, welcher bedeutend kürzer als beim Marder ist und die halbe Körperlänge nicht erreicht, ist auch minder reichlich l)ehaart, dünner, und nur gegen das Ende etwas buschig. Die Beine sind kurz, die Ballen nackt, und die Sohlen nur zwischen den Ballen behaart. Die Zehen sind vollkommen frei und nicht durch Spannhäute mit einander verbunden; die Krallen dünn, stark gekrümmt, spitz und scharf. Die Behaarung ist dicht, das Wollhaar kurz und gelblich, das Grannenhaar mittellang, fein, glatt und glänzend, an der Wurzel graulich, dann kastanienbraun und an der Spitze schwarz. Die Färbung des Felles besteht daher gewöhnlich in einem dunklen Kastanienbraun, das längs der Mitte des Rückens in's Schwarzbraune fällt, am Oberhalse und den Seiten des Rumpfes aber heller ist, indem an diesen Theilen das Grannenhaar minder dicht gestellt ist und das gelbliche Wollhaar durchblicken lässt. Unterhals, Brust, Beine und Schwanz sind tief schwarzbraun und eine undeutlich begrenzte, rostbräunliche Binde zieht sich längs der Mitte des Bauches bis zum After. Die Schnauzen- spitze, mit Ausnahme der braunen Nasenkuppe, ist gelblichweiss, und eben so das Kinn. Ein schwach begrenzter, gelbliehweisser Flecken steht jederseits hinter den Augen und fliesst mit einer undeutlichen, eben so gefärbten Binde zusammen, welche unterhalb der Ohren beginnt und sieh an den Backen längs der Mundwinkel herabzieht, um sich mit dem Kinnflecken zu verbinden. Der Schnauzenrücken ist kastanienbraun und sendet eine breite, halbmondförmige Binde, welche die Augen umschliesst, über die Backen bis zum Mundwinkel. Die Ohren sind bräunlich und gelblichweiss gerandet. Die längeren Schnurren sind schwarzbraun, die kürzeren weiss ; die Krallen weiss- lich. Die Grundfarbe bietet indess, je nach der Jahreszeit oder dem Vorkommen in nördlicheren oder südlicheren Gegenden, mancherlei Abänderungen dar. Im Winter und in nördlicheren Gegenden erscheint sie um Vieles heller, beinahe weisslichgelb, und nur das lange Rücken- haar ist schwärzlich; im Sommer und in den südlicheren Gegenden aber dunkler. Zu den selteneren Erscheinungen gehört die voll- kommen weisse Abart. Das Weibchen unterscheidet sich vom Männ- chen nur durch die rein weisse Farbe der bei diesem vorkommenden 330 gelbliclnveissen Stellen uii der Schnauze, den Seiten des Kopfes, dem Kinne und den Ohren. Die Länge des Körpers beträgt IFuss 6 Zoll, jene des Schwanzes 7 Zoll, die Höhe am Widerrist SZoll. Die Heimath des gemeinen Ulis reicht durch die ganze gemässigte und einen grossen Theil der nördlichen Zone von Europa und Asien ; denn nur im hohen Norden fehlt er. Er ist daher über ganz Europa, bis nach Italien hinab, mit Ausnahme der nördlichsten Gegenden von Schweden, Norwegen und Russland, verTireitet. In Asien erstreckt sich seine Heimath südlich durch die grosse Tatarei bis an den kaspischen See und an das schwarze Meer, und westlich durch ganz Sibirien, mit Ausnahme des nördlichsten Thei- les, bis nach Kamtschatka. Er findet sich überall, sowohl in der Ebene als im Gebirge, und hält sich theils in Wäldern, theils auf Feldern, bald an sumpfigen Orten, bald auf grasigen, trockenen Flächen auf, besonders gerne aber in der Nähe menschlicher Wohnungen. In Wäldern schlägt er in hohlen Bäumen, Felsklüften, alten Fuchsbauen und anderen Erdlöchern, die er sich entweder unter Baumwurzeln selbst gräbt oder nur bezieht, sein Obdach auf, oder sucht unter auf- gehäuftem Reisige und zusammengestürzten Holzhaufen einen Schutz. Auf Feldern hält er sich vorzüglich gerne an Flüssen und Teichen unter den hölzernen Verschalungen der Ufer auf, hinter denen er sich verbirgt, oder gräbt sich selbst Höhlen in die Dämme; auch lindet man ihn unter Wurzeln und alten Stöcken, in dichten Hecken und Dornbüschen vergraben. Häufig sind es aber auch, insbesondere zur Zeit des Sommers, die Baue von Kaninchen und Hamstern, ja selbst die Erdlöcher der Ratten, die er sich zu seinem Aufenthalte wählt und die er nicht selten erst für sich erobert. Im Winter zieht er meistens nach Städten und Dörfern und besonders nach den Feldmühlen. Hier schlägt er in Holzstössen und altem Gemäuer, in Scheunen und Ställen, vorzüglich in der Nähe von Hühnerställen und Taubenschlägen, sein Lager auf, wo er sich in den entlegensten Winkeln verborgen hält und oft lange unentdeckt bleibt; oder auch in Häusern, in Kellern und unter Dachböden, insbesondere unter Strohdächern und auf Heuböden, von wo er bisweilen selbst durch ganz enge Spalten bis in die Woh- nungen der Menschen dringt. In Scheunen, Ställe und Keller bahnt er sich einen Weg, indem er sie untergräbt, wobei er eben so wie der Hamster, grosse Haufen aufwirft. Der gemeine Iltis führt eine voll- kommen nächtliche Lebensweise, schläft den ganzen Tag in seinen Verstecken verborgen, und kommt erst zur Zeit der Dämmerung und 331 bei Nacht zum Vorscheine , wenn er auf seinen Raub ausgeht. Seine Nahrung besteht hauptsächlich in kleineren Säugethieren , in Vögeln und ihren Eiern; und was er von diesen Thieren nur bezwingen kann, fällt ihm auch zur Beute. Vorzüglich sind es Maulwürfe , Feld- und Hausmäuse, Wasser-, Haus- und Wanderratten, ja selbst Hamster, auf welche er im Sommer eben so wie im Winter Jagd macht. Im Sommer streift er im Gehölze und in den Feldern umher, um die Nester jener Vögel aufzusuchen, welche auf der Erde nisten; wie der Lerchen, Wachteln, Repp-, Hasel-, Birk- und Auerhühner, der Fasanen und der wilden Enten, oder um auch jungen Hasen und den Kaninchen in ihren Gehegen nachzustellen. In Hühnerhöfen und Häusern würgt er Tauben, Hülmer, Enten und junge Gänse. Eine Lieblingsspeise für ihn sind die Frösche und die Kröten, deren Schenkel er zerbeisst und die er zu ganzen Haufen in seine Höhle schleppt, um immer einen Vorrath davon zu haben. Eben so trägt er auch Hühner- und andere Vogel-Eier, die er zwischen den Zähnen festhält, unverletzt in seine Höhle ein, wo man sie oft zu grossen Haufen angesammelt findet. Nebstbei geniesst er aber auch Eidechsen und Schlangen, sogar die giftige Kreuzotter, deren Biss übrigens auf ihn durchaus keine Wirkung macht, und begnügt sich im Nothfalle selbst mit Heuschrecken, Nackt- und Garten- Schnecken. Auch auf den Fischfang geht er aus und entfernt sich oft bis auf eine halbe Stunde weit von seiner Wohnung. Hier lauert er an Bächen, Seen und Teichen den Fischen, insbesondere den Forellen auf, die er mit grosser Sicherheit zu fangen versteht und theils sogleich verzehrt, theils aber auch in seine Höhle trägt. Häufig jagt er auch hierbei nach Mäusen, die an den Ufern wohnen, wenn sie an's Wasser kommen um zu trinken. Ja selbst zur Zeit des Winters weiss er auf dem Eise an den Löchern, mit fast eben so grosser Geschicklichkeit wie die Fischotter, die Fische, wenn sie an die Oberfläche kommen, aus den offenen Stellen hervorzuziehen. Auch dem Honig stellt er nach und durchbeisst nicht selten die Bienenstöcke oder wirft sie um, um zu dieser Lieblingsnahrung zu gelangen. So gefrässig der gemeine Iltis auch ist, so ist er aber doch bei weitem nicht so kühn und auch nicht so blutdürstig wie der Baum- und Stein-Marder, und mordet nicht so wie diese, aus blosser Lust. Dringt er in einen Hühnerhof ein, so tödtet er in der Regel nicht alles darin befindliche Geflügel mit einem Male, sondern ergreift das erste beste Stück, das er erhaschen kann, würgt es, fasst es im Genicke und eilt mit ihm in seinen Schlupfwinkel, 332 um es daselbst ganz aufzufressen, wiederholt aber diese Jagd oft mehr- mals in einer Nacht. Bisweilen tödtet er aber auch, besonders wenn er sehr hungerig ist, alles llausgetlügel, was er nur erwischen kann, frisst an Ort und Stelle das Gehirn , saugt das Blut aus und schleppt die getödteten Thiere allmählich in sein Lager. Trifft er auf Eier, so säuft er nur so viele von denselben aus, als er zur Stillung seines Hungers nöthig hat, trägt aber die anderen nach und nach in sein Versteck. Still und geräuschlos schleicht er nach seiner Beute, bis er ihr so nahe ist, um sie plötzlich mit einem Sprunge zu erhaschen. Sein gewöhnlicher Gang ist rasch und besteht in kurzen Sprüngen; dabei ist er so sicher, dass er selbst die schmälste Unterlage gefahrlos überschreitet. Überhaupt ist er sehr behende, fast immer in Bewegung und durchstöbert Alles auf seinen Wanderungen. Dagegen klettert er bei weitem nicht so schnell und sicher wie der Marder, obgleich er, eben so wie dieser, Bäume und selbst schroffe Mauern ersteigt. Auf Bäume klettert er jedoch nur selten, und blos nur um die Vögel von ihren Nestern zu verjagen und ihre Eier auszusaufen. Nicht selten springt er auch selbst von bedeutenden Höhen auf die Erde, ohne irgend einen Schaden zu erleiden. Er ist scheu, überaus listig, behut- sam und misstrauisch, dabei aber auch zornig und bissig, und hat ein sehr feines Gesicht und Gehör, Avelches ihm eben so sehr bei seinem Baube, wie bei den Gefahren, denen er ausgesetzt ist, zu Statten konnnt. Die grossen Verwüstungen, welche er unter dem Haus- geflügel und in den Gehegen der Kaninchen anrichtet, sind die Ursache, dass man ihn allenthalben verfolgt und zu vertilgen sucht. Man fängt ihn entweder in hölzernen Fallen oder in Schlageisen, die man vor seinen Löchern aufstellt und mit Spreu und Tannennadeln bedeckt, wohin man ihn durch Eier, Vögel oder andere Köder lockt. Nicht selten geschieht es aber, dass sich der in einem Schlageisen gefangene litis selbst das eingeklemmte Bein abbeisst, und dadurch entkommt. In Fallen ist er jedoch nicht leicht zu locken, da er zu misstrauisch ist, um sie nicht zu scheuen. Bisweilen gi'äbt man ihn aber auch aus seinen Löchern aus, um ihn zu erschlagen, und findet ihn gewöhnlich in der Mitte eines Kranzes todter Frösche, die er sich als Vorrath aufgehäuft. Wetzt man in der Nähe seines Aufenthaltes Eisen auf einem Steine, so kann man ihn aus seinem Verstecke her- vorlocken, und eben so durch Geklirre mit Eisen, das ihm höchst zuwider ist. Dabei stürzt er mit hochgekrümmtem Bücken, funkelnden 333 Augen und gefletschten Zähnen, unter heftigem Zischen und Knurren in vollster Wuth auf seinen Gegner, und sucht sich nicht nur allein durch sein Gehiss, sondern auch durch das Entgegenspritzen seines höchst widrig riechenden Harnes zu vertheidigen. Dasselhe Verthei- digungsmittel wendet er auch an, wenn er von Hunden angegriflen wird. GeHngt es, ihn in's Freie zu jagen, so kann man ihn auch mit Hunden verfolgen und durch den Schuss erlegen. Sein Lehen ist überaus zähe und daher ist es auch schwer, ihn schnell zu vertilgen. Erhängt man ihn , oder hält man ihn auch so lange unter Wasser , bis dass er völlig todt erscheint, so kommt er doch in kurzer Zeit wieder zu sich. Selbst mitten durch die Brust und durch den Kopf genagelt, wehrt er sich noch lange, bevor er stirbt. Die Paarung fällt zwischen das Ende Februars und den Anfang des April, wobei sich die Männchen unter lautem Geschreie heftig mit einander herumbeissen. Nach zwei- monatlicher Tragzeit wirft das Weibchen in seiner Höhle, am liebsten aber in einem Holz- oder Reisighaufen, auf einem aus Stroh, Heu oder Moos bereiteten nestartigen Lager, zwischen dem Ende des April und . dem Anfange des Juni , gewöhnlich 4 — S , höchst selten aber auch 6 blinde Junge, die es sorgfältig säugt, ernährt und beschützt. Das Weibchen ist so sehr für seine Jungen besorgt, dass es nicht selten, wenn es vor ihrem Lager Geräusch bemerkt, plötzlich aus demselben hervorspringt und sich gegen seinen Feind zur Wehre stellt. Um die- selben ja nicht zu entdecken, trägt es selbst den Unrath seiner Jungen weit von ihrem Lager weg und vermeidet, eben so wie das Männchen, sich des eigenen , höchst widrig riechenden Mistes und Harnes in der Nähe ihres Aufenthaltes zu entledigen. Die Jungen, welche lange von der Mutter gesäugt werden, verlassen sie erst gegen den Herbst, um selbst ihrer Nahrung nachzugehen. Jung aufgezogen, werden die Iltisse leicht zahm, und man kann sie selbst von einer Katze säugen lassen. Doch erwacht schon nach einem halben Jahre in ihnen der Trieb, dem Hausgeflügel nachzustellen, daher es nöthig ist, um das- selbe vor ihrem Angrifl"e zu schützen, ihnen die Eckzähne auszubre- chen. Solche gezähmte Iltisse kann man auch Statt des Frettes zur Kaninchen-Jagd benützen. Zu diesem Behufe bindet man ihnen eine Schelle um den Hals, trägt sie auf das Feld, und lässt sie in die Gänge der Kaninchen kriechen, welche schon in kurzer Zeit aus Angst die Flucht ergreifen und mit Hast aus ihrem Baue hervorstürzen, um in den Netzen gefangen zu werden, die man vor die Löcher ihrer 334 Ausgangsröhren gespannt. Höchst widrig ist der honigsüssliche Geruch, den der gemeine Iltis verbreitet. Das Lebensalter, welches er erreicht, soll 10 Jahre betragen. Sein Fleisch, das übrisrens 7\hnlichkoit im Geschmacke mit dem Wildschweinfleische haben soll, wird desshalh auch von Niemand ausser den Tschuwaschen gegessen, und sogar von den Hunden verachtet. Dagegen liefert sein Winter- fell, welches übrigens im December und Januar am schönsten ist, ein weiches, warmes und dauerhaftes Pelzwerk. Nur des lange anhal- tenden, üblen Geruches wegen wird es weniger geschätzt als es verdient, und seltener gefärbt und als besseres Pelzwerk zu Palatinen, Futter und Verbrämungen verMendet. Gewöhnlich wird es nur für die Landleute zu Mützen, Mulfen und Handschuhen verarbeitet. Aus den langen Haaren, insbesondere aber den Schwanzhaaren , werden eben so wie vom Haare der Fischotter, Malerpinsel verfertiget. Der Iltis, welcher in der nördlichen und selbst noch in der mittleren Gebirgsreihe von Nepal vorkommt, gehört einer anderen, aber nahe verwandten Art an. Sehr verwandt mit dem gemeinen Iltisse ist auch das Frett (Pniorius Furo), welches aus der Berberei stammt, und von dort nach Spanien und in das südliche Frankreich ver- pflanzt wurde. Diese Art ist es, welche vorzugsweise zur Kaninchen- Jagd abgerichtet und verwendet wird. In England bat man von diesem und dem gemeinen Iltisse Bastarde erzogen, welche sehr kräftig sind und mit eben so grossem Vortheile zur Kaninchen-Jagd benützt werden können. 9. Gattung-. Wiesel (Mustela). Der innere Höckeransatz des oberen Reisszahnes steht an der Vorderseite des Zahnes. In der Aftergegend ist keine Drüsentasche vorhanden, dagegen befinden sich neben dem After zwei Absonde- rungsdrüsen , welche am Rande des Afters münden. Die Krallen der Vorderfüsse siiul keine Scharrkrallen. Das Auftreten findet fast auf der ganzen Sohle Statt. Die Sohlen sind theilweise behaart, die Zehen frei. Der Leib ist sehr stark gestreckt und überaus schlank, der Schwanz mittelhuig, oder kurz. Die Schnauze ist kurz und stumpf- spitzig. Im Oberkiefer befinden sich jederseits 2, im Unterkiefer 3 Lückenzähne. Der untere Reisszahu hat am hinteren Ende keinen Höcker. Vorder- und Hinterfüsse sind fünfzehig. 335 Das kleine Wiesel (Mustela vulgaris). (Fig. 69.) Das kleine Wiesel ist die kleinste Art unter allen wieselartigen Tliieren, im Verhältnisse zu seiner sehr geringen Grösse aher, die nicht einmal jene der Hausratte erreicht, zugleich auch das muthigste unter allen Raubthieren. Sein Kopf ist länglich, etwas platt gedrückt, von derselben Dicke wie der Leib, und verschmälert sich kurz vor dem Munde in eine schwach zugespitzte Schnauze, welche in eine stumpfe, mit einer Längsfurche versehene Nase endiget. Die tief gestellten, weit von den Augen entfernt liegenden Ohren sind kurz, breit und abgerundet, an ihrem Aussenrande umgebogen, und an ihrem Grunde mit einer vertieften Falte versehen; die Augen klein und schief- liegend. Der Hals ist lang und dick, der Leib gestreckt und schlank, und der kurze Schwanz, der mit dem Kopfe von gleicher Länge ist und nicht einmal Ys der Körperlänge erreicht, ist schon von der Wurzel an allmählich zugespitzt. Die Beine sind sehr kurz und dünn, die Pfoten zart, und die Sohlen zwischen den Zehenballen behaart. Die Krallen sind dünn, spitz und schart. Die Behaarung ist mittellang, glatt und weich, und der gleichmässig behaarte Schwanz ist gegen seine Spitze etwas buschig, ohne jedoch in einen deutlichen Haarbüschel zu endigen. Die Schnurren sind lang, und auch vor und über den Augen und unter der Kehle stehen einzelne Borstenhaare. Die ganze Oberseite, die Beine und der Schwanz sind röthlichbraun, bald dunkler, bald heller, und bisweilen in's Gelbliche oder in's Grauliche fallend, wobei die einzelnen Haare an ihrem Grunde immer röthlich-aschgrau sind. Der Rand der Oberlippe und die ganze Unterseite sind weiss, wobei die weisse Farbe an Hals und Brust der Breite nach eine grössere Aus- dehnung gewinnt. Plinter jedem Mundwinkel steht ein kleiner, rund- licher brauner Flecken mitten im weissen Felde, und häufig finden sich auch einzelne braune Punkte auf dem Bauche zerstreut. Nur äusserst selten finden sich auch einzelne schwarze Haare an der Spitze des Schwanzes eingemengt. Die Schnurren, so wie die Augen- und Kehl- borsten, sind theils braun, theils weiss, die Augenlieder schwarz. Die Iris ist dunkel gelbbraun. In den gemässigten und insbesondere den südlicher gelegenen Gegenden ist das Sommerfell vom Winterfelle in der Fär- bung nur wenig unterschieden, und höchstens etwas lebhafter gefärbt. Weiter nördlich hingegen und selbst schon in den hoch gelegenen 336 südlicheren Gegenden, färbt sich das Fell im Winter mehr oder weniger weiss und erscheint auch nicht selten weiss und braun gefleckt: dagegen nimmt os Im hüheron Norden rogelmässig eine vollkommen weisse Fär- bung an, und wemi sich auch bisweilen an der Schwanzspitze einzelne wenige schwarze Haare eingemengt finden, so wird dieselbe doch niemals schwarz, wodurch sich das kleine Wiesel wesentlich von dem verwandten Hermelin unterscheidet. Diese weisse Färbung nimmt in den nördlichen Gegenden schon im September ihren Anfang und erreicht ihre völlige Ausbildung im November. Zu den seltensten Abarten gehört jene, welche auch im Sommer weiss bleibt. Die Länge des Körpers beträgt 6 Zoll 3 Linien, jene des Schwanzes 1 Zoll 7 Linien, die Höhe am Widerrist 1 Zoll 5 Linien. Doch gibt es auch noch grössere Exemplare , welche sammt dem Schwänze eine Länge von 10 Zoll erreichen. Die Heimath des gemeinen Wiesels erstreckt sich über die ganze gemässigte und kalte nördliche Erdhälfte der alten Welt. In Europa reicht sie von Russland, Lappland und Schottland, durch alle Länder bis nach Italien herab , während sie sich iu Asien über ganz Sibirien, bis an"s östliche Meer und in die nördlichsten Gegenden der Polar-Region verbreitet, und südwärts bis in den Kau- kasus und nach Persien , und vielleicht auch noch weiter hin nach Süden ausdehnt. In den gemässigten und nördlichen Gegenden von Europa ist das gemeine Wiesel allenthalben ziemlich häufig, am häu- figsten aber in Sibirien. Es findet sich sowohl in flachen als gebirgigen Gegenden, und zwar eben so in Wäldern, wie auf Feldern und in Gärten. Hier wohnt es theils in Hecken, hohlen Bäumen und unter bohlliegenden Baumwurzeln, theils in Steinbrüchen, Steinhaufen und den Klüften alter Mauern, oder auch, und zwar vorzugsweise zur Zeit des Sommers, unter hohlen Ufern, in Maulwurfsgäugen, Hamster- und Rattenlöchern. Am liebsten hält es sich aber in der Nähe menschlicher Wohnungen auf, wo es sich gerne in die Häuser schleicht, und zur Zeit des Winters sein Lager unter Dachböden, in Scheunen, Kellern und Ställen, vorzüglich aber in der Nähe von Hühnerställen und Tau- benschlägen aufschlägt, daher man es nicht selten auch in Dörfern, ja sogar in Städten trilft. Seine Lebensweise ist eine halbnächthche, da es sowohl bei Tage als bei Nacht herumstreift, vorzüglich aber zur Zeit der Nacht auf Raub ausgeht. Seine Nahrung besteht hauptsäch- lich in kleineren Säugethieren , in Vögeln und ihren Eiern, doch ver- schmäht es auch mancherlei Amphibien nicht. Von Säugethieren sind 337 es Haus-, Wald- und Feldmäuse, Wander-, Haus- und Wasserratten, Maulwürfe, junge Hamster, Hasen und Kaninchen , welche am meisten seinen Verfolgungen ausgesetzt sind. Häufig sucht es dieselben in ihren Löchern auf und tödtet sie, oder jagt den meisten schnell und ausdauernd aucli gierig auf freiem Felde nach, wobei es nicht selten selbst durch kleine Bäche schwimmt. Wilde Vögel überfällt es wäh- rend des Schlafes auf den Zweigen und stellt besonders während der Nacht jungen Hühnern und Tauben nach, die es schnell würgt und mit sich fortschleppt, um sie ungestört und gemächlich zu verzehren. Alte Tauben und Hühner tödtet es, saugt ihnen das Blut aus und lässt sie liegen; doch greift es nur selten alte Hühner und insbesondere Hähne an, da diese sich mit ihren Schnäbeln tapfer gegen seine Angriffe vertheidigen, wodurch es ihnen häufig gelingt, diesen gefähr- lichen Feind zu verscheuchen oder von sich ferne zu halten. Grössere Eier saugt es an Ort und Stelle gierig aus und trägt die kleineren nach und nach in seine Höhle, indem es sie einzeln unter dem Kinne fasst und mit demselben an die Brust andrückt. Von Amphibien sind es Eidechsen, Blindschleichen und Bingelnattern, denen es am meisten nachstellt, doch geht es auch an andere Nattern, ja selbst an die giftige Kreuz-Otter, deren wiederholten Bissen es jedoch erliegt, indem darauf der Tod erfolgt. Frösche scheint es zu verachten, da es nur bei argem Hunger nach denselben greift. Überhaupt geniesst es jede Art von Fleisch, und verschmäht selbst das der eigenen Art und auch des Iltis nicht. Bisweilen wagt sich das kleine Wiesel aber auch an Thiere, die es an Grösse übertreffen, obgleich diess nur seltener geschieht. So überfällt es alte Hamster blos bei grossem Hunger, wobei jedoch in der Regel beide in Folge der Verwundungen, welche sie bei ihrem heftigen Kampfe gegenseitig erleiden, erliegen und dem Tode Preis gegeben sind. Ja selbst bei alten Wanderratten fällt es ihm oft schwer, sie zu gewältigen, und es erfordert diess immer einen längeren Kampf. Bei allen seinen Anfällen auf Säugethiere und Vögel weiss das kleine Wiesel aber, mit bewundernswerther Sicherheit und Geschicklichkeit, die grosse Halsschlagader zu treffen, welche es zerbeisst, um aus derselben das Blut zu saugen, so dass an den getödteten Thieren oft keine anderen Verletzungen zu bemerken sind, als vier kleine Wunden am Halse, welche von den scharfen Eckzähnen des Wiesels herrühren. Mit unglaublicher Gewandtheit springt es grösseren Gegnern in den Nacken, versetzt ihnen einen heftigen Biss (Natiirgescliichte.) 22 338 in den Hals, oder zerbeisst ihnen auch den Hinterkopf, um das Gehirn herauszufressen. Ja man kennt Beispiele, dass Wiesel, welche schon von Hahicliten und anderen Haubvögeln gefangen und in der Luft davon getragen wurden, mitten im Fluge ihrem Feinde einen Biss in die grossen Schlagadern unter dem Flügel versetzten, so dass die- selben mit dem fest an sie geklammerten Wiesel in wenigen Minuten todt zur Erde niederfielen. So gierig es aber auch nach dem Blute ist, eben so gierig ist es nach dem Fleische, und fängt man es mit einer Maus im Maule, so lässt es sie nicht los. Dabei ist es aber auch überaus gefrässig, und verschlingt in einem einzigen Tage oft mehr, als sein eigenes Gewicht beträgt. Eben so trinkt es auch viel Wasser, und zwar leckend wie die Katze. Lange zu hungern erträgt es nicht. Während des Fressens sitzt es auf dem Hintertheile , krümmt seinen Rücken und begibt sich dann zur Ruhe, um zusammengerollt zu schlafen. Es kann vortrefflich klettern und gibt dem Eichhörnchen an Schnelligkeit und Sicherheit, beim Erklettern der Bäume wenig nach. Sein Lauf auf freiem Felde ist rasch und besteht in fortgesetzten Sprüngen, doch wenn man es auch einholen kann, so ist es immer schwer, es zu fangen oder zu erschlagen, da es ihm meist gelingt, durch blitzschnelle Wendungen seinem Verfolger zu entkommen. Es ist fast immer in Bewegung, und läuft sein* hurtig und munter auf Wiesen und Feldern umher, wobei es den Hals nach aufwärts trägt und seinen Kopf beständig nach allen Seiten hin bewegt. Mit grosser Aufmerksamkeit sucht es alle Winkel und Löcher auf, die es auf seinem Wege trifft und prüft beschnuppernd, ob sie nicht irgend eine Beute bergen. Sein kleiner Kopf, der mit dem schlanken Leibe von gleicher Dicke ist, gestattet ihm auch selbst in ganz enge Löcher und Spalten einzudringen, daher es ihm leicht gelingt, sich in Hühnerställe und Taubenschläge einzuschleichen, so wie es sich andererseits nicht selten ereignet, dass es sich zufällig in aufgerichteten Rattenfallen fängt. Es ist äusserst flüchtig und scheu, und geräth es in Angst, so lässt es einen heiseren, quitschenden Ton vernehmen. So schädlich das kleine Wiesel auch in Häusern ist, indem es, wenn es in Hühner- höfe eingedrungen, insbesondere unter dem jungen Hausgeflügel bedeutende Verwüstungen anrichtet, zumal wenn Hühner- und Tau- benställe nicht zureichend vor ihm verwahret sind, so nützlich ist es auf dem Felde , indem es eine grosse Menge von Mäusen , Ratten und Maulwürfen vertilgt und hierdurch dem Landwirthe oft mehr nützt. 339 als es ihm Schaden bringt. Die natürhchen Feinde des kleinen Wiesels sind die Hunde und die Katzen, die es verfolgen und tödten, die Bussarde und andere Raubvögel, die nach ihm jagen, und die weissen Störche, die es ganz verschlingen. Seinen Verfolgern stellt es sich, wenn sie in seine Nähe kommen, mit oiTenem Maule entgegen und keucht sie an. Die Paarung geht Ende März vor sich und nach fünf- wochentlicher Tragzeit Avirft das Weibchen, meist in einem hohlen Baume oder in irgend einem seiner Löcher, immer aber an einem ver- steckten, unzugänglichen Orte, auf einem aus Stroh, Heu, Laub oder Moos bereiteten nestartigen Lager, Ende Aprils oder Anfangs Mai, meistens S — 7, bisweilen aber auch nur 3, und in manchen Fällen selbst 8 bHnde Junge, die mehr in's Graue als in's Rothe fallen. Es säugt sie lange und ernähret sie durch mehrere Monate mit Haus-, Wald- und Feldmäusen, die es ihnen lebend bringt. Sieht es seine Jungen in Gefahr, so fasst es dieselben entweder am Halse oder hält sie zwischen dem Kinne und der Brust, und schleppt sie in ein anderes Versteck. Häufig sieht man die Mutter mit ihren Jungen auf Wiesen in der Nähe von Maulwurfshaufen im Sonnenscheine spielen, wo sie mit grosser Behendigkeit in die Löcher aus- und einschlüpfen, oder auch mit grosser Aufmerksamkeit um sich sehen. Jung einge- fangen und aufgezogen, lässt sich das kleine Wiesel sehr leicht zäh- men. Bei guter Behandlung wird es nicht nur allein ausserordentlich zahm, sondern zeigt auch viele Anhänglichkeit an seinen Pfleger, den es kennt, und dem es sogar nachfolgt wie der Hund. Es ist ohne alle Tücke und macht nie Miene zu beissen, ausser wenn man es beim Fressen stört. Alt gefangen hingegen, kann man es zwar in einem Käfige an sich gewohnen , aber es legt seine ihm angeborene Bissig- keit nicht ab und verletzt nicht selten empfindlich mit seinen scharfen Eckzähnen. Sein Biss ist schmerzhaft und auch schwer zu heilen. Auch in der Gefangenschaft zeigt es sich äusserst munter und lebhaft, vmd ist im wachen Zustande fortwährend in Bewegung. Seine Bewe- gungen erfolgen überaus zierlich und schnell; dabei ist es auch sehr reinlich, und leckt und putzt sich beständig das Fell. Unangenehm ist der starke Moschusgeruch, den es aus seinen Afterdrüsen verbreitet. Das Alter, welches das kleine Wiesel erreicht, scheint 6 Jahre nicht zu übersteigen. Des Schadens wegen, den es unter dem zahmen Geflügel anrichtet, wird es häufig verfolgt und theils in Rattenfallen gefangen, theils erschlagen. Sein Fell, welches ein weiches, warmes 22» 340 Pelzwerk gibt, ist bei uns weniger gescbätzt als es A-^erdient, und wird grösstentliells nur als Kleiderfutter verwendet, obgleicb das weisse Winterfell weisser und dauerhafter ist, als das des Hermelins. Dagegen ])ildet es bei den Russen einen nicht unbedeutenden Handels- artikel nach China. So wie bei den meisten Thieren, so bestehen auch bei dem kleinen Wiesel mancherlei Vorurtheile und Fabeln unter dem Volke, Der Umstand, dass man zur Heckzeit bei Tage das Weibchen häufig mit einem Jungen im Maule herumlaufen sieht, hat schon die Alten zu dem Glauben veranlasst, dass es dieselben aus seinem Munde gebäre. Auch noch heut zu Tage besteht bei den Landleuten fast allenthalben das Vorurtheil, dass Thiere, welche es ankeucht, an der angehauchten Stelle Hautanschwellungen bekommen. Wahrscheinlich beruht dieser Glaube auf der Beobachtung, dass Kühe, wenn sie vom kleinen Wiesel in die Euter gebissen werden, was sich übrigens nicht selten ereignen soll, an diesen Theilen Geschwülste bekommen. Am albernsten ist aber die Behauptung, dass wenn man auch nur einen blinden Schuss auf das kleine Wiesel losdrückt, dasselbe vor Schrecken wie todt liegen bleibe. Manche Landwirthe leben auch in dem Wahne, dass ihnen die Anwesenheit eines Wiesels in ihrem Bezirke Glück bringe. Dass es zu grösseren Gesellschaften vereint, sogar den Men- schen anfalle, wie schon mehrfach behauptet Avurde, scheint jedenfalls in den Bereich der Fabeln zu gehören. Sehr nahe verwandt mit dem gemeinen Wiesel ist das grosse Wiesel oder der Hermelin (Mustela Erminea), der beinahe dieselbe Verbreitung hat wie dieses, und nur nicht so weit nach Süden reicht, da er in Italien gänzlich fehlt. In Ägypten und der Berberei wird es durch eine andere verwandte Art vertreten, die bei den Berbern Fort el Heile heisst, und in Ägypten nicht selten als Hausthier zur Vertilgung von Mäusen und Ratten gehalten wird. Auch in Nord-Amerika ist es eine sehr nahe ver- wandte, jedoch gleichfalls verschiedene Art, welche das kleine Wiesel auf der zweiten Erdhälfte ersetzt. 10. Gattuiifr. Vielfrass (Gulo). Der innere Höckeransatz des oberen Reisszahnes steht an der Vorderseite des Zahnes. In der Aftergegend ist keine Drüsentasche vorhanden, dagegen belinden sich neben dem After zwei Absonde- rungsdrüsen, welche am Rande des Afters münden. Die Krallen der Vorderfüsse sind keine Scharrkrallen. Das Auftreten findet fast auf 341 der ganzen Sohle Statt. Die Sohlen sind theilweise behaart, die Zehen frei. Der Leib ist etwas gestreckt und untersetzt, der Schwanz kurz. Die Schnauze ist kurz und stumpfspitzig. Vorder- und Hinter- fiisse sind fünfzehig. Der gemeine Vielfrass (Gulo arcticus). (Fig. 70.) Der gemeine Vielfrass kommt in seiner Gestalt zunächst mit dem Dachse überein ; doch ist er etwas grösser als dieser, hat höhere Beine und einen längeren Schwanz. Sein Kopf ist kurz und breit, und die an ihrem Grunde dicke, schwach gestreckte Schnauze, ist in der Backengegend ausgehöhlt und endiget in eine kleine stumpfe Nase. Die Ohren sind kurz und abgerundet, vom Pelze fast bedeckt, und werden gewöhnlich aufgerichtet, bisweilen aber auch nach vorwärts gekehrt getragen. Die Augen sind klein, mit bald heller, bald dunkler braun, bisweilen aber auch bläulich gefärbter Iris. Die Zunge ist glatt. Der Hals ist kurz, der Leib dick und gedrungen, der Rücken breit und sehr gewölbt. Die Beine sind kurz , doch stark und kräftig und die hinteren kaum etwas länger als die vorderen. Die Krallen sind ziemlich lang, gekrümmt und scharf, die Sohlen fast ganz behaart. Der Schwanz ist kurz, gerade ausgestreckt und buschig, und unterhalb desselben befindet sich zu beiden Seiten des Afters eine schmierlose Hautfalte, welche sich zwischen die Hinterbeine hinabzieht. Die Be- haarung ist lang, glänzend, straff und dicht, nur Kopf und Ohren sind kurz behaart. Auf der Oberlippe befinden sich vier Reihen langer Bartborsten, fünf Borstenhaare stehen ober jedem Auge, und eines an den Backen. Kopf und Schnauze, bis zu den Augen, sind glänzend schwarzbraun, von da bis zu den Ohren, weisslich mit Braun gemischt ; die Ohren sind grau. Die Grundfarbe der Oberseite des Körpers ist kastanienbraun, an den Seiten und Schultern heller, zwischen den Schultern in einer schmalen Strecke dunkler. Mitten auf dem Rücken befindet sich ein grosser schwarzbrauner, fast herzförmiger, sattelartig abgegrenzter Flecken, der vorne am breitesten ist und sich gegen den Schwanz hin zuspitzt. Von den Schultern zieht sich längs der Seiten ein in die Grundfarbe des Körpers allmählich übergehender, gelblicher oder röthlichgelber Streifen, der sich bis auf den Schwanz ausdehnt, sich jedoch in der Mitte desselben verliert. Brust, Bauch und die Innenseite der Schenkel sind schwarzbraun, und die Beine sowohl als 342 die hintere Hälfte des Schwanzes sind von tief schwarzbrauner Fär- bung. Nur einzehie wenige, kleine weisse Flecken stehen unter dem Kinne und zwischen den Vorderbeinen, und bisweilen sind auch ein- zelne weisse Haare auf dem Obertheile des Körpers und selbst auf den dunkelsten Theilen desselben eingemengt, wodurch sie wie gewässert erscheinen. In Bezug auf die allgemeine Körperfarbe kommen mancher- lei Abänderungen vor, wo bald der hellere, bald der dunklere Farben- ton vorherrscht. Die weisse Abart ist am seltensten. Ganz jungeThiere sind graulich gefärbt. Die Körperlänge des erwachsenen Thieres beträgt 2Fuss 2 Zoll, die Länge des Schwanzes 4 Zoll, mit den Haaren 8 Zoll, die Höhe am Widerrist 1 Fuss 2 Zoll. Die Heimath des gemeinen Viel- frasses sind die nördlichen Länder von Europa und Asien. In Europa findet er sich sowohl in Lappland, Norwegen, Schweden und dem nörd- lichen Russland, besonders um das weisse Meer, wie in Kurland und Polen, obgleich er in diesen beiden Ländern seltener ist. In früherer Zeit war er auch im angrenzenden nördlichen Deutschland zu treffen, und kam sogar bisweilen bis nach Sachsen herüber. In Asien ist sein Verbreitungsbezirk über den ganzen Osten und Norden von Sibirien, bis an's Eismeer ausgedehnt, während er in dem offenen und wärmeren westlichen Sibirien fehlt. Sein Aufenthalt ist auf gebirgige Gegenden beschränkt , wo er in grossen , weit ausgedehnten Waldungen und Wildnissen, in Felsenklüften, hohlen Bäumen und verlassenen Dachs- höhlen wohnt. Niemals hat er aber eine selbstständige Wohnung, sondern wechselt sie je nach dem Bedürfnisse, und gräbt sich auch nie selbst eine Höhle zu seinem Lager. Sein Gang ist plump und ungeschickt, sein Lauf zwar anhaltend, aber nur wenig rasch, und von viel geringerer Schnelligkeit als fast bei allen anderen Raubthieren. Überhaupt sind seine Bewegungen ziemlich langsam und bedächtig, obgleich er sehr gut klettern kann. Beim Gehen tritt er beinahe mit der ganzen Sohle auf, und hält den Kopf nach abwärts gesenkt. Seine Lebensweise ist eine nächtliche; denn fast immer luu- zur Nachtzeit und äusserst selten auch bei Tage, zieht er auf Raub aus und jagt lang- sam und schläfrig, und fast immer hungerig, allen Thieren nach, die er zu gewältigen im Stande ist. Doch hält er sich immer nur in einem bestimmten Bezirke auf uiul streift nicht weit seinem Raube nach. Bei Tage schläft er in seinen Verstecken, oder auch mitten im Schnee. Er flicht in der Regel die menschlichen Wohnungen und führt über- haupt ein herumschweifendes Leben. Seine Nahrung besteht sowohl 343 in Blut und frischem Fleische, als in Aas; und /.war in Renn- und Eiennthieren, Pferden, Kühen, Hasen, Eichhörnchen, Mäusen, grösseren und kleineren Vögeln, und zur Zeit des Sommers auch in allerlei Beeren und Früchten. Alte Thiere, welche bereits die Zähne verloren haben, sollen sich von Ameisen nähren, deren Haufen sie aufscharren. Gibt sich dem Yielfrasse Gelegenheit, im Winter in die Nähe der Hütten der Lappländer zu gelangen, so schleicht er sich bei Hunger, wo er alle Furcht verliert, in ihre Vorrathskammern ein, indem er sich mit Hülfe seiner Krallen und Zähne, einen Weg dahin durch Thüren und Dächer bahnt, und rauht ihnen Fleisch, Butter, Käse, Fische u. s. w. und zerreisst auch nicht selten die daselbst aufbewahrten Thierfelle. Seines Raubes bemächtiget er sich mehr durch List und Ausdauer, als durch Gewalt. Die Bewohner des Nordens behaupten, dass der Vielfrass zur Zeit des Sommers den Renn- und Eiennthieren auf ihren Wegen auf Bäumen auflauere, und bei ihrem Vorüberziehen von den Ästen auf dieselben herabspringe , sich fest an dieselben anklammere, ihnen die Halsadern aufbeisse und die Überfallenen Thiere so lansre würge, bis sie ermattet zusammenstürzen, dieselben auch vorerst ver- bluten lasse, bevor er an seine Mahlzeit geht. Im Winter hingegen soll er sie im Schlafe überfallen oder wenn sie ihre Nahrung kümmer- lich unter dem tiefen Schnee hervorsuchen, oder auch im Schnee liegen, um zu ruhen, wobei er gegen den Wind an sie heranschleicht, ihnen auf den Rücken springt und sie durch einen Biss in den Nacken tödtet. Pferde und Kühe überfällt er zuweilen in den Wäldern. Hasen und Feldhühner, welche während des Winters im tiefen Schnee ver- borgen sind, beschleicht er und fängt sie unter dem Schnee hervor. Eben so gräbt er auch Mäuse aus, und stellt allen Vögeln nach, die er schon von Weitem spürt und nicht selten auch erhascht, indem er sich leise und langsam an sie heranschleicht. Sehr bedeutend sind die Verwüstungen, die er unter Hasen, kleinen Nagethieren und Vögeln anrichtet. Häufig raubt er den Köder von den Fallen und frisst auch die darin gefangenen Thiere, und oft zieht er denselben in ziemlich weiten Strecken nach. Auch besucht er die Fallen und Gruben, welche den Eiennthieren gelegt sind und nimmt die Beute aus den- selben aus. Gefangene Marder frisst er aber nicht, sondern zerreisst sie und vergräbt sie im Schnee, in ansehnlicher Entfernung von der Falle; daher ihm auch hungerige Füchse auf seinen Streifzügen zu folgen pflegen, um die verscharrtet! Thiere aufzuzehren. Was er von 344 seinem Raube nicht verzehrt , vergräbt er oder verbirgt es zwischen Klippen und in Höhlen. Auch anderen Raubthieren zieht er nach, um die zurückgelassenen Reste ihrer Beute aufzufressen. Eben so gräbt er auch todte Tliiere aus, und das Fleisch, welches die Jäger unter dem Schnee zu verbergen pflegen , schleppt er fort und verzehrt es an irgend einem abgelegenen Orte. Ja es wird sogar behauptet, dass er bei den Samojeden die Leichen aus der Erde scharre und sich zeitweilig davon nähre. Der gemeine Vielfrass ist allerdings raub- gierig und gefrässig, aber keinesweges gefrässiger als viele andere Raubthierc. Allerdings tödtet er, insbesondere von kleineren Thieren, mehr als er verzehren kann und saugt von ihnen erst das Blut, bevor er an das Fleisch geht. Seine Fressbegierde und Grausamkeit sind aber von jeher sehr übertrieben geschildert worden. Doch ist er wild, und im Verhältnisse zu seiner Grösse auch ausserordentlich stark, wodurch er seinen Gegnern hartnäckigen Widerstand leisten und sie gewältigen kann. Selbst Bären und Wölfe gehen ihm aus dem Wege und wagen sich nur zuweilen an ihn. Ja es wird sogar behauptet, dass der Wolf selbst den todten Vielfrass nicht berühre , obgleich er sonst, wenn ihn der Hunger dazu treibt, auch Aas geniesst. Doch ist der Vielfrass nicht allen Säugethieren ohne Unterschied gefährlich, und fällt auch den Menschen niemals an. Bei Gefahr, und insbesondere wenn er verfolgt wird, rettet er sich wo möglieh auf einen Baum oder auf die höchsten Klippen , wohin ihm seine Feinde nicht nachfolgen können. Sonst ist er jedoch leicht einzuholen, wenn man seine Spur verfolgt. Wird er angegriffen, so vertheidiget er sich mit Ausdauer und Mulh, und beisst wüthend um sich her. Ein einzelner Hund gewäl- tiget ihn nie, und oft wird es selbst mehreren schwer, ihn zu besiegen. Kann der Vielfrass dem Hunde nicht durch die Flucht auf einen Baum entgehen, so wirft er sich auf den Rücken, fasst den Hund mit seinen Krallen, wirft ihn zu Boden und verwundet ihn mit seinem starken Gebisse so heftig, dass er entweder zurückweich(Mi muss oder von ihm zerfleisclit wird; denn er lässt nicht eher los, als bis er die Kno- chen des Hundes entzwei gebissen bat. In Schweden fängt man ihn in Schlagfallen oder tödtet ibn mit Spiessen, oder schiesst ihn auch, um seinen Balg zu schonen, mit hölzernen Pfeilen und Pflöcken. Die Ost-Jacken erlegen ihn mit Pfeilen. Zur Zeit des Sommers Aerbirgt er sich, um vor der drückenden Sonnenhitze geschützt zu sein, in Fels- spalten und Erdhöhlen, bis zum Eintritte der Nacht, hn Winter hält er 345 selbst bei strengster Kälte, niemals einen Winterschlaf. Bisweilen geht er auch in's Wasser, Die Zeit der Paarung fällt meistens in den Januar, bisweilen aber auch schon in den Spätherbst. Das Weibchen wirft nach viermonatlicher Tragzeit, gewöhnlich im Mai, seltener schon im März, in den einsamsten, dichtesten Wäldern, entweder in hohlen Bäumen, in tiefen, unzugänglichen Felsenhöhlen oder in verlassenen Dachsbauen, meist 2, seltener 3, ja sogar bis 4 Junge. Die Jungen, welche der Ver- borgenheit ihres Lagers wegen nur äusserst selten aufgefunden werden, sind schon im ersten Jahre ausgewachsen. Im Alter soll der Vielfrass in der Regel die Zähne verlieren und daher nicht mehr zum Raube geeignet sein. Wird er jung eingefangen und aufgezogen, so wird er leicht gezähmt. Man füttert ihn mit Milch, Fleisch, Knochen und Fischen, selbst mit gekochtem Fleische. Pflanzenkost hingegen nimmt er nur ungerne zu sich, und verzehrt sie weder in grösserer Menge noch mit Gier. Überhaupt frisst er nie mehr als er zur Sättigung nöthig hat. Wasser trinkt er schlappend wie der Hund. Er muss jedoch mehr durch Güte als mit Strenge aufgezogen werden, um gehörig zahm zu werden; denn Schläge machen ihn nur boshaft und bissig. Er ist zutraulich, lernt seinen Pfleger sehr gut kennen und folgt auch seinem Rufe. In der Gefangenschaft zeigt er sich höchst reinlich, ver- scharrt seinen Unrath mit den Hinterbeinen wie der Hund , schläft aber fast den ganzen Tag, wobei er sich zu einer Kugel zusammenrollt, die Beine an sich zieht und den Kopf mit dem Schwänze bedeckt. Seltener schläft er auch mit von sich gestreckten Beinen, wie der Hund. Zur Nachtzeit ist er fast beständig in Bewegung, klettert, gräbt, scharrt, wälzt sich und folgt Personen, die er kennt, eben so nach als wie der Hund. Wird er mit einem Stocke gereizt oder überhaupt erzürnt, so knurrt er wie ein böser Hund, haut mit den Pfoten, ähnlich einer Katze, schnell um sich und fasst den Stock, mit den Zähnen knirschend, zwischen seinen Vorderbeinen. Bisweilen bringt ihn der Zorn bis zur völligen Ermattung und zum Schlafe. Mit Schweinen verträgt er sich, aber nicht mit Hunden oder Katzen. Hunde fällt er an , wenn sie ihn auch an Grösse übertreffen und bedient sich hierbei sowohl seines Gebisses, als seiner Krallen als WalTe. Fürchtet er zu unterliegen, so spritzt er einen Strahl seines dünnen, übelriechenden Unrathes dem Hunde entgegen, wodurch es ihm gelingt, sich von demselben zu befreien. Ein Gleiches erfolgt aucli, wenn man ihn sehr stark erzürnt. Sonst gibt er aber keinen unangenehmen Geruch von 346 sich. So lange er noch jung Ist, zeigt er sich possierlich wie ein junger Bär. Hat man ihn an einen Pfahl gebunden, so läuft er immer in einem Halbkreise umher, wobei er stets den Kopf schüttelt und grunzende Töne von sich gibt. Auch ein Vorgefühl bei Witterungsveränderung ist ihm eigen, da er vor dem Eintritte schlechter Witterung immer launisch und mürrisch wird. Bei zunehmendem Alter nimmt seine Zahmheit aber gewaltig ab. Er wird dann wild, sehnt sich nach Frei- heit und muss an eine Kette gelegt werden, da er oft, insbesondere Avenn er länger hungern muss, ganz unbändig wird und auch Lämmer und Ziegen anfällt. Im jugendlichen Alter folgt er aber seinem Herrn auch auf das freie Feld , so wie der Hund , spielt mit allerlei Dingen, scharrt im Boden, klettert auf Bäume, geht in*s Wasser und wälzt sich im Schlamme , Sand und Schnee. Er liebt den Schatten und die Kälte, ist lieber im Freien als im Stalle, und gräbt gerne hin und wieder Löcher in den Boden. Kann er aus der Gefangenschaft entkommen, so entflieht er in den nahen Wald , kehrt aber mit Personen , die er kennt, wenn sie zufällig auf ihn trefVen, freiwillig wieder in die Gefangenschaft zurück. So schädlich der gemeine Yielfrass für die Wildbahn ist, so nützlich wird er andererseits durch die Vertilgung von Mäusen und durch sein schönes, wie Atlas glänzendes Fell, das zwar nicht feinhaarig und daher von dem civilisirten Europäer nicht besonders gesucht, desto mehr aber von den Bewohnern Asiens geschätzt wird. Während es in Europa meist nur zu MufTen oder Kappen verwendet wird, kennt der Kamtschadale kein kostbareres Kleid und führt damit einen ausgebreiteten Handel bis nach China. Am geschätztesten sind dunkle Felle, am mindesten geachtet die Felle alter Thiere, welche, wie man behauptet, durch den Genuss von Ameisen einen schlechten Balg bekommen sollen. Über die Sitten des gemeinen Vielfrasses herrschen seit alten Zeiten her noch viele Fabeln. So hat man behauptet, dass er sich mit dem Fuchse paare, und seinen Raub mit demselben gemeinschaftlich und in vollster Eintracht ver- zehre; dass der Bär, wenn er drei Junge werfe, nur zwei derselben aufziehe, das dritte aber zu einem Vielfrass werde, eine Sage, die in Norwegen ihren Ursprung hat. Ferner, dass der Vielfrass Kalk und Steine fresse , wenn er in der Nähe einer Mauer angebunden wird, und dass er so gefrässig sei, dass er nicht eher von seiner Beute lasse, als bis sie vollständig aufgezehret sei, daher er seinen über- füllten und wie eine Trommel gespannten Leib zwischen zwei nahe 347 stehenden Bäumen durchpresse, um sich dadurch des Unrathes zu entledigen und das Fressen wieder von Neuem beginnen zu können. Bei den Finnen heisst er Fiäll-jerf, welches einen Feisenbewohner bedeutet, und daraus scheint der Name Vielfrass gebildet worden zu sein, welcher auch zu der abenteuerlichen Sage von seiner grossen Gefrässigkeit Veranlassung gegeben haben mag. Im Norden von Amerika wird der gemeine Vielfrass durch eine mit ihm sehr nahe verwandte Art vertreten, welche von den meisten Naturforschern aber nur als eine Abart desselben betrachtet wird. 1 1 . Gattung. Fischotter (Lutva). Der innere Höckeransatz des oberen Reisszahnes steht in der Mitte des Zahnes. In der Aftergegend ist keine Drüsentasche vor- handen, dagegen befinden sich neben dem After zwei Absonderungs- drüsen, welche am Rande des Afters münden. Die Krallen der Vorderfüsse sind keine Scharrkrallen. Das Auftreten findet fast auf der ganzen Sohle Statt. Die Sohlen sind theilweise behaart, die Zehen durch eine lange Schwimmhaut mit einander verbunden, und alle sind mit Krallen versehen. Die beiden mittleren Zehen sind nur wenig länger als die seitlichen. Der Leib ist stark gestreckt und nicht sehr schlank, der Schwanz mittellang, rundlich, und gegen das Ende tlach gedrückt. Die Schnauze ist sehr kurz und stumpf. Die Nasen- kuppe ist nackt. Vorder- und Hinterfüsse sind fünfzehig. Die gemeine Fischotter (Lutra vulgaris). (Fig. 71.) Die gemeine Fischotter hält in ihrer Gestalt beinahe das Mittel zwischen den Wieseln und den Robben und bildet scheinbar einen Übergang von den einen zu den anderen. Ihr verhältnissmässig kleiner, oben abgeflachter Kopf ist kurz, dick und breit, und wird von dem Thiere gesenkt getragen. Die Schnauze ist sehr kurz, breit und stumpf, vorne abgerundet, und endiget in eine kahle Nasenkuppe, die jedoch nicht ganz an dem äussersten Schnauzenende steht. Der Unterkiefer ist schmäler und kürzer als der Oberkiefer, und der nicht sehr tief gespaltene Mund wird von dicken Lippen geschlossen. Auf der Oberlippe befinden sich mehrere Reihen langer Schnurren, von denen die unteren dicker und länsrer sind als die oberen. Die 348 Sehnurren der Unterlippe sind kürzer und minder zahlreich. Einzelne Borstenhaare stehen auch an den Wangen, über und hinter den Augen, und unter der Kehle. Die Ohren sind sehr kurz, abgerundet, nur mit dem Rande aus dem Pelze hervortretend, und durch eine Klappe ver- schliessbar. Die Augen sind klein, nahe gegen die Mundwinkel und höher als die Ohren gestellt. Die Pupille ist rund , die Iris kastanien- braun; die Zunge rauh. Der Hals ist kurz und dick: der Leib lang- gestreckt, nicht sehr schlank und fast von gleicher Dicke, und der Rücken wird nie gekrümmt getragen. Die Beine sind sehr kurz und stark, und können nach rückwärts gestreckt werden. Die Vorderarme sind fleischig, die Sohlen der Hinterfüsse in der vorderen Hälfte kahl, in der hinteren behaart, und die Zehen durch nackte Schwimmhäute «ranz mit einander verbunden. Die beiden Mittelzehen sind nur wenig Uinger als die äusseren, und die Zehen der Vorderfüsse sind häufig kahl. Alle Zehen sind mit Krallen versehen, von denen die der Vor- derfüsse länger, schärfer und spitziger sind, als jene an den Hinter- füssen. Der mittellange Schwanz, welcher von halber Körperlänge ist, ist am Grunde dick und rundlich, allmählich zugespitzt, gegen das Ende flach gedrückt und wird von dem Thiere schief hinter sich nachgeschleppt. Die Behaarung ist kurz, dicht, anliegend und ziemlich weich. Das Wollhaar ist äusserst dicht und fein, beinahe seidenartig, das Grannenhaar länger und fester, gegen die Spitze etwas dicker als an der Wurzel, fett und glänzend. Die Färbung ist auf der Ober- seite dunkel röthlichbraun, auf der Unterseite heller, wobei die ein- zelnen Haare an der Wurzel grau sind und in röthlichbraune Spitzen endigen. Lippen, Stirne, Wangen und Kehle sind graulichbraun, die Schnurren beinahe grau, und unter dem Kinne, so wie an den Seiten der Nase, befindet sich häufig ein weisslichgrauer Flecken. Das Woll- haar ist grau. Im Winter ist das Fell dunkler als im Sommer, in der ersten Jugend schwarzbraun, und im Alter mehr in's Gelbliche ziehend und der Kopf fast grau. Die Körperlänge beträgt 2 Fuss 8 Zoll , die Länge des Schwanzes 1 Fuss 4 Zoll, die Höhe am Widerrist 1 Fuss 2 Zoll; doch gibt es auch Exemplare, welche eine Länge von 3 Fuss und selbst etwas darüber erreichen. Das Gewicht, welches die gemeine Fischotter erlangt, schwankt meist zwischen 20 mul 24 Pfund: in sel- tenen Fällen wird sie aber auch bis zu einem Gewichte von 40 Pfund angetroffen. Das Weibchen unterscheidet sich vom Männchen nur durch einen etwas schlankeren Bau und die hellere Färbung seines Felles. 349 Selten vorkommende Abarten in Bezug auf die Färbung, sind die beilrötblicbgelbe und die weissliche Abart. Die gemeine Fischotter ist über den ganzen nördlichen und gemässigten Erdstrich der alten Welt , mit Ausnahme der nördlichsten Gegenden , verbreitet. Von Norwegen , Schweden , Schottland und Russland, reicht sie durch ganz Europa bis nach Italien herab, während sie in Asien durch ganz Sibirien verbreitet ist und sich östlich bis Kamtschatka, und südlich bis in die grosse Tatarei, Persien und den Kaukasus erstreckt, wo sie insbesondere am Kur zu Hause ist. Ungeachtet dieser sehr weiten Verbreitung, ist sie aber in den cultivirteren Gegenden dermalen nirgends mehr häufig anzutreffen, da ihr allenthalben und schon seit lange her bedeutend nachgestellt wird. Sie findet sich sowohl im Flachlande als im Gebirge, und zwar nicht blos an allen grossen Flüssen und Seen, sondern auch an kleineren Flüssen, Teichen und Bächen, deren Ufer sie bewohnt. Immer sind es aber nur süsse Gewässer, in deren Nähe sie ihren Aufenthalt aufschlägt, und vorzüg- lich Forellen führende Bäche in waldigen, felsigen Gebirgsgegenden, welche sie anderen Orten vorzieht. Hier wohnt sie in unterirdischen Gängen, die sie sich unter dem Ufer, meist aber unter Baumwurzeln, selbst mitten zwischen Felsen oder unter Ufermauern auswühlt, indem sie hierzu die vom Wasser ausgeschwemmten Löcher und Höhlungen benützt, und dieselben durch Wühlen und Zerbeissen der Wurzeln, verlängert und erweitert. Diese Gänge, welche unterhalb der Ober- fläche des Wassers ausmünden und häufig auch mit einem Luftloche nach Aussen versehen sind, das zugleich als Ausgang dient, steigen in einer Länge von 4 — 5 Fuss schief nach aufwärts, und gewähren ihr hier stets einen trockenen Aufenthalt. Bisweilen sind es aber auch verlassene Fuchs- oder Dachshöhlen, die ihr als Wohnung dienen, wenn sie nicht allzuferne vom Wasser liegen. Immer hat die Fisch- otter aber mehrere solcher Wohnungen, da sich die Dauer ihres Aufenthaltes an einem und demselben Orte, nach der Reichlichkeit der vorhandenen Nahrung richtet, und sie denselben daher auch häufig wechselt und bald dort bald da auf einige Zeit ihr Lager aufschlägt. Überhaupt ist an kleinen Bächen ihr Aufenthalt fast immer nur von kurzer Dauer, da sie in der Regel dort nicht lange genügende Nah- rung findet, und selbst an kleinen Teichen ist sie selten, da sie hier vor Nachstellungen am wenigsten gesichert ist. Bei Hochwässern und während des Eisganges flüchtet sie sich auf nahestehende Bäume oder SSO auch in liohle Stämme. Die gemeine Fischotter führt mehr eine nächt- liche Lehensweise, liegt meist schlafend während des Tages in ihren Verstecken verhorgen, und golit erst des Nachts auf Rauh aus, ins- hesondere hei mondhellen Nächten. Nur an Orten, die selten von Menschen hesucht werden, stellt sie auch bei Tage bisweilen ihrer Beute nach. Sie lebt theils einzeln, tlieils in kleinen Gesellschaften von 2 — 3 zusammen in einem Baue. Ihre Hauptnahrung besteht in Fischen , Krebsen und Fröschen , doch jagt sie auch Wasser-Ratten, Mäusen und Wasser -Vögeln nach. Forellen und Krebse sind ihre Lieblingsnahrung. Die Jagd nach Fischen unternimmt sie gewöhnlich in Gesellschaft mehrerer. In seichten Wässern treibt sie die Fische in die Buchten zusammen, um sie leicht dort zu erhaschen, oder scheucht sie, indem sie mehrmals mit dem Schwänze plätschernd auf die Wasseroberfläche schlägt, in Uferlöcher oder unter Steine, wo sie ihr sicher dann zur Beute werden. In tieferen Gewässern verfolgt sie den Fisch aber vom Grunde aus und packt ihn schnell am Bauche. Häufig lauert sie den Fischen mitten im Wasser auf Stöcken und Steinen auf und taucht plötzlich unter, wie sie einen erblickt. Auch Krebse und Frösche zieht sie aus Löchern und unter Steinen hervor, und verzehrt sie, so wie die kleineren Fische, im Wasser schwimmend, mit über die Oberfläche emporgehobenem Kopfe, indem es sie so wie diese ganz verschlingt. Grössere Fische trägt sie zwischen den Zähnen an das Ufer und verzehrt sie auf dem Lande, wobei sie eben so wie die Katze, beim Fressen die Augen schliesst. Sie verzehrt aber nur das Fleisch und die kleineren Knochen, und lässt das Rück- grat und die stärkeren Knochen, und häufig auch die Köpfe liegen, obgleich bei kleineren Fischen es gerade diese sind, die sie am meisten lieht. Bisweilen frisst sie auch Baumrinde und Gras , und es scheint diess mehr aus Bedürfniss, als aus Mangel an anderer Nahrung zu geschehen. Sie schwimmt eben so schnell als ausdauernd, und taucht auch mit grosser Fertigkeit unter. Lange kann sie aber nicht unter dem Wasser aushalten und ist daher gezwungen, die Nase über die Oberfläche desselben zu erheben, um zu athmen. Ihr fettes Haar, welches beim Schwimmen niemals nass wird, soll während des Nachts zuweilen einen elektrischen Schein von sich geben, wenn sie rasch die Fluthen durchschneidet. Vielleicht beruht diess aber auf einer Täu- schung, da ihre Augen im Dunkeln leuchten. Die gemeine Fischotter schwimmt, wenn sie nach Beute jagt, stets dem Strome entgegen und 3S1 ist im Stande, einen Flnss auf eine Entfernung A'on 2 — 3 Stunden weit von ihrer Wohnung aufwärts zu verfolgen , wohei sie nur von Zeit zu Zeit den Kopf üher die Oberfläche erhebt, um zu atbmen und zu wittern, und dann wieder unterhalb des Wassers fortzuschwimmen. Auf die- sem Zuge besucht sie in dem Umfange einer Meile alle Flüsse, Bäche und Teiche, welche in den Hauptfluss münden oder mit ihm in Ver- bindung stehen, indem sie den Ab- und Zuflüssen desselben nachgeht und an deren Ufern nöthigen Falles auch ein Obdach findet. Zur Zeit des Winters, wenn die Gewässer zugefroren sind, sucht sie die Löcher im Eise auf, geht durch dieselben in das Wasser und kehrt nach vollbrachter Jagd entweder durch dasselbe Eis- loch wieder zurück, das sie mit grosser Sicherheit wieder auf- zufinden weiss, oder durch ein anderes, wenn sie ein solches in einer Entfernung, die nicht tausend Schritte übersteigt, auf ihrem Zuge trifft. Ihr Gang auf trockenem Lande ist zwar kriechend, doch ungeachtet ihrer kurzen Beine ziemlich schnell. Auf dem Eise und dem Schnee bewegt sie sich rasch und rutschend vorwärts, wobei ihr ihr glattes Fell gut zu Statten kommt und hilft sich auch mit ihrem kräfti- gen Schwänze. Die gemeine Fischotter ist sehr gefrässig und tödtet mehr Fische als sie verzehren kann. Daher geschielit es auch nicht selten , dass sie in kurzer Zeit einen Bach oder einen kleineren Teich vollständig ausfischt. Verleitet sie aber ihre Gefrässigkeit, die Fische sogar bis in die Beusen zu verfolgen, so findet sie häufig daselbst auch ihren Tod, indem sie sich leicht in denselben verstrickt und dann ertrinken muss. Sie hat einen ungemein feinen Geruch und ein sehr scharfes Gesicht, und ist dabei auch ausserordentlich scheu und flüchtig. Schon aus einer Entfernung von tausend Schritten gewahrt sie die Annäherung eines Menschen oder Hundes und sucht sich vor ihren Nachstellungen zu retten, hidem sie mit der grössten Schnelligkeit nach ihrer Höhle eilt, um sich in derselben sorgfältigst zu verbergen. Auch ist sie sehr listig, böse und wild, und wehrt sich heftig mit ihrem Gebisse gegen ihre Feinde. Wird sie angegriffen, so wirft sie sich entweder auf den Bücken, oder stellt sich auf den Hintertheil und beisst muthig um sich, ohne jedoch hierbei irgend einen Laut ertönen zu lassen. Nur wenn sie in Folge erhaltener Verwundungen stirbt, gibt sie Klagelaute von sich , die dem Jammern eines Kindes ähnhch sind. Wegen der grossen Verwüstungen, die sie in fischreichen Flüssen und Teichen anrichtet, wird ihr häufig nachgestellt. Die Art 352 und Weise, wie man sich der gemeinen Fischotter bemächtiget, ist verschieden. Entweder sucht man sie im Winter an den Eislöchern zum Schusse zu bekommen, oder man hiuert ihr auf, wenn sie sich auf überhängenden Stämmen oder auf Stöcken, Steinen und Sand- bänken, die aus dem Wasser hervorstehen, sonnet, wobei sich jedoch der Schütze immer dem Winde entgegen aufstellen muss. Auch in Schlageisen wird sie häufig gefangen, die entweder unter dem Wasser oder oberhalb desselben, an ihren Ausgängen angebracht werden. Mit Dachs- und Otterhunden treibt man sie auch aus ihrem Baue in sack- förmige Netze, zieht sie mit denselben aus dem Wasser und erschlägt sie dann. Dasselbe geschieht auch, wenn man sie aus ihrem Baue ausgräbt, doch muss hierbei immer der Ausgang, welcher in's Wasser führt, vorher gehörig verstopft M^orden sein. Die Ranzzeit fällt in der Regel zwischen das Ende Februars und den Anfang des März, wo sich sowohl das Männchen als das Weibchen durch einen starken, anhaltenden PGff gegenseitig an einander locken. Die Tragzeit währt 9 Wochen und im Mai wirft das Weibchen, gewöhnlich in einem unter alten Bäumen oder starken Wurzeln gelegenen Uferbaue, den es vorher gehörig mit Gras ausgepolstert hat, 2 — 4, doch in der Regel nur 2 blinde Junge, welche 9 Tage blind bleiben und von der Mutter sorglich gepflegt werden. Mit grösster Vorsicht sucht sie ihr Lager zu verbergen und vermeidet, um ja nicht entdeckt zu werden, in der Nähe desselben irgend eine Spur von ihrem Raube oder ihrem Miste zurückzulassen, wie denn die Fischotter überhaupt ihren Unrath, der stets eine Menge von Krebsschalen enthält, niemals in der Nähe ihres Baues, sondern immer auf Stöcken und Steinen, die aus dem Wasser hervorragen, abzusetzen pflegt. Ausnahmsweise findet die Ranzzeit aber auch zu anderen Zeiten Statt und zwar sowohl im hohen Sommer, als im Herbste, da man Fälle kennt, wo der Wurf der Jungen im October und selbst im December Statt gefunden hatte. Erst nach Verlauf von 8 Wochen werden die Jungen von der Mutter auf den Fischfang ausgeführt, und nach zwei Jahren sind sie völlig ausge- wachsen und selbst zur Fortpflanzung geeignet. Die Jungen können mit Milch und Brod aufgezogen werden; es ist aber nicht leicht, sie gross zu ziehen. Bald kann man sie auch an Pflanzenkost gewohnen, uiul später fressen sie Alles und selbst gekochte Speisen. Hat man sie nicht an den Genuss von Fischen gewohnt, so erregt er in ihnen sogar Ekel. In der Gef^mgenschaft gebraucht die gemeine Fischotter beim 3S3 Fressen die Vorderfüsse wie Hände, indem sie die Nahrung mit den Pfoten fasst, und schläft liegend auf dem Bauche. Wird sie sehr jung und zwar bei Pflanzennahrung aufgezogen, so wird sie auch ausserordentlich zahm und zutraulich, hört auf die Stimme ihres Herrn und gewährt demselben mancherlei Vergnügen. Alt gefangene werden aber niemals zahm. Gezähmte Fischottern, welche man mit Milch und Brod jung aufgezogen hat, können sogar zum Fischfange abgerichtet werden. Diese Abrichtung muss auf ähnliche Weise erfolgen wie beim Hunde, erfordert aber weit mehr Geduld, weil die Fischotter bei weitem weniger gelehrig ist. Es geschieht diess in einem Wasserkübel , wo man sie zuerst daran gewohnt , einen künst- lichen, aus Leder angefertigten und mit Wolle ausgestopften Fisch aus dem Wasser zu holen, und dem Herrn zu überbringen. Hat sie hierin einmal die nöthige Fertigkeit erlangt, so versucht man es später mit einem todten , und zuletzt mit einem lebenden Fische , bis man endlich wagen kann, sie in's Freie mit hinauszunehmen. Eine gut abgerichtete Fischotter begibt sich auf das Geheiss ihres Herrn in's Wasser und bringt ihm unversehrt die Fische zu. Man kann es mit Mühe und Geduld in der Abrichtung dieses Thieres so weit bringen, dass es sogar in Gesellschaft eines Hundes auf die Jagd zieht und so wie dieser die über dem Wasser geschossenen Enten herbeiholt. Ja man kennt sogar Beispiele, dass sie, wie der Hund, zur Bewachung von Hausgegenständen verwendet werden könne. Ihr höchstes Lebens- alter soll nicht 16 Jahre übersteigen. Der Nutzen, welchen die gemeine Fischotter dem Menschen gewährt, ist im Verhältnisse zu dem grossen Schaden, den sie anrichtet, nur geringe, und besteht ausser der Vertilgung einer nur geringen Zahl von Wasserratten und Mäusen, lediglich in ihrem Fleische und ihrem Felle. Ihr zähes, schwer verdauUches Fleisch, welches nur in Folge der Zubereitung schmackhaft wird , wird in katholischen Ländern häufig während der Fastenzeit gegessen. Ihr schönes, glänzendes Fell ist dauerhaft und warm, und wird mit Becht geschätzt, daher auch ein schöner Balg oft mit 20 Gulden und darüber bezahlt wird. Da sie nur zur Zeit des Herbstes und zwar nur wenig hart, so wird von ihr sowohl das Sommer- als das Winterfell benützt, obgleich man dem letzteren den Vorzug gibt. Gewöhnlich wird es zu Muffen, Mützen und Verbrä- mungen, aber auch zu Schlafdecken, Strümpfen und Schuhen verwen- det. Aus dem feinen Wollhaare, welches jedoch nur halb so lang als das (Naturgeschichte.) 23 3S4 des Bibers ist, werden schöne und dauerhafte Hüte verfertiget, und aus den Schwanzhaaren Malerpinsel gemacht. Die Bälge jener Fisch- ottern, welche an Bächen und kleinen Flüssen wohnen, gelten, vielleicht nur in Folge eines Vorurtheils , für schöner und besser als jene, welche von Fischottern stammen, die an grossen Flüssen und Seen leben. In früheren Zeiten wurden auch Blut, Fett und manche ihrer Eingeweide als Arzneimittel gebraucht. Die gemeine Fischotter war schon den alten Griechen und Römern bekannt, obgleich sie nur eine sehr unvollständige Kenntniss und manche irrige Begriffe von ihr hatten. So waren sie des festen Glaubens, dass sie selbst den Men- schen anfalle und wenn sie ihn mit ihrem fürchterlichen Gebisse erfasst habe, nicht eher los lasse, als bis sie das Krachen der zer- malmten Knochen vernommen habe. Die in Irland, Schottland, auf den Hebriden- und Shetland-Inseln, in Norwegen, Schweden und Dänemark, am Meere wohnenden Fischottern, sind eben so wie jene, welche in Ost-Indien, Nepal, China, Japan und Abyssinien in Flüssen vorkommen, nahe verwandte, doch mehrfach verschiedene Arten. 5. Familie, ßäre« (Ursi). Die vorderen Backenzähne sind schneidig, die hintersten höckerig. Der Reisszahn ist höckerig. Die Krallen sind nicht zurückziehbar. Die Bären sind über ganz Europa, Asien und Amerika bis in den höchsten Norden der Polarregion, und über einen Theil von Nord- Afrika verbreitet. Ihr Aufenthalt sind meist gebirgige Gegenden und häufig selbst Voralpen und Alpen, in denen manche bis zu ansehnlichen Höhen emporsteigen, während andere wieder Ebenen bewohnen, oder beide zugleich. Fast alle leben in dichten, oft weit ausgedehnten Wäldern oder in Felsengegenden, an einsamen Orten, in engen Gebirgs- schluchten und Höhlen oder in hohlen Räumen, und gehen nur selten in's Freie. Nur wenige finden sich auch in der Nähe von bewohnten Orten. Manche halten sich nicht ferne von Flüssen, Bächen, Seen und Sümpfen auf, während andere trockenen Gegenden den Vorzug geben, und eine Art, welche bis in den höchsten Norden reicht und nur zwi- schen Eisbergen und auf Schneefeldern getrofien wird, ist an die Ufer des Meeres gebunden und geht nie tiefer einwärts in das Land. Die meisten lieben die Einsamkeil und leben einzeln, und blos zur Zeit der 3SS Paarung in der Nähe ihres Weibchens , andere dagegen sind geselh'g und oft zu zahh'eichen Schaaren vereiniget. Einige haben einen bestimmten Aufenthalt, andere streifen nur zeitweise umher und manche führen fortwährend ein herumirrendes Leben, während die dem hohen Norden eigenthüniHche Art auf Eisschollen oft weite Reisen von einem Welttheile zum anderen unternimmt. Nur einige wenige graben sich Höhlen in die Erde oder in den Sand, um dort ihr Lager aufzuschlagen, oder machen sich eine schwache Vertiefung in den Boden. Die Lebensart der allermeisten ist eine halbnächtliche, obgleich sie mehr zur Nachtzeit als bei Tage auf Raub ausziehen; doch sind einige entschiedene Tagthiere, während andere wieder ein vollkommen nächtliches Leben führen und den ganzen Tag über schlafend in ihren Verstecken zubringen. Die Nahrung aller besteht sowohl in Pflanzen als in Thieren und richtet sich je nach den Umständen. In der Jugend scheinen sie, vielleicht mit einer einzigen Ausnahme, fast ausschliess- lich auf Pflanzennahrung hingewiesen zu sein, und selbst später ziehen sie diese fast durchgehends der thierischen Nahrung vor. Meist sind es aber nur Früchte, Samen, Wurzeln oder Blätter, die ihnen als Nahrung dienen, und nur bei einer einzigen Art auch Seetange und andere Meerespflanzen. Von Thieren sind es meist Säugethiere, Vögel und deren Eier, Fische, Insecten, deren Larven und Würmer, die ihre Hauptnahrung ausmachen, doch fressen einige auch Krebse und Muscheln. Die allermeisten lieben den Honig und einige auch Aas. Die grossen Arten sind höchst gefährliche Raubthiere, die, wenn sie der Hunger quält, selbst grössere Thiere anfallen und insbesondere unter unseren Hausthieren oft beträchtlichen Schaden anrichten. Manche von ihnen sind so dreist, dass sie selbst in die Ställe ein- dringen und das Vieh aus denselben rauben. Von den kleineren wagen sich jedoch nur wenige zuweilen in die Dörfer, um Hausgeflügel zu würgen oder die Eier desselben aufzufressen. Für den Menschen können nur die grossen Arten gefährlich werden, doch greifen sie ihn nur an, wenn sie gereizt werden, oder wenn sie der Hunger dazu zwingt. Der Gang der meisten, insbesondere der grossen Arten ist mehr oder weniger langsam und ungeschickt, obgleich ihr Lauf ziem- lich rasch und häufig auch sehr ausdauernd ist; dagegen bewegen sich einige der kleineren Arten mit grosser Behendigkeit auch auf ebenem Boden. Die Mehrzahl der Arten tritt beim Gehen mit ganzer Sohle auf, und nur bei einigen erfolgt der Gang auf halber Sohle. Die 23* 356 grossen Arten besitzen die Eigenthümlichkeit, auf icurze Strecken auch auf den Hinterbeinen aufgerichtet einherzugehen, und einige der kleineren springen in kurzen Sätzen auf der Erde. Alle aber können leicht und mehr oder weniger behende klettern, und viele von ihnen, insbesondere die kleineren Arten, selbst mit grosser Schnelligkeit, daher sich diese auch meist auf Bäumen aufhalten und hurtig auf den- selben umherspringen. Wenige nur gehen in"s Wasser und manche blos zur Noth, während einige vortrefflich schwimmen können. Ins- besondere ist es die an den nordischen Meeren wohnende Art, welche mit einer ausserordentlichen Leichtigkeit, Schnelligkeit und Ausdauer schwimmt, oft viele Meilen weit im offenen Meere getroffen wird, und eben so gut taucht, indem sie oft beträchtliche Strecken unterhalb der Oberfläche des Wassers zurücklegt. Mit Ausnahme einer einzigen Art, sind alle mehr oder weniger scheu und flüchtig; dagegen sind die grossen Arten, welche eine ausserordentliche Stärke besitzen und mit Leichtigkeit selbst eine Kuh oder ein Pferd fortzuschleppen vermögen, durchgehends muthig und furchtlos bei Gefahr, stellen sich kühn ihrem Angreifer entgegen, und vertheidigen sich mit Kraft und Ausdauer. Aber auch die kleineren suchen sich, wenn sie in die Enge getrieben werden, nach allen Kräften mit ihrem Gebisse zu wehren. Unter ihren Sinnen ist bei allen der Geruch am meisten ausgebildet, und nach ihm das Gehör. Einigen wenigen dient auch der denselben eigenthüm- liche Rüssel als besonderes Tastorgan, doch sind es gerade diese, welche die geringste Empfindlichkeit bei Verletzungen zeigen. Bei manchen besteht die Stimme in einem dumpfen Brummen, Schnauben und Murmeln, bei anderen in grunzenden oder pfeifenden, und zuweilen auch in bellenden Tönen. Einige der grösseren Arten, welche der nördlichen Zone angehören, graben sicli vor dem Eintritte des Winters eine Höhle in den Boden, die sie sorgfältig mit Moos, Laub und Gras ausfüttern, oder errichten sich aus Zweigen und Blättern ein hütten- ähnliches Obdach, um daselbst ihr Lager aufzuschlagen und die käl- teste Zeit in einem unterbi'ochenen Winterschlafe zuzubringen. Andere suchen wieder Schutz unter umgefallenen Stämmen oder in einem hohlen Baume. Bei manchen dieser nördlichen Bewohner dagegen sind es blos die trächtigen Weibchen, welche den Winter in einem solchen unterbrochenen Schlafe zubringen, indem sie sich unter Feis- und Eisblöcken verbergen oder auch nur eine Höhlung in den Schnee graben, wo sie sich nach und nach völlig verschneien lassen. Die Zahl 3Ö7 der Jungen wechselt zwischen 1 — 6, die bUnd geboren und von den Müttern mit Sorgfalt gepflegt, beschützt und vertheidiget werden. Manche von den grösseren Arten erreichen auch ein ziemlich hohes Alter. Viele sind verständig und klug, andere dagegen ohne Spur einer Intelligenz. Jung eingefangen, lassen sich alle Arten sehr leicht zäh- men, doch sind es nur sehr wenige, welche auch bei schon vorge- schrittenem Alter eine solche Zähmung annehmen und sich sanft und zutraulich beweisen. Die meisten werden, wenn sie älter geworden, tückisch und reizbar, und bekommen oft plötzlich Anfälle von Zorn und Bosheit. Keine Art zeigt aber eine besondere Anhänglichkeit an ihren Pfleger und die meisten lernen ihn kaum kennen; doch gibt es einige wenige, welche man selbst frei im Hause umhergehen lassen kann. Die bei weitem grössere Zahl ist durchaus zu keiner Abrichtung geeignet, und nur wenige sind es, welche zu Kunststücken, zum Tanze und selbst zu allerlei Verrichtungen im Hause abgerichtet wer- den können. Von vielen wird das Fleisch gegessen und fast von allen das Fell als Pelzwerk benützt. Auch Haut, Haar und Fett, ja selbst Knochen, Sehnen und Gedärme finden von einigen wenigen Arten beim Volke eine Verwendung. 1, Gattung-. Bär (Ursus). Der Schwanz ist sehr kurz. Die Zehen sind frei, die Sohlen nackt. Das Auftreten findet auf der ganzen Sohle Statt. Der Leib ist kurz und dick, das Haar zottig. Die Schnauze ist schwach gestreckt und stumpfspitzig. Die Lippen sind nur wenig vorstreckbar. Im Nacken befindet sich keine Mähne. Die Zunge ist nicht sehr lang und vorne abgerundet. Vorder- und Hinterfüsse sind fünfzehig. Der gemeine Bär (Ursus Arctos). (Fig. 72.) Der gemeine Bär ist das grösste und nebst dem Wolfe auch das gefürchtetste unter den europäischen Baubthieren. Sein Kopf ist ziem- lich kurz und hoch, das Hinterhaupt breit, der Scheitel platt, schmal und in der Mitte etwas ausgehöhlt, die Stirne rasch aufsteigend und stark gewölbt, und die ziemlich kurze, schon von den Augen an plötz- lich verschmälerte, kegelförmig zugespitzte Schnauze, endiget in eine sehr bewegliche, ziemlich spitze Nase. Der Oberkiefer ragt etwas über den Unterkiefer hervor; die Augen sind klein und schief gestellt. 358 und die nicht sehr kurzen, ziemlich weit aus dem Pelze hervorragen- den Ohren sind zugespitzt und abgerundet. Der Hals ist kurz und dick, der Leih ziemlich kurz und untersetzt, doch nicht besonders schwer- füllig und plump, und der gewölbte Rücken bildet gegen die Schultern zu eine ziemlich starke Einsenkung. Die Beine sind dick und kräftig, die vorderen kaum etwas kürzer als die hinteren und schwach nach einwärts gebogen. Die Sohlen sind verhältnissmässig kurz, die Krallen ziemlich lang und stark, und an den Vorderfüssen länger als an den Hinterfüssen. Der Schwanz ist sehr kurz und unter den Haaren ver- steckt. Die Behaarung ist ziemlich lang, dicht und reichlich, und zwar sowohl das Woll- als Grannenhaar. Das letztere ist schlicht, nur wenig zottig, grob, weich und glänzend, und in der ersten Jugend des Thieres sehr kurz, dünn gestellt und glatt. Die Seiten des Kopfes, welche das Gesicht begrenzen, der Bauch und die Hinterseite der Beine sind am längsten, die Schnauze am kürzesten behaart. Die Färbung ist dunkelbraun, bald mehr in's Röthliche, bald mehr in's Schwärzliche fallend, auf dem Rücken und den Schenkeln dunkler, auf dem Halse und den Schultern heller, bisweilen in's Gelbbraune ziehend. Die Seiten des Kopfes und die Ohren sind gelblichbraun, die Füsse und die Schnauzenspitze schwarzbraun. Alle Haare sind an der Wurzel dunkler als an ihrer Spitze, und von der grösseren oder geringeren Ausdehnung der helleren Farbe an den Spitzen, rührt auch die hellere oder dunklere Färbung an manchen Körperstellen her. Im Alter wird die Färbung im Allgemeinen etwas heller. Die Iris ist dunkelbraun. In der Jugend hat der gemeine Bär ein weisses Hals- band , welches ziemlich schmal und scharf abgegrenzt ist. Nach dem ersten Haarwechsel hingegen dehnt es sich mehr und mehr aus, ver- liert allmählich seine weisse Farbe und wird schmutzig oder bräunlich- gelb, und zuletzt gelbbraun, bis es endlich blos nur mehr in der helleren Färbung zu erkennen ist, welche auch das alte Thier am Halse und den Schultern zeigt. Doch ist dieses Halsband nicht immer vollständig, sondern bisweilen auch unterbrochen oder erscheint selbst nur durch einen weissen Flecken angedeutet, der sich vorne auf der Brust befindet. Nur äusserst selten erhalten sich einzelne weisse Flecken an den Seiten des Halses auch bis in"s späte Alter. Die Körperlänge des vollkommen erwachsenen Männchens beträgt 6ya Fuss, die Länge des Schwanzes 3 Zoll, die Höhe am Widerrist 3 Fuss 7 Zoll. Das Weibchen ist etwas kleiner und erreicht in der 359 Regel nur eine Länge von 6 Fuss. Meist findet man aber nur Individuen von 4 — 5 Fuss Länge und 3 Fuss Höhe. Das Gewicht alter Thiere beträgt in der Regel 400 Pfund, doch ändert es sich sehr, je nach der Verschiedenheit der Jahreszeit und des Vorkommens. Im hohen Norden, wo der gemeine Bär eine weit ansehnlichere Grösse erreicht, hat man auch schon einzelne im Gewichte von 700 Pfund getroften. Fast allenthalben in Europa unterscheidet das Volk, je nach der Grösse, der Farbe und den Sitten, unter dem gemeinen Bären zweierlei For- men; eine grössere, mehr schwärzliche, welche sich vorzugsweise von Pflanzen und Ameisen nähren und in ihren Sitten sanfter sein soll, und eine kleinere, mehr röthliche, welche sich hauptsächlich nurvouThie- ren nähren soll und welche für sehr wild und grausam gehalten wird. Die erstere dieser Formen wird mit dem Namen Gras- oder Ameisen- Bär, die letztere mit der Benennung Pferd- oder Honig-Bär bezeichnet. Wahrscheinlich sind diese beiden Formen aber nichts weiter als blosse Farben-Varietäten, denn auch die röthliche Form wird zuweilen von derselben Grösse angetrofl'en, während die behauptete Verschiedenheit in den Sitten wohl nur auf einer Täuschung beruht, und sich bei einer wie der anderen Form, leicht durch Alter, Jahreszeit, Überfluss oder Mangel an Nahrung erklären lässt. In Ansehung der Farbe kommen aber auch noch andere Verschiedenheiten vor, indem manche mehr in"s Grauliche, andere mehr in's Gelbliche fallen. Diese Bären, welche ihre Färbung ihren braunen, an den Spitzen heller oder dunkler weisslichgelb gefärbten Haaren verdanken und gleichsam mit einem Gold- oder Silberglanze überflogen sind, werden Gold- oder Silber- bären genannt. Zu den grössten Seltenheiten gehört aber die voll- kommen weisse Abart , welche als ein Albino zu betrachten ist. Die Verschiedenheit, welche man in der Höhe der Beine, ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht beobachtet hat, ist nur eine scheinbare, und beruht auf der reichlicheren oder minder reichlichen Behaarung, welche durch die Jahreszeit und den Haarwechsel bedungen ist. Der gemeine Bär gehört der kalten und gemässigten Region der alten Welt an und findet sich in allen spärlicher bewohnten Ländern, in Europa vom Polarkreise bis in die Alpen und Pyrenäen, in Asien durch ganz Sibirien, wo er südlich bis in den Kaukasus und Persien, und östlich bis Kamtschatka, vielleicht auch bis auf die aleutischen Inseln reicht. In Europa wird er am häufigsten in den östlichen und nörd- lichen Ländern getroff'en, namentlich in Russland, Norwegen und 360 Schweden, aber auch in Polen, Ungarn und der nördlichen Türkei. Minder zahh-eicli findet er sich in Spanien in den Pyrenäen, und auf den Alpen in Savoyen, der Schweiz und in Tirol. Im südlichen Baiern, in Salzburg und Österreich, wird er nur zuweilen und blos einzeln angetroffen, wenn er aus den Nachbarländern herüberstreift. Aus Deutschland, wo er einst häufig war, indem noch zwischen den Jahren 1611 — 16!>3 in Sachsen allein 203 Stücke erlegt wurden, ist er seit dem Jahre 1686, wo der letzte in Thüringen geschossen wurde, gänzlich vertilgt, und in allen Ländern von Mittel-Europa, wo er sich jetzt noch findet, war er früher weit häufiger als jetzt. In England und der Krimm ist er nicht mehr zu finden, und eben so wenig in den Apenninen, wo er zur Zeit der Römer häufig war. In den wärmeren Ländern sind es vorzüglich die höheren Gebirge, und zwar sowohl Alpen als Voralpen, die ihm zum Aufenthalte dienen, Avährend er in den minder warmen auch ebene Gegenden bewohnt. Hier lebt er in den dichtesten, und am liebsten in weit ausgedehnten Wäldern oder in düsteren öden Felsengegenden, in engen Schluchten, Brüchen und Höhlen, um Steinhaufen und kleine Sümpfe, wo er sieh meist eine Vertiefung in den Boden gräbt, in der er sieh ein mit Moos ausge- füttertes Lager bereitet, oder einen alten hohlen Baumstamm bezieht, wenn er ihm liinreichenden Raum zu seiner Wohnung gewährt, wäh- rend er sich im Sommer auch bisweilen blos mit dem kärglichen Schutze begnügt, den ihm überhängende Baumzweige darbieten. Er liebt die Zurückgezogenheit und Einsamkeit, ist ungesellig, lebt immer einsam, und nur zur Zeit der Paarung in der Nähe seines Weibchens. Auch hält er sich fast beständig in den Wäldern auf und geht nur ungerne in's Freie. Überhaupt verlässt er den Wald nur, um seine Wanderung nach Raub anzutreten. Obgleich er kein eigentliches Nachtthier ist, so geschieht diess doch häufig auch bei Nacht. Seine Nahrung besteht sowohl in Pflanzen als in Thieren und ist über- haupt nach den Umständen verschieden. Im Allgemeinen zieht er Pflanzennahrung der thierischen vor, und namentlich ist er in der Jugend fast ausschliesslich auf jene hingewiesen. Im Frühjahre nährt er sich von aufkeimendem Grase, von Gemüse, der Saat und von jungen Baumsprösslingen, und in Nadelholzwäldern auch von Ameisen, deren Haufen er mit ihrem ganzen Inhalte verzehrt; im Sommer und Herbste von saftigen Wurzeln, allerlei wilden Früchten und Beeren, insbesondere Erdbeeren, Trauben und Kastanien. Zu seinen grössten 361 Leckerbissen aber gehört der Honig, dem er mit solcher Leidenschaft nachstellt, dass er sich ohne Scheu den zahlreichen Stichen der Bienen eines ganzen Stockes aussetzt, nur um seiner habhaft zu werden. Fehlt es ihm an vegetabilischer Nahrung, so nimmt er zur thierischen Kost seine Zuflucht und wird in Folge seiner Stärke, zu einem sehr schädlichen und gefährlichen Raubthiere. Grössere Thiere greift er nur an, wenn ihn der Hunger dazu zwingt, und hauptsächlich sind es die Hausthiere , welche in unseren Bergen und auf den Alpen weiden, welche am meisten seinen Nachstellungen ausgesetzt sind. Dadurch verursacht er auch unter den Heerden oft grossen Schaden. Im Hochgebirge kommt er nicht selten des Abends oder zur Zeit der Nacht bis an die Alpenhütten heran, schleicht sich zu den Ställen, um welche Ziegen oder Schafe gelagert sind und raubt sich ein Stück aus ihrer Mitte, wobei die geschreckten Thiere gewöhnlich auf die Dächer flüchten und durch das Getöse, welches sie hierbei verursachen, die Senner und Sennerinnen aus ihren Hütten locken, denen es zuweilen auch gelingt, den ungebetenen Gast noch zur rechten Zeit zu verscheuchen. Ist ihm ein solcher Raub misslungen, so lauert er in einem Hinterhalte den Kühen auf, wenn sie einzeln zurück von ihrer Weide kommen. Nicht selten geht er aber auch auf ganze Heerden von Kühen mit ihren Kälbern los und hetzt sie so lange herum, bis ihm ein einzelnes Stück zur Beute wird , indem er es erhascht und davonschleppt, oder in einen Abgrund stürzt. Bisweilen schleicht er sich auch bei Nebel unter eine Heerde, und springt, ohne dass die anderen es verspüren, einer Kuh, vor deren Hörnern er sich fürch- tet, auf den Rücken, um sie am Halse so lange zu würgen, bis sie ermattet zusammenstürzt. Hat er einmal eine Kuh gepackt und wird er von den anderen bemerkt, so sammelt sich die ganze Heerde schnau- bend und brüllend um ihn her, während er mit seinem Raube schnell die Flucht ergreift. Bei Hunger ist er so dreist in seinen Anfällen, dass er selbst nicht die Gegenwart der Menschen scheut. Ja man kennt Beispiele, dass er sich sogar durch die Dächer der Alpenhütten, die er leicht erklettert, einen Weg in die Ställe bahnt, indem er einzelne Bretter des Daches abdeckt, und eine schnell erwürgte Kuh durch diese Öfl'nung herauszieht und mit ihr davon eilt, indem er sie, im Rachen festhaltend, auf dem Boden nach sich schleppt. Seine Lieblingsspeise sind die Euter und die Nieren, die er zuerst auf- frisst. Den Rest des Thieres vergräbt er, um ihn, wenn ihm in der 362 Zwischenzeit keine frische Beute wird, in der nächsten Nacht wieder aufzusuchen und gemächlich zu verzehren. Am liebsten sind ihm Käl- ber, doch sind auch Ochsen und selbst Pferde niemals vor ihm sicher, obgleich ihn erstere mit ihren Hörnern, letztere durch Ausschlagen und Beissen öfters verscheuchen und ihn selbst verfolgen, daher er sich auch nur bei äusserstem Hunger an sie wagt. Hirsche und Rehe fällt er ebenfalls minder häufig an, verschmäht aber im hohen Norden selbst die Lemminge nicht. Allen grösseren Säugethieren springt er bei seinen AngriflTen auf den Rücken und sucht sie mit seinem Gebisse und seinen starken Pfoten zu erwürgen, Fische frisst er gerne, und in Sibirien und Kamtschatka, wo er häufig ist, stellt er sich, zu ganzen Truppen vereiniget, an die Mündungen der Flüsse, und wirft sie mit grosser Sicherheit an's Ufer. Hier verzehrt er, wenn sie in grosser Menge vorhanden sind, nur die Köpfe und lässt die Leiber liegen. Ja selbst die ausgeworfenen Netze zieht er mit den Fischen aus dem Wasser und entleert sie ihres Inhalts. Überhaupt scheint er sehr lüstern nach dieser Kost zu sein, da er in jenen Ländern im Herbste, wenn die Fische stromaufwärts ziehen, denselben nach dem Gebirge nachgeht. Aas nimmt er nur bei ärgstem Hunger. Den Menschen greift er nur selten an, und blos wenn er gereizt, im Schlafe gestört, oder durch Hunger dazu gezwungen wird. In diesen Fällen kann er für ihn aber höchst gefährlich und wahrhaft furchtbar werden, insbe- sondere wenn er gereizt und dadurch in die höchste Wuth gebracht wird. Hierbei richtet er sich auf dem Hintertheile auf und greift sei- nen Feind in aufrechter Stellung an , indem er mit den Vorderpfoten kräftige Schläge führt, ihn zwischen seine Arme fasst, und durch diese Umarmung zu erdrücken oder mit seinen scharfen Krallen zu zerreissen sucht. Seines Gebisses bedient er sich bei diesem Anfalle nur wenig, doch zeigt er hierbei so viele Behendigkeit und Geschicklichkeit, als man bei seiner Plumpheit kaum vermuthen sollte. Findet der gemeine Bär aber hinreichend Pflanzennahrung, so unterlässt er jeden Angriff aufThiere und den Menschen. In manchen Alpengegenden, namentlich in der Schweiz, hält er sich oft jahrelang in der Nähe von Heerden auf, ohne einen Angriff auf sie zu unternehmen: auch kennt man Bei- spiele, dass er Kindern, welche im Walde zufällig auf ihn gestossen, die eingesammelten Erdbeeren aus ihren Körben weggefressen habe, ohne ihnen irgend etwas zu Leide zu thun. In Kamtschatka, wo es ihm gleichfalls niclit an Pflanzennahrung gebricht, und wo er oft 363 heerdenweise im Lande umherzieht, ist er so gutmüthig, dass Weiber und Mädchen bisweilen mitten unter Bären die Ähren auf dem Fehle und die Beeren in den Torfmooren lesen, und sich nicht im Geringsten vor ihnen scheuen, selbst wenn einer auf sie zukömmt, um ihnen die Beeren abzunehmen. Überhaupt ist der gemeine Bär im Sommer weit milder als zu anderen Jaln'eszeiten. Die Männchen sind nur zu Anfang des Herbstes kühn und böse, werden aber gegen das Ende desselben muthlos, und erst im Winter, wenn sie der Hunger bei milder Witte- rung aus ihrem Lager treibt, erwacht neuerdings ihre frühere Wild- heit. Am wildesten aber ist zur Zeit des Frühjahres die Bärinn, Avenn sie ihre Jungen bei sich hat. Die Stimme des gemeinen Bären besteht in einem eigenthümlichen Brummen, Schnauben und dumpfen Murmeln. Sein Gang ist langsam und ungescliickt, doch ist sein Tritt, da er hierbei mehr mit der Brust nach vorwärts geneigt ist und sich weniger auf die Fersen als auf die Zehen stützt, fest, sicher und furchtlos. So plump und unbeholfen er aber auch im Allgemeinen ist, so vermag er doch ziemlich rasch und ausdauernd zu laufen, besonders wenn er sich gefährdet sieht, oder wenn er die Bichtung bergan nimmt, wo es kaum möglich ist ihm nachzukommen. Eben so unermüdlich zeigt er sich bei Verfolgung eines Thieres. Zur Nachtzeit streift er oft 8 — 10 Stunden von seinem Aufenthalte entfernt herum, um einer Beute nachzugehen, und kehrt erst, wenn er sie gefunden und verzehrt, zu seinem Wohnorte zurück. So wenig ihn auch der Bau seiner Füsse zum Laufen geeignet macht, so sehr begünstiget ihn der- selbe, um sich aufrecht auf den Hinterbeinen zu erheben und selbst einige Zeit nicht nur in dieser Stellung zu verbleiben, sondern auch kurze Strecken aufrecht auf denselben zu gehen. Mit weit grösserer Leichtigkeit und Behendigkeit vermag er aber zu klettern. Ohne Schwierigkeit besteigt er die Bäume, deren Stämme und Äste er mit seinen Pfoten leicht umfassen kann, und setzt sich zuweilen sehr hoch auf den Bäumen fest, von denen er stets von rückwärts wieder herab- steigt, indem er selbst die geringste Hervorragung hierbei zum Anhaltspunkte benützt; eine Eigenschaft, die ihm bei Aufsuchung der Bienen-Nester wohl zu Statten kommt. Eben so vermag er aber auch an steilen Felswänden hinanzuklettern, wenn er nur irgend einen Anhaltspunkt an denselben findet. Im Wasser, das er zur Zeit des Sommers der Kühlung wegen häufig besucht, und in dem er auch gerne längere Zeit verweilt, schwimmt er mit eben so grosser 364 Geschicklichkeit als Schnelligkeit, doch ohne grosse Ausdauer; und nicht selten nimmt er, wenn er verfolgt wird, nach demselben seine Zuflucht, um durch Schwimmen seinen Feinden zu entgehen. Im All- gemeinen weicht er jedem Gegenstande aus, der ihm fremd erscheint und den er nicht schon kennt, und ist er genöthiget, sich einem solchen zu nähern, so geschieht es immer nur langsam und in höchst vorsichtiger Weise. Doch fehlt es ihm keinesweges an Muth, und bei vorhandener Gefahr zeigt er sich, seiner Kraft bewusst, nicht nur nicht scheu, sondern sogar vollkommen furchtlos. Sieht er sich plötz- lich überrascht und findet er selbst sein Leben bedroht, so ergreift er nie die Flucht, sondern setzt der Gewalt Gewalt entgegen. Je mehr er sich in die Enge getrieben fühlt, desto mehr erwacht auch sein Muth und seine Kraft. Seine Stärke ist ausserordentlich, denn er schleppt nicht nur ein getödtetes Pferd oder eine Kuh, indem er sie mit seinem Gebisse erfasst hat, mit Leichtigkeit selbst auf dem unebensten Boden über Felsen und Gestrippe fort, sondern ist sogar im Stande, diese Thiere über einzelne Baumstämme, die oft quer über die Schluchten liegen, in aufrechter Stellung hinüberzutragen, wobei er sie zwischen den Vorderpfoten hält, und den herabhängenden Leib an dem Stamme, der ihm zur Brücke dient, hinübergleiten lässt. Lärm scheut er, und es gelingt daher gewöhnlich, ihn durch den Schall der Hörner zu verscheuchen. Er bat einen sehr feinen Geruch und folgt seiner Spur schon aus beträchtlichen Entfernungen. Auch seine Intel- ligenz ist nicht geringe, und er besitzt eben so viel Verstand als Klugheit und Überlegung. Vor dem Eintritte des Winters bereitet er sich oft mitten zwischen Felsen, in Höhlen oder Gruben, die er sich mit seinen starken gebogenen Krallen gräbt, ein Lager, oder errichtet sich aus Zweigen und Blättern ein hüttenälmliches Obdach, das er im Inneren sorgfältig, jedoch kunstlos mit Moos, Laub, Gras und Zweigen versieht, um daselbst seinen Winterschlaf zu halten. In diesen Schlupf- winkeln, die er beim Eintritte strengerer Kälte bezieht, bringt er den ganzen Winter, ohne jedoch zu erstarren, schlafend und fast ohne alle Nahrung zu. Dieser Schlaf ist aber keinesweges so fest und anhaltend, als er geschildert wird; insbesondere bei den Weibchen, welche mitten im Winter ihre Jungen werfen. Selbst das Männchen bringt nur die kälteste Zeit lethargisch schlafend zu, erwacht aber bei mil- der Witterung oft schon im Januar und verlässt auf kurze Zeit selbst seine Höhle, um die wenn auch nur spärlich dargebotene Nahrung 365 aufzusuchen und bei erneuerter Kälte wieder in sein Lager zurückzu- kehren, um dort abermals in seinen Winterschhif zu versinken. Mit noch weit grösseren Unterbrechungen schläft aber das Weibchen zur Zeit des Winters, da es gerade zu dieser Zeit für seine Jungen zu sorgen hat. Die reichliche Nahrung, welche der Bär während des Sommers und Herbstes gefunden, macht, dass er sein Winterlager gewöhnlich sehr fett bezieht. Hier zehrt er den ganzen Winter über von seinem eigenen Fette, das nach und nach so aufgesogen wird, dass er, wenn er im Frühjahre sein Winterlager verlässt, ganz mager aus demselben her- vorkommt, wenn auch gegen Ende des Herbstes sein Körper noch so sehr mit Fett angehäuft war. Dass er übrigens dieses Fett aus seinen Pfoten sauge, ist eine Sage, die blos auf einer Täuschung beruht, da es zu seinen Gewohnheiten gehört, im Stande der Ruhe, wenn er liegt, häufig seine Pfoten zu belecken. Nur äusserst selten überwintern mehr als einer in einem und demselben Lager, und die Männchen verlassen dasselbe früher als die Weibchen, hi den gebirgigen Gegenden der milderen Himmelsstriche zieht der gemeine Bär im Sommer nach den Höhen und verweilet daselbst bis zum Herbste, wo er wieder in die Thäler herabsteigt; dagegen bringt er im hohen Norden den Winter in den Gebirgen zu, wohin er sich im Herbste der Nahrung wegen begibt, und kehrt erst nach vollbrachtem Winterschlafe, oft zu grossen Truppen vereiniget, im Frühjahre von den Quellen der Gebirge in die Thäler zurück. Überall stellen die Jäger dem Bären eifrig nach und bemächtigen sich seiner entweder mit der Flinte durch den Schuss, oder mittelst Lanzen, Pfeilen und besonderer Fallen, die im Norden von Europa sowohl, als auch in Asien eine sehr verschiedene Einrich- tung haben und ihn, wenn er auch noch so vorsichtig in dieselben einzudringen sucht, sicher entweder lebendig fangen oder erschlagen. Am häufigsten wird er durch den Schuss erlegt, und insbesondere ist es die Zeit vor Beginn des Winters, wo die Bärenjagd am lebhaftesten betrieben wird, da zu dieser Zeit sein Fell am schönsten ist. Für einen geübten, sicheren Schützen ist es nicht schwer, sich mit Hülfe der Flinte des Bären zu bemächtigen, ohne dabei seine eigene Person einer grossen Gefahr auszusetzen, insbesondere wenn sich mehrere Schützen zu einer solchen Jagd vereinigen. Doch ist es erforderlich, ihm gut auf den Kopf und in die Herzgrube zu zielen. Fühlt er sich getroffen und stürzt er nicht allsogleich todt zu Boden, so stösst er ein heftiges Gebrüll aus, haut mit seinen Tatzen in den Boden und wirft 366 sich in die Höhe, bis ein zweiter Schuss ihn vollends niederstreckt. Ist er aber nicht tödtlich verwundet, so geht er seinem Feinde ent- gegen, richtet sich gegen ihn auf und versucht es, ihn in seine Arme zu bringen und sich mit ihm in einen Zweikampf einzulassen. Aus diesem Grunde ist es höchst gefährlich, wenn man ihn verfehlt, oder wenn man es überhaupt wagt, ihn allein und ohne nahe Hülfe gewälti- gen zu wollen. Doch kennt man manche kühne Jäger, die einen solchen Versuch gewagt und sich mit ihm so lange gebalgt haben, bis sie durch einen ihrer Gefährten Befreiung fanden. In manchen Gegenden herrscht sogar die Sitte, dass der Jäger den Bären auf sich zukommen lässt, um ihm in demselben Augenblicke einen spitzen Pfahl durch den Bauch zu stossen, wo er sich auf die Hinterbeine stellt, um sich auf seinen Feind zu werfen und ihn zwischen seinen Armen zu erdrücken. Bei den Baschkiren, die sich hierbei eines Dolches bedienen, ist diese AngrifFsweise sehr gewöhnlich. Häufig bedient man sich auch grosser starker Bullenbeisser, Doggen und anderer Fanghunde, die ihn packen, worauf die Jäger herbeieilen und ihn mit ihren Lanzen erstechen. Gegen die Hunde, die ihn umringen und von allen Seiten anzupacken suchen, wehrt er sich heftig mit seinen Tatzen, welche er wüthend um sich schlägt, und zwar weit mehr als mit seinem Gebisse, wobei meist alle Hunde verwundet und immer auch mehrere derselben getödtet werden. Am mindesten schwierig ist es, sich seiner zur Zeit des Winterschlafes zu bemächtigen und ihn in seinem Lager aufzusuchen, wo er selbst leicht zu fangen ist. Auch in Kamtschatka suchen ihn die Einwohner in seinem Winterlager auf und werfen so lange Beisig vor den Eingang seiner Höhle, bis die ganze ()(Tnung verstopft und er aller Freiheit sich zu wehren beraubt ist, worauf er dann mitten auf seinem Lager mit Lanzen erstochen wird. Hie und da stellt man ihm auch Schlingen auf, in welche man ihn durch Honig, Fleisch und andere Köder, die seine Fressbegierde reizen, zu locken sucht. In Russland hat man mehrere sehr sinnreiche Fangarten erdacht, welche sich auf seine besondere Vorliebe für Honig stützen. Da der Bär keine Gelegenheit vorübergehen lässt Honig zu erhaschen und daher nicht blos den Nestern wilder Bienen nachstellt, sondern auch liäufig die Stöcke der halbwilden Bienen plündert, welche die Baschkiren in grosser Menge zerstreut in den W^äldern des Urals besitzen, und dadurch denselben grossen Schaden zufügt, so haben sie auf allerlei Mittel gesonnen, ihn von seinen Plünderungen abzuhalten oder 367 ihn hierbei zu fongen. Sie legen daher nicht nur ihre Bienenzuchten auf den höchsten Bäumen an, deren Stämme sie so glatt wie möglich machen, um ihm hierdurch das Erklettern derselben bedeutend zu erschweren, sondern umgeben diese Bäume auch noch mit spitzigen Pfählen, die, mit ihren Spitzen nach aufwärts gekehrt, in dem Boden feststecken. Zu diesen Bäumen leiten sie eine Spur von Honig, um den Bären anzulocken, und befestigen einen schweren Klotz an einem Seile, der frei von einem Aste herabhängt und den Eingang zum Bienenstocke deckt. Ungeachtet der unten angebrachten Pfähle, erklettert der lüsterne Bär den Baum, findet aber den Eingang zum Bienenstocke versperrt und versucht es, da er bemerkt, dass der Klotz beweglich ist, denselben durch einen tüchtigen Stoss mit der Tatze zu entfernen, so dass derselbe weit davon geschleudert wird. Beim Zurückfallen des Klotzes aber erhält er einen derben Schlag auf die Schnauze oder auf den Kopf und schleudert, dadurch erzürnt, den Klotz nur mit um so grösserer Heftigkeit zum zweiten Male von sich weg. Diess wiederholt sich immer mehr und mehr und immer heftiger, bis der Bär endlich entweder auf die angehoffte Beute verzichtet und den Rückzug antritt, oder besinnungslos in die am Boden angebrachten spitzen Pfähle von seiner Höhe herab- stürzt und sich durch diesen Sturz dieselben in den Leib bohrt. Eine andere, gleichfalls am Ural angewendete Methode besteht darin, dass man an solchen Bäumen, welche Bienenstöcke enthalten, ein Brett mittelst vier Seilen an einem starken Baumaste befestiget und dieses mittelst eines lockeren Baststrickes , der um den Stamm geschlungen wird, dicht vor dem Eingange zu dem Bienenstocke anheftet. Hat der Bär den Baum erklettert und sich auf dem Brette gemächlich nieder- gelassen, so sieht er sich jedoch durch den Baststrick gehindert, zum Bienenstocke zu gelangen. Er reisst ihn daher los und schwebt nun auf dem Brette frei in der Luft. Da ihm keine andere Wahl erübriget, als entweder auf dem Brette zu bleiben oder in die spitzen Pfähle herabzuspringen, was ihm unfehlbar den Tod bringt, so wählt er meist das erstere und wird auf diese Weise gewöhnlich von den her- beieilenden Jägern von seinem Sitze herabgeschossen. Ausserdem gibt es noch mancherlei andere Methoden , ihn zu fangen oder zu tödten. So wird er in Sibirien am Irtisch, Oby und Jenisei entweder in Gruben gefangen, in deren Mitte ein spitzer Pfahl angebracht ist, indem er durch ein auf seinem Wege aufgestelltes Schnellholz 368 erschreckt wird und blindlings in die Grube stürzt, oder auch blos durch ein aufgerichtetes Balkengerüst, wenn er unter demselben hin- weggeht, erschlagen. Eine andere, gleichfalls in Sibirien übliche Methode ihn zu fangen, besteht darin, dass man ihn mittelst eines Schnellholzes auf ein mit vielen Fussangeln versehenes Brett zu treten zwingt, wodurch er sich nach und nach eine Angel nach der anderen in die Füsse tritt und indem er sich unter gewaltigem Toben von den- selben zu befreien sucht, endlich an allen Vieren festnagelt; sodass ihm nichts übrig bleibt, als sich auf den Rücken zu werfen und die Beine sammt dem Brette , auf welchem sie fest angeheftet sind , in die Höhe zu strecken. Schwieriger ist es, ihn in Schlingen zu fangen, da er denselben mit grosser Vorsicht ausweicht und mit unglaublicher List den Köder sehr oft von denselben loszumachen weiss, ohne sich dabei zu fangen. Die Brunstzeit, Avelche über 30 Tage währt, tritt beim gemeinen Bären zu Ende des April oder im Laufe des Monats Mai ein, und nach 34wochentlicher Tragzeit, setzt das Weibchen zu Ende Januars oder während des Februar 1 — 3, in seltenen Fällen aber auch selbst 4 Junge von der Grösse neugeborener Doggen, die 6 — 8 Zoll in der Länge haben und 30 Tage blind bleiben. Sie sind, wenn auch unbehülflich, doch vollkommen ausgebildet und keines- Aveges, so wie die weit verbreitete Sage besteht, unförmliche Fleisch- klumpen, die erst nach und nach durch Lecken der Mutter ihre Avahre Gestalt erlangen. Etwas über 6 Monate saugen sie an ihr, fangen erst nach 2 Monaten an langsam herumzugehen und ent- fernen sich erst im dritten Monate etwas weiter und auf längere Zeit von derselben. Nach 4 Monaten haben sie bereits die Grösse eines grossen Mopses und laufen schon hurtig umher. Unaufhörlich spielen sie mit einander vor ihrem Lager, machen die possierlich- sten Sprünge, und klettern sehr geschickt und behende auf Bäumen auf und ah. Erst im nächsten Jahre verlassen sie die Mutter, wenn hei dieser wieder die Zeit der Paarung eintritt, und im fünften Jahre sind sie selbst zur Fortpflanzung geeignet. Die Liebe und Sorgfalt, welche die Bärinn zu ihren Jungen hat, gibt sich nicht nur allein durch die zärtliche Pflege zu erkennen, die sie ihnen angedeihen lässt, sondern auch durch die Aufmerksamkeit, mit der sie sie bewacht, und den Muth, womit sie dieselben vertheidiget. In den ersten beiden A^'ochen verlässt sie ihre Jungen auch keinen Augen- blick, nicht einmal um zu trinken, und schützt sie, indem sie sie unter 369 ihre Vorderpfoten birgt und durch die darüber gelegte Schnauze mit ihrem Hauche erwärmt. Erst in der dritten Woche erhebt sie sich zuweilen von ihrem Lager, ohne sich jedoch von den Jungen zu ent- fernen, verlässt sie auch später nur sehr selten und blos auf kurze Zeit, und bleibt ihre stete Begleiterinn bis zum nächsten Jahre. Sieht sie ihre Jungen in Gefahr, so vertheidiget sie selbe mit Kraft, Muth und Ausdauer, stellt sich wüthend den Verfolgern entgegen und opfert eher ihr eigenes Leben, bevor sie sich entschliesst die Jungen zu verlassen. Keine Jagd ist daher gefährlicher, als die auf eine ihre Jungen begleitende Bärinn; denn auch schwer verwundet, setzt sie mit aller Anstrengung ihrer Kräfte den Kampf, unter fürchterlichem dumpfem Gebrumme, bis zum letzten Athemzuge fort. W^ird der gemeine Bär jung eingefangen, so lässt er sich auch sehr leicht zähmen. Selbst ganz junge Thiere zeigen sich anfangs furchtsam, lernen aber bald ihren Pfleger kennen und folgen ihm auch nach so wie der Hund. Sie sind überaus possierlich in ihren Geberden und gewähren ihrem Besitzer mancherlei Vergnügen. Diese Zahmheit erhält sich in ungeschwächtem Grade selbst durch mehrere Jahre. Später aber ist dem Bären nicht mehr sehr zu trauen, da er tückisch wird und häufig plötzliche Anfälle von Zorn und Bosheit bekommt, und eben so sehr durch sein Gebiss als seine Krallen verderblich werden kann; wie man denn auch so manche Beispiele von in der Gefangen- schaft gehaltenen zahmen Bären kennt, die selbst ihren eigenen Pfleger, zu dem sie übrigens nie wahre Zuneigung bekommen, ohne besondere vorausgegangene Veranlassung, mit ihrem Gebisse die heftigsten, oft tödtlich gewordenen Verwundungen beigebracht haben. Die Gefangenschaft hält der gemeine Bär übrigens gut und dauernd aus, insbesondere wenn er jung mit Brot und Milch aufgezogen, und auch später mehr mit Brod als Fleisch gefüttert wird. Sechs Pfund Brod für den Tag, reichen auch für ein erwachsenes Thier vollkommen hin. Dabei darf es ihm aber nicht an Wasser fehlen , da er viel und gerne trinkt. Gewöhnlich trinkt er einen halben Eimer auf einmal und zwar schlürfend wie das Schwein. Auf diese Weise hat man Bären durch 40, ja selbst 50 Jahre erhalten, was überhaupt die Grenze seines Lebens zu sein scheint. Im hohen Alter wird er blind. In der Gefangenschaft bringt der gemeine Bär die ganze Nacht schlafend zu und ruht auch einen grossen Theil des Tages, während er die übrige Zeit mit stetem Hin- und Hergehen und mit Klettern zubringt, und (Naturg-eschichle.) 24 370 bisweilen auch oft mehrere Minuten lang mit allen Vieren in die Höhe hüpft. Hat er Gelegenheit in's Wasser zu gehen, so macht er ins- besondere zur Sommerszeit häufig davon Gebrauch, um sich zu kühlen. Seine Stimme lässt er aber in der Gefangenschaft nur dann erschallen, wenn er gereizt oder durch irgend etwas in Zorn gebracht wird, wobei er auch mit den Zähnen knirscht. In der Jugend lässt er sich auch zu allerlei Verrichtungen, zu Kunststücken und vorzüglich zum Tan- zen auf den Hinterbeinen abrichten. Solche zum Tanzen abgerichtete Bären werden vorzüglich von Italienern, Savojarden und Tirolern, aber auch von Litthauern und Russen herumgeführt, um die Neugierde der Volksmenge zu locken und bilden oft den einzigen Erwerb dieser Leute, die mit ihren abgerichteten Bären durch ganz Europa wan- dern, und sich mit Hülfe derselben kärglich ihr Leben fristen. In frü- heren Zeiten bestand diese Übung aber noch weit häufiger als jetzt. Da die Annahme und Erhaltung der aufrechten Stellung schon in der Natur des Bären liegt, so ist die Abrichtung desselben zum Tanze auch bald von ihm erlernt. Man setzt ihn zu diesem Behufe in einen Käfig, dessen Boden aus einer Eisenplatte besteht, die man ziemlich stark erwärmt. Um der Hitze wenigstens theilweise zu entgehen, richtet sich der eingesperrte Bär auf den Hinterpfoten auf, und beginnt auch bald zu hüpfen und in seinem Behältnisse herumzuspringen. Da hierbei getrommelt und gepfiffen wird, so hat es der Bär auch bald erlernt, beim blossen Schalle dieser Instrumente dieselbe Übung auszuführen. Solche Bärenführer richten ihre Thiere aber auch dazu ab, sich zu überschlagen, Affen auf sich reiten zu lassen, einen Stock im Maule und auf den Armen zu tragen, und von der versammelten Volksmenge Geld einzusammeln, indem sie, einen Teller in der Pfote haltend, im Kreise umhergehen, und auf ein gegebenes Zeichen ihres Führers ihr Gebrumm erschallen lassen, wenn die Gabe nicht genügend war. In manchen Gegenden von Russland und Sibirien benützt man die Bären auch, so lange sie noch jung sind, um das Rad zu treten und Wasser aus tiefen Brunnen zu ziehen, oder selbst Säcke und Holz in aufrechter Stellung an einen bestimmten Ort zu tragen. In Persien wurden sie ehemals von den Königen und Grossen des Reiches als Wacliposten vor ihren Gemächern verwendet, und noch vor nicht ganz anderthalb Jahrhunderten konnte nnui solche königliche Wächter frei in den Strassen von Ispahan umhergehen sehen. Vom gemeinen Bären finden fast alle Theile seines Körpers eine Benützung. Sein Fell wird 371 besonders im nördlichen Russland von den Händlern gesucht und zu verschiedenen industriellen Zwecken verwendet, und bildet einen höchst wichtigen Artikel für die Bewohner des Nordens. Man benützt es zu Betten, Decken, Muften, Mützen, Handschuhen, Pferdedecken, Kofferüberzügen , zu Sohlen für die Robbenfänger und zu Halsbändern für die Schlittenhunde. Aber auch im gesitteteren Europa wird es als Pelzwerk verwendet, insbesondere, wenn es von jüngeren Thieren stammt. Sein Fleisch, welches zwar süsslich schmeckt, aber durch Einsalzen und Räuchern einen angenehmen Geschmack erhält, und durch Einwässern dem Rindfleische ähnlich wird, wird in allen nörd- lichen Ländern von dem Volke gegessen. Am wohlschmeckendsten ist das Fleisch von jungen Thieren, insbesondere wenn sie mit Milch und Brod aufgezogen wurden. Seine Schinken, noch mehr aber seine Tatzen, gelten selbst auf den Tafeln der Grossen für einen Lecker- bissen und Averden namentlich in Petersburg häufig gegessen. Sein sehr flüssiges Fett galt lange Zeit allenthalben dem Volke für ein untrügliches Hausmittel in allerlei Krankheiten und wird von den Kamtschadalen und Neu-Georgiern selbst zu Speisen statt des Öles benützt. Seiner Schulterblätter bedienen sich die Kamtschadalen statt der Sicheln zum Mähen des Grases, und aus seinen Gedärmen ver- fertigen die Kosaken ihre Fensterscheiben, die fast so hell und durch- sichtig sind als Glas. Die feinen abgeschälten Häute der Gedärme endlich, verwenden die Weiber in Kamtschatka, indem sie sich mit denselben im Frühjahre, vom März bis Mai, das Gesicht überkleben, um die Schwärzung desselben durch die zu jener Zeit heftig vom Schnee zurückprallenden Sonnenstrahlen zu verhüten. Die Kenntniss des gemeinen Bären reicht bis in das Zeitalter der Römer und Grie- chen zurück; doch scheinen diejenigen Bären, welche die Römer aus Nord-Afrika und Lybien bezogen, einer vom gemeinen Bären verschie- denen und ZAvar schwarzen Art angehört zu haben, die auch von neueren Reisenden in Abyssinien und der Berberei am Fusse der Atlas gefunden, aber weder hinreichend besclmeben noch beachtet wurde. Auch diejenigen Bären, deren schon in der Bibel gedacht wird, gehören einer anderen Art an, welche in Arabien, Palästina und Nato- lien, und wahrscheinlich auch in Persien heimisch ist. In früheren Zei- ten, als man noch an den Höfen der Fürsten eine Belustigung an den Bärenhetzen fand, hielt man häufig eine grössere Zahl dieser Thiere in eigenen Zwingern und Gärten, um sie bei besonderen Gelegenheiten 24* 372 zur Hetze zu verwenden, und pflanzte sie auch in diesen Zwingern fort; und noch heut zu Tage sieht man hie und da in Deutschland mehr oder minder erhaltene Überreste solcher Bärenzwinger. Das Fell des gemei- nen IJären ist am schönsten zur Zeit des Spätherbstes und des Winters, namentlich im November; am schlechtesten, vom Frühjahre angefangen bis zur Mitte des Sommers, während welcher Zeit das Hären vor sich geht. Am geschätztesten ist das Fell der schwarzbraunen Abart, wäh- rend das der weisslichgelben beinahe werthlos ist. In Sibirien herr- schen viele Fabeln von dem Bären; man hält ihn für gerecht und für den Bächer der Lüge, daher man auch denjenigen Eid für den heilig- sten betrachtet, bei dem der Schwörende in das Fell eines Bären beisst. Die Jakuten sind des vollsten Glaubens, dass der Bär die Sprache des Menschen verstehe und zur Zeit des Winters sehr gut höre, daher sie es auch nicht wagen. Böses von ihm zu reden. Eben so sind sie auch der festen Meinung, dass der Bär nie in einem Kreise herum gehe , sondern stets auf halbem Wege umkehre. Ähnliche fabelhafte Vorurtheile haben auch die Itälmenen oder eingeborenen Kamtscha- dalen , und wenn einer von ihnen schon von Ferne einen Bären sieht, so bietet er ihm seine Freundschaft an. Die bedeutenden Abweichungen, welche unter den europäischen sowohl als auch den nordasiatischen braunen Bären vorkommen, und welche nicht blos in einer Verschiedenheit der Färbung, sondern auch in einer völlig verschiedenen Gestalt des Schädels, abweichenden körperlichen Verhältnissen, ja selbst in einer Verschiedenheit der Sitten bestehen, haben manche Naturforscher bestimmt, mehrere Arten unter den braunen Bären anzunehmen, während viele hingegen dieselben nur als Varietäten einer und derselben Art zu betrachten geneigt sind. Die Kenntniss, welche wir von diesen verschiedenen Formen bis jetzt haben, reicht aber ihrer Mangelhaftigkeit wegen noch nicht hin, sich hierüber ein bestimmtes Urtheil zu erlauben, obgleich es wahrschein- lich ist, dass sich, wenn auch nicht alle, doch wenigstens zwei dieser verschiedenen Formen in der Folge als wirklich verschiedene Arten herausstellen dürften. Diese von den Naturforschern seither unter- schiedenen Formen , sind ausser den beiden schon früher angeführten, welche unzweifel])ar nur als Varietäten des gemeinen Bären zu betrach- ten sind, folgende: der Halsbandbär (Ursus Arctos coUaris), der Gold- oder Silberbär (Ursus Arctos aureus), der Ameisenbär (Ursus Arctos formicarius) , der Pyrenäenbär (Ursus Arctos pyrenaicusj 373 und der norwegische Bär (Ursus Arctos norwegicus) . Alle diese fünf Formen lassen sieh aber wohl anf zwei zurückführen, nämlich den HaLsbandbären und den Gold- oder Silberbären, mit welchen die übrigen drei Formen höchst wahrscheinlich zusammenfallen. Der Halsbandbär hat einen am Hinterhaupte breiten, jedoch längeren und minder hohen Kopf, einen gewölbten breiten Scheitel, eine allmählich in die Schnauze übergehende, flache Stirne und eine längere, dickere und stumpfere Schnauze. Seine Ohren sind etwas kürzer und mehr gerun- det, sein Leib ist dick, schwerfällig und plump, und sein Haar lang und zottig. Seine Farbe ist bald hell gelblichbraun, bald schwärzlichbraun, und eine breite weisse Binde, die sich von den Schultern an allmählich verschmälernd herabzieht, umgibt den Hals und ist dem Thiere in jedem Alter bleibend. Die braune Grundfarbe wird bei älteren Thieren an den Seiten dunkler. Die Beine sind schwarz. Bisweilen, jedoch nur äusserst selten, kommen auch einfarbig weisse Varietäten dieses Bären vor. Diese Form wird sehr gross und reicht vom Ural durch ganz Sibirien bis nach Kamtschatka. In dem Districte am Jenisei, insbeson- dere in den oberen Gegenden, ist sie häufig, am häufigsten aber in Kamtschatka, wo sie oft herdenweise herumziehend getrofi'en wird. Sie ist sanft und furchtsam, und ergreift schon beim Schreien eines Menschen die Flucht. Der Gold- oder Silberbär hat ebenfalls einen längeren und niedereren, zugleich aber auch schmäleren Kopf, einen gewölbten breiten Scheitel, und eine allmählich in die Schnauze über- gehende, flache Stirne, aber eine noch längere, dickere und stumpfere Schnauze. Seine Ohren sind etwas kürzer und gerundeter, der Leib ist dicker und kürzer, die Beine sind niederer, die Sohlen länger, und das Haar ist länger, zottiger und minder glänzend. Seine Farbe ist schmutzig weisslichgelb, indem die einzelnen Haare zwar am Grunde braun sind, aber in beträchtlich lange, schmutzig weisslichgelbe Spitzen endigen. Der Kopf ist etwas dunkler gefärbt. Das weisse Halsband fehlt selbst den jüngsten Thieren, die anfangs braun, im ersten Jahre bräunlichgrau, und im dritten und vierten Jahre fast silbergrau erschei- nen, bis sie bei zunehmendem Alter die weisslichgelbe Färbung erlangen. Die Beine sind schwarz. Die Länge, welche diese Form erreicht, beträgt höchstens 6 Fuss; gewöhnlich wird sie nicht so gross getroffen. Sie tritt stark und mit ganzer Sohle auf, wobei die volle Last auf den Fersen ruht, indem sie beim Gehen den Hintertheil des Leibes nach rückwärts neigt, und dadurch einen mehr wankenden 374 und minder sicheren Gang erhält. Sie findet sich sowohl in Norwegen, Schweden und Russiand, wie in Polen, Galizien und Ungarn, und dehnt sich östlich his Persien aus, während sie westlich nur noch in den Pyrenäen getrolTen wird. Am häufigsten ist sie im östlichen Russland, dagegen scheint sie am südlichen Ural zu fehlen. Vorzugsweise sind es ebene Wälder, die ihr zum Aufenthalte dienen, und zwar nicht bloss grosse, dichte, weit ausgedehnte, sondern auch kleinere Wald- bezirke. Sie gilt für viel sanfter als der gemeine braune, in Europa heimische Rar. Der in Nord -Amerika vorkommende braune Rar, welcher das sogenannte Rarrenland nördlich und östlich vom Sklaven- See his zum Polarmeere durchzieht, und bisher für eine Abart des gemeinen Raren gehalten wurde, ist eine Varietät des amerikanischen Raren oder Raribal, so wie auch der japanische Rar eine besondere, selbstständige Art bildet. 2. Gattung. Polarbär (Thalassarctos). Der Schwanz ist sehr kurz. Die Zehen sind durch eine kurze Spamihaut mit einander verbunden, die Sohlen behaart. Das Auftreten findet auf der ganzen Sohle Statt. Der Leib ist etwas gestreckt und dick, das Haar zottig. Die Schnauze ist schwach gestreckt und etwas spitzig. Die Lippen sind nur wenig vorstreckbar. Im Nacken befindet sich keine Mähne. Die Zunge ist nicht sehr lang und vorne abgerundet. Vorder- und Ilinterfüsse sind fünfzehig. Der weisse Polar- oder Eisbär (Tlialassnrctos polaris). (Fig. 73.) Der weisse Polar- oder Eisbär ist die grösste Art unter den bärenartigen Thieren und das gefürchtetste Raubthier des hohen Nordens. Aber seine Grösse sowohl als seine Wildheit sind bisher sehr übertrieben angegeben worden; denn nach den neuesten Erfah- rungen ist er bei weitem nicht so fürchterlich, als man ihn seit- her geschildert. In seiner Gestalt kommt er zwar im Allgemeinen mit dem gemeinen Raren überein, unterscheidet sich aber in mannig- faltigen Reziehungen hierin wesentlich von demselben. Sein Kopf ist länglich , niedergedrückt und schmäler als beim gemeinen Raren; das Hinterhaupt ist sebr verlängert, die Stirne platt, die Schnauze dick und spitz, und das Gesichtsprofil bildet eine flache Ebene, indem der Nasenrücken in wagerechter Richtung mit der 375 Stirne liegt. Die Ohren sind klein, und verhältnissmässig kürzer und mehr gerundet als beim gemeinen Bären. Die Rachenhöhlc ist minder tief gespalten und die Nasenlöclier sind auch mehr geöffnet. Der Hals ist bedeutend dünner und länger, und der plumpe Leib ist weit gestreckter als bei diesem. Die mittelhohen, starken und kräftigen Beine haben viel längere und breitere Sohlen, mit denen das Thier noch vollständiger auftritt als der gemeine Bär. Die Zehen sind durch starke Spannhäute fast bis zur Hälfte ihrer Länge mit einander ver- bunden und mit mittellangen, dicken, krummen Krallen bewaffnet. Der Schwanz ist sehr kurz, dick und stumpf, und ragt kaum aus dem Pelze hervor. Die Behaarung ist lang, zottig, reichlich und dicht, aber bei weitem nicht so lang als bei den im heissen Indien vorkommen- den bärenartigen Thieren, und besteht aus einem schlichten, feinen, glänzenden, und insbesondere am Bauche weichen und fast wolligen Haare. Am Kopfe, Halse und am Rücken ist es am kiu'zesten, am Hintertheile, dem Bauche und den Beinen am längsten. Die Sohlen sind behaart und zwar mit sehr langen Haaren besetzt. Auf den Lippen und über den Augen befinden sich nur wenige Borstenhaare und den Augenlidern fehlen die Wimpern. Die Färbung besteht in einem ein- förmigen Weiss, mit einem schwachen gelblichen Anfluge. Ein Ring um die Augen, die Krallen, das nackte Nasenende und die Zunge sind schwarz; eben so auch die Lippenränder, welche jedoch etwas in's Violette fallen. Das Innere des Rachens ist von violetter Farbe. Die Iris ist graulichbraun. Junge Thiere sind rein silberweiss, während der gelbliche Anflug erst mit zunehmendem Alter erscheint. Die Färbung bleibt sich zu allen Jahreszeiten beständig und unterliegt durchaus keiner Veränderung. Die Körperlänge vollständig erwachse- ner Thiere beträgt 8 Fuss 7 i/o Zoll, die Länge des Schwanzes 5 Zoll, die Höhe am Widerrist 4 Fuss 9 Zoll. Doch wechselt die Grösse sehr, je nach dem Alter und Geschlechte, und selbst nach Individuen. Die Weibchen sind in der Regel kleiner als die Männchen, und die mitt- lere Grösse beträgt bei den ersteren 6 Fuss 7 Zoll , bei den letz- teren 7 Fuss 10 Zoll; die Höhe schwankt zwischen 4 und 4^/3 Fuss. Die grössten Individuen, die man bisher kennen lernte, hatten eine Körperlänge von 8 Fuss 9 Zoll bis 9 Fuss. Dieselbe Verschiedenheit findet auch hinsichtlich des Gewichtes Statt, welches der Eisbär erlangt, und hängt vorzüglich von der grösseren oder geringeren Menge von Fett ab, welche bei den verschiedenen Jahreszeiten auch 376 sehr verschieden ist. Die mittlere Schwere beträgt bei Weibchen 7, bei MännchiMi 9 Centner, während das höchste Gewicht, welches man bisher beobachtet hat, 12 — 16 Centner betrug. Der Eisbär gehört ausschliessHch der Polar-Region an und ist im höchsten Norden von Amerika, Europa und Asien zu Hause. Wie weit seine Verbreitung gegen Norden reicht, ist unermittclt; doch fand man ihn, so weit man bisher nach dem Norden vorzudringen vermochte, und zwar noch über dem 82. Grade, wo kein anderes Landthier mehr getrofTen wird. Von der Natur dazu ausgerüstet, die äussersten Kältegrade zu ertragen, streift er, von keinem anderen Wesen beirrt, in jenen einsamen und verlassenen Gegenden, zwischen Eisbergen und Schneefeldern als alleiniger Bewohner umher. Südwärts dehnt er seine Streifzüge nur bis zum 55. Grade aus und zwar bis an die Küsten der Hudsons-Bay und Labrador's. Am häufigsten ist er in Amerika zu treffen. Hier gehört er jedoch nur der Ostküste an, wo er an der Baffins- und Hudsons-Bay, in Grönland und Labrador gemein ist. Doch ist er auch hier nicht überall in gleicher Menge anzutreffen. So ist er auf der Nordküste von Grönland häufiger als auf der südlichen, und zwar sowohl auf dem festen Lande, als auf dem Treibeise; und eben so wird er auch in der Davis - Strasse häufiger an der Westküste getroffen, als an der östlichen. Überhaupt findet er sich dort häufiger, wo er weniger den Verfolgungen der Eskimo's ausgesetzt ist, daher er auch bei Port- Bowen, in derBatty-Bay und Prinz -Regents- Bucht zahlreicher getroffen wird als in anderen Gegenden; vielleicht aber auch, weil der Lancaster-Sund selten lange mit Eis bedeckt ist. Gegen Westen scheint er sich nicht weit auszubreiten ; denn an den Küsten zwischen dem Kupfer- und Mackenzie- Flusse ist er nicht zu treffen, und nur in höchst seltenen Fällen erscheint er, nach der Aussage der Eskimo's, einzeln jenseits des Mackenzie -Flusses. In Europa ist es nur die Insel Spitzbergen, die ihm zur Heimath dient, von wo er jedoch bisweilen einzeln auf Eisschollen an die Küsten von Island und Norwegen gelangt, daselbst aber bald von den Einwohnern erlegt wird. In Asien bildet Nova-Zembla den Hauptsitz seines Auf- enthaltes, wo er eben so wie in Grönland und auf Spitzbergen, das ganze Jahr hindurch und oft in grosser Zahl zu finden ist. An die Nordküste von Sibirien kommt er nur, wenn er von da auf dem Eise dahin getrieben wird, mit dem er auch meistens wieder nach seinem früheren Aufenthaltsorte zurückkehrt. Nur wenn er bei den langen 377 Winternächten, und bei Nebel und Sehneegestöber zuweilen seine Richtung verliert, schlägt er auf dem mit Moos und Flechten über- zogenen und überfrorenen Boden, in Sibirien sein Winterlager auf, geht aber dabei niemals so weit nach Süden hin, wo die Region der Wälder beginnt. Obgleich er an der Nordküste von Sibirien sehr häufig ist, so sieht man ihn doch nur höchst selten auf dem festen Lande zwischen der Lena und der Mündung des Jenisei , und noch seltener zwischen dem Oby und dem weissen Meere, da ihm die weit vom Oby nach Norden auslaufenden Vorgebirge und Nova-Zembla, eine weit bessere Zufluchtsstätte gewähren. Auch nach Kamtschatka wan- dert er nur äusserst selten auf dem Treibeise hinüber, und fehlt im östlichen Sibirien eben so, wie auf den Inseln zwischen Asien und Amerika. Der Eisbär ist der beständige Gefährte des Wallrosses und ist daher im eigentlichen Eismeere, wo auch Wallrosse seltener sind, seltener anzutreffen. Sein eigentlicher Aufenthalt ist an die Meeres- küsten gebunden, und er wandert daher nie tief in's Land hinein und entfernt sich niemals weit vom Meere. Er hält sich auch lieber auf dem Eise als auf dem festen Lande auf und bringt die meiste Zeit seines Lebens auch auf dem Eise zu. Vom Hunger getrieben, schwimmt er von einer Scholle und von einer Insel zur anderen, und man findet ihn daher sowohl in der Davis -Strasse und Baffins-Bay, wie westlich und östlich von Spitzbergen, selbst bis 82 y« Grad nordwärts, häufig auf schwimmendem Eise, und zwar am häufigsten im europäischen Eismeere, zwischen der Hudsons-Bay, Grönland und Spitzbergen. Auf schwimmenden Eisfeldern trifTt man ihn oft über 200 Meilen weit vom Festlande entfernt, und er ist auf denselben eben so zu Hause, wie auf dem festen Lande. Meist wird er zu zahlreichen Gruppen ver- einiget getrofi*en und bisweilen in Schaaren, die gegen 100 Stücke zählen und ähnlich einer Schafheerde an den Küsten lagern. Er ist ein vortrefflicher Schwimmer und schwimmt mit eben so grosser Schnelligkeit als Ausdauer. Die Geschwindigkeit mit der er sich im Wasser bewegt, beträgt 3 englische Meilen in einer Stunde, und er ist im Stande, ohne grosse Beschwerde viele Meilen weit im Wasser zurückzulegen. Die grosse Masse seines Fettes kommt ihm hierbei wesentlich zu Statten und macht, dass er sich leicht auf der Oberfläche desselben erhält. Nicht selten findet man ihn ferne von allem Lande und ohne Eis , weit im offenen Meere , und man kennt Beispiele , wo man ihn 40 Meilen von Eis und Land entfernt, mitten im Wasser 378 schwimmend getroffen. Eben so geschickt ist er aber auch im Unter- tauchen; denn mit staunenswerther Leichtigkeit schwimmt er oft län- gere Zeit und auf beträchtliche Entfernungen unter der Oberfläche des Wassers, und geht häufig selbst unter den Schaluppen durch, o])gleich ihn iuerin die See-Säugethiere i»ei weitem übertreffen. In seinen Bewegungen auf dem Lande ist er, ungeachtet der Plumpheit seines Körpers , viel schneller und geschickter als der gemeine Bär. Sein Gang scheint zwar wankend und unsicher zu sein, doch ist er, wenn es Noth thut, ziemlich schnell, und mit grosser Leichtigkeit läuft er auf dem glatten Eise, auf welchem ihm die Behaarung seiner Sohlen einen sicheren Tritt gewährt. Sein Lauf ist immerhin so rasch , dass ihm ein Mensch auf Schnee- und Eisfeldern nicht zu entkommen vermasr, und mit grosser Leichtigkeit erhebt er sich auch auf den Hinterbeinen, um um sich herzublicken oder sich zur Wehre zu stellen. Durch seinen Aufenthalt in eisigen Gegenden, wo sich weder Früchte, noch Schösslinge von Pflanzen finden , ist er fast ausschliesslich auf thie- rische Nahrung hingewiesen. Seine Hauptnahrung besteht in Fischen, Piobben, Delphinen, jungen W'^allrossen und Walen; doch frisst er auch Seevögel und ihre Eier, und scheint todte Thiere frischem Fleische vorzuziehen. Todte Wale gehören zu seiner Lieblingskost und man trifft ihn nicht selten an ihren Leichen zehrend. Auch hat man die Beobachtung gemacht, dass es vorzüglich die am Walthier-Aase zeh- renden Eisbären sind, deren Fell eine auffallend gelbliche Färbung annimmt, was wahrscheinlich durch den Thran verursacht wird. Fische sind ihm unter den lebenden Thieren am liebsten. Er zieht sie unter- tauchend aus dem Wasser und ist dabei so rasch, dass ihm selbst Lachse und andere schnelle Fische nicht entgehen. Häufig fängt er sie auch, wenn sie zwischen dem Eise schwimmen, hervor, oder aus den vielen Löchern, die er sich mit seinen starken Krallen in das Eis einbricht, und verzehrt sie dann im Trockenen. In Buchten, treibt er auch nicht selten die in die Mündungen der Bäche zurückkehrenden Fische zusammen, und frisst sie dann in Menge auf. Delphine und jimge Wale verfolgt er zwischen dem Eise und zieht den Hobben nach, insbesondere zur Zeit des Früh- und Spätjahres, wenn sie an die Luftlöcher des Eises kom- men. Mit grosser List weiss er sich derselben zu bemächtigen. Erblickt er eine Robbe, so senkt er sich still uiul geräuschlos in'sMeer, schwimmt gegen den Wind ihr zu, und nähert sich ihr, indem er untertaucht, in grösster Stille, wobei er die Entfernung so sicher und richtig 379 abzuschätzen weiss, dass er bei seinem letzten Auftauchen dicht neben der Robbe erscheint, die dann verloren ist, sie mag sich in's Wasser rollen oder auf dem Eise liegen bleiben; denn entweder erfasst er sie noch auf dem Eise, oder er stürzt ihr nach, um sie nach wenigen Minuten im Rachen auf dasselbe zurückzubringen. Auf dem Lande tödtet er auch junge Waili'osse, an die er sich jedoch, wie Samojeden und Jakuten aussagen, im Meere niemals wagt. Im Nothfalle, bei uner- giebiger Jagd, geniesst er auch Seepflanzen, und in Amerika, wo er zur Zeit des Herbstes nicht selten bis über den S7. Grad nach Süden streift, auch Beeren, namentlich Heidel- und Steinbeeren, Wurzeln und andere in jenen Gegenden wachsende Pflanzen. An Landthiere geht er seltener, und nur dann, wenn es ihm an Seethieren gebricht. Tiefer im Lande, und in Gegenden wo Rennthiere, Hasen und Schnee- hühner getroffen werden, macht er aber auch auf diese Jagd. Dagegen zieht er in Gegenden wo Kuh- und Schaf beerden gehalten werden, ins- besondere im Herbste, wo er hinreichend mit anderer, willkommenerer Nahrung versehen ist, oft gleichgültig an ihnen vorüber und selbst mitten durch die weidenden Thiere hindurch, ohne ihnen einen Schaden zuzufügen; während er im Frühjahre, wo ihn sehr der Hunger plagt, dieselben überfällt, was sich insbesondere bisweilen auf Island ereignet. Überhaupt frisst er Thiere aller Art und lässt von ihnen nur das Fell zurück; ja selbst das Fleisch seiner eigenen Art geniesst er, wenn gleich auch ohne Gier. Seine Lust nach faulem Fleische soll so gross sein, dass er in bewohnten Gegenden, wie von einem glaubwürdigen Reisenden behauptet wird, selbst Steine von den Gräbern Avälzt, um sich der menschlichen Leichen zu bemächtigen. Ungereizt fällt er den Menschen selten, und nur bei grösstem Hunger an. Dass man sich vor seinem Angriffe retten könne, wenn man sich todt stellt, gehört offenbar in den Bereich der Fabeln. Der Eisbär ist stärker als irgend ein anderes bärenartiges Thier. Er bricht nicht nur allein mit Leichtigkeit mit seinen starken Krallen grosse Löcher durch das dicke Eis, sondern trägt auch ohne alle Anstrengung selbst einen Menschen im Rachen mit sich fort, wobei sein Lauf so rasch ist, dass es nicht möglich ist ihn einzuholen. So sah man einen Eisbären einst einen Matrosen davon tragen, den er am Rücken erfasst hatte, und dem seine Gefährten der Schnelligkeit wegen, mit der sich der Bär mit seiner Beute entfernte, auf sein Klagegeschrei nur nachzusehen, ihn aber nicht mehr zu erretten vermochten. So raubgierig aber auch der Eisbär ist. 380 so ist (loch seine Gefrässigkeit sehr übertrieben worden. Er frisst auch Schnee und trinkt das Wasser schlappend. Scheu hat er keine und kommt in Gegenden, wo er zahlreicher zu treffen ist, oft in Menge an die Schiffe. Nur wenn er einzeln im Meere schwimmend, in die Nähe eines Schiffes kommt, taucht er unter, erscheint aber bald wieder an der Oberfläche des Wassers, hu hohen Norden von Amerika hält er sich in jenen Gegenden, wo das Wasser wahrscheinlich das ganze Jahr hindurch offen bleibt, den ganzen Winter über an dem- selben auf, wie diess namentlich in der Barrow- Strasse der Fall ist. Überhaupt halten die Männchen, und ebenso auch die nicht trächtig gewordenen Weibchen des Eisbären keinen Winterschlaf; daher sie auch von den Eskimo's den ganzen Winter hindurch erlegt werden. Doch verlassen sie im Winter meistens das Land und begeben sich aufs Eis, um daselbst den Robben nachzustellen. Die trächtigen Weibchen hingegen suchen sich bald nach der Paarung, welche in den August oder den Anfang des Septembers fällt, meist schon im September, wo die Sonne spärlich scheint, und sie bereits ungemein fett geworden sind , ein Lager unter Felsen oder überhängenden Eis- blöcken aus, oder graben sich eine seichte Höhlung in den gefrorenen Schnee, wo sie sich später ganz verschneien lassen und durch fort- währende Schneefälle auch bald so hoch und vollständig überdeckt werden, dass nur durch ihren warmen Hauch eine Öffnung zum Athmen frei bleibt. In diesem Lager, welches sie von Ende Decem- bers an nicht mehr verlassen, halten sie ihren Winterschlaf und erwa- chen nicht eher, als bis die Frühlings -Sonne ziemlich hoch steht. Hier werfen sie, nach 6 — Tmonatlicher Tragzeit, meist schon zu Anfang des Monats März, gewöhnlich 2, seltener aber nur 1, und äusserst selten 3 Junge, in der Mitte ihres Schneelagers, das sie sammt ihren Jungen, die dann nicht grösser als Kaninchen sind, mit Ende März oder Anfangs April ganz abgemagert verlassen. Die Jungen begleiten die Mutter, selbst wenn sie noch saugen, auf allen ihren Zügen und verlassen sie erst dann, wenn wieder die Zeit des Winterschlafes heranrückt. Sie werden von der Mutter mit der grössten Liebe und Sorgfalt gepflegt und erzogen, und selbst wenn sie schon ziemlich erwachsen sind, thcilt sie alle Gefahren mit ihnen, und ist dann dop- pelt furchtbar. Schon in der ersten Zeit der Jugend geht sie mit ihnen in's Wasser und lehret sie zwischen dem Treibeise schwimmen, und obschon sie auch bald sehr gut schwimmen können, so soll sie doch 381 anfangs, wenn sie ermüden, dieselben auf ihren Rücken nehmen. Aber anch die Jungen zeigen grosse Liebe und Anhänglichkeit an ihre Mutter und lassen sich an ihrer Seite eher mit einander tödtcn, bevor sie sie verlassen, selbst wenn sie schon eine ansehnlichere Grösse und Stärke erlangt haben. So hatte einst im hohen Norden die Mannschaft einer eingefrorenen Fregatte eben Wallrosse auf dem Eise gebraten, um Thran aus denselben zu gewinnen , als eine Bärinn mit ihren beiden Jungen, die ihr an Grösse beinahe gleich kamen, durch den Geruch angelockt herbeieilte, sich mit ihnen dem Feuer zustürzte, und ein grosses Stück Fleisch hervorzog, das sie mit Gier verzehrten. Um sich dieser Thiere zu entledigen , warf man ihnen vom Schiffe aus Fleisch hinab, auf welches die Bärinn sogleich zueilte, das meiste unter ihre beiden Jungen theilte und für sich nur ein kleines Stück behielt. Als sie aber im Begriffe stand das letzte Stück zu holen, legten die Matrosen auf die Jungen an, schössen beide nieder und verwundeten auch die Mutter, jedoch nicht tödlich. Mit kläglichem, wirklich rührendem Angst- geschrei betrauerte sie ihre Jungen, und obschon sie sich selbst kaum mehr fortzubewegen vermochte , wankte sie doch sogleich zu ihren unglückHchen Jungen hin, zerriss das Fleisch, das man ihr, bevor auf sie geschossen wurde, vorgeworfen hatte, in Stücke und legte es den Jungen vor. Als sie sah , dass sie nicht fressen wollten , streckte sie ihre Pfoten bald nach dem einem, bald nach dem anderen aus, und versuchte unter kläglichem Geschrei sie aufzurichten. Da alle Mühe vergebens Avar, schleppte sie sich eine kleine Strecke fort, kehrte aber bald wieder zu ihren Jungen zurück und beleckte ihre Wunden. Doch als sie endlich sah , dass ihre Jungen kalt und todt seien, erhob sie ihren Kopf, wandte ihn dem Schilfe zu, und stiess voll Wuth und Verzweiflung heftig brummende Töne aus, worauf erneuerte Schüsse sie vollends zu Boden streckten, indem sie, ihre Wunden noch beleckend, mitten zwischen ihren todten Jungen niedersank und starb. Die Eis- bären werden allenthalben, insbesondere aber von den Samojeden, Jakuten und Eskimo's verfolgt, und bilden vorzüglich im März und April, wo die Weibchen mit ihren Jungen ihr Winterlager verlassen, einen Hauptgegenstand der Jagd. Zu diesem Behufe bauen sich die Samojeden und Jakuten in jenen Gegenden, wo sie Eisbären zu treffen sicher sind, besondere Hütten aus Holz, um in denselben den ankom- menden Bären aufzulauern, und nicht selten ereignet sich, dass in diesen Hütten, welche im Winter verlassen sind, einzelne Bärinnen 382 ihr Lager aufschlagen. Man tödtet die Eisbären entweder durch FUn- tenschüsse oder ersticht sie auch mit Lanzen. Immer müssen hierbei aber mehrere Personen vereiniget sein, welche sie entweder in Booten auf dem Meere verfolgen, oder auf dem Eise mit Hilfe der Hunde zu gewältigen suchen. Angegriffen, hält der Eisbär fast unter allen Um- ständen Stand, greift selbst an, und vertheidiget sich mit eben so viel Muth, als Kraft und Ausdauer, insbesondere im Wasser, das sein eigentliches Element ist. Leichter ist es ihn auf dem Eise zu tödten, wo er, wenn er gereizt oder von Hunden gefasst und gehalten wird, sich auf den Hinterbeinen aufrichtet, sich in aufrechter Stellung wehrt und blindlings auf seinen Feind losstürzt, unbeaclitend die ihm ent- gegen gehaltenen Lanzen. Ein in demselben Augenblicke ausgeführter Sprung zur Seite, entzieht den Jäger seinem Angriffe, und ein kühn angebrachter , kräftiger Stoss mit der Lanze, streckt den Bären dann sicher zu Boden. Den grössten Widerstand leisten aber die Bärinnen zur Zeit wenn sie Junge haben. Jedenfalls bleibt die Jagd auf Eis- bären sehr gefährlich und erfordert Vorsicht, Kaltblütigkeit und Muth. Flinten und Lanzen sind am sichersten, denn Äxte und Keulen reichen oft nicht zu, da der Schädel des Eisbären so stark und fest ist, dass er Schläge auf den Kopf mit Keulen , durch die selbst ein Rind fallen würde, aushält, ohne sie zu achten. Wird er auf dem Eise, insbeson- dere durch einen Schuss verwundet , so ergreift er gewöhnlich die Flucht, und die hochnordischen Jäger behaupten, dass es das ausströ- mende Blut sei, das ihn erschrecke und zur Flucht bewege. Anders verhält es sich aber, wenn er eine Verwundung im Wasser erhält. Es hatte sich ereignet, dass ein SchifTs-Capitän, als er einen grossen Eisbären, während er schwamm, mit seinen Leuten in einem Boote verfolgte und ihm schon zweimal die Lanze in die Brust gestossen hatte, in demselben Augenblicke von dem Bären am Schenkel ergriffen und über Bord gerissen wurde, als er eben im Begriffe stand die Lanze ihm aus dem Leibe zu ziehen , um einen neuen Stoss gegen ihn zu führen; und nur durch das gleichzeitige Einschreiten der gesamm- ten Mannschaft, welche ihren Capitän zu retten suchte, gelang es, den schwer verwundeten Bären zu verscheuchen. Wie sehr sich aber und mit welcher Entschlossenheit ein solcher verwundeter Eisbär bisweilen zu vertheidigen sucht, geht aus folgendem Beispiele hervor. Die Mannschaft eines Wallfischfängers hatte von ihrem Boote aus auf einen Eisbären geschossen, der sich eben auf einer schwimmenden 383 Scholle befand und ihn verwundet. Mit grösster Hast lief der Bär auf dem Eise in der Richtung gegen das Boot, stürzte sich in\s Wasser, schwamm gerade auf dasselbe hin, und versuchte es hinaufzuklettern. Man hieb ihm mit einer Axt eine Pfote ab und suchte mit dem Boote gegen das Schiff zu steuern, aber auch dahin verfolgte das verwun- dete Thier seine Angreifer, erkletterte selbst mit einem verstümmelten Beine noch das Deck, und wurde hier erst von der zahlreichen Mann- schaft getödtet. Den Menschen flieht der Eisbär selten, fürchtet aber die Hunde, und lässt sich durch Geschrei und Trompetenschall, so wie durch den Geruch angezündeter Federn leicht vertreiben. Unter seinen Sinnen sind der Geruch und das Gehör am besten ausgebildet, weniger hingegen das Gesicht. Sein Geruchssinn ist so fein, dass er denThran, welcher aus dem Wallfischfleische ausgebraten wird, schon aus ansehnlicher Ferne riecht und dadurch oft stundenweit herbeige- lockt wird. Seine Stimme, welche in brummenden Tönen besteht, lässt er nur dann erschallen, wenn er in Wuth geräth, doch schreit er auch bisweilen ähnlich einem heiseren Hunde. Jung gefangen, lässt sich der Eisbär zähmen und selbst abrichten, muss aber immer mit Vorsicht behandelt werden. Ja man kennt Beispiele, dass Eis- bären ihrem Herrn gestatteten, sie selbst in ihrem Käfige zu besuchen und sich mit ihnen wie mit einem Hunde herumzubalgen. Die meisten Jungen werden am Wallfisch- Aase gefangen, indem man die Alten an ihrer Seite früher tödtet ; doch graben sie die Eskimo's im Früh- jahre sammt der Mutter, auch oft aus ihrem Schnee-Lager aus und bemächtigen sich ihrer schon in zarter Jugend, nachdem sie vorher die Mutter getödtet haben. Selbst in seinem Vaterlande fühlt sich der Eisbär, wenn er auch noch so jung ist, unter Dach nicht wohl, son- dern wälzt sich mit Vergnügen im Schnee und kühlt sich, obgleich schon seine eigene Wärme nicht gross ist und nicht über 100 Grade Fahrenheit beträgt, mit ausgestreckten Beinen auf dem Eise. Wärme kann er durchaus nicht ertragen und muss , wenn man ihn erhalten will, entweder freien Zugaug zu dem Wasser haben, oder wenigstens oft mit kaltem Wasser übergössen werden. Man zieht ihn mit Milch und Brod auf und erhält ihn am sichersten, wenn man ihn auch späterhin fortwährend nur mit Brod füttert. 6 Pfund reichen für ein erwachsenes Thier zu seinem täglichen Bedarfe hin und es wird dabei sehr fett. Auch ältere eingefangene Thiere gewohnen sich bald an diese vegetabilische Nahrung. Als ehi eigentliches Tagthier bringt er die Nacht schlafend zu. 384 ruht aber auch öfters bei Tage, indem er entweder ausgestreckt auf dem Bauche liegt, oder auf dem Hintertheile sitzt so wie der Hund, wobei er den Kopf in der Regel hängen lässt. Häufig schlägt er aber auch den Kopf anhaltend auf und ab, und richtet sich auch zuweilen auf den Hin- terbeinen auf, um sich umlierzusehen. Bei zunehmendem Alter zeigt er sich sehr reizbar, stellt sich, wenn er erzürnt wird, auf die Hinterbeine, schlägt mit den Vorderpfoten um sich, und sucht unter fortwährendem Brummen zu beissen. Am meisten fürchtet er die Schläge auf die Nase, die er sorgfältig in solchen Fällen zwischen den Vorderpfoten zu verbergen sucht. In der Regel hält der Eisbär die Gefangenschaft in unserem Klima selten lange aus; doch ist es möglich ihn bei guter, seiner Natur angemessener Pflege, ihn auch im mittleren Europa selbst lange zu erhalten. So ist ein Beispiel bekannt, dass ein Eisbär, der jung eingefangen und in Europa aufgezogen wurde, 22 Jahre in der Gefangenschaft gelebt. Den Winter bringt er eben so wie den Som- mer, auch in der Gefangenschaft in gleicher Thätigkeit zu. Die Alten haben den Eisbären noch nicht gekannt und seine Entdeckung fällt erst in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts. Die Völker des Nordens benützen sowohl sein Fell, als auch sein Fleisch , sein Fett und seine Sehnen. Aus dem Felle werden in Grönland Decken für Stühle, Stiefel, Sohlen und Handschuhe verfertiget, aus den Sehnen Bindfäden zum Nähen der Schuhe gedreht. Auf Spitzbergen werden die Felle, nach- dem sie mit erhitzten Sägespänen getreten worden, um sie vom Fette zu reinigen, gesammelt und bis nach Deutschland verhandelt, wo sie wie auch im Norden als Pelzwerk benützt und theurer bezahlt werden, als das Fell des gemeinen Bären. In Norwegen und auf Island werden, diese Felle häufig auch von den Fischern den Kirchen verehrt, wo sie vor den Altären als Fussdecken gebraucht werden, um die Priester vor Kälte zu schützen. Das Fleisch wird von den Bewohnern des hohen Nordens gegessen, und die Grönländer und Eskimo's geniessen auch den Speck. Das Fleisch ist weissHch, saftig, fett wie Schaffleisch und schmeckt, wenn es vom Fette gereiniget wird, auch durchaus nicht unangenehm. Am meisten wird aber das Fleisch der Schenkel gerühmt. Obgleich die Nordländer, welche an den Genuss des Eisbärenfleisches gewohnt sind, dabei gesund und kräftig bleiben, so scheint diese Kost doch dem eivilisirten Eiu'opäer, insbesondere bei dem ersten Versuche ihrer Anwendimg, zu schaden. Heftiger, dm-ch 2 — 3 Tage anhaltender Kopfschmerz und Abschuppung der Haut, soll häufig die Folge davon 385 sein, und unter den Schiffern besteht sogar der Glaube, dass man durch den Genuss des Eisbärenfleisches frühzeitig ergraue. Für noch schädlicher wird der Genuss der Leber betrachtet, doch wird auch diese von den Küstenbewohnern in Sibirien ohne allen Nachtheil genossen; die Eskimo's hingegen füttern damit nur ihre Hunde. Das Fett, welches in so reichlichem Maasse vorhanden ist, dass ein grösseres Thier selbst auch nach dem Winter bisweilen noch einen Centner davon liefert, wird zu Thran geschmolzen und zum Brennen verwen- det, und hat vor dem Wallfischthrane den grossen Vorzug, dass es kei- nen so üblen Geruch verbreitet. Das Fett der Sohlen, welches für das beste betrachtet wird, findet bei den Nordländern seine Anwendung als Arzeneimittel und wird von denselben gegen Gliederschmerzen gebraucht. 3. Gattung. Lippenbär (Prochilus). Der Schwanz ist sehr kurz. Die Zehen sind frei, die Sohlen nackt. Das Auftreten findet auf der ganzen Sohle Statt. Der Leib ist kurz und dick, das Haar zottig. Die Schnauze ist stark gestreckt und stumpfspitzig. Die Lippen sind sehr weit vorstreckbar. Im Nacken befindet sich eine zu beiden Seiten herabhängende Mähne. Die Zunge ist lang und vorne beinahe abgestutzt. Vorder- und Hinterfüsse sind fünfzehig. Der gemahnte Lippenbär (Prochilus labiatus). (Fig. 74.) Der gemahnte Lippenbär ist unter allen den eigentlichen Bären zunächst stehenden Thieren dasjenige, welches rücksichtlich seiner Körperform am meisten von denselben abweicht. Der ziemlich flache, mit einer breiten, flachen Stirne versehene Kopf verlängert sich in eine lange, schmale, zugespitzte, rüsselartige Schnauze von eigenthümlicher Bildung. Der Nasenknorpel breitet sich in eine erweiterte, flache und leicht bewegliche Platte aus, auf welcher die beiden in die Quere gezogenen Nasenlöcher durch eine schmale Scheidewand von einander getrennt sind und durch grosse, sehr bewegliche Nasenflügel seitlich begrenzt werden. Die langen, äusserst dehnbaren und beweglichen Lippen reichen nicht nur im Stande der Buhe ziemlich weit über die Kiefer hinaus, sondern können so sehr verlängert, vorgeschoben, zusammengezogen und umgeschlagen werden, dass sie eine Art von (Naturgeschichte.) 2o 386 Röhre bilden, womit das Thier niclit Mos Gegenstände zu ergreifen und an sieh zu ziehen im Stande ist, sondern welche es auch als Saugorgan benutzt, wobei ihm die lange, schmale und platte, vorne abgerundete, ja beinahe abgestutzte und mit vielen Wärzchen besetzte eben so bewegliche Zunge, wesentliche Hilfe leistet. Insbesondere ist es aber die noch längere Unterlippe, welche am meisten beweglich ist und fortwährend eingezogen und umgeschlagen wird. Die Ohren sind kurz, stumpf zugespitzt und aufrechtstehend, und werden vom Pelze vollkommen gedeckt. Die kleinen, fast schweinartigen, etwas schräge gestellten Augen haben eine runde Pupille und eine dunkelbraune Iris. Der Leib ist plump und schwerfällig, noch weit mehr als beim gemei- nen Bären, und auch weit niederer gestellt. Die Beine sind ziemlich kurz und dick, die Sohlen nackt und die Zehen mit sehr langen, schar- fen, stark gekrümmten Krallen versehen. Die Krallen der Vorderfüsse sind weit länger, schärfer und gekrümmter, auch weit zusammen- gedrückter, als die der Hinterfüsse. Am längsten und stärksten ist die Innenzehe jedes Fusses, während die übrigen allmählich an Länge und Stärke nach Aussen zu abnehmen. Der sehr kurze, nach abwärts gerichtete Schwanz liegt gänzlich unter den Haaren des Hintertheiles des Körpers versteckt. Die Behaarung ist ziemlich grob, überaus lang und reichlich, insbesondere an manchen Theilen des Körpers und namentlich am Kopfe, Halse und im Nacken, wo sie sich so verlän- »■ert, dass sie eine Art von Mähne bildet und dem Vordertheile des Thieres eine fast unförmliche Dicke gibt. Nur die Schnauze bis über die Stirne ist mit sehr kurzen Haaren besetzt, und dünne, kurze Bart- borsten befinden sich auf den Lippen. Dagegen ist der obere, hintere, seitliche und untere Theil des Kopfes mit sehr langen, struppigen Haaren umgeben, die gegen die Stirne zu nach vorwärts gerichtet sind, und eben so decken auch lange, doch etwas weichere Haare den Körper, die in der Mitte des Bückens zwei sehr grosse, Avulstige Büschel bilden, die aus krausen und etwas verworrenen Haaren gebildet sind und dem Thiere das Ansehen geben, als wäre es mit einem Höcker versehen. Auf der Brust und dem Bauche sind die Haare etwas kürzer. Die Schnauze bis zu den Augen ist grau oder schmutzig weiss, das übrige Haar ist glänzend schwarz, mit Ausnahme eines breiten, weissen, fast herzförmig oder hufeisenartig gestalteten Fleckens, mit weit aus einander liegenden und nach vorwärts gerichteten Schenkeln, welcher sich am unteren Theile des Halses auf der Brust, nahe an den Vorderbeinen befindet. 387 Bisweilen sind auch die Zehen von schmutzigweisser Farbe. Die Krallen sind weisslieh hornfarben, die Sohlen schwarz. Jüngere Thiere unter- scheiden sich durch die weit geringere Ausbildung der Mähne an Kopf und Schultern, durch die mit starken Haarbüscheln versehenen, verhält- nissmässig grösseren Ohren und die in ihrem ganzen Verlaufe fast gleich breiten Krallen, welche an den Vorderfüssen mehr in's Schwärzliche, an den Hinterfüssen in's hell Gelbliche fallen. Auch erscheint bei ihnen sowohl die Schnauze bis hinter die Augen, wie der Rand derUnterHppe von gelbbräunlicher Färbung, während die Hufeisenbinde auf der Brust von gelblichweisser Farbe ist. Die Körperlänge erwachsener Thiere beträgt SFuss, die Länge des Schwanzes 4 Zoll, die Höhe am Wider- rist 2 Fuss 8 Zoll. Thiere von 6 Fuss Länge und 3 Fuss Höhe werden nur äusserst selten getroffen. Die Heimath des gemahnten Lippenbären ist Süd-Asien und zwar das Festland von Ostindien, wo er sowohl in Bengalen und den östlich und westlich daran grenzenden Gebirgen, insbesondere aber in den Gebirgen von Shylet, wie in Dekan und Nepal gefunden Avird. Sein Aufenthalt ist bios auf waldige Berge beschränkt, von denen er nur zuweilen in die Ebenen herabsteigt; doch findet er sich nicht blos in einsamen Wäldern, sondern auch in der Nähe von bewohnten Orten und zwar allenthalben ziemlich häufig. Er soll sich in Höhlen aufhalten, die er sich selbst, wie man behauptet, in Sand und Erde graben soll, was bei seinen langen, zum Scharren eingerichteten Krallen allerdings möglich und wahrscheinlich ist, und wobei ihm auch seine rüsselartige Schnauze, eben so wie dem Maulwurfe, gut zu Statten kommen mag. Seine Lebensweise ist die eines Tagthieres, da er die Nacht hindurch schläft und nur bei Tage seiner Nahrung nachgeht, die vorzugsweise in Vegetabilien, namentlich in Früchten, Sorgho und Zuckerrolir besteht, so wie in Honig, Amei- sen und Termiten , deren Baue er ungeachtet ihrer Festigkeit mit seinen starken Krallen aufwühlt. Ausserdem geniesst er aber auch Fleisch und fällt Säugethiere und Vögel an, um sie zu zerfleischen. Selbst grössere Säugethiere sind vor seinen Angriffen nicht sicher und eben so wenig der Mensch, wenn er zufällig und unbewaffnet mit ihm zusammentrifft. Man kennt in Ostindien manche Beispiele von der grausamen Marter, welche von ihm ergriffene Menschen erdulden mussten; denn unter den furchtbarsten Qualen starben sie in seinen Krallen eines grässlichen, langsamen Todes, indem er sie keinesweges so wie andere gefürchtete Raubthiere mit einem Male zerfleischt, 23* 388 sondern ihnen langsam und gemächlich, unter fortwährendem Saugen mit den Lippen, Glied für Glied zermahnt. So wenig rasch er auch im Laufe ist, so ist er doch noch immer schnell genug, um einen Fuss- gUnger zu ereilen und ihm ein Entkommen unmöglich zu machen. Selbst eingeborene Jäger fürchten seine Wildheit und seine Stärke, und ergreifen die Flucht, wenn sie ihn schon in weiter Ferne ansichtig werden. Sein Gang ist ungeschickt und wankend, und er setzt hierbei die Vorderfüsse stark nach einwärts gekehrt auf, trägt den Kopf zur Erde gesenkt und krümmt dabei den Rücken. Dagegen scheint er gut klettern zu können, was ihm bei seinen Nachstellungen auf Vögel und Honig wohl zu Statten kommen mag. In den Zuckerrohrpflanzungen richtet er bisweilen grosse Verwüstungen an, wenn er aus seinen Bergen in die Ebenen herabsteigt. Jung eingefangen und aufgezogen, wird der Lippenbär auch sehr bald zahm. Er erträgt die Gefangen- schaft gut und hält in derselben selbst in unserem Klima lange aus. Es ist ein Beispiel bekannt, dass ein solches Thier sich durch 19 Jahre in Europa in der Gefangenschaft erhalten hat. Man füttert ihn mit Milch, Brod, Obst und Fleisch, und erhält ihn leicht bei dieser Nah- rung, ßrod frisst er sehr gerne und er scheint es sogar anderem Futter vorzuziehen. Auch Äpfel, Birnen und Zucker nimmt er mit besonderer Vorliebe und fasst die ihm dargebotene Nahrung mit den Vorderpfoten. So plump und schwerfällig sein Körper auch ist, so zeigt er sich doch ziemlich schnell und lebhaft in seinen Bewegungen. Zuweilen richtet er sich auf den Hinterbeinen auf und hält sich mit den Vorderfüssen an den Stäben seines Käfigs, um dargereichtes Brod mit seinen vorgestreckten Lippen zu erhaschen. Bei besonderer Munter- keit wälzt er sich, wie ein schlafender Hund zusammengelegt, von einer Seite zur anderen, springt herum und überschlägt sich auch bis- weilen. Überhaupt zeigt er sich gutnüithig, zuthunlich und durchaus nicht falsch. Auch macht er niemals Miene, zu beissen, so dass man ihm unbeschadet selbst die Hand in seinen Rachen stecken kann. Wird er zum Zorne gereizt, so stösst er rauhe, brüllende Töne aus. Er ist auch sehr gelehrig und wird in seinem Vaterlandc eben so wie bei uns der gemeine Bär, zu allerlei Kunststücken abgerichtet uiul von den Gauklern häufig zur Schau herumgeführt. In Europa ist der gemahnte Lippenbär erst zu Ende des vorigen Jahrhunderts bekannt geworden, und es ist kaiun etwas über sechzig Jahre, seit er zum erstenmale lebend dahin gebracht wurde. Anfangs hielten ihn die Naturforscher 389 für ein Faulthier, wozu der Umstand Veranlassung gegeben hat, dass jenem Thiei-e die Schneidezahne fehlten. Später erst hat es sich heraus- gestellt, dass er zu den Bären gehöre, und dass es eine Eigenthüm- lichkeit desselben sei, bei zunehmendem Alter die Sehneidezähne ganz oder theilweise zu verlieren. 4. Gattung. Waschbär (Procyon). Der Sclnvanz ist lang , mittellang oder kurz, schlaff und buschig. Die Zehen sind frei, die Sohlen nackt. Das Auftreten findet auf der halben Sohle Statt. Der Leib ist untersetzt, das Haar nicht zottig. Die Schnauze ist kurz und spitzig. Die Zunge ist nicht sehr lang. Vorder- und Hinterfüsse sind fünfzehig. Der gemeine Waschbär oder Schupp (Procyon Lotor). (Fig. 75.) Der gemeine Waschbär oder Schupp hat in seiner Gestalt einige Ähnlichkeit mit dem Dachse, dem er jedoch an Grösse nachsteht und unterscheidet sich von demselben hauptsächlich durch seinen langen Schwanz. Die Schnauze ist kurz und ziemlich spitz , die Nasenkuppe nackt und nach hinten sehr breit ; die Ohren sind fast von halber Kopfeslänge und verkehrt eiförmig, die Schnurren lang. Die Füsse sind ziemlich kurz, die Krallen zusammengedrückt und von massiger Stärke. Die Behaarung ist reichlich, dicht und weich und der bis zur Spitze fast gleichförmig dicke Schwanz ziemlich lang, locker und buschig behaart. Die Farbe des Körpers besteht aus einem Gemische von Gelblichgrau und Schwarzbraun. Die Grannenhaare sind am Grunde braun, in der Mitte graugelblich, und von der Hälfte ihrer Länge bis zur Spitze schwarz, wodurch die schwarzbraune Farbe auf dem Rücken und an den Seiten des Rumpfes die vorherrschende wird. Nur in der Gegend des Vorderarmes sind die Grannenhaare einfarbig gelblich- weissgrau und ebenso auch ein Busch in der Gegend des Ohres, der hinter dem Ohre von einem braunschwarzen Flecken begrenzt wird. Das Wollhaar ist graubraun. Von der Stirne bis zur Nasenspitze zieht sich ein schwarzbrauner Streifen und auch das Auge ist von einem schwarzbraunen Flecken umgeben. Eine zu den Schläfen verlaufende Binde über den Augen, die Seiten der Schnauze und das Kinn sind gelblichweiss. Die Vorderbeine , so wie die Vorder- und Hinterpfoten sind bräunlich-gelbgrau, die langen Haare des Unterschenkels und der 390 Unterarme über derFusswurzel tief dunkelbraun. Der Schwanz ist grau- gelb, von sechs schwarzbraunen Querbinden vollständig umgeben, von denen nur die der Sehwanz wurzel zunächst stehende auf der Unterseite unterbrochen ist, und endiget in eine schwarzbraune Spitze. Die Länge des Körpers beträgt 2Fuss y^ZoW, die des Schwanzes 10 Zoll, die Höhe am Widerrist IFuss 21/4 Zoll. Die Heimath des gemeinen Waschbären ist Nord-Amerika, wo er in den vereinigten Staaten getroffen wird und nördlich bis in die südlichen Theile der Pelzdistricte reicht. Er wird daselbst in den bewohnteren Gegenden noch ziemlich häufig gefunden, obgleich er in früherer Zeit bei weitem häufiger war. Heut zu Tage findet er sich nur tiefer im Lande noch in Menge. Er hält sich in Wäl- dern in der Nähe von Flüssen, Seen und Bächen auf und erklettert mit ziemlicher Behendigkeit die Bäume. Überhaupt ist er in seinen Bewegungen lebendig, und beim Springen tritt er gleichzeitig mit allen Pfoten auf. In derLebensart und Nahrungsweise kommt er fast mit dem gemeinen Bären überein, obwohl er mehr zu den nächtlichen Thieren gehört. Den Tag über liegt er ruhig in hohlen Bäumen und verlässt dieselben zu dieser Zeit nur bei trübem Himmel. Des Nachts hingegen tritt er seine Wanderungen an, um seine Nahrung aufzusuchen, die in verschiedenen Fruchtarten, wie Kastanien, Pflaumen, wilden Trauben und vorzüglich in Mais besteht, so lange die Ähren desselben noch weich sind. Doch stellt er auch Vogelnestern nach, umVögel sowohl als Eier zu verzehren. Nicht selten besucht er Gärten und Pflanzungen in dieser Absicht, oder auch selbst nahe gelegene Dörfer, um Hülmer zu würgen und ihre Eier aufzufressen. Aus den Gewässern in der Nähe seiner Wohnorte hascht er Fische, Krebse und Schalthiere. Desgleichen frisst er Insecten und hat die Eigenthümlichkeit alles was er verzehrt vorher in's Wasser zu tauchen und gleichsam zu waschen, woher auch sein Name stammt. Wenn das Wetter stürmisch ist, besonders aber wenn es schneit, liegt er oft eine Woche in seinem Lager ohne es zu ver- lassen oder irgend etwas zu verzehren. Die Zahl seiner Jungen beträgt 2 — 3 und der Wurf erfolgt im Mai. Er wird theils mittelst Hunden gefangen, die seine Schlupfwinkel in den hohlen Stämmen aufspüren, theils in aufgerichteten Schlageisen und Fallen, in welchen man gewöhnlich einen Fisch oder einen Theil eines Huhnes als Köder anbringt. Wird er im Freien von den Hunden getroffen, so sucht er sich auf einen Baum zu flüchten, wo ihm der Jäger sodann nachklet- tert und von den Ästen herabschüttelt, worauf er, rettungslos verloren. 391 von den Hunden todtgebissen wird. Jung gefangen, ist es leicht ihn zu zähmen und man kann ihn dann frei wie jedes Hausthier umlier- gehen hissen. Er wird bahl zutrauhch, lässt sieh gerne schmeiehehi und erwiedert Schmeicheleien. Mit Leuten, die er lieb gewonnen hat, spielt er gerne und springt auf sie , obgleich er keine grosse Anhäng- lichkeit beweiset und nie vollkommen zahm wird. Auch ist es nicht möglich ihn seiner angeborenen Raubsucht zu entwöhnen. Lässt man ihn frei umhergehen, so schleicht er im Dunkeln zu den Hidmern und würgt oft alle binnen einer Nacht. Zucker und andere Süssigkeiten kann man nicht sorgfältig genug vor ihm verwahren. Zu Zucker- büchsen und Syruptöpfen, die nicht gut vor ihm verschlossen sind, weiss er mit grosser List Zugang zu finden , um sie ihres Inhaltes mit seinen Tatzen zu entleeren. Er frisst Alles was man ihm gibt; rohes und gekochtes Fleisch, Geflügel, Eier, Fische, Korn, Wurzeln, Insec- ten und besonders Spinnen; auch Brod und Obst, obgleich er dem Genüsse von Fleisch und Fischen den Vorzug vor dem Obste gibt. Besonders aber liebt er Zucker. Syrup, Honig, Milch und andei*e Süssigkeiten. Die Gewohnheit alles was er frisst vorher in's Wasser einzutauchen, behält er auch in der Gefangenschaft, obgleich der Zucker ihm nicht selten ganz hierbei zerfliesst. Brod lässt er in der Regel sehr lange weichen, und nur wenn er besonders hungerig ist, entschliesst er sich es früher aus dem Wasser herauszunehmen. Jede feste Nahrung bringt er mit den beiden Vorderpfoten zum Munde. Er läuft und springt hurtig umher, ist immer in Bewegung, so lange er nicht schläft, und schnuppert allenthalben herum. Auch vermag er auf den Hinterbeinen sich kurze Zeit aufrecht zu erhalten, keinesweges aber auf denselben zu gehen. Er hält sich rein, und sucht sich um zu misten, stets einen entfernten Ort. Lässt man ihn frei in einem Garten, so klettert er mit Hilfe seiner Krallen bis auf die höchsten Zweige und fängt sich Maikäfer und andere Insecten, oder sucht auch auf der Erde Schnecken und Würmer auf. Sein ganzes Benehmen hat etwas Afl'en- artiges, daher er insbesondere in seinem Vaterlande nicht selten zum Vergnügen gehalten wird. Lästig ist nur seine grosse Genäschig- keit. Er wird häufig nach Europa gebracht und hält daselbst die Gefangenschaft bei gehöriger Pflege auch ziemlich lange aus. Sein Fleisch wird von den Eingeborenen gegessen und sein Fell als Pelz- werk benützt. Es bildet für dieselben einen bedeutenden Gegenstand des Handels, da es auch in Europa beliebt ist und häufig verwendet 392 wird. Aus den Haaren werden Hüte angefertiget, die nach jenen, welche aus Riberhaaren bestehen, am besten sind. Der Schwanz des Wasch- bären wird um den Hals getragen. Der Name, welchen er bei den Eingeborenen und der englischen Bevölkerung von Nord-Amerika führt, istRaccoon, während ihn die schwedischen Bewohner dieses Landes Schupp nennen. 5. Gattung. Rüsselbär (Nasua). Der Schwanz ist sehr lang, schlaff und nicht sehr buschig. Die Zehen sind grösstentheils mit einander verwachsen, die Sohlen nackt. Das Auftreten findet auf der halben Sohle Statt. Der Leib ist gestreckt und ziemlich schlank, das Haar nicht zottig. Die Schnauze ist sehr stark gestreckt und endiget in einen über die Unterlippe ziemlich weit vorragenden spitzen Rüssel. Die Zunge ist nicht sehr lang. Vorder- und Hinterfüsse sind fünfzehig. Der gemeine Rüsselbär oder CuatI (Nasua socialis). (Fig. 76.) Der gemeine Rüsselbär oder Cuati ist ungefähr von der Grösse des gemeinen Fuchses, und steht rücksichtlich seiner Gestalt beinahe in der Mitte zwischen diesem und dem Waschbären, obgleich sein Leib mehr marderähnlich ist und die Bildung seiner Schnauze ihm einige Ähnlichkeit mit einem Ferkel verleiht. Sein Kopf ist länglich, und die stark gestreckte Schnauze verlängert sich in einen über die Unterlippe ziemlich weit vorragenden spitzen, vorne schief abge- stutzten, knorpeligen und sehr beweglichen Rüssel. Die Ohren sind kurz und abgerundet, die Augen klein, fast schweinartig, zwar aus- druckslos, doch ziemlich lebhaft. Die Zunge ist nicht sehr lang, der Leib gestreckt und ziemlich schlank, der Schwanz sehr lang, schlaff und nicht sehr buschig. - Die Beine sind kurz und stark, die Zehen grösstentheils mit einander verwachsen und mit ziemlich langen, starken und scharfen Krallen versehen. Die Behaarung ist dicht und ziemlich lang, doch keinesweges zottig. Das Grannenhaar ist straff, ziemlich grob und glänzend. Am Schwänze ist es länger, am Gesichte kürzer als an den übrigen Theilen des Körpers. Das Wollhaar ist kurz, weich und etwas krause, am Rücken und den Seiten reichlicher als an den anderen Körpertheilen, und fehlt an der unteren Hälfte der Beine und dem Gesiebte fast gänzlich. Auf der Oberlippe befinden sich 393 jederseits einige lange, starke Borstenhaare und eben so über den Augen. Die Sohlen und die Nasenkuppe sind nackt. Das Gesicht ist schwarz, mit Ausnahme der Stirne, der Lippen und des Unterkiefers. Sowohl über dem Auge als auch am äusseren Augenwinkel befindet sich ein runder weisser Flecken, und zwei ähnliche, welche jedoch zuweilen in einen zusammenfliessen, stehen jederseits unter dem Auge. Auf dem Nasenrücken zieht sich ein bald breiterer, bald schmälerer weisser Längsstreifen von der Nasenwurzel bis gegen ihre Mitte herab. Die Oberlippe ist in der Nähe der Mundwinkel weiss und eben so der ganze Rand der Unterlippe. Der Unterkiefer ist an beiden Seiten weiss, vorne schwarz und hinten graulichgelb. Die Ohren sind an der Hinterseite bräunlichschwarz, an der Vorderseite graulichgelb, welche beiden Farben zuweilen durch einen weissen Streifen, der den Rand der Ohrmuschel rings umsäumt, geschieden sind. Stirne und Scheitel sind gelblichgrau, das Hinterhaupt, der Nacken, Rücken und die Seiten, so wie die Aussenseite der Beine bis zum Fussgelenke herab braun, wobei die einzelnen Haare in der unteren Hälfte röthlich- gelb, dann schwarz und an ihrer äussersten Spitze häufig abermals röthlichgelb, doch etwas lebhafter gefärbt sind, und wodurch die braune Farbe vorherrschend wird. Die Kehle, die Unterseite des Halses und die Brust sind gelblichroth, der Bauch und die Innenseite der Beine röthlichgelb mit einem bräunlichen Anfluge, der durch die schwarzen Haarspitzen hervorgerufen wird. Der Schwanz ist abwech- selnd mit 6 — 7 röthlichgelben, etwas in's Graue ziehenden Ringen, und eben so vielen schwarzen Ringen umgeben, und endiget in eine schwarze Spitze. Die Füsse, so wie die nackten Theile des Körpers, die Augen und die Krallen sind schwarz. Das Wollhaar ist grau. Ältere Thiere sind auf der Aussenseite dunkler, auf der Innenseite heller gefärbt. Jüngere Thiere hingegen und in der Regel auch die Weibchen, sind auf der Oberseite mehr bräunlichgrau, auf der Unter- und Innenseite mehr weisslichgelb, und eben so sind auch die Schwanz- ringe gefärbt. Die Färbung bietet beim gemeinen Cuati jedoch man- cherlei Abweichungen dar. So gibt es welche, bei denen die Färbung vom dunkel Rostrothen bis in's Gelblichrothe zieht, und bei denen der weisse Nasenstreifen zuweilen gänzlich mangelt. Bei dieser Abart erscheinen die Füsse schwärzlichbraun, Avährend der Schwanz abwech- selnd rost- oder gelblichroth und braun geringelt ist, und diese Binge nicht selten nur in Halbringen bestehen, die sich auf der Oberseite 394 desselben befinden. Eine andere Abänderung ist oben gelblichgrau und unten heller, wobei der Schwanz grau und weisslichgelb gerin- gelt ist. Endlich gibt es aber auch noch eine braune Abänderung, bei welcher der Schwanz nur mit hellen Halbriiigen besetzt ist, welche sich bald auf der Ober-, bald auf der Unterseite desselben befinden. Solche Farbenversehiedenheiten zeigen sich oft bei Jungen eines und desselben Wurfes, und hierdurch wird die Ansicht vieler Naturforscher hinreichend widerlegt, auf jene Farbenunterschiede allein besondere Arten gründen zu wollen. Die Körperlänge des erwachsenen Thieres beträgt 1 Fuss 2 Zoll, die Länge des Schwanzes 1 Fuss 6 1/3 Zoll, die Höhe am Widerrist 10 Zoll 1 1 Linien. Der gemeine Cuati hat eine sehr weite Verbreitung, welche sich über alle Tropenländer von Süd- Amerika erstreckt. Im östlichen Theile reicht sie von Paraguay durch ganz Brasilien bis nach Guiana, Surinam und bis zur Terra firma; im westlichen durch ganz Peru und Chili. Er findet sich in allen grossen, dichten und trockenen Wäldern und vermeidet sorgfältig sumpfige Gegenden, da er im Allgemeinen das Wasser scheut. Nur selten verlässt er seinen waldigen Aufenthalt, und blos nur, um zeit- weise kleine Ausflüge nach den nahe gelegenen Islas oder einzeln stehenden Baumgruppen zu unternehmen. In allen Ländern, welche seine Heimath bilden, ist er sehr gemein. Seine Lebensweise, welche manche Ähnlichkeit mit der des gemeinen Bären und Fuchses hat, zeigt wenig auffallende Eigenthümlichkeiten. Er führt ein geselliges Leben und ist stets zu kleinen Truj)pen von 8 — 20 Stücken vereinigt. Seine Geselligkeit sowohl als sein Betragen erinnern lebhaft an die Affen. Er hat weder einen beständigen Aufenthaltsort, noch ein bestimmtes Lager und bringt sein ganzes Leben theils auf Bäumen, theils auf dem Boden zu. Seine Lebensweise ist die eines vollkom- menen Tagthieres. Den ganzen Tag über durchzieht er die Wälder, um seiner Nahrung nachzuspüren, und schlägt dort sein Lager auf, wo ihn die Nacht überfällt. Entweder verbirgt er sich dann in einem hohlen Baume oder verkriecht sich unter Baunnvurzeln, wenn sie von der Erde entblüsst sind, oder legt sich auch auf Gabelästen nieder, wenn sie hinreichend stark und aus mehreren Ästen gebildet sind, um daselbst so lange zu schlafen, bis der Morgen wieder anbricht. Zuweilen bringt er aber auch die Nacht in Gräben zu, Avenn sie mit dichtem Gestrüppe bewachsen, ihm ein sicheres und hinreichend geschütztes Lager darbieten. Niemals jedoch gräbt er sich Höhlen in 395 die Erde. Nur selten ereignet es sieh, dass er auch später nach Sonnen- untergang in den Wäldern umhersteift, wäln-end er in den heissen Mit- tagsstunden regehiiässig auf Bäumen oder im Gestrüppe schläft, jedoch wenn die grösste Hitze vorüber ist, sogleich wieder seine Wanderungen beginnt. Seine Bewegungen auf ebenem Boden sind zwar nicht beson- ders schnell , doch ungeachtet seines etwas schwerfälligen Ansehens dennoch ziemlich rasch. Mit desto grösserer Gewandtheit und Leich- tigkeit klettert und springt er aber auf Bäumen umher und steht hierin kaum den Katzen nach. Befindet er sich am Boden, so geht er entweder im Schritte oder springt in kurzen Sätzen, wobei er nur mit der halben Sohle den Boden berührt, und sowohl beim Gehen als beim Springen den Schwanz ausgestreckt und nach aufwärts gebogen trägt. Sein Lauf besteht in einem schwerfälligen Galoppe. Nur wenn er steht oder sich auf die Hinterbeine stützend sitzt, ruht sein Fuss auf ganzer Sohle. In's Wasser geht er nur im höchsten Nothfalle, obgleich er ziemlich behende schwimmen kann. Seine Nahrung besteht sowohl in Thieren als in Früchten; denn er sucht nicht nur allein gierig allerlei wilde Baumfrüchte auf, sondern plündert auch die Nester der Vögel, um junge Vögel und Eier zu rauben, und stellt Insecten und ihren Larven und eben so auch Würmern nach. Hat er eine Insectcnlarve im faulen Holze, oder einen Wurm in der Erde aus- gewittert, so scharrt und gräbt er so lange mit den scharfen Krallen seiner Vorderfüsse, bis er seine Beute aufgefunden hat, wobei er von Zeit zu Zeit seinen zum Aufwühlen des Bodens vortrefflich geeigneten Bussel, ähnlich unseren Hunden, wenn sie auf dem Felde den Mäusen nachspüren, in das aufgescharrte Loch steckt, um die Spur nicht zu verlieren. Obgleich er scheu und fhichtig ist, so ist es bei gehöriger Vorsicht doch nicht schwer, seine Lebensweise in den Wäldern abzu- lauschen, wenn sich diess auch immer nur auf einige Augenblicke beschränkt. Hierbei ist aber nöthig, dass der Jäger jedes Geräusch möglichst zu vermeiden suche und seine Streifzüge entweder ohne Hund vornehme, oder diesen wenigstens an einer Leine führe. Gewöhnlich zieht eine Gesellschaft von Cuati's ziemlich schnell einher, wobei sie zerstreut von einander gehen und ihre eigenthümliche, kurz tönende, rauhe Stimme vernehmen lassen, welche theils in grunzenden, theils in pfeifenden Tönen besteht. Häufig hört man sie auch schon früher, bevor man sie zu sehen bekommt. Zuweilen sieht man eine solche Gesellschaft plötzlich einen hohen Baum ersteigen, den sie unter fortwährendem 396 Grunzen und Pfeifen schnell durchsucht, seiner Früchte beraubt und eben so schnell wieder verlässt, um eiiuMi anderen zu erklettern. Stei- gen sie von einem Baume herab, so gehen sie mit dem Kopfe voran und umkhunmeru mit ihren IJinterfüssen den Stamm, indem sie sie nach Aussen wenden und nach rückwärts drehen. Niemals springen sie jedoch von einem Baume zu dem anderen. Obgleich sie immer in Gesellsclraft leben, so bemerkt man doch nie eine Übereinstinunung in der llautllungsweise der einzelnen. Jedes Thier ist blos für sich selbst besorgt und kümmert sich nur in so ferne um die anderen, dass es die Gesellschaft nicht verlässt, die, wie man anzunehmen berech- tiget ist, stets von alten Thiereu angeführt wird. Während ihres Zuges durchsuchen sie fortwährend den mit faulen Ästen und Laub bedeck- ten Boden und die hohlen Baumstämme der Urwälder, wobei sie ihren Bussel in jedes kleine Loch und jede Spalte stecken, um abgeAdlenen Baumfrüehten, Würmern und Insectenlarven nachzuspüren. Niemals halten sie sich aber lange bei demselben Gegenstande auf, sondern springen ziemlich behende von einem zu dem anderen. Am höchsten ist beim gemeinen Cuati unter seinen Sinnen der Geruch entwickelt, doch hat er auch ein sehr feines Gehör, während die übrigen Sinne verhältnissmässig schwach sind. Er sieht nur bei Tage, und selbst da nicht besonders scharf. Auch der Geschmackssinn scheint nur wenig bei ihm ausgebildet zu sein, und selbst auch das Gefühl, da er nur in seiner rüsselförmigen Nase, welche er zugleich als Tastorgan benützt, einen höheren Grad von Empfindlichkeit zeigt. Im Allgemeinen ist er nur wenig empfindlich, und zwar sowohl gegen die Einflüsse der Wit- terung und Temperatur, als selbst auch gegen V^erletzungen. Nicht selten sieht man Cuati's mit heftigen Geschwüren am Bauche behaftet, einer Krankheit, der sie häufig unterliegen, welche sie sich mit ihren scharfen Krallen aufkratzen und Öffnen, ohne hierbei auch nur irgend einen Schmerz zu äussern. Im October oder dem Frühlinge der TropeuländcM" wirft das Weibchen 3 — 5, selten 6 Junge, entweder in einem hohlen Stamme, unter den freiliegenden Wurzeln eines Baumes, oder in eine aufgefundene Erdhöhle, bisweilen aber auch in mit Ge- strüppe und Sträuchern dicht bewachsenen Gräben. Hier hält sie die Mutter in so lange sorgfältig verborgen, bis sie ihre Nahrung selbst zu sich nehmen und ihr auf ihren Zügen zu folgen vermögen. Gewöhn- lich geschieht diess schon nach wenigen Wochen, da man häufig solche noch sehr junge Thiere unter den Truppen der alten trifft. Der 397 Wachsthum geht übrigens beim gemeinen Cuati nur langsam vor sich; denn erst im zweiten Jahre tritt der Zahnweehsel ein, und im dritten Jahre ist er ausgewachsen. Über die Dauer seines Lebens fehlt bis jetzt jede sichere Beobachtung; doch scheint es, dass er jedenfalls über 10 Lebensjahre erreiche. Fängt man ihn in seiner ersten Jugend, so wird er auch sehr zahm. Es ist nicht scliwierig, ihn mit Milch und Früchten aufzuziehen und ihn lange blos mit vegetabilischer Kost zu nähren. Zucker- und Wassermelonen bilden seine Lieblingsspeise, daher er auch gewöhnlich mit diesen gefüttert wird. Erst später, wenn er grösser und stärker geworden, gibt man ihm auch Fleisch, das er eben so gerne im gekochten, wie im rohen Zustande geniesst. Rindfleisch zieht er jedem anderen Fleische vor, doch ist er überhaupt nicht sehr gierig nach dem Fleische warmblütiger Thiere und scheint mehr Wohlgefallen an Insecten, Würmern und Pflanzenkost zu haben. Selbst wenn er schon an Fleisch gewohnt, kann er dasselbe Monate lang entbehren, ohne dass es seiner Gesundheit nachtheilig ist und ohne irgend einen Versuch zu machen, dem Hausgeflügel nachzu- stellen. Nur wenn er sehr vom Hunger geplagt wird, frisst er auch Mäuse, Meerschweine und grösseres Geflügel. Halbfaules Fleisch und vollends Aas bewirken bei ihm Abscheu. In seinem Vaterlande wird er häufig von den Indianern jung eingefangen und gezähmt, und aus den Seestädten von Brasilien und Guiana nach Europa gebracht. Selten hält man ihn aber in seiner Heimath in einem Käfige, sondern legt ihm ein Lederhalsband an und lässt ihn, indem man ihn mit einem Riemen an einem Baume anhängt, unter freiem Himmel im Hofraume umhergehen. Nur bei anhaltendem Regen und kaltem nassem Wetter bringt man ihn unter Dach. Niemals versucht es der gefangene Cuati, seinen Riemen, der ihn kettet, zu zernagen, und selbst wenn man ihn losbindet und frei umhergehen lässt, so geschieht es nur äusserst selten, dass er zu entfliehen sucht. Man würde ihn ungescheut auch selbst in Wohnungen frei herumgehen lassen können, wenn er minder zudringlich wäre und nicht die lästige Gewohnheit hätte, alle Gegen- stände mit seinem Rüssel zu durchsuchen und mit den Pfoten umzu- werfen. Überhaupt machen ihn aber alle seine Eigenschaften keines- weges zu einem angenehmen Gesellschafter. In seinem Vaterlande ist es sehr leicht, ihn in der Gefangenschaft zu halten, da er durchaus keiner besonderen Pflege bedarf und weder gegen Hitze, noch Kälte oder Regen sehr empfindlich ist. Alt eingefangene Thiere lassen sich 398 jedoch, obgleich sie die Gefangenschaft in der Heimath sehr gut ertragen, niemals zähmen. Schwieriger ist es, ihn in Europa lange zu erhalten, denn die meisten dieser Thiere hielten die Gefangenschaft in unserem Klima nicht viel über drei Jahre aus. Während der gemeine Cuati in seiner Heimath im gefangenen Zustande eben so wie im freien, den grössten Theil des Tages in steter Bewegung ist, und nur die Mittagsstunden und die Nacht schlafend zubringt, schläft er bei uns, gerade umgekehrt, fast den ganzen Tag und wird erst gegen Abend lebhafter, wo er jeden Winkel mit seinem Rüssel schnuppernd durchsucht. Wenn er schläft liegt er gewöhnlich zusammengerollt auf einer Seite, wobei er den Kopf zwischen die Hinterbeine steckt und den Schwanz über seinen Kopf nach vorne schlägt. Nur bei grosser Hitze liegt er auch der Länge nach ausgestreckt auf dem Boden. Wirft man ihm Nahrung zu, so ergreift er sie zuerst mit seinen Vor- derpfoten, dann mit den Zähnen, und entfernt sich von seinem Pfleger, so weit es ihm der Riemen nur erlaubt, an dem er festgebunden ist. Gibt man ihm Fleisch, so zerkratzt er es mit den Krallen seiner Vor- derpfoten, bevor er es verzehrt. Das saftige Fleisch von Pomeranzen und Melonen beisst er mit Wohlgefallen von der Schale los, oder steckt auch zuweilen eine seiner Vorderpfoten in die Frucht, um ein Stück los- zureissen, das er dann mit seinen Krallen zum Munde führt. Eier beisst er mit seinen Zähnen auf und leckt gierig die überlaufende Flüssigkeit vom Boden auf. Wasser trinkt er viel und oft, und darf daran auch keinen Mangel haben, da es zur Erhaltung seines Lebens und sei- ner Gesundheit unumgänglich nöthig ist. Wenn er trinkt, wendet er den Rüssel zur Seite oder hebt ihn so hoch als nur immer möglich empor, um ihn ja nicht mit der Oberfläche des Wassers in Berührung zu bringen. Eine Störung, während er frisst, lässt er sich durchaus nicht gefallen, und selbst wenn er noch so zahm ist darf man es nicht wagen, ihm seine Nahrung zu entreissen, da er sich sowohl gegen Menschen als gegen Thiere mit seinem Gebisse dafür rächt. In der Gefangenschaft lässt er nur dann seine Stimme ertönen, wenn er erzürnt wird, Hunger oder Durst fühlt, oder ihn Langweile dazu drängt. Jede seiner Leidenschaften drückt er aber durch besondere Töne aus. So ist es ein unterbrochenes, doch nicht sehr lautes quiekendes Pfeifen, wodurch er Hunger und Durst oder auch Lang- weile verräth, während er im Zorne stark und anhaltend pfeift, und dabei seinen Rüssel hoch emporhebt und mit seinem starken Gebisse 399 droht. Seinen stinkenden Unrath lässt er allenthalben fallen und unter- lässt es nicht, ihn jedesmal auch zu beriechen, doch nimmt er sich sehr in Acht, sich damit zu beschmutzen. Nur wenn er von Flöhen gequält oder mit einem stark juckenden Hantausschlage am Schwänze behaftet ist, was bei diesen Thieren häufig der Fall ist, bestreicht er sich sogar mit seinem Unrathe die Haare seines Felles mittelst seiner Vorderpfoten. Des Harnes entledigt sich das Weibchen gebückt, so wie die Hündinn. Zu den Eigenthiimlichkeiten des gemeinen Cuati gehört auch der starke, höchst unangenehme Moschusgeruch, den er verbreitet, und der ihn in der Gefangenschaft besonders lästig macht. Selbst der zahmste Cuati zeigt gegen seinen Herrn keine besondere Erkenntlichkeit. Er spielt gerne mit dem Menschen, und zwar mit Jedermann, wobei er seinen Rüssel in jede Öffnung seiner Kleider steckt und sich dabei zuweilen fast atfenähnlich geberdet. Doch ist er gegen Unbekannte auch häufig tückisch. Aber auch den Hunden, insbesondere den kleinen , ist er zugethan und spielt gerne, ja schläft sogar mit denselben, indem er sie mit den Beinen umschlingt, so wie er sich selbst mit Katzen, und sogar mit Hühnern und Enten gut verträgt. Nur äusserst selten, und blos nur wenn er nicht zahm genug, oder Hunger leiden musste, geschieht es, dass er junge Hühner tödtet, von denen er jedoch gewöhnlich nur ein Stück vom Halse frisst, das Übrige aber unberührt lässt. Bei aller Zahmheit, die der gemeine Cuati aber erreicht, unterwirft er sich jedoch keinesweges völlig dem Willen seines Herrn und behält den ihm angeborenen unbändigen Charakter. Stets zeigt er sich launisch und ist überaus leicht zu erzürnen. Insbesondere geschieht dies jedesmal, wenn man es versucht, ihm irgend einen Zwang auflegen zu wollen. Die geringste Beleidigung, welche ihm widerfährt, sucht er mit einem scharfen Bisse zu vergelten. Wird er misshandelt, so beisst er seinen eigenen Herrn eben so wie jeden Fremden, und widersetzt sich mit Hartnäckigkeit und Muth. Man ist daher auch selbst durch Schläge nicht im Stande, ihn zu irgend Etwas mit Gewalt zu zwingen. Nur wenn er allzusehr geschlagen wird, so dass er die Übermacht seines Gegners fühlt, weicht er der Noth- wendigkeit und rollt sich zu einer Kugel zusammen, wobei er seinen Kopf sorgfältig vor den ihm drohenden Streichen zu schützen sucht, indem er ihn fest an die Brust anlegt und mit den beiden Vorderpfoten überdeckt, da der Hauptsitz seines Gefühles in seiner Rüsselspitze liegt. Wird der zahme Cuati von Hunden angegriffen, so zeigt er 400 keine Furcht und vertheidiget sich gegen dieselben noch weit muth- voller, als gegen den Menschen, der ihn straft. Bisweilen geht er aber auch unaugegrifTen auf fremde Hunde los und jagt sie in die Flucht. Von Intelligenz zeigt der gemeine Cuati keine Spur, daher er auch bei seinem reizbaren und unbeugsamen Charakter, durchaus keiner Abrichtung fähig ist. In allen seinen Handlungen besteht nicht der geringste Zusammenhang, und auch sein Erinnerungsvermögen ist nur schwach. Weder empfangene Wohlthaten noch erduldete Belei- digungen ist er im Stande sich in's Gedächtniss zurückzurufen, und eben so wenig Unfälle, die ihn getroffen. Daher kennt er auch keine Gefahr, geht blind derselben entgegen, und selbst wenn er sie auch schon früher einmal kennen zu lernen Gelegenheit hatte. Seine grössten Feinde sind die grossen Katzen-Arten. Der Nutzen, welchen der gemeine Cuati gewährt, ist ein sehr geringer und besteht blos in seinem Fleische, das jedoch nur von den wilden Indianern gegessen und für wohlschmeckend ausgegeben wird, insbesondere wenn es von jungen Thieren herrührt, und in seinem Felle, das von denselben zu kleinen Beuteln verwendet wird. Europäer, welche das Fleisch zu versuchen Gelegenheit hatten , behaupten , dass es bei gehöriger Zubereitung und wenn es nicht, wie diess bei den wilden Indianern gebräuchlich ist , blos ohne Salz gebraten wird , wirklich auch einen selbst für den Civilisirten nicht unangenehmen Geschmack haben soll. Die Jagd auf den Cuati wird in allen Ländern, wo er heimisch ist, ausser von den Indianern auch von den übrigen Bewoh- nern, und zwar nur zu ihrer Belustigung getrieben. Bemerkt eine Truppe Cuatis irgend einen Feind, so fliicbtet sie schnell auf einen Baum und lässt hierbei laute, pfeifende Töne vernehmen. Steigt man den geflüchteten Thieren nach oder schlägt mit einer Axt heftig an den Stamm , so begibt sich die ganze Gesellschaft auf die äussersten Äste und springt von da auf den Boden herab, um schnell einen anderen Baum zu erklettern, wo])ei sie während dieser Flucht, welche ziemlich rasch vor sich geht, sämmtlich die Schwänze in die Höhe halten. Doch sind sie hierbei keineswegcs so schnell, dass es Mühe kosten würde, sie zu schiessen. Sie müssen aber gut getroffen wer- den und auf den ersten Schuss schon fallen ; denn bei der grossen Zähheit ihres Lebens ereignet es sich nicht selten, dass sie, wenn sie nur verwundet, auf den Gabelästen liegen bleiben. Zuweilen geschieht CS aber auch, dass sie selbst angeschossen es versuchen, von den 401 Ästen wieder auf den Boden herabzuspringen, um entweder durch mög- lichst raschen Lauf dem Schützen zu entkommen, oder einen anderen Baum zu gewinnen und sich in seiner Krone zu verbergen. Hat man Hunde mit, was in der Regel bei solchen Jagden der Fall ist, so werden sie von denselben leicht eingeholt und getödtet, wobei die Hunde jedoch häufig starke und tiefe, oft sehr gefährliche Wunden, insbe- sondere am Halse davontragen, die ihnen das wüthend sich vertheidi- gende Thier mit seinem mächtigen Gebisse und namentlich mit seinen scharfen, zweischneidigen Eckzähnen beibringt. Die Indianer fangen den gemeinen Cuati auch bisweilen in Fallen oder schiessen ihn mit ihren Pfeilen. Merkwürdig ist, dass es bisher selbst in seinem Vater- lande noch nicht gelungen ist , den gemeinen Cuati in der Gefangen- schaft zu paaren. Nahe verwandt mit ihm ist der grosse Rüsselbär oder Cuati (Nasua solitaria), welcher gleichfalls Brasilien zu seiner Heimath hat, aber minder weit nach Süden wie nach Norden reicht, und sich theils durch verschiedene Färbung und abweichende Längen- verhältnisse seiner Körpertheile, vorzüglich aber durch seine einsame Lebensweise von dem gemeinen Cuati unterscheidet, und bei den Ein- geborenen unter dem Namen Cuati Mundeo bekannt ist. 6. Gattung". Wickelbär (Cercolepies). Der Schwanz ist sehr lang, ein Rollschwanz, allenthalben behaart und etwas buschig. Die Zehen sind bis zur Hälfte mit einander ver- wachsen, die Sohlen nackt. Das Auftreten findet auf der ganzen Sohle Statt. Der Leib ist gestreckt und nicht sehr schlank, das Haar nicht zottig. Die Schnauze ist sehr kurz und spitzig. Die Zunge ist sehr lang. Vorder- und Hinterfüsse sind fünfzehig. Der breitohrige Wickelbär oder Rinkaju (Cercoleptes hrachyotiis). (Fig. 77.) Der breitohrige Wickelbär oder Kinkaju ist von der Grösse des Frett's und überhaupt von marderähnlicher Gestalt, obgleich sein Körperbau etwas kräftiger, gedrungener und schwerfälliger erscheint. Sein Kopf ist rund und kurz, das Hinterhaupt dick, die Stirne flach und plötzlich in die sehr kurze, spitze Schnauze übergebend. Die Augen sind von mittlerer Grösse, und die ziemlich grossen, breiten, doch nicht sehr langen Ohren sind länglichrund und aufrechtstehend. Die (Naturgeschichte.) 26 402 Nasenkuppe ist nackt, und die sehr lange, weit ausstreekbare Zunge ist glatt und nur mit wenigen Wärzehen besetzt. Der Leib ist gestreckt, doch nicht sehr schlank, daher er etwas untersetzt erscheint. Die Beine sind ziemlich kurz und dick, die Zehen bis zur Hälfte mit einander verwachsen, und die Sohlen nackt. Die Krallen sind stark gekrümmt, fast sichelförmig, und sehr stark zusammengedrückt. Der Schwanz ist sehr lang, ein Rollschwanz, allenthalben behaart und etwas buschig. Die Behaarung ist sehr dicht, ziemlich lang, doch keines- weges zottig, das Haar etwas krause, sehr weich, sammtartig und glänzend. Die Ohren sind aussen und innen, doch nur spärlich behaart. Die Färbung ist auf der Ober- und Aussenseite licht graulichgelb mit einem schwachen röthiichen Anfluge und einer schwärzlichbraunen, wellenförmigen Scbattirung, welche am Kopfe und im Nacken deut- licher hervortritt, wobei jedes einzelne Haar an der Wurzel grau, dann gelblich, röthlich, und an seiner äussersten Spitze schwarzbraun erscheint. Vom Hinterbaupte zieht sich ein breiter, aber schwach begrenzter schwärzlichbrauner Streifen längs des Rückgrats bis zur Schwanzwurzel. Die Aussenseite der Beine ist schwärzlicbbraun. Wangen, Kehle und Unterhals, so wie der obere Theil der Innenseite der Vorderbeine sind rötblicbbraun, welche Färbung gegen den Bauch zu allmählich erblasst und fast in's Strohgelbe zieht. Über die Mitte des Bauches zieht sich der Länge nach ein dunkel rostbrauner Streifen. Die Aussenseite der Ohren ist dunkelbraun, die Innenseite jedoch weit heller gefärbt und beinahe graubraun. Der Schwanz ist etwas dunkler als der Rücken und in seiner letzten Hälfte dunkel schwärzlicbbraun. Die Krallen sind weisslich, und die Iris ist röthlichbraun. Die Länge des Körpers beträgt 1 Fuss 41/3 Zoll, jene des Schwanzes 1 Fuss 6 Zoll, die Höhe am Widerrist ßy^ Zoll. Der breitohrige Wickelbär hat eine ziemlich weite Verbreitung im tropischen Süd- und Mittel- Amerika. Er findet sich sowohl im nördlichen Brasilien, vorzüglich in der Provinz Rio negro und Fernambuco, wie in Neu -Granada, und reicht einerseits bis nach Peru , wo er insbesondere im nordöstlichen Theile getrofl'en wird, andererseits durch Guiana bis nach Mexico und vielleicht auch bis in den südlichen Theil von Louisiana und Florida. Dagegen scheint er in den Provinzen Cumana und Caracas von Vene- zuela gänzlich zu fehlen. Am häufigsten ist er in Neu-Granada. Sein Aufenthalt ist auf Wälder beschränkt, wo er sich gerne in der Nähe der Ufer grosser Flüsse, wie namentlich des Rio negro und Tuaruiri 403 auf Baiimwipfeln aufhält. Er führt eine vollkommen nächth'ehe Lebens- weise, indem er den ganzen Tag über in hohlen Bäumen schläft und erst beim Eintritte der Dämmerung erwacht, um die ganze Nacht hin- durch in den höclisten Baumkronen herumzuklettern und seiner Nah- rung nachzuspüren. Seine Bewegungen sind ausserordentlich lebhaft und behende, und mit grösster Leichtigkeit erklettert er die höchsten Wipfel der Bäume, indem er mit seinen Hinterfüssen und seinem Wickeischwanze Äste und Zweige umfasst, um sich an denselben festzuhalten, wobei ihm auch seine scharfen Krallen vortrefflich zu Statten komen. Verlässt er einen Baum, um zur Erde berniederzusteigen, so geht er stets mit dem Kopfe voran. Beim Gehen tritt er mit der ganzen Sohle auf, wobei die Innenzehe der Füsse von den ü])rigen Zehen ziemlich weit absteht. Seine Nahrung besteht tbeils in kleinen Säugethieren, Vögeln und iliren Eiern, tbeils in Insecten und deren Larven, vorzüglich aber in Honig und süssen Früchten , insbe- sondere Bananen. Obgleich er im freien Zustande ziemlich blutgierig und grausam ist, scheint er doch Vegetabilien dem Fleische vorzuzie- hen. Von Säugethieren und Vögeln liebt er vorzüglich das Blut, das er gewöhnlich aussaugt , ohne die Thiere zu zerreissen. Am meisten liebt er aber Honig, nach dem er überaus lüstern ist. Er ist daher unter allen Thieren in Amerika der ärgste Feind der wilden Bienen und der Wespen, deren Nester er häufig zerstört, um mit seiner langen Zunge, die weit mehr ausstreckbar als bei irgend einem anderen Baub- tliiere ist, den Honig aus denselben auszulecken. Eben so benutzt er dieselbe auch um Insecten und deren Larven aus der Rinde und den Stämmen herauszulangen, oder Eier und Nestvögel aus den Nestern zu holen. Über die Zahl seiner Jungen und deren Pflege mangelt bisher jede Beobachtung, obgleich es als gewiss angenommen wer- den muss, dass er nie mehr als zwei Junge haben könne, da er nur zwei Zitzen hat. Der breitohrige Wickelbär ist sehr leicht zu zähmen. Er ist ein sanftes, mildes, gutmütbiges Tbier, das sehr bald zutraulieb wird, sich gerne schmeicheln lässt und die Personen, die ihn umgeben, gleichsam auffordert mit ihm zu spielen und sich mit ihm zu unter- halten, wobei er jedoch nicht selten in die Finger kneipt. In der Gefangenschaft liebt er die Geselligkeit und geberdet sich beinahe wie ein Hund. Doch auch hier schläft er fast den ganzen Tag, wobei er sich den Leib mit seinem Schwänze deckt, und wird nur zuweilen wach und blos nur um zu fressen, worauf er sogleich wieder 26* in Schlaf verfällt. Erst des Aheuds wird er völlig munter, wo er anfangs mit unsicherem Schritte umhertappt und seine ungemein lange Zunge lechzend nach dem Wasser ausstreckt, das er leckend zu sich nimmt. Wenn er durch reichliches Getränk seinen Durst gestillt hat, tritt die ihm zur Nachtzeit eigenthümliche Munterkeit ein. In der Gefangenschaft gewohnt er sich bald an jede Nahrung, die er zuweilen mit dem Munde, weit häufiger aber mit den Vorderpfoten erfasst. Gegenstände, die er mit den Pfoten nicht erreichen kann, zieht er mit seinem Wickeischwanze an sich, indem er sie mit dem- selben, eben so wie die Rollaffen, umwickelt und ergreift. Häufig sitzt er auf dem Hintertheile, kaut an seinen Vorderpfoten wie ein Affe, und springt munter und lebhaft in seinem Käfige umher. Oft lässt er dabei auch seine Stimme ertönen , die gewöhnlich nur in einem sanf- ten Pfeifen besteht, doch wenn er erzürnt wird, bellt er fast wie ein junger Hund. Gegen das Licht ist er überaus empfindlich, denn schon beim ersten Einfallen des milden Tageslichtes zieht sich seine Pupille zu einem kleinen Puncte zusammen. Bleibt er längere Zeit dem Lichte ausgesetzt, so gibt er sein Missbehagen durch eine eigenthümliche Unruhe in allen seinen Bewegungen zu erkennen. Überhaupt ist er in seiner ganzen Lebensweise ein sonderbares Gemische von Maki und Cuati. Die Gefangenschaft, welche er in seinem Vaterlande sehr gut erträgt, hält er in Europa jedoch nicht lange aus. In früherer Zeit wurde er von den Bewohnern von Neu- Granada häufig gezähmt und als Hausthier gehalten. Der Name, welchen der breitohrige Wickelbär bei den Indianern in Neu-Granada führt, ist Guchumbi, während ihn die Indianer von Bio negro mit der Benennung Manaviri bezeichnen. Von den spanischen Missionären wird er aber wegen seiner Gier dem Honig nachzustellen, Oso mielero genaimt, was so viel als Honigbär bedeutet. Eine nahe ver- wandte Art findet sich auf Jamaika, einer Insel der grossen Antillen, und führt daselbst den Namen Poto. 7. Gattung. Katzenbär (Aihinis). Der Schwanz ist lang, schlaff und buschig. Die Zehen sind frei, die Sohlen behaart. Das Auftreten findet auf der ganzen Sohle Statt. Der Leib ist ziemlich stark untersetzt, das Haar zottig. Die Schnauze ist kurz und sehr stum|)f. Die Zunge ist nicht sehr lang. Vorder- und Hinterfüsse sind fünfzehig. 405 Der Panda oder nepalische Ratzenbär (Ailurus fulgens). (Fig. 78.) Der Panda oder nepalische Katzenbär hat eine höchst eigen- thümliche Gestalt, welclie sich einerseits der des Waschhären nähert, während sie andererseits eine entfernte Ähnlichkeit mit der Gestalt des Fuchses und selbst der Katze darbietet. Er ist von der Grösse einer Hauskatze und von kräftigem Baue. Der Kopf endiget in eine kurze, breite, sehr stumpfe Schnauze und ist lang und dicht behaart, wodurch er überaus kurz und beinahe kugelförmig erscheint. Die Ohren sind kurz, zugespitzt und behaart. Die Füsse sind stark und nieder, und die Sohlen dicht mit weichen Haaren besetzt. Die Zehen sind kurz, die Krallen gekrümmt, stark zusammengedrückt, spitz und halb zurückziehbar. Der Schwanz ist lang, schlaff, und buschig behaart, wodurch er eine dicke, cylindrische Form erhält, die sich nur gegen die Spitze zu etwas verdünnt. Die Behaarung, welche aus Woll- und Grannenhaar besteht, ist dicht, weich, sehr lang und glatt. Durch diese Behaarung erhält der ganze Körper ein sehr dickes Aussehen. Die Oberseite ist lebhaft und glänzend dun- kel rostroth gefärbt, was am Halse, dem Widerriste, den Schultern, Seiten und Oberschenkeln fast einförmig ist, am Rücken selbst aber durch gelbe Haarspitzen licht goldgelb wird. Die Unterseite und die Beine sind glänzend schwarz. An der Aussen- und Vorderseite der Beine befindet sich eine dunkel kastanienrothe Querbinde, und von derselben Färbung sind auch die Haare über den Krallen. Scheitel und Stirne ziehen in's Lichtgelbe; die langen Wangenhaare sind weiss, nach rückwärts rostgelblich, und eine rostrothe Binde zieht sich unterhalb der Augen zum Mundwinkel und scheidet die weisse Schnauze- von den Warigen. Das Kinn ist weiss, die Ohren sind aussen mit schwarzrothen, innen und am Rande dicht mit langen weissen Haaren besetzt. Der Schwanz ist fuchsroth, mit undeutlichen lichteren schmalen Ringen. Die Krallen sind weisslich. Der Körper misst 1 Fuss 8 Zoll, der Schwanz 1 Fuss 1 Zoll; die Höhe am Wider- rist beträgt 9 Zoll. Die Heimath des Panda ist die Hügelkette südlich des Himalaya-Gebirges zwischen Nepal und den Schneebergen, wo er in ansehnlicher Höhe in der Nähe der Alpenbäche lebt, sich meist auf Bäumen aufhält, und mit Behendigkeit auf denselben umherklettert. Seine Nahrung besteht in Vögeln und kleineren Säugethieren, doch 406 scheint er sich nebstbei auch von Früchten zu nähren. Sein lauter Ruf, den er oft ertönen lässt, ist Wha, daher er auch bei den Ein- geborenen den Namen Chitwa erhielt. 6. Familie. Fgel (Erinacei). Die Backenzähne sind spitzzackig. Der Leib ist mit Stacheln bedeckt. Die Krallen der Vorderfüsse sind keine Scharrkrallen. Die Heimath der Igel ist auf Europa, Asien und Afrika beschränkt. Sie leben grösstentheils in Ebenen und zwar meist in trockenen Gegenden , wenige aber auch in der Nähe des Wassers, an den Ufern der Flüsse und des Meeres. Andere dagegen wohnen in gebirgigen Gegenden, wo eine Art selbst ziemlich hoch in die Berge hinaufsteigt. Bald sind es Wälder und Auen, bald Felder und Gärten, die ihnen zum Aufenthalte dienen, häufig aber auch ausgedehnte Steppen, wo sie sich entweder selbst Höhlen und Gänge in die Erde graben, oder schon vorhandene Höhlen beziehen und oft viele Jahre in denselben zubrin- gen, wenn sie nicht aus denselben verscheucht werden. Die meisten schlagen ihren Wohnsitz unter dichten Gebüschen und Hecken auf, oder finden in hohlen Bäumen , unter Wurzeln , in Laub- , Mist- und Steinhaufen einen Schutz, während einige auch Felsklüfte zu ihrem Verstecke wählen. Alle leben den grossten Theil des Jahres hindurch paarweise und führen ein vollkommen nächtliches Leben , indem sie den Tag schlafend in ihren Höhlen und Schlupfwinkeln zubringen und dieselben nur höchst selten auch bei Tage verlassen. Erst des Abends und zur Zeit der Nacht gehen sie ihrer Nahrung nach, die bei der bei weitem grösseren Zahl mehr in Pflanzen als in Thieren, und nur bei sehr wenigen ausschliesslich in Thieren bestellt. Unter den Pflanzen bilden allerlei Früchte, Übst und saftige Wurzeln, Gras- und andere Pflanzenwurzeln, ja selbst Samen ihre Hauptnahrung. Von Thieren sind es bald kleine Säugethiere, oder Vögel die auf der Erde nisten, bald Amphibien, Insecten und ihre Larven, bisweilen aber auch Regenwürmer, Nacktschnecken undScbneckeneier, die ihnen zur Nahrung dienen. Nur sehr wenige Arten stellen, wenn sie Mangel an Nahrung haben, auch dem ganz jungen Hausgeflügel, und wie man behauptet, selbst den Eiern nach. Alle halten sich nur auf dem Boden auf und keine Art kann klettern oder springen. Überhaupt sind ihre Bewegungen langsam, schwerfällig und träge und beim Gehen treten 407 alle mit der ganzen Sohle auf, wobei sie beständig mit der Nase auf dem Boden umherselmuppern. Jene, welche in nördlicheren Gegenden wohnen, bringen die kalte Zeit in einem unterbrochenen Winterschlafe zu, wobei sich Männchen und Weibchen von einander trennen und für sich abgesondert eine Höhle graben; und ebenso verschlafen auch sehr wenige von den den Tropenländern eigenthiimlichen Arten, die ganze trockene Zeit während des Winters jener Länder, und zehren während dieses Schlafes , ohne irgend eine Nahrung zu sich zu nehmen , blos von ihrem eigenen Fette. Die allermeisten haben die Eigenthümlichkeit, sich fest zu einer Kugel zusammen zu rollen, wobei sie die Schnauze an den Bauch andrücken und nach allen Richtungen ihre Stacheln sträuben. In dieser Stellung schlafen sie, und nehmen sie auch jedes- mal an, wenn ihnen Gefahr droht, und selbst schon bei dem geringsten Geräusche, Sie sind furchtsam, olme Spur einer Intelligenz, und die meisten zeigen sich nicht nur gefühllos bei Schmerz, sondern haben auch ein überaus zähes Leben. Unter ihren Sinnen sind der Geruch und das Gehör am schärfsten, das Gesicht am wenigsten ausgebildet. Ihre Stimme besteht theils in einem dumpfen Gemurmel und in heise- ren quickenden Tönen , theils in einem hellen Schnalzen. Die Zahl ihrer Jungen, welche blindgeboren werden, beträgt zwischen 3 — 18, die von ihren Müttern sorglich gepflegt und gegen die Angriffe anderer Thiere selbst muthig vertheidiget werden. Alle Arten sind sehr leicht zu zähmen, obgleich manche die Gefangenschaft nur kurze Zeit ertra- gen. Sie verbreiten durchgehends einen widrigen, bisamähnlichen Geruch und sind meistens auch unrein. Von einigen wird das Fleisch gegessen und von manchen auch die stachelige Haut zum Karden der Tücher und zum Hecheln des Hanfes benützt, so wie von einer Art auch Blut, Eingeweide und Fett, insbesondere in früheren Zeiten, als Heilmittel verwendet wurden. Alle dieser Familie angehörigen Arten sind nicht nur allein vollkommen unschädlich, sondern selbst sogar nützlich, da sie eine grosse Anzahl wirklich schädlicher Thiere ver- nichten, und einige wenige werden daher selbst in Häusern zur Ver- tilgung von Mäusen und Küchenschaben gehalten. 1 . Gattung-. Igel (Erinaceus). Der Rücken ist mit ziemlich langen, harten Stacheln, der Bauch und Vorderkopf mit Borsten bedeckt. Die Schnauze ist etwas verlän- gert und endiget in eine über die Unterlippe hervorragende spitze 408 Nase. Die Ohren sind /icnilieli kiir/,, selten etwas verlängert. Der Schwanz ist sehr kurz. Vorderzähne sind im 01)er- und Unterkiefer 6 vorhanden. Die Stacheln sind einfach gefurcht. Der Körper ist einrollbar. Vorder- und Hinterfüsse sind fünfzehig. Der gemeine Igel ( Erinaceus europaemj. (Fig. 79.) Der gemeine Igel ist eines der nützhchsten Thiere aus der zahl- reichen Ordnung der Raubthiere, und kommt in seiner Lebensweise sehr viel mit dem gemeinen Dachse überein. Sein Kopf ist kegel- förmig, nicht sehr lang, und endiget in eine zugespitzte, rüsselförmige Schnauze, welche die Unterlippe überragt und an ihrer Spitze abge- stumpft und eingekerbt ist. Die Nasenlöcher, welche an der Seite der Schnauze liegen, sind länglich und durch einen kurzen, gefalteten, hautartigen Kamm ausgezeichnet, der an ihrer unteren und äusseren Seite hervorragt und durch den umgeschlagenen Rand derselben gebildet wird. Die Augen, welche den Ohren etwas näher als der Schnauzenspitze stehen, sind klein und ziendich weit hervorstehend, die Ohren ziemlich kurz, breit, abgerundet und aufgerichtet. Der Hals ist kurz und mit dem Leibe fast von gleicher Dicke, der Leib gedrun- gen und dick, allenthalben von gleichem Umfange, und der Rücken flach gewölbt. Die Beine sind kurz und stark, die Vorderfüsse etwas stärker, breiter und kürzer als die Hinterfüsse, und die Zehen lang, dick und vollkommen getrennt. Die Innenzehe ist kürzer. Die Krallen sind stark, lang und scharf, an den Hinterfüssen länger und am längsten an der zweiten Zehe, während sie sich gegen die Aussenzehe allmählich verkürzen. Der Schwanz ist sehr kurz, etwas länger als der halbe Kopf, dünn, herabhängend und stumpf. Der ganze Obertheil des Körpers ist mit unregelmässig gestellten, der Länge nach einfach fein gefurchten, spitzen, harten Stacheln besetzt, deren Länge ungefähr 1 Zoll oder etwas darüber beträgt, und welche auch an dem in der Körperhaut stecken- den Ende spitzig siiul. Der Kopf, von der Nase an bis zur Mitte der Stirne, ist so wie der ganze Unterleib mit steifen, borstigen Haaren bedeckt, während die Seilen des Leibes und dos Halses mit dickerem Borstenhaare bekleidet sind. Die wenigen Schnurren sind kurz und nach rückwärts gerichtet, die Ohren dünn behaart und von den Stacheln zum Theile gedeckt. Die Füsse sind gleichfalls schwach behaart, der Schwanz ist beinahe kahl, und Sohlen und Nasenkuppe 409 sind vüllkomiiieii nackt. Die Farbe des Kopfes ist graulichgell», nach der Stirne zu lieller, indem hiass röthlichgelhe Haare mit vollkommen weissen gemischt sind. Auf der Oberlippe befindet sich über der Nase ein dunkelbrauner, mit weisslichem Haare gemengter Flecken, der sich bis an den Mundwinkel zieht, und von da einen schmalen Strei- fen aussendet, der das Auge ringförmig umgibt. Unter demselben steht ein runder weisslicher Flecken. Die Unterlippe ist gleichfalls dunkel- braun , mit weisslichen Haaren. Die Ohren sind weisslichgrau. die Seiten des Halses und des Leibes, die Aussenseite der Beine und der Schwanz licht röthlichgelb, etwas in's Graue fällend, welche Färbung am Schwänze etwas dunkler ist, indem die einzelnen Haare hier auf der Oberseite mehr in's Schwärzliche, auf der Unterseite mehr in's Röthliche ziehen. Die ganze Unterseite ist weisslichgrau, mit einem schwach röthlichgelben Anfluge auf der Brust und dem Bauche, und ein schwärzlicher Flecken steht in der Gegend der Brust und des Afters. Die Färbung der Oberseite des Körpers besteht in einem bald helleren, bald dunkleren Braun, je nach der willkürlichen Richtung und Lage der Stacheln, die an ihrem Grunde weisslichgrau, über ihrer Mitte dunkelbraun und an der Spitze abermals weisslichgrau geringelt sind. Die Nasenkuppe, die Zitzen, Füsse, Sohlen und Krallen sind schwarz, die Augen schwarzbraun. Das Weibchen unterscheidet sich vom Männchen, ausserdem dass es dasselbe an Grösse etwas über- trifft, durch eine spitzere Schnauze, stärkeren Leib, lichtere, mehr in's Graue fallende Färbung, und eine nicht so tief herab mit Stacheln besetzte Stirne, wodurch der Kopf auch etwas länger erscheint. Die Jungen kommen in Ansehung der helleren Färbung und der spitzeren Schnauze mit den Weibchen überein. Die Körperlänge erwachsener Thiere beträgt 10 Zoll, die Länge des Schwanzes 1 1 Linien, die Höhe am Widerrist 5 Zoll. Die Jäger unterscheiden an sehr vielen Orten, so wie diess auch beim gemeinen Dachse der Fall ist, zwei Abarten des Igels; den Hundsigel, mit stumpferer Schnauze, dunklerer Färbung und von geringerer Grösse, und den Schweinsigel, mit spitzerer Schnauze, hellerer Färbung und von etwas vorwaltender Grösse. Offenbar beruhen aber diese Unterschiede nur auf dem Geschlechte. In manchen Gegen- den wird hingegen behauptet, dass der Schweinsigel der kleinere sei, und dann sind es offenbar nur junge Thiere, welche zu dieser Behauptung Veranlassung gegeben haben. Eine sehr selten vorkom- mende Varietät des gemeinen Igels ist aber die vollkommen weisse 410 Abart, welche als ein Albino betrachtet werden muss. Die Verbreitung des gemeinen Igels erstreckt sich über ganz Europa, mit Ausnahme der kältesten Länder, bis an den Ural oder Jaik in Asien, reicht aber nicht über denselben hinüber, daher er in Sibirien fehlt. Dagegen findet er sich in Syrien, wo er eben so wie in der Krimm eine bedeutendere Grösse erlangt. In den europäischen Alpen steigt er ziemlich hoch empor, fehlt aber in den höheren Karpathen. Obgleich er fast allent- halben sehr gemeiji ist, so wird er doch am häufigsten in Russland getroffen. Er findet sich sowohl im Flachlande als im Gebirge, in Wäl- dern, Auen, auf Felde'rn und in Gärten. Im Sommer hält er sich am liebsten in Laubhölzern unter Gebüsche, oder in faulen, an der Wurzel ausgehöhlten Bäumen auf; doch trifft man ihn auch in Gärten unter Hecken, in aufgeworfenen Haufen von Mist und Laub, oder in Löchern der Umzäunungsmauern, und auf offenem Felde im Getreide und in Steinhaufen. Findet er nicht eine schon vorhandene Höhle, in der er sich verbergen kann, so gräbt er sich mit Hülfe seiner scharfen Krallen und seines kräftigen Rüssels selbst eine Wohnung in die Erde, und füttert sie mit Stroh, Heu und Laub aus. Eine solche selbst gegrabene Höhle reicht ungefähr 1 Fuss tief in die Erde und ist mit zwei Ausgängen versehen , von denen der eine in der Regel gegen Mittag, der andere gegen Mitternacht gerichtet ist. Diese Aus- gänge verändert er aber zuweilen , je nach der Strömung der Luft. Im hohen Getreide dagegen gräbt er sich nur selten eine Höhle, sondern errichtet sich meist nur aus Halmen eine Art von Nest, das ihm zur Lagerstätte dient. Der gemeine Igel wohnt oft viele Jahre in einer und derselben Höhle, und nur wenn er verscheucht wird, gräbt er sich eine neue. Er lebt paarweise mit seinem Weibchen zusammen, doch nur zur Zeit des Frühjaln*es, des Sommers und des Herbstes. Gegen den Winter gräbt sich aber jedes eine besondere Höhle unter Baumwurzeln, im dichten Gesträuche, unter Hecken, Gartenhäusern und Mauern. Zur Zeit, wo er mit seinem Weibchen zusammenlebt, liegt er mit demselben gemeinschaftlich auf einem Lager, und häufig spielen sie unter sich tlieils in ihrer Höhle selbst, theils vor den Ausgängen derselben, im abgefallenen Laube, wo sie sich gegenseitig jagen, verstecken oder necken. \N'ährend des Herbstes tragen sie sich Stroh, Heu, Laub und Moos zu grossen Haufen zusam- men, füttern mit denselben nach und nach sorgfältig ihr Lager aus, und verscharren sich schon heim Eintritte des ersten starken Frostes 411 tief in dasselbe, um hier die kalte Zeit bis zum Eintritte des warmen Frühlings in einer Art von Betäubung zuzubringen, die in einem unter- brochenen Winterschlafe besteht. Während dieser Zeit, wo sie keine Nahrung zu sich nehmen und blos durch innere Aufsaugung ihres eige- nen Fettes sich ernähren, liegt jedes abgesondert in seiner eigenen Höhle in zusammengeballter Stellung, wobei sie sich die Schnauze an den Bauch andrücken und gleichsam zu einer Kugel zusammengerollt sind. Der gemeine Igel führt eine fast vollkommen nächtliche Lebens- weise, da er in der Regel den ganzen Tag schlafend in seiner Höhle zubringt, und erst des Abends aus derselben hervorkommt, um die ganze Nacht hindurch seiner Nahrung nachzugehen. Nur bei grösster Stille wagt er es auch zuweilen, bei Tage seine Höhle zu verlassen. Doch ent- fernt er sich, wenn er in's freie Feld zieht, weiter von seiner Höhle als der Dachs, und kehrt des Morgens wieder zu seiner Wohnung in das Gehölze oder unter Hecken zurück. Seine Nahrung besteht theils in Thieren, theils in Pflanzen, doch scheint er erstere den letzteren vorzu- ziehen. Gierig jagt er Haus-, Wald- und Feldmäusen nach und fängt mit grosser Schlauheit auch die Maulwürfe zusammen, wenn sie im Frühjahre und im Herbste aus ihren Gängen kommen. Kleine Vögel, welche unter Hecken auf dem Boden schlafen oder nisten, überfällt er im Schlafe, um sie zu verzehren. Von Amphibien jagt er den Fröschen und Kröten, der Blindschleiche, ja selbst den Nattern und sogar der giftigen Kreuz- otter nach, die er unbeschadet ihres sonst oft tödtlichen Bisses ver- zehrt. Schlangen versetzt er in der Regel plötzlich einen Biss, wenn er auf sie trilTt, rollt sich dann zusammen, und wiederholt diess so oft, bis das Thier durch Zerbrechung seiner Wirbelsäule gelähmt ist, wo er es dann vom Schwänze an verzehrt. Ausserdem hascht er aber auch eine grosse Menge von Heuschrecken, Grillen, Küchenschaben, Mai- und Mistkäfern, so wie von vielerlei anderen Insecten und deren Larven zusammen, und geniesst selbst ohne irgend einen Nachtheil den Pflasterkäfer oder die sogenannte spanische Fliege, deren Genuss anderen Thieren die heftigsten Convulsionen und häufig selbst den Tod herbeiführen würde. Aber auch Nacktschnecken und Regen- würmer verschmäht er nicht, wenn er zufällig auf seinen Wegen auf sie triffst. In Gärten sucht er das abgefallene Obst, vorzüglich Birnen, Äpfel und Pflaumen zusammen, und richtet nicht selten auch seine Aus- flüge nach den näher gelegenen Weinbergen, um die Beeren von den Trauben abzufressen. Auf Feldern gräbt er sich saftige Wurzeln, wie 412 Pastinak und Möhren aus, und l'risst auch selbst Getreide, wenn es ihm an anderer, willkommenerer Nahrung gebricht. Quecken- und Wegerichwurzein weiss er so geschickt auszugraben, dass die Blätter unverändert in ihrer Stellung auf dem Boden bleiben. Sein Gang ist träge, plump und schwerfällig, und er tritt dabei mit ganzer Sohle auf. Auf allen seinen Wanderungen schnuppert er mit seiner Nase, gleich wie ein Spürhund, beständig auf dem Boden und beriecht jeden Gegen- stand, auf den er trifft. Unter fortwährendem Zucken seines Rüssels trieft ihm stets helles Wasser aus Mund und Nase, und es wird behauptet, dass er dieser Spur auf dem Rückwege zu seiner Woh- nung folgt. So ausgezeichnet scharf auch sein Geruch und sein Gehör sind, so schwach ist sein Gesicht, und es ereignet sich nicht selten, dass der Igel dem Jäger, der ruhig und still auf dem Anstände dem Wilde auflauert, geradezu entgegen kommt, und nicht eher nach der nächsten Hecke flieht, bis er mit seinem Rüssel an dessen Fuss anstösst. Seine Stimme, welche bald in einem dumpfen Gemurmel oder in heiseren quickenden Tönen, bald aber auch in einem hellen Schnalzen besteht, lässt er nur vernehmen, während er mit seines Gleichen im abgefallenen Laube spielt, zur Brunstzeit, oder auch wenn er sich geängstiget fühlt. Bei dem geringsten Geräusche rollt er sich zu einer Kugel zusammen und wartet ab, ob seine Furcht gegründet war. Hierbei zieht er den Kopf und die Beine an den Bauch, und rollt sich mit Hülfe seiner dicken, durch sehr starke Muskeln unterstützten Rückenhaut, mit grosser Kraft zusammen, wobei er die Haut des Rückens so auszudehnen vermag, dass er sich mit derselben gleich wie in einen Sack einhüllt. In dieser Lage sträuben sich die Stacheln seiner Haut nach allen Seiten und gewähren ihm einen sicheren Schutz gegen die Angriffe der allermeisten Raubthiere, denen er ohne diese Walle unfehlbar erliegen müsste. Nur der schlaue Fuchs besitzt ein Mittel, ihn zum Aufrollen zu zwingen und ist daher sein ärgster Feind. Er besudelt ihn nämlich, imd zwar vorzüglich zur Zeit des Winters, wo er in Ermangelung anderer Nahrung nach den Höhlen des Igels seine Zuflucht nimmt, anhaltend mit seinem stinkenden Harne, wodurch es ihm gelingt, den Igel zu entrollen, und ihn dann ruhig tödten und verzehren zu können. Dasselbe kann man auch bewirken, wenn man ihn, vorzüglich gegen die Bauchseite zu, stärker mit Wasser begiesst oder unter Wasser taucht. Wahrscheinüch ist es die in die Nasen- löcher eindringende Flüssigkeit, welche den Igel zu athmen verhindert 413 und ihn daher zwingt, seine eingenommene Stelkmg aufzugeben. Durch keine andere Gewalt ist man im Stande, den Igel zum Aufrollen zu zwingen. Dass Bären und Wölfe den Igel fressen, und dasselbe Mittel anwenden wie der Fuchs, bedarf noch sehr der weiteren Bestätigung. Auch nur sehr gute Hunde wagen sich an ihn und zerreissen ihn, obgleich ihn alle Hunde wüthend anbellen und dadurch ihre natürliche Feindschaft gegen ihn zu erkennen geben. Durch seine Stacheln ist er aber nicht blos vor AngriflPen geschützt, sondern ist auch vor jeder Ver- letzung gesichert, selbst wenn er eine 12 — 14Fuss hohe Mauer hinab- stürzt. Der gemeine Igel ist furchtsam, ohne alle Intelligenz, und zeigt eine fast an's Unglaubliche grenzende Gefühllosigkeit bei Schmerz; denn selbst bei der stärksten Verwundung gibt er keinen Laut von sich. Nur wenn er Junge hat, verwandelt sich seine ihm eigcnthüm- liche Furcht in Muth, und er vertheidiget sich dann muthig selbst gegen Hamster, wenn sie in seine Nähe kommen. Die Zeit der Paa- rung beginnt mit Ende März und währt bis Anfangs Juni. Nach Verlauf von sieben Wochen wirft das Weibchen, in der Zeit vom Anfange des Mai bis zum Anfange des August, gewöhnlich 4 — 6, zuweilen aber nur 3, oder auch selbst 8 blinde Junge. Meist errichtet es hierzu sein Lager in Gärten, in Mist-, Laub- und Mooshaufen, oder im Gesträuche und unter dichten Hecken und Zäunen, bisweilen aber auch in Getreide- feldern, und füttert dasselbe mit zerbissenem Grase aus. Die neu- geborenen Jungen, welche 21/3 Zoll in der Länge haben und mit hän- genden Ohren versehen sind, sind anfangs weiss und fast gänzlich nackt, indem sie kaum irgend eine Spur von Stacheln zeigen. Erst nach 24 Stunden sprossen die noch weichen, weissen Stacheln aus der Haut hervor, und erreichen bald eine Länge von 4 Linien, wo sie auch dann erhärten. Später erlangen die jungen Igel erst die Fertig- keit sich zusammenzurollen und die Kopfhaut bis gegen die Schnauze hinabzuziehen. Die Jungen werden von der Mutter 4 Wochen lang gesäugt und von ihr sorglich gepflegt, indem sie ihnen später Regen- würmer und Nacktschnecken, so wie auch abgefallenes Obst als Nah- rung in ihr Lager bringt. Gegen den Herbst sind sie schon so weit, dass sie selbst ihre Nahrung zu sich nehmen können, und so wie die Alten, sind auch sie gegen den Winter zu sehr fett, da sie sich während des Herbstes reichlich mit Obst gefüttert haben. Auch sie bringen die kalte Zeit im Winterschlafe zu, und zehren dann von ihrem eigenen Fette , indem sie durchaus keine Nahrung zu sich nehmen. 414 Erst im zweiten Jahre sind sie völlig ausgewachsen und selbst zur Fortpflanzung geeignet. Das Lebensalter, welches der gemeine Igel erreiclit, beträgt 8 — 10 Jahre. Die Jungen, welche man leicht mit Milch und Hrod aufziehen und erhalten kann, werden dann später häufig in Häusern zum Fangen der Mäuse statt der Hauskatze, oder auch zur Vertilgung der Küchenschaben verwendet. In der That ist der Igel auch das sicherste Mittel, diese so lästigen Insecten aus den Küchen zu vertreiben. Haben dieselben in den menschlichen Woh- nungen auch noch so sehr überhand genommen, so reicht ein einziger Igel hin, die ganze Masse in kürzester Zeit aufzuzehren und ihre Brut vollständig auszurotten. Aber auch in Scheunen, Ställen und auf Korn- böden leistet er nützliche Dienste, indem er daselbst die Mäuse vertilgt, und wo er reichliche Nahrung findet, ist es nicht nöthig, ihm irgend etwas anderes als Milch oder Wasser vorzusetzen. Gebricht es ihm aber an Nahrung, so stellt er ganz jungen Hühnern, Enten und Gänsen, und wie man behaupten will, auch den Eiern nach. Unangenehm macht ihn nur seine Unreinlichkeit, der widrige, fast bisamähnliche Geruch, den er verbreitet, und das nächtliche Gepolter, welches sein Gang verursacht, wenn er in Zimmern gehalten wird oder sich in dieselben einschleicht, indem er dadurch häufig ein Störer der nächtlichen Ruhe und wahrhaft lästig wird. Gibt man ihm Wein, den er keines- weges verschmäht, so wird er bald berauscht, und macht die sonder- barsten Geberden und Sprünge. Man hat an Igeln, welche in der Gefangenschaft gehalten wurden, mancherlei Versuche angestellt, welche die ausserordentliche Zähheit seines Lebens beweisen, indem er nicht nur allein überhaupt schwer zu tödten ist, sondern auch allen, selbst den stärksten Giften widersteht. Bringt man ihn mit der giftigen Kreuzotter zusammen, die er sogar sehr gerne frisst, so rückt er auf sie los, wie er sie nur sieht, beschnuppert sie, vorzüglich am Rachen, und kneipt sie mehrmals mit den Zähnen, ohne sie jedoch sogleich zu packen. Unter heftigem Gezische fährt die Schlange wüthend auf ihn los und versetzt ihm wiederholte Bisse in die Ohren, Lippen, Nase oder Zunge, ohne dass der Igel jedoch sich hierdurch im Min- desten belästiget fühlt. Erst wenn die Wuth der Schlange nachlässt und ihr Rachen durch die Stiche der Stacheln blutet, fasst er sie am Kopfe, zermalmet ihn, und frisst diesen zuerst, den übrigen Leib aber später. Doch alle diese Wunden, welche der Igel bei jenem Kampfe erhalten und deren er oft 8 — 12 an den sonst empfindlichsten Theilen 415 aufzuweisen hat, bewirken bei ihm nicht nur allein keinen krankhaften Zustand, sondern nicht einmal auch nur die geringste Geschwulst; während bei den allermeisten Thieren und auch beim Menschen, eine einzige solche Bisswunde hinreichen würde, ihnen heftige Krankheits- anfälle und nicht selten sogar den Tod zuzuführen. Auch die noch saugenden Jungen widerstehen diesem Gifte. Reicht man ihm spanische Fliegen, so verzehrt er sie in ansehnlicher Menge, ja zu Hunderten, ohne das geringste Übelbefinden, obgleich diess anderen Thieren unfehlbar den Tod bringen würde, und der Genuss einer einzigen, einem Hunde oder einer Katze die fürchterlichsten Schmerzen verur- sacht. Kröten fasst er an den Hinterbeinen und frisst ihnen allmählich dieselben ab, um sie an jeder Flucht zu hindern, bis er endlich an den Leib geht, der dick mit ätzendem weissem Schaume überdeckt ist. Eben so wenig ist es möglich, den Igel durch Opium, Arsenik, Subli- mat, oder auch selbst durch Blausäure zu tödten, selbst wenn sie in grösseren Gaben ihm beigebracht werden. Da der Igel wirklich zu den nützlichen Thieren gehört, indem er eine Menge von Haus- und Feld- mäusen und manche schädliche Insecten in grosser Anzahl vernichtet, und kaum irgend einen erheblichen Schaden verursacht, so wird ihm auch nicht nachgestellt, um ihn zu vertilgen. Man fängt ihn blos, um ihn in Häusern zu verwenden, und kann sehr leicht seiner habhaft werden. Entweder gräbt man ihn aus seiner Höhle aus, oder lauert ihm in der Gegend seines Lagers, zur Zeit der Abenddämmerung oder bei mondhellen Nächten auf. Bemerkt man ein Geräusch, so braucht man nur mit einem Stocke an eine Hecke oder einen Baum zu schlagen, und kann gewiss sein, daselbst einen zusammengerollten Igel aufzu- finden, den man blos von dem Boden aufzuheben und in einem Tuche nach Hause zu tragen braucht. Das Fleisch des Igels kann gegessen werden und soll am wohlschmeckendsten im Herbste sein, wo er sich grösstentheils von Obst genährt und sehr fett geworden ist. In früherer Zeit wurde es häufig in England, aber auch auf dem Festlande genossen, und zwar in Spanien sogar zur Fastenzeit, so wie das Fleisch der Fisch- otter, da man daselbst den Glauben hatte, dass sich der Igel blos von Kräutern nähre. In alter Zeit hat er auch in der Medicin eine Rolle gespielt, indem man nicht blos sein Blut und manche seiner Einge- weide, ja selbst seinen Mist als Heilmittel benützte, sondern sogar das ganze Thier, wenn es zu Asche gebrannt worden war; und selbst heut zu Tage wird seinem Fette in vielen Gegenden eine besondere 416 Heilkraft zugeschrieben. Seine stachelige Haut benützten schon die alten Römer zum Karden ihrer wollenen Tücher und sie bildete bei ihnen einen so l)edeutenden Gegenstand des Handels, dass man sich Reichthum damit erwerben konnte und der Verkehr sogar durch Senatsbeschlüsse geregelt werden musste. Auch jetzt wird sie noch in manchen Gegenden als Hechel oder Bürste bei Reinigung des Hanfes verwendet. So wie bei vielen unserer europäischen Thiere, so bestehen auch beim Igel mancherlei Vorurtheile und Fabeln unter dem Land- volke, und selbst auch unter Jägern. So hat man behauptet, dass er den Kühen des Nachts die Milch aus ihren Eutern sauge, eine Sage, welche vorzüglich in England vielen Glauben gefunden hat. Eben so unwahr ist die Behauptung, dass er in Weingärten die von den Trau- ben abgerissenen Beeren zerstreue und sich so lange mit dem Rücken auf dem Boden wälze, bis er alle Beeren an seinen Stacheln aufge- spiesst, um dann nach seiner Wohnung zu eilen, sie daselbst abzu- schütteln und als Wintervorrath anzusammeln; eine Sage, die man auch auf die Art und Weise, wie er abgefallene Birnen, Apfel und Pflaumen eintragen soll, häufig übertragen hat. Da diese letztere Behauptung aber selbst von manchen, sonst für glaubwürdig gehal- tenen Personen bestätiget wird, welche sogar Augenzeugen davon gewesen sein wollen, so ist es wahrscheinlich, dass nur zufällig auf ihn gefallenes Obst von seinen Stacheln aufgespiesst wurde. Der Igel, welcher bei den Kaimucken als Hausthier gehalten wird, gehört einer anderen Art und selbst einer verschiedenen Gattung an. 2. Gattung. Borsteiiigel (Centetes). Der Rücken ist mit nicht sehr langen, weichen und mit Borsten untermengten Stacheln, der Bauch und Vorderkopf mit Haaren bedeckt. Die Schnauze ist sehr stark verlängert und endiget in eine über die Unterlippe hervorragende spitze Nase. Die Ohren sind kurz. Der Schwanz fehlt gänzlich. Vorderzähne sind im Oberkiefer 4, im Unter- kiefer 6 vorhanden. Der Körper ist nicht einrollbar. Vorder- und Hinterfüsse sind fünfzehig. Der Taurek oder geiiicme Borstcuigel (Cenietes ecaudatus). (Fig. 80.) Der Tanrek ist etwas schlanker und hochbeiniger als der gemeine europäische Igel und hat eine auffallend schweinähnliche Gestalt. Sein 417 sehr langer Kopf, welcher ein Drittel der ganzen Körperlänge ein- nimmt, ist hinten dick und verschmälert sich nach vorne in eine lange, zugespitzte Schnauze, welche die Unterlippe üherragt. Die Mundspalte ist ziemlich klein. Die Ohren sind kurz, rundlich, hin- ten ausgehuchtet, und grösstentheils kahl. Die Augen sind klein. Der Hals ist kurz und dünner als der Leib, welcher etwas gestreckt und untersetzt ist. Die Beine sind ziemlich nieder, die hinteren nur wenig länger als die vorderen. Die Innenzehe ist nicht viel kürzer als die Aussenzehe und die Mittelzehe etwas länger als die übrigen, welche nach aussen an Länge abnehmen. Die Krallen sind von mitt- lerer Stärke. Der Körper ist ziemlich dicht mit Stacheln, Borsten und Haaren bekleidet, so dass die Haut nur an wenigen Stellen sichtlich ist. Wahre, aber nicht sehr harte und schwach biegsame Stacheln, von einem halben Zoll Länge und darüber, finden sich nur am Hinter- kopfe, wo sie eine Art von Schopf bilden